Sierra Leone - Anreise und „Der Erste Eindruck“
Der Flug von Frankfurt nach Ghana dauert sechs Stunden. Es gibt zur Zeit keinen direkten Flug nach Sierra Leone. Von Ghana aus fliegt man am nächsten Morgen mit der UNHAS (United Nations Humanitarian Air Service) über Liberia nach Sierra Leone. Der Flughafen liegt nicht direkt in Sierra Leones Hauptstadt Freetown, sondern einige Kilometer entfernt. Man kann diese Strecke entweder im Landcruiser zurücklegen und benötigt mehrere Stunden oder per Wassertaxi quer durch die Bucht von Freetown.
Doch zunächst einmal muss man die wenigen Kilometer vom Flughafen zum Wassertaxi im Shuttle-Bus zurücklegen: Es ist unglaublich heiß und schwül. Außerdem bin ich müde, denn die Nacht in Ghanas Hauptstadt Accra war sehr kurz. In dem Shuttle-Bus ist es noch enger wie im Flugzeug und die Straßen über die der Bus kriechen muss sind grauenvoll. Es geht nur im Schritttempo voran. Schneller und der Bus würde auseinanderbrechen. Die Schlaglöcher sind riesig. Man kann sich wirklich darin verstecken. Es gibt so viele davon, dass der Bus ihnen unmöglich allen ausweichen kann. Neben und auf der Piste liegt überall Müll herum. Nicht nur ein Stück Papier, sondern riesige Mengen Plastikmüll. Und neben der Straße die Hütten. Als ich genauer hinschaue entdecke ich, dass Teile des Mülls gar kein Müll sind, sondern Behausungen, in denen Menschen leben. Aber unter was für erbärmlichen Umständen?! Nun klar, mir war schon bewusst, dass Sierra Leone zu einem der ärmsten Länder der Welt gehört. In den Nachrichten sieht man oft Bilder von Menschen, die in menschenunwürdigen Behausungen vor sich hinvegetieren. Aber diese Bilder aus den Nachrichten sind auf einem Real. Und nicht nur die Bilder. Der Gestank und die Hitze schnüren mir fast den Hals zu. Ich muss wirklich kämpfen, damit ich die Fassung bewahre. Dann erreichen wir das Wassertaxi.
Weil die Plätz an Bord nur begrenzt sind, müssen meine Kameradin Iris und ich warten bis das Shuttle die erste Fuhre nach Freetown gebracht hat. Zeit, um etwas Schönes an diesem Ort zu suchen. Wir werden schnell fündig. Der Strand ist wunderschön! Sandstrand mit Palmen. Die perfekte Umgebung, so wie man es aus dem Katalog kennt. Allmählich beruhige ich mich und bekomme Appetit auf meine mitgebrachten Schokokekse. Ich packe eine Rolle aus und stelle fest, dass man mit Schokokeksen überall eine Brück zu anderen Leuten aufbauen kann. Schnell kommen Iris und ich mit den Leuten vom Wassertaxi ins Gespräch, während jeder um uns herum andächtig an seinen Keksen nagt. Die Leute packen ein Brettspiel aus und ich setze mich einfach mal dazu und beobachte. Nebenbei fragen mich die Leute über Thomas Müller, Mesut Özil und die deutsche Nationalmannschaft aus.
„Welches ist Dein Verein?“ fragt mich einer. „Stuttgart“ antworte ist. Da hören die beiden am Brettspiel auf und schauen mich ganz fassungslos an. „Stuttgart…?“ ruft einer. „Aber die sind doch bald in der zweiten Bundesliga!?“
Bähm, das hat gesessen. Die Jungs hier wissen mehr über deutschen Fußball als ich. Nun gut, die Sache mit dem VfB war mir auch bekannt und ich drücke auch immer fleißig die Daumen. Aber genau dies war der Punkt, an dem mir klar wurde, dass Sierra Leone irgendwie ein wirklich interessantes und tolles Land sein muss.
Ich beschreibe diese Szene mit dem VfB so ausführlich, weil dies für mich wirklich der Punkt war, an dem ich gemerkt habe: Das hier wird gut werden!!
Sierra Leone - Base of operation (BoO) Makeni
Als Base of Operations (BoO) wird im Fachjargon der Vereinten Nationen der zentrale Stückpunkt bezeichnet, von dem aus alle Aktivitäten gestartet und koordiniert werden. In unserem Fall waren wir im Gästehaus von MADAM in Makeni untergebracht. Makeni liegt ziemlich zentral im Landesinneren von Sierra Leone. Die Stadt mit über 80.000 Einwohnern und eigener Universität liegt ca. 120 km nordöstlich von Freetown.
Unsere Unterbringung erfolgte im Gästehaus der Hilfsorganisation MADAM (MADAM - Mankind's Activities for Development Accreditation Movement). Dies ist eine NGO aus Sierra Leone, die in der Hauptsache die Aus- und Weiterbildung von Kindern und Jugendlichen fördert. Hilfe zur Selbsthilfe ist das Kredo von MADAM.
Jugendliche können vor Ort unter anderem eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker machen, oder die Hauswirtschaftsschule besuchen. Beides ergab ideale Rahmenbedingungen als Unterkunft für das THW in dieser Zeit.
Im Gästehaus fand jeder der THW Einsatzkräfte ein eigenes Zimmer, das (aus meiner Sicht) keine Wünsche offenließ. So gab es Klimaanlage, Dusche und ein gemütliches Bett.
Frühstück gab es im Restaurant von MADAM und Abendessen kochten wir als THW´ler gemeinsam. Wenn wir nicht alle zu müde waren und deswegen zum Essen ausgegangen sind.
In der Werkstatt ergänzte das THW die dort bereits vorhandene Infrastruktur mit weiterer Ausstattung. Vor dort wurden die einzelnen Projekte vorbereitet und koordiniert.
Projekt DERC, Tonkolili
Der Begriff DERC steht für (District Ebola Response Centre). In jedem Distrikt des Landes (vergleichbar mit Landkreisen bei uns) wurde solch ein Lage-Zentrum eingeführt. In der Hauptsache ging es in den Einrichtungen um die Koordination der Ebola-Hilfe. Verantwortlich für DERC ist die Regierung.
In diesem Projekt ging es um die Unterstützung bei der Elektroversorgung. Wie in weiten Teilen des Landes gibt es elektrische Energie fast nur über Diesel-Generatoren. Ein öffentliches Stromnetz existiert nur in geringem Umfang und ist oft von Störungen geplagt. Im DERC hatte eine Hilfsorganisation bereits einen neuen Generator aufgestellt. Dieser konnte jedoch nicht in Betrieb genommen werden, da die Wicklungen nicht richtig miteinander verschaltet waren. Ziel des Projektes war es, den Generator auf 3-Phasen Wechselspannung umzubauen, um damit die Gebäude zu versorgen.
Leider gab es zu dem Generator keine Dokumentation. So dass ich mir erst einmal mittels Durchgangsprüfer und Skizze ein Bild machen musste. Der Umbau verlief erfolgreich.
Projekt Wasserwerk, Kambia
Bei dem Wasserwerk in Kambia handelt es sich ursprünglich um ein Entwicklungshilfeprojekt der japanischen Regierung. Das Wasserwerk dient zur Versorgung der 40.000 Einwohner Stadt Kambia in der nördlichen Provinz von Sierra Leone. Die Japaner haben vor einigen Jahren das Wasserwerk errichtet und anschließend an die lokale Bevölkerung als Betreiber übergeben. Da das Wasserwerk weit außerhalb der Stadt liegt, gibt es keine öffentliche Stromversorgung. Aufgrund zu geringer Wartung der Generatoren kam es jedoch immer häufiger zu Ausfällen der Maschinen.
Meine Aufgabe war es, mit den lokalen Kräften vor Ort die entsprechende Wartung durchzuführen und vor allem sicher zu stellen, dass die Leute diese Wartung in Zukunft selbstständig durchführen können. Hierzu habe ich mir beim ersten Besuch einen Überblick über die Anlage verschafft. Anschließend habe ich immer wieder nach Feierabend noch an Unterlagen gearbeitet, die jeden Schritt zur Wartung ausführlich mit Bildern erklären. Beim zweiten Besuch gab es dann ein Training mit den Leuten vor Ort. Ich denke mit dem Training und den Unterlagen sind die Leute dort jetzt gut aufgestellt und können in Zukunft die Maschinen ordentlich pflegen.
Projekt Don Bosco, Bo
Dieses Projekt war für mich eigentlich das schönste Projekt während meiner gesamten Zeit in Sierra Leone. Wenngleich auch mit Abstand das anstrengendste.
Die Stadt Bo ist mit ihren 150.000 Einwohnern nach Freetown die größte Stadt in Sierra Leone. Sie liegt ungefähr 150km südlich von Makeni. Die Fahrt dorthin ist sehr anstrengend, weil weite Teile der Straße über eine sehr staubige und schlechte Bush-Road verläuft. In Bo betreibt das katholische Jugendhilfswerk Don Bosco ein Waisenheim für Kinder und Jugendliche. Die Jugendlichen leben dort in Wohngruppen. Die Gründe, warum Sie im Heim leben sind vielschichtig. Teilweise ist es häusliche Gewalt, die die Kinder in die Flucht treibt, teilweise haben die Kinder durch Ebola alle Angehörigen verloren. Einige von ihnen haben Ebola überlebt, können aber nicht mehr zu ihren Familien zurückkehren. Die Angehörigen vermuten immer noch Ebola oder den Teufel persönlich in ihnen.
Das Waisenheim liegt am Rande der Stadt. Die öffentliche Elektrizitätsversorgung ist quasi nicht vorhanden. Von 240 Volt kommen hier nur noch 110 Volt an. Wenn überhaupt Elektrizität vorhanden ist. Unter diesen Umständen kann man kein Waisenheim betreiben. Und die geplante Erweiterung ist aus dieser Sicht ebenfalls völlig illusorisch. Das THW hat eine große Anzahl an Generatoren von Sierra Leone gebracht, um solche Aufgaben zu unterstützen. Die Maschinen haben eine Leistung von 15kVA.
Meine Aufgabe war es nun einen solchen Generator dort aufzustellen, in Betrieb zu nehmen und die elektrische Anlage in den Gebäuden an den neuen Stand der Technik anzupassen. Der alte Generator, der ständig überlastet und kaputt war, hat wenige Tage später seinen Dienst vollends quittiert.
Für die gesamte Aktion waren drei Tage angesetzt. Ich hatte die Wahl, ob ich im Hotel in Bo übernachten wollte, oder im Gästezimmer bei Don Bosco. Nach Klärung mit THW-Zentrale in Bonn, durfte ich vor Ort bei Don Bosco übernachten. Hierüber bin ich heute noch unendlich dankbar. Denn so hatte ich die Chance, mit den Leuten zusammen unter einem Dach zu leben und zu arbeiten. Wir haben gemeinsam gefrühstückt, es gab quasi immer jemand der mir geholfen hat bei der Arbeit und nach dem Abendessen war Zeit zum Erzählen. Es war einfach schön zu sehen, dass es „eigentlich“ keine großen Unterschiede zwischen Jugendlichen in Deutschland und Sierra Leone gibt, wenn man mal das Geld weglässt. Der eine ist völlig traurig, weil seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hat. Der andere hat Sorgen in der Schule und weiß nicht, wie er sein bevorstehendes Studium finanzieren soll.
Natürlich wollen die Leute auch wissen, was ich denn so mache und welche Hobbys ich habe. Meine Homepage erleichtert vieles. Und so bekommen die Leute einen Einblick, wie es an der Donau, auf Island oder am Nordkap aussieht.
Was ich sonst noch alles erlebt habe während meiner Zeit in Bo steht im Tagebuch. Bitte lest dort weiter!
Projekt Masanga Hospital, Maguraka
Das Masanga Krankenhaus wurde 1920 als Lebra Station gegründet. Während der Zeit des Bürgerkrieges in Sierra Leone haben die Rebellen hier Zuflucht vor den Truppen der Regierung und der UNAMSIL (United Nations Mission in Sierra Leone) gesucht. Im Jahre 2006 wurde das Krankenhaus nach einer Renovierung wieder geöffnet. 2014 wurde dann schließlich der Betrieb eingestellt, nachdem viele Ärzte und Pfleger an Ebola verstorben sind. Während meiner Zeit in Sierra Leone wurde durch den bemerkenswerten Einsatz von Freiwillen aus Dänemark der Betrieb wieder schrittweise aufgenommen.
Hier gab es gleich mehrere Aufgaben für das gesamte Team zu erledigen. Doch zunächst einmal waren wir dort eingeladen um die Lage auf erörtern und zu klären welche Aufgaben wird dort übernehmen können. Das Masanga Hospital ist mir als einer der schönsten Orte, an denen ich je gewesen bin, immer noch gut in Erinnerung. Es ist kein Krankenhaus wie man es bei uns kennt. Das gesamte Gelände erstreckt sich über viele Hektar. Dazu gehören zahlreiche Gebäude, in denen eigentlich das Personal untergebracht ist. Diese stehen größtenteils leer, weil das Krankenhaus geschlossen hat. Das gesamte Areal liegt mitten im Busch. Es ist wunderschöne hier. Hinterm Haus wachsen Bananen, Ananas und riesige Mangobäume säumen die Hauptstraße die durch das Gelände verläuft. Überall gibt es kleine Schuppen und Nebengebäude und es hätte mich nicht gewundert, wäre Albert Schweizer mit einem kurzen „Grüß Gott“ über die Straße gelaufen.
Leider gibt es an einem solch schönen Ort eben auch viel Arbeit. Unser Team war damit beschäftigt neue Generatoren aufzustellen und anzuschließen. Außerdem gab es Probleme mit der Wasserversorgung. Die Pumpe ist defekt und Ersatz nur schwer zu bekommen. Das größte Problem war aber ein defektes Erdkabel. Bei Regenzeit hielt die provisorische Verbindung mit Isolierband nicht lange dem Wasser stand und so gab es regelmäßig Stromausfälle. Kein Problem für Team-Kamerad Ingo. Der kennt sich mit Schrumpfmuffen bestens aus. Ich kann hierbei nur assistieren und lernen.
Ein paar Stunden später war die Verbindung fertig. Ein Segen für die Arbeit im Krankenhaus. Können die Leute doch jetzt auch bei Regen ohne Angst vor Stromausfall arbeiten.
Projekt Connaught Hospital, Freetown
Connaught Hospital ist das größte und zugleich auch älteste Krankenhaus in Sierra Leone. Es wurde im Jahre 1912 eröffnet. Neben zahlreichen einzelnen Klinken beherbergt das Connaught Hospital auch die nationale Blutbank Sierra Leones.
Im Rahmen der Ebola Bekämpfung hat die Universität Liverpool dort ein Projekt initiiert welches die Möglichkeiten einer Heilung von infizierten Ebola-Patienten untersucht: Es soll untersucht werden, wie sich die Heilungschancen von frisch infizierten Patienten verbessen, wenn ihnen Antikörper aus dem Blut von Ebola-Überlebenden verabreicht werden.
Aus diesem Grund wurde der Blutbank im Connaught Hospital ein hoher Stellenwert beigemessen. Das Problem war nur, dass dort erst einmal grundlegend renoviert werden musste, bevor die Arbeiten dort möglich wurden. Die hygienischen Bedingungen waren vor der Renovierung sehr schlecht. Als ich dort zum ersten Mal vorbeikam und mir ein Bild von der Blutbank und vom umliegenden Krankenhaus gemacht habe, war ich erschüttert.
In der Blutbank kamen die Arbeiten sehr gut voran. Nur an ein paar Kleinigkeiten wie Steckdosen für die neuen Geräte herrschte ein Mangel. Auch hier war schnell klar, dass man mit wenig Geld und ein paar Stunden Arbeit viel erreichen kann. Zuerst wurde viel diskutiert. Ich hatte bald den Eindruck, dass ich nicht der Erste war, der hier vorbeikam und Fotos gemacht und viele Notizen gemacht hat. Wiedergekommen ist wohl aber keiner mehr. Ich bin jedoch nicht zum Labern nach Sierra Leone gekommen, sondern um zu helfen. Also habe ich mir meinen Fahrer geschnappt und bin mit ihm an Auto und habe einfach mal einen kleinen Berg Material und Werkzeug hochgebracht. Jetzt legen wir los, reden können wir später wieder. Das war auch das Stichwort für Abdul. Der junge Chef-Elektriker des Connaught Hospital verschwand kurz, um sich umzuziehen. Wenig später stand er in OP-Klamotten und Stiefeln vor mir. Denn er war zum Glück derjenige, der in die Decke unterm Dach geklettert ist, um die neuen Leitungen einzuziehen. Ich hätte vermutlich einen Hitzschlag bekommen. Die Sonne brannte wirklich gnadenlos auf das Blechdach.
Bald hatten wir die Leitungen verlegt und er kam völlig schweißgebadet aus dem kleinen Loch in der Decke geklettert. Gemeinsam haben wir dann die Leitungen im Verteiler und an den Steckdosen angeschlossen. Die Stimmung der Leute war großartig. Nachdem klar war, dass sich hier wirklich etwas bewegt, war jeder wirklich glücklich.
Am nächsten Tag standen noch ein paar kleinere Arbeiten an, die Abdul und ich untereinander aufteilten. Einen kleinen Rückschlag mussten wir am Sonntagabend dann leider doch noch hinnehmen: Die neuen Blut-Spende-Maschinen, die eine Spende aus den USA waren, konnten wir nicht ans Stromnetz anschließen. Falsche Spannung! 110Volt statt 240Volt. Aber dazu gibt es Umformer und die Frequenz spielte keine große Rolle.
Für mich war dies ein erfolgreiches Projekt, bei dem ich gerne noch mehr Zeit investiert hätte, aber es gab noch genügend andere Projekte für mich, die ebenfalls wichtig waren.
Projekt Dutch-Lab, Freetown
In einem weiteren Krankenhaus in Freetowns Stadtteil Kleintown hatte ich ein weiteres Projekt zu betreuen. Das sogenannte Dutch-Lab war ein Hochsicherheitslabor. Dort wurden Blutproben auf Ebola Erreger getestet. Die Blutproben stammten teilweise aus dem benachbarten Holding-Center. Eine Quarantäne-Station in der Ebola-Patienten behandelt werden. Dutch-Lab hieß es deswegen bei uns im Team, weil die Leute die zum Labor gehörten durchweg Ärzte aus den Niederlanden waren.
Das Labor war in einem Container untergebracht. Das wichtigste für einen sicheren Betrieb dieser Anlage ist eine zuverlässige Stromversorgung. Und genau dies gibt es in Sierra Leone so gut wie gar nicht. Der Strom für das Labor wurde von einem alten Generator erzeugt. Für Notfälle gab es noch einen zweiten, der aber inzwischen schon gar nicht mehr gestartet werden konnte, weil er defekt war.
Im ersten Schritt haben Jörg und ich den defekten Generator wieder zum Laufen gebracht. Die Verantwortlichen wollte aber auf jeden Fall in neue Generatoren investieren. Wichtig war ihnen auch, dass die Generatoren abwechselnd laufen. Einer am Tag, der andere in der Nacht. Nur bei einer Störung des Einen sollte dann der Andere automatisch anlaufen. Nun ja, mit einer kleinen SPS ist so etwas eine ganz einfache Sache. Aber mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, eine echte Herausforderung, an der ich viele Stunden geknobelt habe. Schließlich wurde meine Lösung dann überflüssig, weil die neuen Generatoren eine moderne Steuerung schon mit sich brachten.
In der Hauptsache lag meine Arbeit im Dutch-Lab in der Beratung der Verantwortlichen. Tüchtige Geschäftsleute verkaufen eben auch in Afrika gerne größere Generatoren, als unbedingt notwendig. Die Gespräche waren immer sehr interessant. Der Verkäufer kannte sich schon gut aus, wollte aber eben immer deutlich mehr verkaufen. Ich hatte mein Statement abgegeben und der Chef des Krankenhauses duldete keine weitere Diskussion des Verkäufers und beendete die aufkommende Diskussion mit den Worten: Was Marten sagt gilt! Trotzdem bedankte sich der Verkäufer sehr höflich bei mir. Schließlich hat er doch einen großen Auftrag bekommen. Ab da war ich jedenfalls in Freetown als „The German Engineer“ bei den Generator-Verkäufern bekannt.
Zum Abschluss des Projektes kam ich nochmal nach Kleintown und habe mir die Sachen angeschaut. Inzwischen war alles aufgebaut und angeschlossen. Ein paar Kleinigkeiten waren noch zu ändern, aber ansonsten entsprach alles meinen Vorgaben.
Damit war dieses interessante Projekt ebenfalls beendet.
Stand, Land, Fluss
Während meiner Zeit in Sierra Leone bin ich viel unterwegs gewesen. Es gab zahlreiche Projekte und Baustellen, die in fast allen Teilen des Landes abliefen. Ich muss wirklich feststellen, das Land sehr grün ist. Im Busch gibt es noch große Teile unberührter Natur. Leider wird jedoch auch sehr viel Brandrodung betrieben. Oft stehen riesige Flächen lichterloh in Flammen. Versorgen kann sich die Bevölkerung auf dem Land durchaus selbst. Es gibt Landwirtschaft.
Die Küste an Sierra Leones Hauptstadt Freetown ist eigentlich wunderschön. Es gibt traumhafte Sandstrände dort. Palmen wachsen am Ufer und irgendwie kommt man beim Anblick der Bilder nicht darauf, in einem der ärmsten Länder der Welt zu sein.
Kommt man in die Städte, dann ändert sich das Bild von der heilen Welt sehr dramatisch. Das deutlichste Beispiel ist ganz sicher die Hauptstadt Freetown. Hier liegen auf den Hängen der Berge die Villen der Reichen. In den kleinen Flusstälern, die die Hauptstadt durchziehen liegen schier endlose Mengen an Plastikmüll, es stinkt erbärmlich und dazwischen vegetieren Menschen in schrecklichen Behausungen.
Menschen und Märkte
Das Leben brummt in Afrika. Überall sind die Menschen unterwegs. Auf den Märkten, entlang der Straßen und auf allen öffentlichen Plätzen. Wäre Ebola nicht tatsächlich real, dann wäre es wirklich ein Muss in das Leben auf den Märkten entlang von Freetowns Kissy-Road einzutauchen. Aber die Sicherheit verbietet dies. Zu große ist die Gefahr im dichten Gedränge vielleicht doch mit Ebola irgendwie in Kontakt zu kommen.
Dennoch war es interessant zu beobachten wie fleißig die Leute auf den Märkten sind. Ob die Aktivitäten immer zielgerichtet und effektiv sind, sei einmal dahingestellt. Aber jeder macht etwas, trägt etwas und ist sonst wie geschäftig. Auf den Märkten bekommt man eigentlich so gut wie alles. Es ist dann eben nur eine Frage des Preises. Weite Teile der Märkte werden von libanesischen Geschäftsleuten kontrolliert.
Dienstleistungen werden in Afrika großgeschrieben. So gibt es beispielsweise „Charger“: Leute, bei denen man sein Handyguthaben wieder aufladen kann, oder die einem neues Guthaben auf den Stromzähler laden (Elektrizität gibt es vom öffentlichen Netz nur gegen Vorkasse mit intelligenten Stromzählern). In Makeni hatten wir unseren eigenen Charger. Der Kerl war auf dem Markt unterwegs wie ein Geist. Er tauchte aus dem Nichts auf, frage nach einem Auftrag und war ebenso schnell wieder in der Menschenmasse verschwunden.
Braucht man Brot, so muss man nur am Straßenrand anhalten und auf einen der Händler mit ihren Broten deuten. Sofort kommt jemand angelaufen und bietet seine Waren an. Meist gesellt sich noch jemand dazu, der weitere Waren verkaufen will. Halbtote Hühner oder frische Eier.
Essen und Trinken
Als Vegetarier hat man es in Afrika nicht ganz so leicht. Das hat mich eigentlich schon überrascht. Klar ist aber, dass man als Gast eben schon mit dem Besten versorgt wird, was die Küche hergibt. Hühnchen gab es in vielen Variationen. Für mich war Hühnchen in Ordnung. Denn ich lehne eben nur die Massenproduktion von Fleisch ab. Die Tierhaltung in Afrika war von daher völlig o.k. für mich, denn die meisten Hühner, die ich in der Zeit gegessen habe, hatte ich am Morgen noch über den Hof rennen gesehen. Reis und Maniok (in Sierra Leone Cassava genannt) gehören zu den Hauptspeisen im Alltag in Sierra Leone. Mir hat es sehr geschmeckt. Cassava-Wurzeln oder die Blätter fein gehackt wie Spinat. Das war super. Ich sagte eines Abends zu den Team-Kameraden, dass mir nun nur noch Linsen und Spätzle fehlen, damit ich für immer hierbleibe. Eine Woche später stelle Peter, der Koch bei Don Bosco in Bo, mit Linsen mit Reis auf den Tisch. Ein Zeichen?
Einzig an die Schärfe im Essen muss man sich ein wenig gewöhnen. Scharf regt die Produktion der Magensäure an. Dann ist es nicht ganz so schlimm, wenn das Essen mal nicht 100% frisch ist. Allerdings muss es einem schon liegen, wenn das Omelett zum Frühstück so scharf ist, dass einem der Mund noch bis zum Mittag davon brennt. Ich hatte jedoch keine Probleme mit der Verdauung. Nur einmal, weil ich zu scharf zu Abend gegessen hatte, gab es grummeln im Magen. Am Morgen war die Sache aber schon wieder vorbei.
Straßenverkehr
Das ist wohl in der gesamten Zeit das größte Risiko überhaupt gewesen. Ich kann bis heute nicht sagen, so es in Sierra Leone überhaupt so etwas wie schriftliche Verkehrsregeln gibt. Der Verkehr läuft nach dem Prinzip der Stärker oder der Schneller gewinnt ab. Wer Zweifel hat, der Hupt. Es gibt verschiedene Arten von Hup-Zeichen: Grüßen, Aufpassen, ACHTUNG, DU VOLLIDIOT!
Weil diese Regeln für uns Europäer doch sehr fremd sind, hat das THW grundsätzlich einheimische Fahrer angestellt. Es hätte auch zu lange gedauert, bis wir unsere Fahrerscheine in Sierra Leone anerkannt bekommen hätten. Es gab noch eine weitere Regel des THW: Niemals bei Nacht fahren. Das ist einfach zu gefährlich. In der Nacht sind viele Fahrzeuge (auch LKW) gänzlich ohne Beleuchtung unterwegs. Zu groß ist die Gefahr, dass hier etwas passiert. Viele LKW werden von Bibel-Sprüchen geziert: „Gott ist allmächtig“, „Allah ist mein Retter“. Nun, bei dem Zustand, in dem sich viele der Fahrzeuge befinden sind diese Sprüche ganz sicher angebracht.
Ladungssicherung kennt man in Sierra Leone auch nur in kleinem Umfang. Dafür sind die Leute umso erfindungsreicher, was den Transport von Waren auf dem Fahrzeugdach angeht.
Unfälle gibt es leider auch immer wieder. Diese sind in den meisten Fällen sehr schwer. Fahrzeuge kommen von der Fahrbahn ab und überschlagen sich. Oder die Fahrer verlieren bergab die Kontrolle und verursachen tödliche Kollisionen.
Ebola
Das Ebola-Virus war der Grund für meinen Einsatz in Afrika. Wie eingangs erwähnt, fand das Thema Ebola anfangs nur geringe Beachtung in der Öffentlichkeit bei uns in Europa. Erst als erste Verdachtsfälle auch in Europa auftraten wurden die Behörden aufmerksam. Zu dieser Zeit liefen schon längst Aktivtäten beim THW und bei anderen Hilfsorganisationen.
Überall über das gesamte Land verteilt wurden sogenannte ETC (Ebola Treatment Center) eingerichtet. Oft waren dies nur Zeltstädte, die auf planierten Flächen im Busch errichtet wurden. Da die Hygiene eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung des Ebola-Virus spielt wurden zahlreiche Desinfektions-Stationen eingerichtet.
Entlang der Hauptstraßen waren immer wieder Check-Points eingerichtet, an denen jeder Vorbeifahrende seine Körpertemperatur messen lassen musste. Zugleich war immer und überall Händewaschen angesagt.
Die Behandlungscentren selber waren in drei Bereiche eingeteilt. Es gab die grüne Zone in der man sich als Helfer frei bewegen konnte. Hier waren große Teile der Technik untergebracht. Unsere Arbeit fand nur in diesen Bereichen statt.
Die weiße Zone war der Bereich in der sich Ärzte und Pfleger umzogen. An diese Zone grenzt die rote Zone.
In der roten Zone hatten wir absolut nicht zu suchen. Hier wurden Patienten behandelt. Das jedoch war nicht Bestandteil unserer Mission.
Was bleibt?
Die fast vier Wochen in denen ich in Sierra Leone war, waren für mich körperlich sehr anstrengend. Es gab viel zu tun. Gearbeitet wurde auch an den Wochenenden. Ebola macht leider am Freitag-Nachmittag auch keinen Feierabend. Ich bin der Meinung, dass wir als THW Team in der Zeit sehr viel erreicht haben.
Persönlich war dieser Einsatz ganz klar eine sehr große Bereicherung in meinem Leben. Auch wenn manche Eindrücke mich hin und wieder doch sehr belastet haben. Das Positive überwiegt auf jeden Fall! Ich bin dankbar für jeden Tag, den ich dort sein durfte und helfen konnte.
Ich hoffe sehr, dass Sierra Leone und die Nachbarstaaten das Ebola-Virus erfolgreich bekämpfen und schnell wieder zur Normalität zurückkommen können.
Ich wünsche den Menschen dort Frieden und ihr kleines, ganz persönliches Glück für die Zukunft!