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Reisen mit dem Fahrrad
Radreise Gibraltar - Leonberg – 2023

Schon während der Vorbereitungen zur Radtour nach Gibraltar im vergangenen Jahr stellte sich heraus, dass ich die komplette Reise von Leonberg nach Gibraltar und zurück über Portugal nicht in einer Tour schaffen kann. Hierzu hätte ich tatsächlich einige Wochen unbezahlten Urlaub nehmen müssen, was ich jedoch nicht wollte. Somit habe ich meine Radreise aufgeteilt. Letztes Jahr von zu Hause nach Gibraltar. In diesem Sommer will ich die Tour genau an der Stelle fortsetzen, an der ich sie letzten Sommer beendet habe: Am Bahnhof von Algeciras.
Außerdem hatte ich den Start meiner Reise in den Spätsommer gelegt. Normalerweise starte ich meine Radreisen immer in der Zeit zwischen Pfingsten und den Sommerferien. In dieser Zeit ist es inzwischen im Süden Europas teilweise schon sehr heiß. Daher wollte ich dieses Jahr erst nach den Sommerferien starten. Ich musste mich also ziemlich lange gedulden, bis ich endlich zur nächsten Tour aufbrechen konnte.
Was ich auf dieser Radreise erlebt habe, findet ihr in den nachfolgenden Kapiteln und noch mehr Details in meinem Tagebuch.
Viel Spaß beim Lesen!
Die letzten Tage vor einer großen Radreise sind immer sehr geprägt von Anspannung und Vorfreude. Es gibt wie immer viel zu erledigen, bevor man sich für fünf Wochen auf die Reise machen kann. Papierkram und Steuererklärung müssen bis dahin gemacht sein. Andere Aufgaben müssen warten bis nach meiner Rückkehr. Während meiner Reise genieße ich die Freiheit vom Alltag zu Hause!
Das Gepäck für die Reise stelle ich anhand der Packlisten der letzten Radreisen zusammen. Inzwischen kenne ich die wichtigsten Punkte meiner Packliste auswendig. Alles kommt zunächst auf einen großen Haufen, wird nochmal geprüft und dann in den Taschen für den Gepäckträger verpackt. Fertig.
Das Fahrrad hatte mir im Vorfeld schon mehr Kopfzerbrechen bereitet. Auf der Rückreise im letzten Jahr gab es bei der Nutzung der Bahn doch einigen Frust. Mit meinem Gepäckstück, dass zuvor ein Fahrrad war, war es nicht unproblematisch überhaupt im Zug zu reisen. Auf dieses „no, no, no, no...“ der Zugbegleiterinnen hatte ich wirklich keine Lust. Die Alternative wer der Versand per Spedition nach Algeciras gewesen. Dort habe ich ein Hotel gebucht und könnte das Fahrrad dorthin liefern lassen. Dieser Service ist leider nicht nur teuer, sondern steht privaten Kunden offenbar gar nicht zur Verfügung. Im Internet finden sich zwar zahlreiche Speditionen etc. die den Transport anbieten, jedoch nicht für private Personen. Sehr ärgerlich! Also bleibt mir dann doch nur mein Fahrrad zu zerlegen, in eine stabile Kiste zu verpacken und selbst zu transportieren. So verbringe ich den Nachmittag vor meiner Abreise damit mein Fahrrad zu zerlegen, alles gut zu verpacken und in einer großen, stabilen Kiste zu verpacken.
Am Dienstag, 12.09.2023 startet meiner Reise.
Um kurz vor 6:30 Uhr klingelt Nachbar Gerd, um mich zum Bahnhof zu fahren. Ich stecke noch den Router aus, drehe das Wasser zu, ziehe meine Fahrradschuhe an, lade den großen Karton ins Auto von Gerd und schließe die Haustüre hinter mir ab. Das wars. Tschüss Haus. Wir sehen uns in fünf Wochen wieder.
Es geht von Leonberg nach Stuttgart und weiter nach Frankfurt zum Flughafen. Per Flugzeug gelange ich nach Madrid. Nach einer kurzen Nacht in einem sehr kleinen Hostel starte ich am nächsten Morgen mit der Bahn nach Süden. Auch hier wieder sehr viel „no, no, no, no...“ wegen meinem Gepäck. Oh man… Das nervt! Am Nachmittag kommt Gibraltar in Sicht und wenig später erreiche ich die Stadt Algeciras. Hier endete letztes Jahr meine Radreise und genau hier beginnt die Fortsetzung der Reise in diesem Jahr.
Ich schleppe den schweren Karton mit Gepäck und Fahrrad zum Hotel und freue mich, die Anreise geschafft zu haben. Von nun an bin ich wieder selbst Herr über mich und meine Reise.
Ich packe mein Fahrrad aus, baue es wieder zusammen und entsorge den Karton und alles was ich nun nicht mehr brauche.
Am nächsten Morgen starte ich in Algeciras und fahre nach Tarifa. Auch hier bin ich letztes Jahr schon mal gewesen. Die Meerenge von Gibraltar liegt vor mir und von hier aus starten die Fähren nach Afrika. Das Fernweh ist an dieser Stelle besonders groß. Afrika. Meine Reise führt mich jedoch weiter nach Portugal und zur Atlantikküste. Doch bis zur Küste muss ich erst noch ein Stück durch das heiße Inland. Auf teilweise sehr weichem Sand komme ich mit dem Fahrrad nur noch voran, wenn ich schiebe. Dazu ist es selbst Mitte September noch unglaublich heiß. Sandpisten mit großen Schlaglöchern und asphaltierte Straßen wechseln sich ab. Der helle Sand blendet sehr, der schwarze Asphalt der Straßen sorgt für zusätzliche Hitze beim Rösten in der Sonne. Der Wind bringt heiße Luft aus Afrika nach Spanien.
Nach drei Tagen Fahrt durch Spanien erreiche ich am späten Nachmittag die Fähre nach Portugal. Eine kleine Fähre überquert den Rio Guadiana, der die Grenze zwischen Spanien und Portugal bildet. Gleich hinter der Grenze habe ich meine Unterkunft für heute Nacht. Mir fällt auf: In Portugal sprechen sogar ältere Leute Englisch. Das macht die Kommunikation einfacher!
Leider sind die Wege abseits der Hauptstraßen nicht einfacher bzw. besser als in Spanien. Ich bin nur einen kurzen Augenblick unaufmerksam, übersehe ein Schlagloch und fahre mit Speed durch das Schlagloch. Danach höre ich ein seltsames Knarzen an meinem Fahrrad. Ach du liebe Zeit. Das darf nicht wahr sein!!! Irgendetwas ist vermutlich jetzt gebrochen. Das ist der „Worst case“. Ist meine Radreise schon zu Ende, ehe sie überhaupt erst richtig begonnen hat? Ich stelle fest, dass ein Teil vom Träger über mein Gepäck gebrochen ist. Verdammt, damit habe ich nicht gerechnet. Ich versuche mit dem was ich dabei habe und was ich in der Nähe finden kann den Träger notdürftig zu stabilisieren, damit ich wenigstens bis zur nächsten Stadt mit Bahnhof komme. Das Provisorium hält besser, als ich zunächst vermutet habe. Zwischendurch halte ich immer wieder kurz an und richte den Träger wieder gerade. Irgendwo finde ich auf einer kleinen illegalen Müllkippe ein Stück Metall, dass ich als Ersatz für den gebrochenen Träger verwenden kann (damit fahre ich heute [August 2024] immer noch…)
Nach knapp 800 Kilometern erreiche ich Lissabon. Ein Meilenstein auf meiner Reise durch Portugal. Ich übernachte in einem sehr geschäftigen libanesischen Stadtviertel und mache einen Ruhetag. Es reget den ganzen Vormittag, also nutze ich das Wetter, bleibe im Bett und schlafe aus. Erst am Nachmittag mache ich mich zu Fuß auf den Weg und erkunde Lissabon.
Nach dem Ruhetag fahre ich gestärkt wieder weiter in Richtung Norden. Ein paar Tage später erreiche ich Porto. Inzwischen fallen mir die ersten Jakobsweg-Pilger auf, die zu Fuß unterwegs sind und in Porto ihren Weg nach Santiago de Compostela starten. Ich muss mir überlegen, wie ich meine Tour fortsetze, nachdem ich Santiago de Compostela erreicht habe. Der Eurovelo nimmt eine Route durch die Berge, die der Pilger Route gleicht. Das spanische Baskenland bleibt außen vor. Das soll aber durchaus interessant und vor allem deutlich flacher sein. Das muss ich mir nun mal überlegen.
Doch zunächst erreiche ich die Grenze zu Spanien und nach einer 140 Kilometer Etappe die Pilgerstadt Santiago de Compostela. Für mich ist das nicht das Ende der Reise, sondern nur ein ganz normaler Zwischenstopp.
Nachdem ich Santiago de Compostela hinter mir gelassen habe, komme ich schnell in ländliche Gebiete, die mich immer wieder an den Schwarzwald erinnern. Der Nebel über den Tälern verkündet den Herbst. Und so sind auch die Temperaturen. Ohne Windstopper Jacke ist es unmöglich zu fahren. Es sei denn, es geht wirklich steht bergauf. Das ist heute eine Etappe mit ständigen Temperaturwechseln. Bergauf schwitzen, dass sich das Wasser in den Schuhen sammelt und bergab wird mir eiskalt. Ich bin leider zu faul mir eine wärmere Jacke aus den Gepäcktaschen zu holen. Hoffentlich bereue ich das nicht, weil ich mich erkälte. Ich beobachte die vielen Pilger, die mir nun entgegenkommen. Und es ist unglaublich wie viele Leute unterwegs sind. Erst waren es ein paar einzelne Leute. Sehr schnell wurden es große Gruppen, ja ganze Heerschaaren. Ich halte hin und wieder kurz an, damit ich im Gedränge nicht an jemanden hängen bleibe. Manche der Pilger sind so in Gedanken, dass sie gar nicht mitbekommen, dass ich dastehe. So läuft mir ein älterer Herr ins stehende Fahrrad. Na, ein bisschen schauen sollte man eben schon.
Bis zum späten Nachmittag versiegt der Strom an Pilgern nicht. Die Leute laufen in Massen entlang der Straße. Alle mit demselben Ziel. Das waren Hunderte. Oder gar an die Tausend...? Keine Ahnung. Es ging auf den Wegen zu wie am Bahnhof. Nur mit dem Unterschied, dass alle in eine Richtung laufen. Die Landschaft ist auch sehr schön. Und der Weg ziemlich einfach zu laufen. Da braucht man keine besonderen Wanderschuhe.
Inzwischen ist es Ende September und die Nächte werden im Norden von Spanien schon recht kühl und vor allem wird es merklich später hell als im Hochsommer. Gegen 8:30 Uhr ist es hell genug, dass ich starten kann. Gegen 9 Uhr setzt der Strom der Pilger ein. Mein Weg führt mich durch herrliche Landschaften und über ein paar Passstraßen. Der Anstieg zum Alto do Poio (1.335m) zieht sich über viele Kilometer. Am nächsten Tag gibt es noch weitere Passstraßen zu überwinden. Es geht die nächsten 20 Kilometer einfach immer nur bergauf. Teilweise so steil, dass ich es im kleinsten Gang und mit maximaler Anstrengung gerade noch schaffe. Den ersten Pass (1503m) erreiche ich nach anderthalb Stunden. Zum zweiten Pass (Puerto de Foncebadon, 1504m) sind es nur ein paar Minuten und nur ein paar Höhenmeter runter und wieder hoch. Dort sehe ich auch, wie andere Radfahrer den Aufstieg zum Pass geschafft haben: Mit dem Shuttle Bus. Äh, also wirklich?!?!
Allmählich ändert sich die Landschaft. Die schönen Berge weichen Schotterpisten mit unzähligen Schlaglöchern. Nach und nach versiegt auch der Strom der Pilger immer mehr. Es ist nicht mehr weit und ich erreiche Frankreich.
Nach knapp drei Wochen Fahrt und 2.400 Kilometern erreiche ich Frankreich. Die Route führt nochmal durch die Berge. Genauer gesagt durch die Pyrenäen. Insgesamt gibt es drei Pässe, die ich überwinden muss. Jeder Pass ist noch ein Stück höher als der vorherige. Zum Glück geht es zwischen den Pässen nicht sehr weit bergab. Als ich den dritten Pass erreiche bin ich nass geschwitzt und ziehe mir eine weitere warme Jacke an. Der Pass ist in Wolken und es weht ein kalter Wind. Brr, echt unangenehm kalt hier oben. Ich setze mich schnell wieder aufs Fahrrad und lasse es talwärts rollen. Die Aussicht wird besser, je tiefer ich in Tal komme. Ich bin wirklich überwältigt von der Natur hier in den Bergen. Alles ist grün. Kein Vergleich zu den trockenen, staubigen Schotterpisten von gestern oder den letzten Tagen und Wochen. Es macht Freude mit ordentlich Tempo durch die Kurven zu fahren. Nun die Autos nerven, weil sie in den Kurven so langsam sind. Und auf der Geraden überholen sie dann wieder. Ich lasse solche Spiele lieber und verzichte darauf Autos bergab in den Kurven zu überholen. Ich bin gespannt, wie es in Frankreich weiter geht. Die Wege sind jedenfalls sehr gut. Und es gibt so viele Wegweiser, dass ich eigentlich das GPS-Gerät ausschalten könnte.
Allmählich kommt der Herbst. Als ich am Morgen des 5. Oktober im wunderschön hergerichteten Gartenhaus meiner Gastgeberin frühstücke fällt mein Blick auf das Außenthermometer: 11 Grad Celsius. Die Zeiten von Hitzeschlacht und 12 bis 15 Liter Wasser pro Tag sind vorbei. Dagegen tausche ich jetzt am Morgen eine warme Jacke, lange Radlerhose, Unterhemd und Handschuhe. Hin und wieder hängt ein bisschen Nebel in den Senken. Sobald die Sonne hoch genug steht, wird es wieder richtig warm, teils sogar heiß. Ich erreiche einen der Kanäle, denen ich schon bei meiner Frankreich-Tour vor ein paar Jahren über viele Kilometer gefolgt bin. Auf gut ausgebauten und ziemlich flachen Wegen komme ich gut voran. „Happy Cycling“. Und noch ein Indiz deutet eindeutig auf den Herbst und den nahenden Winter hin: Im Supermarkt stehen schon die Lebkuchen im Regal. Und (ja ich gebe es zu...) eine Packung Lebkuchen landet bei mir im Proviant. Nun ja. Wenn es morgens schon so kalt ist, dann sollte der Keksantrieb allmählich auf Winterkraftstoff umgestellt werden…
Inzwischen habe ich auf meiner Radreise über 3.000 Kilometer hinter mir. Bis Leonberg sind es noch 856 Kilometer. Boah,…! Das ist machbar!!! Ich rechne nochmal nach. 120 Kilometer pro Tag. Bis einschließlich dem nächsten Sonntag habe ich noch genau sieben Tage. Wenn nichts schief geht, ist es machbar bis Leonberg zu fahren.
Ich bin schon den ganzen Tag auf gut ausgebauten Radwegen entlang der Kanäle unterwegs. 120 Kilometer liegen heute bereits hinter mir. Bis zur Unterkunft in Paray-Le-Monial sind es gerade mal noch 20 Kilometer. Ich habe also keinen Grund zur Eile. Es sind nur wenige Radfahrer unterwegs. Manche kommen mir mit viel Gepäck entgegen. Freut mich, dass noch weitere Leute große Touren mit dem Rad fahren. Ein gutes Stück voraus des Weges arbeitet ein Traktor und mäht das Gras am Ufer des Kanals. Wegen eines ziemlich aggressiven Radfahrers muss der Traktor recht abrupt ausweichen. Blöder Radfahrer, kann der nicht langsam tun?!? Ich fahre langsam an den Traktor heran und warte, bis der Fahrer mir ein Zeichen gibt, dass ich vorbeifahren kann. Ein Stück weiter sehe ich den Radfahrer wieder. Der hat es wohl wirklich eilig. Nach und nach komme ich näher. Ich klingle von Weitem, damit er bei seinem hohen Tempo nicht erschrickt, wenn ich überhole. Ich habe mir das Klingeln angewöhnt, weil ich auch schon erschrocken bin, als mich mal jemand überholt hat. Gerade als ich auf Höhe von dem Radfahrer bin macht der plötzlich einen Schlenker und räumt mich ab. Keine Chance mich auf dem Fahrrad zu halten. Ich sehe mich schon im Wasser von dem Kanal schwimmen. Dann falle ich zu Boden. Schließlich kommt alles irgendwie zur Ruhe. Ich höre eine Frau schreien wie am Spieß. Doch ich kann mich zunächst selbst nicht bewegen. Zum Glück. Sonst würde ich die Person, die mich abgeräumt hat, vermutlich erschlagen. Wenig später sind zwei weitere Radfahrer da und verständigen die Feuerwehr bzw. den Rettungsdienst. Allmählich kann ich mich wieder bewegen und wenigstens aufrecht hinsetzen. Ich bin sehr benommen.
Nun ja. Dann beginnt eben das Übliche. Sanitäter kommen, kümmern sich um mich und die Frau. Nachdem bei mir alles gut ist, legen sie den Schwerpunkt auf die Frau und laden diese schließlich ins Fahrzeug. Die Gendarmerie rückt auch an und nimmt die Personalien auf. Ich bekomme die Adresse von der Frau. Wortlos taucht wenig später noch der Ehemann der Frau auf, packt das Fahrrad auf den Träger an seinem Auto, spricht mit der Gendarmerie. Ich bitte einen der Leute der Gendarmerie der Dame gute Besserung zu wünschen. Dann sind alle wieder weg und ich kann mein Fahrrad wieder fahrtüchtig machen und zur Unterkunft fahren. Zum Glück ist das nicht mehr weit. Die Radfahrer, die mir mit ihren elektrischen Fahrrädern entgegenkommen oder die ich überhole beobachte ich schon mit sehr großem Misstrauen. Besonders dann, wenn die Leute darauf hocken, wie King Käse. Als gibt es sonst niemand Anderen auf der Welt. In der Unterkunft dusche ich, reinige und versorge meine Wunden.
Auch wenn die Temperaturen tagsüber immer noch 30 Grad Celsius und mehr erreichen, täuscht die Kälte am Morgen nicht darüber hinweg, dass der Herbst unausweichlich bevorsteht. Das bunte Laub der Bäume und der Geruch des Herbstes sind ein weiteres klares Zeichen. Wenngleich die Route entlang der Doubs durch eine unglaublich schöne Landschaft führt. Ich würde am liebsten alle hundert Meter stehen bleiben und ein paar Fotos machen. Doch dann würde ich gar nicht vorankommen. Ich genieße jeden Kilometer und jede Kurve, hinter der sich die Landschaft ändert.
All das macht es mir schwer bei meiner Entscheidung, die ich gestern Abend getroffen habe zu bleiben: Das wird heute meine letzte vollständige Etappe auf dieser Reise sein. Aufgrund des angekündigten starken Wetterwechsels am Samstag habe ich beschlossen morgen die Reise zu beenden. Ich werde morgen gegen Mittag in Deutschland sein und den Rest der Reise mit der Bahn fahren. Vermutlich bis Pforzheim, um dann noch ein bisschen durch den Schwarzwald bis nach Hause zu fahren. Das hängt jedoch stark vom Wetter ab.
Ich beobachte die Wettervorhersage seit ein paar Tagen und der Wetterwechsel wird sich wohl leider schon am Samstag vollziehen und nicht wie gehofft erst am Sonntag oder Montag. Natürlich habe ich Regenklamotten und warme Radlerklamotten dabei. Eine ganze Gepäcktasche voll, die ich jetzt über 3.500 Kilometer spazieren gefahren habe. Doch es muss nicht sein, bei Regen und vor allem bei Sturmböen mit dem Fahrrad durch die Rheinauen und die Wälder zu fahren. Beim ersten Sturm im Herbst fällt viel trockenes Totholz von den Bäumen und das ist sehr gefährlich. Von daher ist es fraglich, ob ich tatsächlich ab Pforzheim die letzten Kilometer fahren werde. Gestern Abend habe ich das entschieden und ebenfalls beschlossen, dafür noch einen Abstecher nach Belfort (die Partnerstadt von Leonberg) zu machen und dort zu übernachten. In der Mittagspause buche ich die Unterkunft in Belfort. Damit ist der Beschluss umgesetzt.
Nach einer Nacht in Belfort mache ich mich auf die letzte Etappe meiner Reise. Ziel: Müllheim am Rhein. 10 Minuten vor Abfahrt des Zuges erreiche ich den Bahnhof. Das nenne ich gutes Timing. Doch gerate ich auch wieder in die Fänge der Deutschen Bahn. Und die gibt sich alle Mühe die Leidensfähigkeit ihrer Fahrgäste bis aufs Äußerste zu strapazieren.
Heute fehlt ein Zugteil. Das bedeutet es wird eng. Und tatsächlich... Eng ist eigentlich noch eine nette Formulierung. Es gibt zum Glück NOCH Platz für mein Fahrrad. Ein weiterer Radfahrer kann sein Fahrrad auch noch dazu stellen, dann ist Schluss. Der restliche Platz wird mit Menschen vollgestopft. An den nächsten Haltestellen müssen Leute draußen bleiben, weil absolut kein Platz mehr ist im Zug. Eine Dame mit Fahrrad quetscht sich mit Gewalt dann irgendwann noch in den Zug. Sie ist völlig genervt, weil es wohl jeden Tag so voll ist. Sie schimpft mit den Leuten, die die Bereiche für die Fahrräder blockieren, die Pöbeln zurück und so steigt die Stimmung im Zug. Ach, Deutschland, wie schön ist meine Heimat.... Es sind zwei Stunden Fahrt bis Karlsruhe. Irgendwann steigt die Dame zum Glück aus und die Anspannung im Zug legt sich. Mit 15 Minuten Verspätung erreichen wir Karlsruhe. Der Anschlusszug ist weg. Bis Pforzheim fahre ich noch mit der Bahn, dann steige ich wieder aufs Rad und fahre durch schöne Würmtal.
Um kurz vor 19 Uhr erreiche ich den Marktplatz in Leonberg. Ein Empfangskomitee erwartet mich beim Domizil. Sebastian hat schon ein kühles Weizenbier für mich bestellt, dass ich mir wirklich schmecken lasse. (Ich will den Alkohol nicht verherrlichen. Doch irgendwie gehört das Bierchen am Ende zum Abschuss meiner Radtouren dazu...). Es kommen noch weitere Bekannte dazu und so sind wir eine schöne Runde, die den warmen Sommerabend auf dem Marktplatz genießt.
Es wird früh dunkel und allmählich kühl. So mache ich mich gegen 21:30 Uhr auf die letzten Meter bis nach Hause. Natürlich schiebe ich jetzt mein Fahrrad!!!
Haustüre aufschließen, Gepäcktaschen abnehmen, Wasserflaschen abnehmen, eigentlich alles wie jeden Abend nach einer Etappe. Nur die Unterkunft, die kommt mir eben doch sehr bekannt vor.
Damit ist meine Radtour von Gibraltar nach Leonberg abgeschlossen. Ich bin froh, dass in den vier Wochen auf den 3.637 Kilometern außer dem Unfall mit dem blöden elektrischen Fahrrad nichts Schlimmeres passiert ist. Gerne wäre ich noch zwei Tage gefahren und hätte auf die Bahn verzichtet. Doch am nächsten Vormittag zieht dann mit kräftigem Regen und Sturm der Herbst ins Land. Der endlose Sommer 2023 ist damit leider vorbei.
Radreise nach Gibraltar – 2022
Bis zu dem Augenblick, in dem ich hinter mir die Haustüre schließe und weiß, dass ich sie für die nächsten Wochen nicht mehr aufschließen werde, liegt viel Arbeit. Auch wenn über die Jahre eine gewisse Routine bei den Vorbereitungen eingekehrt ist. Die Radreise nach Gibraltar und weiter über Portugal wird meine längste Reise werden. So lang, dass bei der Planung sehr bald feststeht, dass ich die Tour nicht auf einmal fahren kann, sondern auf zwei Episoden aufteilen muss.
Eine wichtige Änderung in meiner Ausstattung hat sich ebenfalls ergeben. Bobby, mein treuer Begleiter wird bei dieser Tour nicht dabei sein. Mit dem kleinen, schmalen Fahrradanhänger habe ich bislang auf allen großen Radtouren mein Gepäck transportiert. Ich verzichte bei dieser Tour auf die Mitnahme der Campingausstattung. Denn ich hatte schon auf der Reise nach Athen festgestellt, dass es im Süden nicht so einfach ist einen Campingplatz zu finden, der sowohl zum Zelten geeignet ist als auch irgendwie in der Nähe meiner Route liegt. Weil ich nun weniger Platz brauche für meine Ausstattung, habe ich mir Satteltaschen fürs Fahrrad gekauft und einen alten Gepäckträger passend umgebaut.
Warum ein Eigenbau für den Gepäckträger? Es gab einfach nichts Passendes zu kaufen. Zu Beginn des Jahres 2022, als das Corona-Virus allmählich aus den alltäglichen Nachrichten verschwand, kam schon die nächste „Krise“ auf die Welt zu: Lieferketten-Schwierigkeiten. Es gab schlichtweg keine passenden Gepäckträger für mein Fahrrad. Mit ein bisschen handwerklichem Geschick und ein paar speziellen Fahrradteilen (die es zum Glück zu kaufen gab, konnte ich mir einen stabilen Gepäckträger fürs Fahrrad bauen.
Wie weit ich mit dieser Konstruktion gekommen bin und welche Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke auf dem Weg von Leonberg nach Gibratar machen konnte, habe ich wieder einmal zusammengefasst, mit Bildern ergänzt und hier zum Nachlesen veröffentlicht.
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen.
Auch die längste Tour beginnt mit dem ersten Meter. Ich starte am 17. Juni 2022 kurz nach 9 Uhr bei mir zu Hause in Leonberg und fahre Richtung Westen nach Pforzheim. Heimspiel. Hier kenne ich jedes Schlagloch. Je weiter ich Richtung Rheintal komme umso höher steigen die Temperaturen. Bei Temperaturen über 30 Grad Celsius macht mir die Hitze durchaus zu schaffen. Hinzu kommt, dass ich wegen einer Corona-Infektion in den letzten drei Wochen weder meine Joggingrunde gelaufen, noch größere Strecken mit dem Fahrrad gefahren bin. Ziemlich erschöpft erreiche ich am Abend der ersten Etappe mein Ziel in Kehl am Rhein.
Die Wettervorhersage hat für die nächsten Tage Temperaturen um 40 Grad Celsius angekündigt. Eigentlich bin ich Wärme gewohnt und mag es sehr, wenn es richtig warm ist. Doch bislang komme ich mit der Hitze nicht zurecht. Immer wenn ich etwas Wasser trinke fürchte ich mich übergeben müssen. Normalerweise mache ich eine 0,75 Liter Flasche Wasser in einem Zug leer. Bislang muss ich mich zwingen einen Schluck Wasser zu trinken. Kopfweh habe ich zum Glück nicht. Dies wäre ein Zeichen für eine Hyperthermie und damit das Ende der Etappe. Meine 4,5 Liter Wasser für unterwegs werden immer weniger. Ich achte sehr darauf, dass ich trinke, auch wenn ich eigentlich nichts trinken mag. Am Nachmittag mache ich dann eine Übernachtung in Neuenburg am Rhein klar. Es sind knapp 30 Kilometer bis dorthin. Eigentlich NICHTS. Aber jetzt wird es zur Herausforderung. Die Hitze entlang der Landstraßen ist der Wahnsinn. Und falls sich tatsächlich ein bisschen Wind bemerkbar macht, dann ist der Wind sehr heiß. Ich frage mich zwischendurch, ob ich bei meiner minutiösen Vorbereitung für diese Radtour einen entscheidenden Fehler gemacht habe und das falsche Datum für den Start gewählt habe. Wäre der Herbst nicht besser gewesen? Aber wer konnte ahnen, dass ich es sofort nach dem Start mit Temperaturen von 40 Grad Celsius im Schatten zu tun bekomme?? Am Abend jeder Etappe ergänze ich die Elektrolyte im Körper mit speziellen Tabletten. Alkohol ist absolut tabu!
Am dritten Tag meiner Reise erreiche ich Schweiz. Von Weil am Rhein geht es beinahe nahtlos nach Basel über. Die Route verlässt das Rheintal und die ersten (500) Höhenmeter sind zu fahren. In der Hitze ist das sehr anstrengend. Glücklicherweise finde ich unterwegs Möglichkeiten, um meine Wasserflaschen zu füllen. Entlang der Aare wimmelt es vor Menschen, die im kühlen Nass heute am Sonntag eine Abkühlung suchen. Meine Unterkunft in Aarau liegt direkt am Bahnhof. Der Platz glüht förmlich in der Hitze und eine Klimaanlage im Hotelzimmer gibt es nicht. Es gab dort auch keine Menschen am Check-In. Dank modernster Technik war es zudem unglaublich unpersönlich und trotzdem sehr teuer.
Von Aarau führt die Route nach Luzern und weiter zum Vierwaldstättersee. Mit der Fähre überquere ich den Vierwaldstättersee und erreiche am Abend die kleine Gemeinde Flüelen. Von dort starte ich am Morgen der 5. Etappe Richtung Gotthard! Gegen Mittag erreiche ich Göschenen. Weiter bergauf nach Andermatt, bis ich am frühen Nachmittag die Gotthard Passhöhe erreiche. Sollte bis heute Morgen noch irgendetwas von Corona in mir gewesen sein, so ist das jetzt ganz sicher raus geschwitzt worden. Ziemlich stolz mache ich ein paar Selfies und fahre denn hinab Richtung Bellinzona. Eine Übernachtung direkt am Lago Maggiore war aus Budgetgründen nicht möglich. Ich übernachte in der Nähe in einer privaten Unterkunft bei einer netten Familie.
Nachdem ich die kleine Gemeinde Intragana passiert habe, beginnt die schwere Arbeit. Die Route verläuft sehr steil bergauf. Allerdings auch durch eine extrem beeindruckende Natur! Die Schmalspurbahn, die ich immer wieder über- oder unterquere, fasziniert mich ebenfalls. Eine Meisterleistung an Planung und Bauhandwerk. Die Berge ringsum ragen sehr steil in die Höhe, immer wieder überqueren kleine Material Seilbahnen das Tal. Wohin diese allerdings führen, verliert sich meist in den dichten Wolken. Denn das Wetter hat sich massiv geändert. Die Hitze ist weg und dafür fahre ich schon den ganzen Tag über im Regen. Am frühen Nachmittag erreiche ich die Grenze zu Italien.
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel Bettina in Mergozzo beginne ich die nächste Etappe sehr entspannt. Die Strecke ist eigentlich nicht sehr bergig. Leider macht mir kräftiger Gegenwind sehr zu schaffen. An diesem Tag werden bis zum Ziel in Monferrato 140 Kilometer auf dem Kilometerzähler stehen. Am Abend erreiche ich eine kleine privaten Ferien-Wohnung, in der ich übernachte. Es gehört fast schon zur täglichen Routine am Abend noch das Fahrrad zu prüfen. Die Bremsbeläge vorne müssen erneuert werden. Dann noch Wäsche waschen, essen, das Tagebuch tippen, Zähne putzen und die Übernachtungen für die nächsten Tage suchen. Denn in den nächsten Tagen verläuft die Route durch die Berge und die Anzahl der Unterkünfte ist nicht so üppig wie in den großen Städten. Normalerweise suche ich eine Unterkunft meist gegen Mittag des Tages. Dann weiß ich wie weit ich noch fahren kann bzw. möchte. In den Städten der Ballungszentren ist das kein Problem. Jetzt in den Bergen gibt es wenig Unterkünfte und da ist es wichtig länger im Voraus zu buchen. Ich habe ein bisschen Sorge, dass ich sonst am Abend vielleicht ohne Unterkunft dastehe. Das wäre nicht schön. Schnell stellt sich heraus, dass meine Sorge durchaus sehr begründet war. Ich habe jedoch überall während der Etappen durch die Berge einen Platz zum Schlafen gefunden.
Auch für den morgendlichen Ablauf gibt es inzwischen so etwas wie Routine: Zähne putzen, mit Sonnenschutz einschmieren, Radlerklamotten anziehen, Wasserflaschen füllen und einpacken, Gepäck schnappen, Zimmer bezahlen und los. Heute ist die Etappe wirklich ein Genuss zu fahren: Ich fahre auf einer kleinen Straße ohne Verkehr, es gibt teilweise Schatten aber vor allem unglaublich schöne Ausrichten über die Berge und Täler. Fast hinter jeder Kurve könnte ich anhalten und Bilder machen. Es ist einfach sehr beeindruckend. Die meisten der Eindrücke werde ich (hoffentlich) lange in Erinnerung haben. Der Weg führt durch viele kleine Dörfer in den Bergen. Sehr romantisch! Doch es ist nicht zu übersehen, dass die Unwetter auch hier für Schäden sorgen.
Dann ist es aber geschafft. Am Nachmittag der 10. Etappe erreiche die Stadt Imperia am Mittelmeer. Die ersten 1.100 Kilometer sind geschafft!
Es geht weiter Richtung Süden. Immer am Mittelmeer entlang. Die Route führt nach Monte Carlo. Eine schreckliche Stadt! Sehr laut, viel zu viel Verkehr, eng. Schrecklich! Im Jacht-Club. Da schwimmen ein paar von diesen unglaublich übertrieben teuren Jachten im Hafen. Vier oder fünf maximal. Bilder habe ich keine gemacht. Dafür ist es mir noch nicht mal der Platz auf meiner Speicherkarte wert! Viel Platz gibt es im Hafen ohnehin nicht. Herrchen und Frauchen scheinen wohl ausgeflogen zu sein und vermutlich grade angestrengt versuchen noch teurere Klamotten und Schmuck zu kaufen, als es die Nachbarin auf der letzten Party gestern Abend trug. Das Personal putzt und poliert das Ding, während zwei Tankwagen frischen Diesel in die Jachten pumpen. Wo lag der Preis für Diesel grade? 2,15 pro Liter. Na ja, darauf wird es wohl sicher auch nicht ankommen. Ich glaube ich bin kleinkarriert, als ich mich beim Gedanken erwische, was wohl Greta dazu sagen würde...? Ach egal. Ich kann auf den ganzen Protz absolut nicht neidisch sein. Es ist mir einfach egal. Weiter geht's, raus aus dem Chaos. Nach Nizza. Der Jachthafen von Nizza stellt Monte Carlo meilenweit in den Schatten. Hier lagen nun wirklich zahllose dieser völlig übertriebenen Jachten. Massenhaft! Weiter führt der Weg Richtung Flughafen. Und hier ist schon die nächste bittere Pille der Superreichen zu erkennen. Na, eigentlich sind es zwei bittere Pillen. Erstens: Es gibt zu wenig Stellplätze für die Privat-Jets der Bonzen. Und noch schlimmer dürfte sein: Hier sieht die scheiß Dinger keiner (außer eben jemand der zufällig mit dem Fahrrad dort vorbeifährt, aber wer von den Bonzen fährt denn mit dem Fahrrad...?) So, nun genug von Hohn und Spott. Nächste Station Cannes.
In Arles mache ich einen Ruhetag. Der erste Ruhetag seit zwei Wochen. Inzwischen bin ich über 1.500 Kilometer gefahren. Da ist eine Pause unbedingt nötig. Die Stadt wurde von den Römern aufgebaut. Noch heute sind viele sehr gut erhaltene antike Bauten zu bewundern. Ein römisches Theater und eine Arena sind die Highlights dort.
Am Nachmittag des 17. Tages meiner Reise (und knapp 2.000 Kilometern) erreiche ich den Col de Panissars. Hier verläuft die Grenze zu Spanien.
Auf der Südseite des Col de Panissars geht es steil bergab. Der Weg besteht nur aus Steinen, Sand, tiefen Furchen und unendlich vielen Schlaglöchern. Als ich dann am Fuß des Berges angekommen bin mache ich eine kurze Pause, trinke nochmal ordentlich Wasser und schaue mich im Internet nach einer Unterkunft für die Nacht um. In La Jonquera haben die Supermärkte sogar am Sonntag geöffnet. Im Supermarkt war alles irgendwie immer mega-groß. Und es gibt sie tatsächlich: 10 Liter Kanister Sangria. Unmengen Fleisch! Ganze Schweinehüften hängen getrocknet in den Regalen. Für mich als Veggi natürlich ganz großes Kino! Paella Pfannen mit fast 2 Meter Durchmesser und alles was dazu gehört. Ach ja, und das Theater mit dem nicht verfügbaren Oliven- oder sonstigen Öl gibt's wohl auch nur in Deutschland. Hier kann man Olivenöl im 10 Liter Kanister kaufen. Gurken statt im Glas gibt's hier im 10 Kilo Eimer. Nur Müsli…. Also nach langer Suche finde ich in einer Ecke ein paar Packungen.
Die Radwege in Spanien sind leider nicht so luxuriös wie die Supermärkte. Es sind eigentlich alles Pisten aus Sand und Schotter. Asphalt gibt es quasi nicht. Der Sand ist fast weiß und je höher die Sonne steht umso heller blendet der Sand. Außerdem staubt es gewaltig. Selbst ich mit dem Fahrrad wirble schon einigen Staub auf. Ganz zu schweigen, falls ein Auto oder gar ein Lkw entgegenkommt, oder überholt. Da bleibe ich gerne freiwillig stehen, bis sich der Staub gelegt hat. Inzwischen ist es auch richtig heiß geworden. Ich bin froh, dass ich 4,5 Liter Wasser dabeihabe. Ich komme an zahlreichen und beinahe endlosen Flächen für Ackerbau und Plantagen für Obst vorbei. Fast überall stehen Pumpen am Weg und pumpen Wasser auf die Felder oder in die Plantagen. Wo es kein Wasser gibt, herrscht Dürre. Viele Felder sind schon gemäht worden. Dort wo bewässert werden kann wurde bereits wieder frisch gesät.
Am 19. Tag meiner Reise erreiche ich Barcelona. Auch hier mache ich einen Ruhetag. Die enorme Hitze und das dauerhafte Schwitzen weicht die Haut am Hintern auf. Eine Hornhaut bildet sich so nicht. Dann wird die Haut irgendwann wund und braucht eine Pause. Außerdem ist Barcelona einen Ruhetag auf jeden Fall wert.
In den Tagen danach geht die Hitze-, Staub und Sandschlacht weiter. Durch die Berge sind die Wege teilweise so schlecht, dass das Fahren unmöglich und selbst Schieben nur sehr schwer möglich ist. Inzwischen starte ich morgens bereits lange vor Sonnenaufgang und fahre mit Licht, damit Hitze und besonders der starke Südwind mit nicht zu sehr zu schaffen machen. Nächste Stopps sind: València und Alicante. Ich nähere mich Almeria. Überall sind die riesengroßen Gewächshäuser zu erkennen in denen Gemüse angebaut wird. Eines kann ich sicher sagen: Tomaten aus Spanien wachen in der Erde und nicht in einer Nährflüssigkeit. Doch überall dort, wo es keine Bewässerung gibt, herrscht absolute Dürre.
In dem breiten Tal durch das ich fahre stehen hunderte Gewächshäuser. Die reihen sich kilometerlang dicht an dicht, so weit das Auge sehen kann. Unglaublich! Es sind aber keine Gewächshäuser aus Glas, sondern aus Folie. Die Dächer dienen wohl eher als Schutz vor der Sonne, oder ggf. auch vor Regen. Manche der Dächer sind mit weißer Farbe eingesprüht. Vermutlich, damit es innen nicht zu heiß wird. Dabei sind die sehr großzügig mit der Farbe. Ein Teil landet auf der Straße und so ist die dann eben auch weiß. Wen stört das? Überhaupt scheint hier Umweltschutz keine sehr große Bedeutung zu haben. Es liegt schon sehr viel Müll zwischen den Gewächshäusern. An manchen Gewächshäusern hängt die Folien in Fetzen herunter. Am andere Stellte türmen sich alte Folien zu richtigen Bergen aus Müll. Das ist die Kehrseite der industriellen Gemüseproduktion. Auch fällt mir auf wie viele Schwarze Menschen hier arbeiten. Klar, das Dublin-Verfahren besagt, dass die Menschen erst einmal in dem Land bleiben müssen, in das sie eingereist sind. Für viele Flüchtende aus Afrika ist das eben dann Spanien. Vermutlich arbeiten die hier für Hungerlöhne irgendwo in den unzähligen Gewächshäusern. Ob legal oder illegal wird vermutlich auch niemanden interessieren. So sieht es aus im Europa 2022. Aber ich muss erkennen: Es gibt schlimmere Orte auf der Welt und derzeit beherrschen andere Themen die Schlagzeilen (Krieg in der Ukraine).
Nach 29 Tagen und etwas mehr als 3.300 Kilometern erreiche Malaga. Nun sind es nur noch wenige Tage bis Gibraltar. Allmählich lohnt es sich Gedanken über die Rückreise zu machen. Oder doch noch ein paar Etappen weiter durch Portugal fahren bis nach Lissabon?
Nun zunächst beschäftigt mich ein großer Waldbrand, der in der Nähe von Malaga tobt. Ich hoffe, dass dieser Waldbrand mich nicht zu einem Umweg zwingt?! Die riesige Rauchwolke in der Nähe der Stadt sieht schon gefährlich aus.
Zwischen Malaga und Marbella kommen mir dann starke Zweifel an der Routenplanung des Eurovelo 8. Denn dieser zweigt ab auf die Autobahn!! Das kann doch niemals sein. Ich versuche über einige Kilometer irgendwie Alternativen zu finden. Doch das ist irgendwann einfach nicht mehr möglich. Ich suche im Internet nach Alternativen. Doch auch diese Routen nehmen entweder die Autobahn oder verlaufen kilometerweit entfernt von mir durch die Berge. Als es nicht mehr anders geht schaue ich im Internet, ob ich Infos finde. Es gibt tatsächlich einige Berichte von anderen Radreisenden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Es gilt: Wenn es nicht per Schild ausdrücklich verboten ist mit dem Fahrrad auf der Autobahn zu fahren, dann ist es erlaubt. Undenkbar in Deutschland! Ich versuche es. Kein Problem. Kein Autofahrer der durchdreht. Ich bin trotzdem froh, als ich wieder auf einer normalen Straße oder einem Radweg fahren kann.
Schließlich ist sie da: Die letzte Etappe!
Auszug aus dem Tagebuch: Sonntag, 17.07.2022 - 31. Tag - von San Luis de Sabinillas- nach Gibraltar und weiter nach Tarifa.
Gegen 11 Uhr erreiche ich die Grenze zu Gibraltar. Offiziell endet hier die EU, denn Gibraltar gehört politisch gesehen zu England. Und England hat bekanntlich vor ein paar Jahren die EU verlassen. Die Einreise ist aber ziemlich einfach. Bei der Kontrolle will man nicht mal einen Pass oder Personalausweis sehen. Einfach durchfahren. Doch wenige hundert Meter weiter stehe ich dann zusammen mit anderen Autos vor einer geschlossenen Schranke. Hm, komisch. Auf Schildern über der Schranke steht etwas von Airfield, also Flugplatz. Ich warte ab was passiert. Und tatsächlich: Wenige Minuten später rollt ein Flugzeug über die Straße. Ein großes Flugzeug von Easyjet. Das Flugzeug verschwindet hinter einem Gebäude. Mehr kann ich nicht sehen. Dann kann es ja weitergehen, also macht die Schranke endlich auf! Aber nicht passiert. Die Schranke bleibt geschlossen und ich muss weiter warten – so kurz vor dem Ziel!! Und genau in dem Augenblick schießt das Flugzeug mit Vollgas wieder über die Straße und hebt genau vor meinen Augen ab. Wow Wahnsinn! Aus solcher Nähe habe ich das auch noch nie gesehen! Der Lärm war natürlich ohrenbetäubend und ging mir wirklich durch Mark und Bein. Tja, dann war das Flugzeug weg und die Schranke öffnet sich. Nun kann es weitergehen. Ich will zum südlichen Ende von Gibraltar. Dort sehe ich den Leuchtturm und AFRIKA! Ich habe das Ziel meiner Reise erreicht. Oder besser gesagt den eigentlichen Endpunkt. Mein Ziel habe ich eigentlich schon bei der Abfahrt zu Hause erreicht: Nämlich mit dem Fahrrad unterwegs zu sein....
Es ist kurz nach 11 Uhr. Nach 3.503km bin ich angekommen. Hier am Leuchtturm ist es sehr ruhig. Kein Lärm, ein paar Touristen, mehr nicht. Ich freue mich, dass ich es geschafft habe die Radtour bis hier her zu fahren und bin sehr dankbar, dass nichts passiert ist und ich gesund bin. Ich lasse mir die Kekse aus dem Proviant schmecken, mache ein paar Bilder und genieße einfach nur den Augenblick.
Ich fahre weiter nach Tarifa. Von hier aus starten die Fähren nach Afrika. Es macht mich schon sehr nachdenklich hier zu stehen. Afrika. Sicherlich auch ein fantastisches Abenteuer. Ich muss an meine Zeit in Sierra Leone denken…
Von Tarifa aus fahre ich am nächsten Tag nach Algeciras. Hier ist der nächste Bahnhof. Ich kaufe mir ein Ticket für die Rückreise. Ich werde morgen früh um 6:20 Uhr mit dem Zug nach Madrid fahren. Dort ist der Umstieg auf einen Zug nach Avignon.
Nun muss ich mein Fahrrad bereit machen für die Rückreise. Ich werde mein Fahrrad zerlegen und mit Tüchern aus Stoff und ganz viel dünner Folie einpacken. Ohne Kiste drumherum. Tücher habe unterwegs vor ein paar Tagen zufällig gefunden. Da hatte jemand ein paar Säcke mit alter Kleidung in einem trockenen Fluss entsorgt. Die Sachen sind sauber (ein Stück hatte sogar noch das Label dran), groß und relativ dick und stabil. Davon habe ich mir ein paar Sachen auf den Gepäckträger gepackt und die letzten Tage durch Spanien transportiert. Stück für Stück zerlege ich mein Fahrrad und packe die Teile in Tücher und Folie ein. Bis auf das Hinterrad. Das soll weiterhin drin bleiben und sich auch drehen können, damit ich nicht das ganze Gewicht tragen muss.
Am nächsten Morgen fahre ich mit einem Regionalzug bis zur Hauptstrecke der Schnellzüge. Während es im Regionalzug kein Problem mit meinem Gepäck gab, war das beim Schnellzug schon ein größeres Problem. Auch wenn ich alles zerlegt hatte, war das Hinterrad noch zu erkennen und somit hatte ich dann plötzlich kein Gepäck, sondern ein Fahrrad. Nach langem Hin und Her rief die Dame im Zug an, um zu klären, ob Platz für ein „Fahrrad“ ist (dass eigentlich kein Fahrrad mehr ist…). Gegen Mittag erreiche ich Madrid und kann dort in den nächsten Zug. Diesmal keine Diskussionen. Es gibt einen Platz fürs große Gepäck. Ich genieße die Fahrt durchs Land. Einige der Städte durch die wir fahren kenne ich bereits von dieser oder anderer Reisen mit dem Fahrrad. Um 22 Uhr kommt der Zug Avignon an. Hier ist für heute Schluss mit der Rückreise. Erst morgen um 7 Uhr geht es weiter. Ich suche mir ein gemütliches Plätzchen, wo ich die Nacht entspannt verbringen kann. Doch daraus wird leider nichts. Um 1 Uhr schmeißt die Security mich und andere Gäste sehr bestimmt und unfreundlich aus dem Bahnhof. Wir verbringen die Nacht auf einem Parkplatz irgendwo außerhalb von Avignon. Es stinkt nach Pisse und allmählich wird mir kalt. Haken dran an die Sache. So habe ich in diesem Urlaub auch tatsächlich doch "wild gecampt" und unter den Sternen geschlafen.
Am nächsten Morgen reise ich weiter nach Strasburg, dann weiter nach Karlsruhe bis nach Pforzheim. In Pforzheim endet für mich die Fahrt mit der Bahn. Ich habe beschlossen, dass ich die letzten Kilometer bis nach Hause mit dem Fahrrad fahre. Es gibt Störungen bei Stuttgart und so weiter. Tatsächlich habe ich keine Lust mehr noch länger in der Bahn zu hocken. Ich verlasse den Bahnhof und suche mir in der Nähe ein ruhiges Eck, packe mein Fahrrad aus und baue es wieder zusammen.
Ich kaufe mir noch etwas zum Trinken und fahre von Pforzheim durchs Würmtal nach Leonberg. Das Würmtal ist meine Lieblingsstrecke. Ich genieße es wirklich sehr hier unterwegs zu sein. Ein Donnergrollen holt mich aus meinen Gedanken. Der Himmel ist bereits dunkel und ein Gewitter ist nicht mehr weit. Als ich die Felder zwischen Heimsheim und Perouse erreiche zucken die Blitze vom Himmel und die ersten Tropfen fallen. Ich trete nochmal kräftiger in die Pedale und lege einen Zahn zu, damit ich noch halbwegs trocken nach Leonberg komme. Das klappt aber nicht mehr. Ehrlich gesagt stört mich der Regen auch nicht. Nach den letzten Wochen in Hitze und Trockenheit ist es einfach schön durch den warmen Regen zu fahren.
In Leonberg endet die Reise dann wieder auf dem Marktplatz. Nur das obligatorische Foto entfällt, weil es zu stark regnet. Ich bleibe unter einen großen Sonnenschirm sitzen und genieße ein kühles Bier. Ein paar Bekannte sind auch noch dabei und so wird das ein gemütlicher Abend. Feucht von innen und außen, da das Gewitter wirklich sehr langsam weiterzieht und es lange und kräftig regnet, blitzt und donnert.
Damit endet der Bericht meiner Radtour nach Gibraltar.
Wer mehr lesen möchte kann gerne das Tagebuch der Reise öffnen. Hier findet ihr viele Details, meine persönlichen Gedanken und Eindrücke während der Reise. Viel Spaß beim Lesen!
Radreise nach Athen - 2021
Der zweite Corona-Sommer. Das Virus hat Europa leider immer noch im Griff. Inzwischen sind Homeoffice und Kontaktbeschränkungen ein fester Bestandteil des Alltags. Die erste Impfung habe ich schon bekommen und nur wenige Tage vor meinem Start zur Radreise nach Athen soll ich noch die zweite Impfung erhalten. Ohne diese zweite Impfung wäre ein Start ausgeschlossen. An den Grenzen wäre kein Weiterkommen. Europa im Sommer 2021: Viele Grenzen sind zwar geöffnet, aber ohne Impfung gibt es kein Durchkommen.
Zwei Tage nach der zweiten Impfung will ich starten. Deutschland ist inzwischen von England aus der Fußball-Europameisterschaft geworfen worden und das Wetter passt sich der Stimmung in Deutschland an: Kühl und regnerisch.
Meine Reise wird mich durch Italien, Slowenien, Kroatien, Montenegro, Albanien und Griechenland führen. In den 36 Tagen, an denen ich unterwegs bin, lege ich insgesamt 3700 Kilometer zurück. Wie viele Höhenmeter ich dabei gefahren bin, habe ich nicht ausgewertet. Als waren sicher sehr viele Höhenmeter.
Meine Erlebnisse, Begegnungen und Eindrücke habe ich in den folgenden Kapiteln mit Text und Bildern zusammengefasst. Wenn ihr noch mehr zu meiner Radreise lesen wollt, dann schaut gerne das Tagebuch an. Hier steht zu jedem Tag wie viele Kilometer ich gefahren bin, wie das Wetter unterwegs war, welche Erlebnisse und Eindrücke ich unterwegs hatte und was mich bewegt hat.
Die Planungen sind abgeschlossen, das Fahrrad ist startklar, der Bobby ist gepackt, die Route im GPS-Gerät abgelegt, die letzte Telecon mit den Kollegen zu Ende und eine letzte E-Mail an die Kameraden vom THW gesendet.
Donnerstag, 30. Juni 2021: Es geht los!
Der Regen der Nacht hat aufgehört, als ich kurz nach 9 Uhr aufs Fahrrad sitze und meine Reise nach Athen beginne. Viele Gedanken wirbeln wie verrück in meinem Kopf. Da ist die Freude über die Reise, da sind Sorgen über die Gefahren unterwegs, Gedanken an meine Mutter und und und. Doch all dies schiebe ich nun erst einmal beiseite. Die Radreise nach Athen wird in vielen kleinen Etappen gefahren und nicht an einem Tag. Nun führt mich der Weg erst einmal nach Stuttgart. Und von dort weiter durch das Remstal bis nach Schwäbisch Gmünd. Weiter nach Aalen bis Nördlingen. Hier werde ich übernachten. Im Zelt übernachten will ich aufgrund des vielen Regens nicht.
Am nächsten Morgen führt die Route nach Donauwörth. Dort beginnt die „Via Claudia Augusta“, die mich über die Alpen nach Süden führen wird. Donauwörth ist nicht neu für mich. Hier bin ich im Jahr 2014 schon einmal mit dem Fahrrad durchgefahren. Damals auf dem Weg an Schwarze Meer. Heute folge ich nicht der Donau, sondern der Via Claudia Augusta Richtung Augsburg. Meine nächste Station auf dem Weg nach Süden. Der Weg nach Augsburg ist gezeichnet von den starken Unwettern der letzten Tage. Dicke Äste, teilweise ganze Bäume liegen auf dem Weg und machen das Vorankommen teilweise nicht leicht.
Die Alpen kommen in Sicht - Noch kaum zu erkennen und vom Dunst umgeben. Ich passiere Landsberg am Lech, erreiche das hektische Füssen, passiere die Grenze zu Österreich und erreiche Reutte in Tirol. Kontrolliert wurde ich an der Grenze nicht. Es gab am Radweg eigentlich auch keine Grenze. Keine Kontrolle wegen Corona. Nichts! Ich folge der Route Richtung Fernpass und übernachte in Leermoos. Der nächste Tag beginnt zunächst wenig anstrengend. Am Fernpass ändert sich das. Auf teilweise steilen Wegen, meist weit weg vom Autoverkehr, führt die Route zur Gemeinde Fernpass. Die warme Sonne lädt zu einer kurzen Pause ein. Endlich ist der Regen der letzten Tage vorbei. In Pfunds übernachte ich, um morgen gut gestärkt über den Reschenpass nach Südtirol zu fahren.
Ich bin schon erstaunt, wie schnell man eigentlich mit dem Fahrrad in den Alpen ist.
Am fünften Tag meiner Reise erreiche ich Meran in Südtirol. Unterwegs passiere ich viele kleine Gemeinden, die ich vor Jahren mit der THW-Jugendgruppe aus Leonberg besucht habe. Ich verbinde viele schöne Erinnerung mit dieser Gegend. Am Abend erreiche ich dann Meran mit seiner Therme und der schönen Altstadt.
Der Etsch folge ich am nächsten Tag über viele Kilometer ohne Höhenmeter nach Süden. Bozen ist das Ziel. Die Wege sind gut ausgebaut und so kann ich ein bisschen Tempo machen, denn nach und nach wird die Strecken entlang von Etsch und endlosen Feldern mit Apfelbäumen langweilig. Zudem wird es warm. Die Strecke bleibt jedoch nicht den ganzen Tag so einfach zu fahren. Als ich die Stadt Trento passiert habe, verlässt die Via Claudia Augusta die Etsch und nimmt zahlreiche Höhenmeter in Angriff. Der Weg erinnert nunmehr sehr an die alten Pfade, auf denen die Römer zu Fuß unterwegs waren. Es geht steil nach oben. So steil, dass mein Hinterrad durchrutscht. In Levico Terme finde ich eine Übernachtung.
Die Etappe von Levico Terme nach Feltre durch die Dolomiten war ein Wechselbad der Gefühle. Lest hierzu einfach ein paar Zeilen aus dem Reisetagebuch:
Beim Check der Reifen sehe ich eine große Dorne seitlich im Vorderreifen stecken. Ich ziehe das blöde Ding raus und höre schon, wie die Luft entweicht. Ach so liebe Zeit. So ein Scheiß. Nun ja, da hilft ärgern auch nichts, der Ersatzschlauch muss her! Ich hänge den Bobby ab, lade die Tasche aus, hole Werkzeug und wechsle den Schlauch. Dann aufpumpen (oh wie bequem ist das zu Hause mit dem Kompressor...! Alles wieder sauber einpacken, anhängen und weiter geht's. Den Schlauch flicke ich heute Abend in Ruhe. Dann geht es erst mal ein paar Kilometer ganz entspannt durchs breite Tal. Na, so kann es von mir aus den ganzen Tag bleiben. Aber kaum ist der Gedanke zu Ende gedacht zweigt der Weg vom Tal ab und führt hoch in die Berge. Jetzt am Abend weiß ich gar nicht mehr, wie viele Anstiege das heute waren. Auf jeden Fall ziemlich viele und teilweise sehr steil. Gegen Mittag erreiche ich den Passo Forcella. Nach über drei Stunden habe ich grade mal 35 Kilometer geschafft. Nicht viel, dafür aber anstrengend. Aber eines muss ich einfach auch zugeben: Die Landschaft hier ist absolut wunderschön! Und ich bin völlig erstaunt, wo die Leute überall gebaut haben. Da, wo ein bisschen Platz am Berg ist, steht eine Kirche und ein Dorf drumherum. Dann kommen aber auch Stellen, wo gar nichts ist, nur Natur. Kaum zu glauben, dass es so was hier gibt. Es geht bergab. Steil bergab. Nachdem ich schneller als 65 km/h war, habe ich doch mal gebremst und bin langsamer gefahren. Denn vor einer Kehre haben die Bremsen angefangen zu kreischen. Außerdem will ich nicht in einer Woche zwei Satz Bremsbeläge runter schrubben.
Der Weg führ hoch zum Passo Croce d'Aune. Boah, der zog sich ewig. Meist in der Sonne, lief mir der Schweiß echt in die Fahrrad-Handschuhe. Die verwaschene Schrift auf der Straße zeigt, dass sich hier wohl schon die Profis beim Giro Italia hoch gequält haben. Das macht es in dem Moment aber auch nicht flacher.... Glücklicherweise ist auch der Pass irgendwann geschafft. Nach einer alten Weisheit geht es somit auch wieder bergab. Es macht schon Spaß durch die Kehren zu flitzen. Der Bobby macht auch gut mit! Nur die Bremsen..., die kreischen immer wieder, weil sie sehr heiß werden. Ich erreiche schließlich gehen 17 Uhr die Stadt Feltre.
Am Abend des 07. Juli erreiche ich nach einer anstrengenden Etappe Lido di Jesolo. Ich bin an der Adria. Das nasskalte und windige Wetter, dass mich nördlich der Alpen begleitet hat, ist schon seit ein paar Tagen Geschichte. Inzwischen ist es sonnig und heiß. Bis hier her bin ich in 8 Tagen knapp 1.000 Kilometer gefahren und habe die Alpen überquert.
Die Route verläuft entlang dem Golf von Triest Richtung Südost. Triest ist die letzte große Stadt in Italien, bevor ich Slowenien erreiche. Ich bin etwas nervös wegen dem Grenzübergang nach Slowenien. Immer noch gibt es in vielen Ländern Beschränkungen wegen Corona und Kontrollen an den Grenzen. Tatsächlich stehen noch Kontrollstellen und Zelte am Grenzübergang. Jedoch ist aller verwaist. Ich genieße die Fahrt durch Slowenien. Mich erinnert die Landschaft schon sehr an den Schwarzwald. Interessant fand ich die großen Grills, die vor den Rasthäusern standen und auf denen ganze Schweine gegrillt wurden. Mir schwant, dass die südeuropäische Küche nicht sehr auf vegetarische Kost ausgelegt ist.
Am Grenzübergang nach Kroatien war sehr viel Betrieb. Ich ziehe gleich die obligatorische Maske auf. Vor mir stehen eigentlich nur wenige Fahrzeuge, doch es geht kaum voran. Es wird sehr streng kontrolliert. Hinter mir wird die Schlange immer länger. Vor mit wird diskutiert, es werden Papieren hin und her gereicht und schließlich bin ich dran. Ein kurzer Blick auf den Personalausweis, ein Blick in den Impfpass und schon kann ich weiter. Alles easy. Willkommen in Kroatien.
Das ruhige Hochsommerwetter schlägt in der ersten Nacht in einen schweren Sturm um. Plötzlich fliegen in meiner Unterkunft die Gegenstände durch die Wohnung, die Fenster schlagen zu und ich kann gar nicht schnell genug rennen, um in der Ferienwohnung alle Fenster zu schließen. Auch am nächsten Morgen hat sich der Wind nicht gelegt. Vor dem Haus erwischt mich eine Böe und ich verliere beinahe das Gleichgewicht. Meinen Plan entlang der Magistrale 1 zu radeln kann ich keinesfalls umsetzen. Das ist viel zu gefährlich, wenn eine Böe von der Seite kommt und mich zur Fahrbahnmitte drückt, werde ich überfahren. Ich muss somit durch die Berge. Dort wird der Wind allerding noch stärker sein. Das war leider tatsächlich der Fall: Windböen, die mich von vorne erwischen, tun fast so weh. Mit solcher Wucht erfasst mich der Sturm. Kommen die Böen von der Seite drückt es mich mit dem gesamten Gespann ein paar Meter zur Seite. Bevor der kleine Wimpel am Bobby abbricht, baue ich ihn ab. Glücklicherweise verlässt die Route irgendwann die Berge und führt durch windgeschützte Täler. Am Abend erreiche ich die Stadt Otocac.
Dem Sturm folgen Hitze und Trockenheit. Tagsüber erreichen die Temperaturen im Schatten inzwischen weit über 30 Grad Celsius. Insgesamt transportiere ich an Fahrrad und Bobby 5 Liter Wasser, da ich nicht erwarten kann in den Bergen ausreichend Trinkwasser zu finden. Der Weg führt durch eine extrem trockene Landschaft. Nur Sonne und Hitze. Kein Schatten. Und selbst Wind kühlt nicht, sondern fühlt sich an wie ein Heißluftgebläse. Mein Wasservorrat verdunstet förmlich. Ich mache immer wieder einen kurzen Stopp um zu trinken. Zum Glück habe ich viel Wasser dabei. Hier in der einsamen Gegend gibt es keinen Supermarkt an dem man mal kurz anhalten kann, um Wasser zu kaufen. Am Nachmittag erreiche ich dann wieder die Adria. Die Berge liegen hinter mir. Der Unterschied ist gewaltig. Während ich noch vor einer Stunde in glühender Hitze in der Prärie unterwegs war und ab und an mal ein Häuschen an der Straße stand, gibt es hier nun Bierstände, Würstchenbuden, teure Autos, Jachten und Luxus im Überfluss. Tja, so läuft es wohl auf dieser Welt. Mich beschäftigt der unglaublich krasse Gegensatz zwischen arm und reich noch eine ganze Weile. Ich bin überzeugt, dass manchmal nötig ist, bewusst zu verzichten, um erkennen zu können, was man eigentlich hat.
Eine dunkle Rauchwolke in der Stadt Srima reißt mich aus meinen Gedanken. Nun, das sieht nicht nach einem Grillfeuer aus. Der Weg führt auch noch genau in die Richtung der Rauchwolke. Ein paar Minuten später sehe ich hinter den Häusern in der Stadt meterhohe Flammen auflodern. Ich halte an und bitte einen Schaulustigen die Feuerwehr zu verständigen. Ich könnte denen am Telefon nicht einmal sagen, in welcher Straße ist bin. Bisher hat offenbar niemand von dem Brand Notiz genommen, geschwiege denn die Feuerwehr verständigt. Der Mann ist ganz erleichtert, als er aufhört hat zu telefonieren. Offenbar war er der erste Anrufer. Der Wind facht die Flammen nochmal richtig kräftig an. Die Flammen sind weit über die Häuser hinaus zu sehen. Nun, mehr kann ich auch nicht machen und fahre weiter. In der nächsten viertel Stunde kommen mir viele Feuerwehr-Fahrzeuge entgegen. Großeinsatz! Der Wind treibt den Qualm noch eine ganze Weile in meine Richtung. Am Horizont sehe ich auch schon die nächste Qualm Wolke. Kein Wunder, so trocken wie alles hier ist.
In Split lege ich den ersten Ruhetag meiner Reise ein. Inzwischen habe ich über 1.600 km zurückgelegt und allmählich merke ich, dass mir Sonne, starker Wind und die große Hitze schon zu schaffen machen. Hinzu kommt, dass jeden Tag zwischen 90 und 140 Kilometer mit dem Fahrrad unterwegs bin. Ich suche mir eine günstige Übernachtung am Rande der Altstadt von Split. Nach einer Abkühlung in der Adria mache ich am Abend einen kleinen Rundgang durch die Altstadt Dalmatinischen Palast.
Nach dem Ruhetag in Split führt der Weg häufig entlang der Strände an denen die Leute wie die Röstkartoffeln in der Sonne liegen und vor sich hin schmoren. Das Wasser der Adria lädt sehr zum Baden ein. Bei der Hitze eine schöne Abkühlung, doch ich will vorankommen und nicht baden. Am Abend erreichen mich die ersten Nachrichten von den verheerenden Unwettern und Überflutungen in Nordrheinwestfahlen und im Ahrtal. Da muss es wohl sehr schlimm sein. Ich verfolge die Berichte in den Nachrichten sehr gespannt und hoffe, dass die Schäden nicht so gravierend sind.
Am 17. Tag meiner Reise erreiche Dubrovnik. Die Kilometer auf der Hauptstraße – auch Magistrale genannt – sind gefährlich. Ich sehe aber immer wieder Gedenksteine entlang der Magistrale. Die Magistrale verzeiht keinen Fehler. Zum Glück nehmen die Lkws und Autos, die mich überholen relativ viel Rücksicht. Anders der Gegenverkehr. Die Fahrer überholen und sehen einen Radfahrer gar nicht oder erst sehr spät. Es ist ein sehr beängstigendes Gefühl, wenn mir plötzlich zwei Autos nebeneinander mit sehr hohem Tempo entgegenkommen. Aufpassen, aufpassen, aufpassen!! Die Altstadt von Dubrovnik ist sehr beeindruckend. Allerdings gibt es kaum einen Ort an dem Fahrradfahren so unmöglich ist wie hier. Überall gibt es nur Treppen. Ich muss mein Fahrrad und den Bobby hundert Meter die Treppen hochtragen, bis ich die Unterkunft erreiche.
Damit habe ich Kroatien von Norden und Süden durchquert und werden morgen Montenegro erreichen.
Die Einreise nach Montenegro war völlig unkompliziert. Personalausweis geben, warten, einpacken und weiterfahren.
Monte – Negro (deutsch ‚schwarzer Berg) macht seinem Namen alle Ehre!
Nachdem ich auf der Hauptstraße den internationalen Flughafen von Tivat passiert habe, zweige ich ab, Richtung Berge. Inzwischen bin ich knapp 80 Kilometer auf recht flacher Strecke gefahren. Doch nun steigt die Straße steil bergauf. Das war mit Ansage. Denn schon in der Routenführung war zu sehen, dass zum Ende der heutigen Etappe nochmal etwas mehr als 1.000 Höhenmeter zu fahren sind. Es dauert einen Augenblick, bis meine Beine genügend Kraft abgeben, um die Steigung in Angriff zu nehmen. In der prallen Sonne schießt mir der Schweiß aus allen Poren. Zum Glück habe ich genug Wasser zum Trinken dabei. Die nächsten 25 Kilometer führt die Route einfach nur bergauf. Es sind 26 Kehren, so ist es jedenfalls auf einem Schild an der letzten Kehre zu lesen. Doch damit ist noch nicht genug. Nach ein paar Kilometern geht es noch weiter nach oben. Zum Schluss stehen 1040 Höhenmeter auf dem GPS-Gerät.
In Cetinje suche ich mir eine Übernachtung nach mache einen Rundgang durch die Altstadt. Es gibt eine wunderschöne und sehr große Fußgängerzone. Alles ist voll mit Leuten. Es gibt jeden Menge Restaurants, vor manchen spielt Livemusik. Die ganze Fußgängerzone ist gesäumt von vielen großen alten Kastanien. Hier ist richtig viel Leben auf der Straße. Und das ganz ohne Massen von Touris! Ich laufe eine Weile durch die Fußgängerzone und lasse mich schließlich bei einem Restaurant nieder. Was zu futtern wäre jetzt schon gut. Ich will natürlich die einheimische Küche probieren. Während ich aufs Essen warte und ein kühles Bier genieße, gesellt sich noch ein streunender Hund zu mir. Dabei habe ich vor dem Spaziergang geduscht...! Er wartet, ob vielleicht etwas für ihn übrigbleibt. Na und dann dieser Hundeblick… Im nächsten Augenblick könnte ich den Hund schon mit nach Hause nehmen. Aber die blöde Töle am Nachbartisch kläfft, wie geisteskrank und das geht den hungrigen Kerl wohl noch mehr auf die Nerven als mir. Jedenfalls zieht er von dannen und blickt nochmal traurig zurück. Also der Kerl wusste schon, wie man jemanden herum kriegt...
Der nächste Tag ist ein Sonntag. Der Tag startet beschaulich. Es regnet zudem und ich lasse mir Zeit mit dem Start der Etappe. Nach ein paar Kilometern verlässt der Track die Hauptstraße und verläuft auf einer sehr wenig befahrenen, aber wunderschönen Panorama-Straße. Nun, die Straße war nicht so schön, aber die Aussicht. Unglaublich. Wirklich sehr schön. Die Berge und der Blick auf die Täler. Am späten Vormittag wird meine Freude leider etwas eingetrübt. Plattfuß. Mist! Zum Glück am Vorderreifen. Da ist der Schlauch schnell herausgezogen, geflickt und wieder eingebaut. In der Ferne braut sich ein Gewitter über den Bergen zusammen. Das sieht sehr schön aus, wenn die Blitze vom Himmel zucken, aber mir wäre es lieber ich stünde nicht irgendwo in den Bergen, wenn es gewittert. Die Gewitter hängen fest in den Bergen. Leider fahre ich genau darauf zu, statt davon weg. Erstaunlich lange tropft es nur ein bisschen. Doch dann wird der Regen deutlich stärker. Zudem wird es auch kalt. So kann ich nicht weiterfahren. Ich halte an und hole die Regenjacke und die wasserfesten Überschuhe aus dem Bobby. Vor dem Regen geschützt kann es weiter gehen. Vom Sattel einer Passhöhe kann man schon Albanien sehen.
Am Grenzübergang gibt es wieder lange Schlangen. Ein Autofahrer weist mich darauf hin, dass es einen Durchgang für Fußgänger gibt. Dort geht es für mich schneller. Das ist sehr nett. Die Grenzanlagen teilen sich Montenegro und Albanien gemeinsam. An einem Fenster kontrolliert der Grenzer aus Montenegro, am anderen Fenster der Grenzer aus Albanien. Personalausweis geben kurzer Check, fertig. Weiter geht's. Willkommen in Albanien.
Auf den Straßen ist viel Verkehr. Es fühlt sich hier ein bisschen an wie Tunesien. Die Märkte, die Minarette, die Leute, der Verkehr und und und. Ich erreiche bald mein Hotel in Shkoder. Die Leute sind sehr freundlich.
Am nächsten Tag muss ich auf der Hauptstraße weiterfahren. Die Nebenwege sind zu schlecht, oder mit Müll und Scherben übersät. Der Verkehr ist leider ziemlich dicht. Doch fahren die Autos nicht so schnell wie in Kroatien. Die Autos und Lkws nehmen Rücksicht auf Radfahrer. Ich sehe oft ältere Menschen, die mit sehr alten und klapprigen Fahrrädern unterwegs sind. Wohl aber eher aus der Not heraus, weil sie kein anderes Fortbewegungsmittel haben. Die Route führt durch mehrere große Städte. Ich bin jedes Mal fasziniert von dem Gedränge auf den Märkten, den vielen Menschen vor den Geschäften und irgendwie auch von dem halbwegs koordinierten Chaos auf den Straßen. Man gewöhnt sich schnell daran und irgendwie komm ich immer gut und sicher durch. Inzwischen gibt es auch gute Wege abseits der Hauptstraße. Zumindest bis zum Flughafen von Tirana. Hier zweigt der Weg wieder ab und wird Schotterweg. Aber machbar. Bis Durres zieht es sich leider noch ein ganzes Stück zu fahren. Nun, mehr als 150 Kilometer an einem Tag ist auch nicht grade wenig. Mir ist inzwischen das Wasser ausgegangen und ich merke, dass eine Packung Kekse als Proviant für den ganzen Tag doch etwas wenig ist, wenn man fast den ganzen Tag mit Volllast radelt.
Am Abend erreiche ich die Unterkunft. Nachdem ich geduscht habe, kaufe ich mir noch was zum Essen und Trinken. Das Wasser im Hotel will ich hier nicht trinken. Ich habe zwar ein paar große Schluck genommen, weil ich unglaublich durstig war, aber meine Sinne sagten mir laut und deutlich: Lass es!! In Supermarkt gibt es Wasser in Flaschen, was ich eigentlich völlig ablehne aus Umweltschutzgründen, aber hier geht es einfach nicht anders. Ich mache noch einen Spaziergang zum Strand, hole mir was zum Essen und laufe zurück zum Hotel.
Ein paar Gedanken über Land und Leute will ich hier unbedingt loswerden:
Bloß wo fange ich an, die Eindrücke wieder zu geben...?
Vielleicht mal beim Straßenverkehr. Der ist auf den Hauptstraßen sehr dicht. Doch die Leute nehmen Rücksicht auf Radfahrer. Ich merke allerdings, dass ich im Vergleich zu den dort üblichen Radfahrern fast schon mit Lichtgeschwindigkeit daherkomme. Jedenfalls fällt mir immer wieder auf, dass sich die Leute ziemlich verschätzen. Ich musste jedoch bislang keine Vollbremsung hinlegen, weil plötzlich jemand aus einer Einfahrt herauszieht. Aber wenn mich Autos überholen, merken Fahrer oft sehr spät, dass ich viel schneller bin, als sie denken und sie nicht so einfach oder schnell an mir vorbei sind, wie angenommen. Da wird es mit dem Gegenverkehr manchmal schon fast brenzlig. Doch schlimmer wäre, sie würden dann einfach nach rechts ziehen und ich hätte das Nachsehen. Aber das ist nicht der Fall. Sie nehmen Rücksicht auf Radfahrer. Danke!!
Auf den weniger stark befahrenen Straßen hupt hin und wieder mal jemand kurz hinter mir. Das ist aber dieses "Achtung, ich überhole dich gleich" Hupen. Klingt komisch, aber man merkt die Leute sind entspannt. Hin und wieder gibt es auch mal einen Daumen nach oben vom Beifahrer. Nie den Stinkefinger. Auch die Polizei fährt mit Daumen nach oben hin und wieder vorbei, oder lässt kurz die Sirene krächzen.
Im ersten Hotel, im dem ich gestern übernachtet habe waren die Leute sehr sehr zuvorkommend und wirklich sehr sehr nett. Etwas, dass ich aus der Service-Wüste Deutschland gar nicht mehr gewohnt bin. Wirklich herzlich sind die Leute. Umso mehr fand ich es schade, dass Google bei es Stadt Shkoder gleich automatisch ".... Kriminalität" vervollständigt. Nun ja, wer nachts in einer Großstadt allein im Park unterwegs ist, muss leider überall damit rechnen vielleicht unangenehme Begegnungen zu machen. Da hilft eben der eigene Menschenverstand.
Leider ist es mit dem Müll so eine Sache. Oder um es kurz zu sagen. Es sieht überall, wo Leute hinkommen, aus wie die Sau. Leider ist das Umweltbewusstsein nicht vorhanden. Schöne Bäche oder kleine Flüsse sind voller leerer PET-Flaschen. In jedes Loch, wo man Müll reinwerfen kann, ist auch Müll drin. Es stinkt teilweise erbärmlich nach Müll und Gammel. Vermutlich liegt auch hin und wieder mal ein überfahrener Hund im Graben und vergammelt, ich weiß es nicht. Bauschutt wird einfach irgendwo in den Graben geworfen. Aus dem Auge aus dem Sinn. Selbst während ich eine Pause an der Straße mache, kommt einer mit der Schubkarre voll Bauschutt und kippt den direkt neben mir in die Pampa. Das ist weniger schön. Aber es scheint auch keine entsprechende Struktur zu geben. Es gibt wohl keine Müllabfuhr, die die Tonnen zu Hause leert, sondern nur zentrale großen Tonnen an der Straße. Da kommt dann alles rein. Mülltrennung...? Was für ein Lacher... An den großen Plätzen in den Städten sieht es dann auch dementsprechend aus und riecht im Sommer natürlich entsprechend. Warum dann trotzdem immer noch so viel Müll in der Landschaft landet, weiß ich leider auch nicht. Jedenfalls ist das schon extrem schade.
Ach, mir gehen hierzu so viele Gedanken im Kopf herum (na klar, mit irgendetwas muss man sich tagsüber ja auseinandersetzen, während man fährt, wenn es der Verkehr zulässt).
2501 km zeigt mein Tacho am Tag 22 meine Reise nach Athen. Ich bin in Albanien unterwegs. Das Land hat mich in seinen Bann gezogen. Immer wieder mal hupt es kurz neben mir und ein Autofahrer winkt oder zeigt mit dem Daumen nach oben. Ich schaue schon sehr genau hin, ob es nicht doch der Stinkefinger ist. Aber ist es nie. Das motiviert auch ein bisschen. Wie schon gesagt die Leute sind sehr freundlich und entspannt. Davon möchte ich mir gerne eine Scheibe abschneiden und diese Art für mich mitnehmen. Die Sonne brennt unglaublich heiß vom Himmel und meine 4,5 Liter Wasser für unterwegs sind schon früh verbraucht. Inzwischen liegt der Wasserbedarf bei mir bei 10 bis 12 Liter pro Tag! Das bedeutet aber nicht, dass ich tagsüber einen Stopp zum Pinkeln machen muss. Die Strecke ist überwiegend sehr anspruchsvoll, da viele Höhenmeter zu fahren sind. Die Landschaft ist dafür sehr schön, wenn es durch die Berge geht.
Um ehrlich zu sein denke ich inzwischen nur noch selten an zu Hause. Habe ich mir noch in den ersten zwei Wochen überlegt, was ich alles machen will, wenn ich wieder zu Hause bin, denke ich inzwischen wirklich selten an zu Hause, sondern mehr daran, wo ich noch hinfahren könnte. Immer wieder kommen mir Amman (in Jordanien) oder Erbil (im Nordirak) in den Kopf. Amman kenne ich gut und nach Erbil verbindet mich inzwischen auch das THW. Was sind dann nochmal 1800 Kilometer? Da beneide ich wirklich sehr die Leute, die in Athen sagen können: Weiter geht’s….!
Andererseits habe ich in den letzten Wochen so viel gesehen und erlebt und ich bin noch lange nicht in Athen. Woran ich oft denke, ist mein Garten: Wenn ich unterwegs schöne Gärten sehe. Mein Garten fehlt mir schon ein bisschen (auch wenn er derzeit wegen des vielen Regen wohl eher eine Stechmücken-Hölle ist, als ein Ort der Entspannung ist).
Die Ausreise aus Albanien war echt einfach. Nach einem halben Kilometer komme ich dann an die Grenzstation zur Einreise nach Griechenland. Es ist wenig los, aber hier laufen Leute mit Einweg-Schutzkleidung, Masken, Gerichtsschutz herum. Oh man, in Albanien hat man mich in ersten Supermarkt ganz komisch angeschaut, als ich dort mit Maske rein bin. Danach habe ich es auch echt genossen mit Abstand im Supermarkt OHNE Maske einzukaufen. Aber hier an der Grenze zu Griechenland ist wegen Corona richtig Party. Eine Dame in Einweg-Schutzkleidung kommt zu mir und fragt mich nach meinem PFL. Was für Ding?? Ich habe einen Personalausweis, einen Impfpass und mehr brauche ich als EU-Bürger nicht, wenn ich in die EU einreisen will. Das ist schließlich die Grundidee der ganzen EU. Doch hier brauche ich noch ein Passagier Lokalisierungsfaktor Formular. Alter.... Haben die ein Rad ab??!?!?! Die Griechen wollen doch nicht allen Ernstes Deutschland in Punkto Bürokratie das Wasser abgraben?? Na, wie auch immer. So ein Ding habe ich nicht. Als ich zu Hause los gefahren bin war davon noch keine Rede. "Kein Problem" sagt mir die Dame. Ich kann es online ausfüllen und dann ist die Einreise kein Problem. WLAN haben sie dazu extra eingerichtet. Also dann, warum nicht die Bürokratie erst mal glücklich machen. Zum Glück gibt's etwas Schatten und ich fange an.
Ach so, erst einmal einen eigenen Account anlegen. Dann auf die E-Mail zur Bestätigung warten, die tatsächlich ziemlich prompt in meinem E-Mail-Postfach landet. Der Link, den ich anklicken muss, funktioniert sogar und ich kann mir nun ein Passwort ausdenken. Na, bislang war das ja noch einfach. Dann erfolgt die Anmeldung auf der Seite des Zivilschutzes. Nun geht eine endlose Fragerei los:
- Name, Anschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adresse
- Wo komme ich her, wo will ich hin (genaue Adresse der Unterkunft, wobei das System irgendwie die Daten überprüft und ich verzweifelt versuche die griechischen Buchstaben der Straße von meiner Unterkunft in das blöde Feld zu kopieren)
- Nummer des Personalausweises
- Datum der Impfung, welcher Impfstoff?
- Notfall-Kontakt, über den man mich erreichen kann. Ich gebe die Adresse meiner Schwester an. Nur bei der Telefonnummer muss ich passen und schaue im Adressbuch meines Smartphones nach.
Alles klar, weiter geht's. Denkst du...
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Nee, jetzt, oder?!?!?!
Auf einmal bekomme ich echt Blutdruck und fange schon an die Software-Entwickler dieser Welt zu verfluchen. Okay ruhig bleiben. Nochmal....
Bundesland, Grenzübergang, nächste Unterkunft, Personalausweis, Impfstoff, Notfall-Kontakt und was weiß ich noch welchen Scheiß die wissen wollten.
Ihre Angaben werden geprüft....
„Die maximale Anzahl von Passagieren, die zum ausgewählten Datum über den ausgewählten Einstiegspunkt einreisen können, wurde erreicht. Bitte versuchen Sie es erneut mit einem anderen Datum“.
Ja hat denen jemand ins Hirn geschissen???!!?!!? Tut mir leid für die Wortwahl, aber was soll denn der Mist? Die Dame in Einweg-Schutzkleidung kommt zu mir und fragt, ob ich vorankomme. Ich kopiere den Text in den Google Übersetzer und zeige ihr die Meldung. Oh, Hm, ... Also...???
Ich soll es einfach direkt bei der Polizei bei der Einreise versuchen und dort das Problem erklären. Das ist eine gute Idee. Ich laufe die paar Meter weiter zum Grenzposten. Der Mann am Schalter schaut sich die Meldung an, schüttelt den Kopf und sagt mir, dass ich ohne dieses PFL nicht einreisen kann. Na, das ist ja gut. Zum Glück lässt der Mann aber mit sich reden. Ich erkläre ihm, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und vor drei Wochen in Deutschland los gefahren bin. Da war von einem PFL noch keine Rede. Und wenn ich hier heute nicht einreisen kann, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als heute Nacht mein Zelt hier an der Grenze aufzubauen und dann morgen nochmal die Einreise zu machen. Ich muss ja weiterkommen. Nach Albanien will ich nicht zurück (so schön es dort auch ist...!). Glücklicherweise hat der gute Mann ein Einsehen. "Griechenland und Deutschland sind ja Freunde" sagt er. Personalausweis bitte. Kurzer Check und der deutliche Hinweis, mach schon, fahr weiter...!
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich schnappe meine Sachen und gehe Gas. Ein bisschen später sortiere ich meinen Papierkram wieder in die Tasche des Bobby. Geschafft. Aber ein bisschen ärgert mich das schon. So ein blödes Formular, ein Scheißdreck, der einfach nicht richtig tut und schon steht man unter Umständen irgendwo ziemlich blöd da, weil irgendjemand eine Zeile in der Software nicht richtig getippt hat und es eben auch niemand getestet hat. Nun ja. Dafür geht's jetzt durch schöne Obst-Plantagen Richtung Igoumenitsa. Meist ohne große Anstiege. Ich konzentriere mich wieder einfach auf die Tour und versuche heute Abend mal das blöde PLF noch auszufüllen. In Ruhe. Auf dem Sofa. Bei einem Bierle....
Das blöde PLF habe ich dann doch tatsächlich noch fertig bekommen. Nach drei weiteren Versuchen....
Nachdem ich keine einfache Einreise nach Griechenland hatten wollte ich trotzdem optimistisch bleiben auf meiner Tour. Jetzt bin ich schließlich schon so weit gefahren und habe eigentlich keine Lust mir durch die Bürokratie und irgendwelche absurden Regeln die Laune verderben zu lassen.
Doch da fällt mir die Sache mit dem Seetunnel bei Preveza ein. Ach, da war ja noch was....
Zwischen Preveza und Aktio gibt's einen 2 Kilometer langen Tunnel unter dem Meer hindurch. Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit dem Eurovelo 8 zu folgen und um eine riesengroße Bucht herum zu fahren. Das sind ziemlich genau 150 Kilometer extra. Das Problem ist, dass der Tunnel für Radfahrer gesperrt ist. Das war mir schon vorher klar. Wie so oft kursieren Geschichten im Internet wonach vom Tunnelbetreiber jemand kommt, das Fahrrad auf einen kleinen Transporter lädt und einen durch den Tunnel bringt. Davon gibt's auch Bilder. Nun das wäre super, diesen großen Umweg sparen zu können. Doch wie lange dauert es wohl an einem Freitagnachmittag, bis mich jemand dort in einem Transporter mitnimmt? Also beschließe ich möglichst zügig zum Tunnel zu kommen. Kurz nach 14 Uhr bin ich am Tunneleingang. Eigentlich nichts Besonderes. Der Verkehr ist nicht sehr stark, das Gefälle der Einfahrt nur gering. Warum sollte man da nicht einfach kurz mit dem Fahrrad durchfahren? Die Schilder mit dem Verbot für Fahrräder könnte man fast übersehen, wenn sie nicht so groß und zahlreich wären. Also stelle ich mich wie beschrieben unter eine Überwachungskamera und warte gespannt ab was passiert. Parallel halte ich nach Transportern Ausschau und halte den Daumen nach oben. So wie früher eben: Klassisch beim Trampen. Wenn ich sonst mal an der Straße anhalte um was zu Essen oder zu Trinken schauen die Leute immer ganz neugierig. Aber nun starren alle in den Autos nur stur gerade aus. Bloß nicht hinschauen zu dem Typ, der den Daumen hebt. Sonst springt vielleicht noch das Corona Virus ins Auto...? Ein paar alte klapprige Roller fahren an mir vorbei und in den Tunnel. Ach so, die dürfen. Na, das kann ich auch und hänge den Bobby wieder ans Fahrrad. „Die können mich einfach mal“, sage ich mir und will grade losfahren, da kommt tatsächlich ein Transporter vom Betreiber des Tunnels. Wow, das ist ja unglaublich. Der Fahrer steigt aus und macht mir sofort sehr deutlich klar, dass ich es nicht wagen soll mit dem Fahrrad durch den Tunnel zu fahren. Okay, sehr freundlich. Der gibt mir einen Zettel mit Telefonnummern von Taxi oder Bus-Unternehmen. Da soll ich anrufen, mich abholen und durch den Tunnel bringen lassen. Ich bitte ihn mich doch einfach mitzunehmen, wenn er doch jetzt eh durch den Tunnel fährt. Wortlos steigt er ins Auto und fährt weg. A…. Der Dickkopf in mir sagt, dass es mir egal ist und ich jetzt durch diesen dämlichen Tunnel fahre. Fertig. Eine andere Stimme erinnert mich an mein nicht völlig korrekt ausgefülltes PFL von gestern. Wenn also zum illegalen Durchfahren des Tunnels auch noch Ärger mit dem blöden PFL dazu kommt, dann gibt es eine Menge Frust für nix. Also den scheiß Tunnel abhaken und um die blöde Bucht herumfahren. 150 Extra-Kilometer. Jetzt noch ein Taxi rufen und so weiter.... Nee, keine Lust. Es ist schon 15 Uhr und ich habe echt Hunger. Meine Kekse sind fast alle gegessen und so beschließe ich in einem der Restaurants etwas zu Mittag zu Essen. Während ich die Einheimische Küche genieße, überlege ich mir, wie ich morgen weiterfahre. Die Umfahrung der Bucht oder doch einen Transport organisieren? Doch zunächst entscheide ich für heute Feierabend zu machen. Ich suche mir eine Unterkunft und lasse die Tour für heute gut sein.
In der Unterkunft bin spreche ich mit dem Gastgeber über den Tunnel. Er ärgert sich sehr über den Tunnel, weil er die Menschen von zwei benachbarten Osten voneinander trennt. Früher ist man kurz mit der Fähre den halben Kilometer gefahren und war bei Freunden oder Verwandten. Als Kind kein Problem. Heute unerreichbar. Nur mit dem Taxi. Er telefoniert mit einem Bekannten. Und somit habe ich morgen früh doch jemand, der mich für einen akzeptablen Geldbetrag durch den Tunnel bringt. Das macht auch die Situation der Übernachtungen deutlich einfacher. Tja, manchmal gibt es eben doch noch einen Trumpf von dem man zunächst gar nichts weiß.
Am nächsten Morgen steht der Transporter schon vor der Unterkunft und wartet. Mit drei Schrauben baue ich das Vorderrad aus, damit das Fahrrad gut ins Auto passt. Zehn Minuten später sind wir am Tunnel und weitere ZWEI Minuten später auch schon durch. Das ist wohl der totale Witz!!! Da wäre ich auf einer Po-Backe durchgefahren. Jedoch hängen eine Menge Kameras im Tunnel und gleich danach kommt eine Mautstelle. Ich vermute spätestens hier hätten sie mich dann rausgezogen. Oder eben auch nicht, wenn man sich nur dumm genug stellt. Aber die Fähigkeit fehlt mir leider. Also lässt mich der Fahrer nach der Mautstelle aussteigen, hilft beim Ausladen, bekommt sein Geld und ist auch schon wieder weg. Ich baue mein Fahrrad wieder zusammen und fahre los. Immer weiter nach Süden.
Es sind noch drei Tage bis Athen. Ich sollte bald einen Ruhetag machen. Denn die enorme Hitze strengt an. Inzwischen liegt mein Wasserverbrauch sogar bei über 12 Litern pro Tag. 15 Liter sind nötig, um die irgendwann mal pinkeln zu müssen. Die ein oder andere Etappe gehört eben zu den Pflicht-Etappen, die man auf einer solch langen Reise einfach auch zurücklegen muss.
Natürlich gibt es viele Abschnitte, an denen die Route entlang schöner Strände verläuft. Kleine Restaurants laden zur Mittagszeit zu einem gemütlichen Mittagessen ein. Eine gute Stärkung für die nächsten Kilometer. Allerdings habe ich in der Hitze gar nicht so viel Hunger. Ein Problem, denn ich brauche die Energie. Ich habe während der Reise an Gewicht verloren.
Am 26. Tag meiner Reise erreiche ich Korinth. Von hier aus ist es noch eine Tagesetappe bis Athen. Hm, ein komisches Gefühl. Ich genieße die Nacht in der Unterkunft. Das Meer rauscht unterhalb vom Balkon und lässt mich in tiefen Schlaf fallen. In der Nacht dreht der Wind und weht nun vom Land her. Er trägt den würzigen Geruch von brennenden Kiefern mit sich. Die Waldbrände sind inzwischen an zahlreichen Stellen ausgebrochen. Glücklicherweise musste ich (noch) keinen Umweg wegen der Waldbrände fahren. Über teilweise sehr stark befahrene Straßen führt die Route nach Athen. Manchmal verstehe den Eurovelo nicht wirklich. Gibt es Gebiete in denen die Route keinen Aussichtpunkt, Sehenswürdigkeit oder sonstige „Point of interesst“ auslässt, folgt die Route nun einer hässlichen, lauten, viel befahrenen stinkenden Hauptstraße. Der Wind treibt mir den Dreck in die Augen und die Autofahrer werden mit jedem Kilometer dem ich mich Athen nähere hektischer und aggressiver.
Dann ist es geschafft: Nach 3113 Kilometern, die ich in 28 Tagen (inkl. Ruhetage) gefahren bin erreiche ich am 27. Juli 2021 meine Unterkunft in Athen! Die Radreise nach Athen ist geschafft. Ich bin absolut glücklich, aber im Augenblick auch sehr müde.
Ich habe mir die wichtigen Punkte im GPS-Gerät gespeichert und mache mich mit dem Fahrrad auf Stadtrundfahrt. Der erste Punkt auf meiner Liste war die Akropolis. Früh am Morgen gab es dort noch nicht viele Besucher, die in der Schlange standen. Zudem war es noch nicht so heiß. Tagsüber sind für Athen Temperaturen von über 40 Grad Celsius angekündigt. Es wurde schon gewarnt, die Klimaanlagen nicht so kalt zu stellen, um die Stromnetze nicht zu überlasten. Die Akropolis zu besuchen war für mich sehr schön. Schließlich ist der Berg mit seinen historischen Anlagen das Ziel meiner Reise gewesen. „ICH bin mit dem Fahrrad zur Akropolis geradelt“. Das kann ich jetzt mit Fug und Recht sagen! Ich fahre weiter zum Observatorium. Von dort aus hat man nicht nur einen guten Blick zu Sternen, sondern auch über Athen. Soweit das Auge sehen kann: Ein Häusermeer.
Ich schaue mir noch einige andere interessante Sehenswürdigkeiten in Athen an.
Zum späten Nachmittag kläre ich noch, wo der Busbahnhof liegt. Denn vor dort wird mich morgen in der Frühe (hoffentlich) ein Bus nach Igoumenitsa bringen. Damit beginnt die Rückreise. Ein Abenteuer für sich. Denn nun habe ich meine Reise nicht mehr selbst in der Hand, sondern bin auf Verkehrsmittel wie Bus und Bahn angewiesen. Das ist mit dem Fahrrad nicht immer unkompliziert.
Das Thermometer zeigt an diesem Morgen schon um 6 Uhr 32 Grad Celsius. Ich habe nicht gut geschlafen. Ohne Klimaanlage ist es fast unmöglich, dass der Körper zu Ruhe kommt. Mit Klimaanlage ist es einfach zu laut im Zimmer (und es ist Zugluft im Zimmer).
Ich bin auf dem Weg zum Zentralen Busbahnhof vom Athen. Dem Kifisou. Mit dem Fernbus fahre ich von Athen zur Hafenstadt Igoumenitsa, die ich schon auf der Hinreise kurz durchquert habe. Während draußen die Landschaft an mir vorbeizieht, kommen mir Teile davon durchaus bekannt vor. Klar, hier bin ich vor einigen Tagen mit dem Fahrrad vorbeigekommen. Inzwischen zeigt das Thermometer im Bus eine Außentemperatur von 41 Grad Celsius an. Die Hitze flimmert am Horizont.
Am späten Abend (gegen 21.30 Uhr) legt die Fähre ab. Ziel: Ancona in Italien.
Ich habe auf der Fähre einen Platz in einem Großraum-Abteil mit Kinosesseln gebucht. Keine Kabine. Denn schlecht schlafen kann ich auch für weniger Geld. Die Fähre war sehr laut. Und leider auch nicht besonders sauber. An Deck war es mir zu dreckig, um meine Isomatte dort auszubreiten und zu schlafen. In einem Reisebericht habe ich schon gelesen, dass die „Grimaldi Lines“ die Fähren wohl ziemlich runter wirtschaften. Das muss ich leider bestätigen. Am Abend des nächsten Tages erreicht die Fähre gegen 17 Uhr die italienische Hafenstadt Ancona. Ich fahre zum Bahnhof um von dort mit der Bahn weiter nach Norden zu reisen. Bologna ist mein Ziel. Hier will ich übernachten und am nächsten Tag meine Reise fortsetzen.
Da mein Zug von Bologna nach Bozen erst am Nachmittag startet habe ich reichlich Zeit für eine Tour durch die Stadt, um die Sehenswürdigkeiten von Bologna anzuschauen. Am frühen Abend erreiche ich Bozen. Hier muss ich umsteigen in einen Eurocity nach München. Ich freue mich allmählich darauf wieder zu Hause, bzw. in meinem Garten zu sein. Ich habe mir vorgenommen das Wochenende im Garten zu verbringen und ganz langsam aus der Radreise wieder in den Alltag zurückzukehren. Ich will in Bozen in den Eurocity einsteigen, da ruft der Schaffner schon von weitem, dass er mich nicht mitnehmen wird. Ich laufe zu ihm hin und zeige ihm die zusätzliche Karte für Fahrrad. Doch die interessiert ihn gar nicht. Er nimmt mich NICHT mit. Alles bitten und alle Erklärungen interessieren ihn nicht. Er gibt zum Lokführer das Signal zur Abfahrt, die Türen schließen und ich stehe weiterhin in Bozen am Bahnhof. Scheiß BAHN!!!!
Es ist Samstagabend. Gerade geht ein kräftiges Gewitter über Bozen nieder und ich stehe hier, schaue immer noch fassungslos meinem Zug hinterher, verfluche den Schaffner und die Bahn und überlege, wie es nun weitergehen könnte. Ich erkundige mich nach Alternativen. Es gibt am Sonntag noch Züge nach Deutschland. Alle komplett voll. Keine Chance. Und am Montag? Nein, ab Mitternacht wird die Bahnstrecke über den Brenner für eine Woche wegen Wartungsarbeiten gesperrt. Wunderbar!
Ich suche mir nun als erstes eine Unterkunft. Weil es immer noch in Strömen regnet, habe ich nach all dem, was ich gerade mitgemacht habe, keine Lust auf Camping im Regen. Auch wenn dies zu meiner Stimmung vielleicht sogar gut passen würde. Für viel Geld finde ich kurzfristig noch eine recht bescheidene Unterkunft. Aber immerhin ein Dach über dem Kopf. Während ich das warme Wasser der Dusche genieße, überlege ich mir, wie ich nun am besten nach Hause komme. Der Entschluss ist schnell gefasst. „Scheiß auf die Bahn“ – Ich fahre mit dem Fahrrad nach Hause.
- August 2021 -- Tag 33 meiner Reise. Ich steige im Dauerregen aufs Fahrrad. Unterwegs muss ich teilweise durchs knietiefe Wasser fahren, weil durch den starken Regen Bäche und kleine Flüsse über die Ufer getreten sind. Von der enormen Hitze in Athen in den kalten Dauerregen Südtirols ist ein krasser Wechsel. Ich ziehe meine kompletten Regenklamotten an. Gut, dass ich die Regenklamotten über 3.000 Kilometer im Bobby hinter mir hergezogen habe. Nächste Station: Brixen. Schweres Gewitter mit Starkregen. Ich stelle mich eine halbe Stunde lang unter den Schutz einer Brücke. Gewitter sind extrem gefährlich! Franzensfeste… Mir ist eiskalt! Brenner… Ich bin oben. Nun geht es weiter nach Innsbruck. Leider nicht nur bergab. Die Strecke ist sogar ziemlich anspruchsvoll. Gut so, denn dann wird mir wenigstens warm, wenn ich bergauf fahre. Es regnet, regnet und regnet. Als ich in der Unterkunft in Innsbruck ankomme bin ich müde und mir ist eiskalt. Selten habe ich eine warme Dusche so sehr genossen wie an dem Abend. Meine nassen Klamotten verteile ich überall im Zimmer und hoffe, dass diese bis zum nächsten Morgen wenigsten ein bisschen trocken geworden sind.
Am nächsten Morgen starte mit fast trockener Kleidung. In Innsbruck kaufe ich mir noch Proviant für den Tag. Es geht zum Achensee. Der Anstieg ist teilweise so steil, dass mir das Hinterrad wegrutscht, weil es auf dem Schotter nicht genug Haftung gibt. Als ich den Achensee erreiche bin ich völlig nass geschwitzt und ziehe mir schnell warme Klamotten an. Der Wind ist sehr kühl. Es fallen die ersten Regentropfen. Ich genieße die Fahrt um den Achensee und denke die ganze Zeit ziemlich emotional an den letzten Ausflug, den ich mit Mutter hier an den Achensee unternommen habe als es ihr noch halbwegs gut ging. Das war ihr letzter Ausflug. Danach hat die Demenz überhandgenommen. Sie ist jetzt in ihrer eigenen Welt. Aber vielleicht kommt darin der kleine Urlaub am Achensee vor...?
Ich erreiche den Walchensee und wenig später Lenggries und am späten Nachmittag mein Ziel für heute. Bad Tölz. In der Jugendherberge finde ich eine gute Unterkunft. Ein junger Wanderer auf dem Zimmer berichtet von seinem Plan den „Traumpfad München – Venedig“ zu laufen. Wir sitzen noch sehr lange auf dem Zimmer und unterhalten uns über den Traumpfad, den ich vor vielen Jahren mit Pascal zusammen gewandert bin. Viele schöne Erinnerungen werden wieder wach.
Am nächsten Tag werden diese Erinnerungen noch viel lebendiger, als ich ein Stück auf dem Traumpfad unterwegs bin. Ich sehe die Zeichen und erkenne Teile der Strecke. Ein interessantes Gefühl nach vielen Jahren hier zu fahren und doch kommt mir die Landschaft bekannt vor. Doch nun richte ich meine Augen auf mein heutiges Ziel: Augsburg. In der Jugendherberge finde ich wieder eine Übernachtung. Leider ist heute niemand auf dem Zimmer. Schade, die Unterhaltungen mit den Leuten sind immer wirklich schön.
Der nächste Tag beginnt um 6:30 Uhr.
Letzte Etappe.
Wie so oft in den letzten Wochen packe ich die Tasche vom Bobby, gebe den Zimmerschlüssel ab, hole Fahrrad und Bobby aus dem Unterstand, belade den Bobby, hänge ihn an das Fahrrad und mache mich auf den Weg. Ich habe dies in den letzten Wochen so oft und jedes Mal mit Freude gemacht, dass es mir sicherlich ab morgen fehlen wird. Denn jeder Tag brachte irgendetwas Neues.
Donauwörth erreiche ich gegen Mittag. Der Weg führt weiter Richtung Nördlingen, dann über die Schwäbische Alb und schließlich hinab nach Aalen. Bis hier waren es heute 150 Kilometer. Weitere 80 Kilometer sind es noch bis Leonberg. Eine 230 Kilometer-Etappe zum Abschluss der Tour? Nein, das hatte ich gestern Abend schon beschlossen. In Aalen steige ich in eine Regionalbahn und fahre nach Stuttgart. Von dort weiter Richtung Leonberg. Ich steige eine Station früher aus. In Höfingen und fahre durchs Glemstal. Das ist ein Stück meiner Joggingrunde, die ich viele Wochen nicht mehr gelaufen bin. Ich genieße die Ruhe und die Natur hier im Glemstal sehr. Dann erreiche ich den Marktplatz. Das war die Tour nach Athen. Ich bin wieder wohlbehalten zurück. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis ich auch mit dem Kopf aus der Tour wieder in den Alltag zurückgekehrt bin.
Wenn ihr noch mehr zu meiner Radreise lesen wollt, dann schaut gerne das Tagebuch an. Hier steht zu jedem Tag wie viele Kilometer ich gefahren bin, wie das Wetter unterwegs war, welche Erlebnisse und Eindrücke ich unterwegs hatte und was mich bewegt hat.
Frankreich Rundfahrt - 2020
Das Jahr 2020 stand ganz im Zeichen der Corona Pandemie.
Nachdem im Winter massive Kontaktbeschränkungen und sogar Ausgangssperren erlassen wurden habe ich im Frühjahr 2020 den Gedanken an eine große Radtour in diesem Sommer gestrichen. Wo sollte ich auch hinfahren, wenn alle Grenzen in Europa geschlossen sind? Was würde eine Reise ins Ausland bringen, wenn dort alle Campingplätze, Unterkünfte und Restaurants geschlossen sind? Ganz besonders Spanien und weitere Länder im Südwesten Europas wurden von der Pandemie äußerst stark getroffen. Die Berichte über die inzwischen zahllosen Toten, für die oft nur noch eine Aufbewahrung in LKW-Kühl-Aufliegern möglich war, ließen mich schaudern. Denn mein Ziel wäre Gibraltar ganz im Süden Spaniens gewesen. Als über Ostern nochmals eine neue Corona-Welle angekündigt, wurde habe ich schweren Herzens meine Reisepläne vollends begraben. Es würde wohl in diesem Jahr einen Urlaub zu Hause geben, bei dem ich viel Zeit mit der Pflege meiner Mutter verbringen würde.
Nach und nach rückte Pfingsten näher. Das Ende der Pfingstferien wäre dann der Zeitpunkt für meine Radtour nach Gibraltar gewesen. Mit Pfingsten kamen besseres Wetter, höhere Temperaturen und langsam rückläufige Corona-Fallzahlen. Die ersten Länder öffneten ihre Grenzen. Darunter Frankreich. Spanien war immer noch im Würgegriff des Corona-Virus. Daran würde sich auch so schnell nichts ändern. Wäre aber nicht Frankreich eine interessante Alternative? Ich wollte ohnehin den Eurovelo 6 noch bis zur Atlantikküste fahren. Denn damit hätte ich Europa vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer mit dem Fahrrad durchquert. Der Eurovelo 6 ist so etwas wie eine offene Baustelle für mich. Da gibt es noch was zu tun. So entscheide ich in diesem Sommer doch noch eine große Radtour zu unternehmen – zu unseren Nachbarn nach Frankreich. Mit voller Energie nehme ich die Vorbereitungen zur Reise wieder auf. Es gab noch genug zu erledigen. Auch wollte ich die Vorbereitungen besser machen, als bei der letzten Reise. Damals auf der Reise durch Irland war die Planung schon ziemlich knapp ausgefallen.
Was ich auf dieser Reise erlebt und gesehen habe findet ihr in den nachfolgenden Kapiteln.
Ich hoffe, dass euch auch dieser Reisebereicht wieder ein paar interessante Eindrücke zu Land und Leuten vermittelt.
Viel Spaß beim Lesen!
Die Planung der Route ist für eine solch lange Radtour sehr wichtig. Das Eurovelo Projekt der EU unterstützt hierbei sehr gut mit Kartenmaterial, dass auf verschiedenen Seiten im Internet als GPS taugliche Daten heruntergeladen werden kann. Nach meinen schlechten Erfahrungen mit dem Garmin GPS-Gerät während der Tour durch Irland und Schottland (das Gerät versagte wegen eines Softwarefehlers seinen Dienst) lege ich alle Tourdaten auch auf dem Smartphone ab. Somit habe ich immer ein Backup-System. Das Garmin GPS-Gerät ist inzwischen erneuert. Das alte Gerät ließ sich nicht mehr verwenden und leider waren damit auch alle Track-Aufzeichnungen verloren. Alle Tracks und Daten doppelt zu verarbeiten kostete viel Zeit. Da ich diese Tour direkt vor meiner Haustüre starte, entfällt die Suche nach Tickets für Zug, Fähre etc.
Ich muss auch zugeben, dass es für mich etwas ganz Besonderes ist, an der eigenen Haustüre zu starten und auch dort wieder anzukommen, ohne weitere Verkehrsmittel zu nutzen. Das geht (aus Zeitgründen) nicht immer. Nachdem die Vorbereitung der Tour-Navigation abgeschlossen ist kümmere ich mich um mein Fahrrad „Speedy“ und den Gepäckanhänger „Bobby“. Meine treuen Begleiter brauchen neue Reifen, frische Bremsbeläge und einen Check ob alle Schrauben noch fest sind nachdem die letzte Tour durch Irland und Schottland schon sehr anspruchsvoll fürs Material war.
Darüber hinaus regele ich noch mit der Pflegekraft meiner Mutter wie sie mich bzw. meine Schwester und den Pflegedienst erreichen kann.
Irgendwann kommt der Augenblick für die letzte Email im Büro-Homeoffice und die letzten Telefonate fürs THW. Ich fliege zwar nicht zum Mond, doch ich nutze meine Radtouren auch, um zumindest für eine gewisse Zeit aus dem Alltag herauszukommen. Wenn ich jeden Abend Emails bearbeite und tagsüber in Telefonkonferenzen teilnehme bleibe ich besser zu Hause!
Alles ist bereit, die Tasche vom Bobby ist wieder prall gefüllt, mein Rucksack ist voll mit Proviant…. Es kann los gehen.
1. Tag Leonberg - Bochingen
Der Weg führt mich aus Leonberg heraus Richtung Westen in den Stadtteil Silberberg. Ich habe einen Routenplaner die Strecke bestimmen lassen. Ich wollte für die Strecke nach Calw einfach eine andere Strecke fahren, als ich sie bislang kenne. Ein großer Fehler!! Denn ich habe wieder den gleichen Routenplaner verwendet, wie die für Rückfahrt von Ottenbronn letzte Woche. Dieser Routenplaner nutzt wohl die Einstellung "verwende die beschissenste Strecke". Denn immer wieder nahm der Routenplaner Wege die es eigentlich nicht mehr gibt. Die Wege enden irgendwo und ich muss umdrehen. Oder es geht so derart steil nach oben, dass ich absteigen und schieben muss. Mit dem schweren Gespann ist das gar nicht so einfach. Schließlich habe ich es nach Calw geschafft. Das hat jedoch deutlich mehr Kraft gekostet als geplant. In Calw aktiviere ich den nächsten Track. Die Heidelberg-Schwarzwald-Bodensee Route. Ich kenne Teile der Strecke gut, denn ich bin hier schon oft gefahren, wenn ich die meine Schwester im Schwarzwald besucht habe. In Wildberg mache ich eine kurze Rast. Dann geht es weiter nach Nagold. Die nächste Station ist Horb. Kurz vor Horb zieht ein Gewitter zieht auf und beginnt sehr kräftig zu regnen, zu blitzen und donnern! Ich finde zwischen den Feldern keinen Schutz und werde völlig nass. Natürlich habe ich mir gleich meine Regenklamotten angezogen. Doch bei dem starken Regen bleibt nichts trocken. Zum Glück finde ich wenig später eine Scheune. Hier stehe ich unter. Ich nutze die Zeit und suche nach einer Unterkunft. Ich wollte in Horb auf den Campingplatz übernachten. Doch nach dem Regen ist mir der Sinn nach einer festen Unterkunft, statt dem Zelt. Ich suche im Internet nach Unterkünften. In Horb gibt es nichts. Ich muss weiter bis Oberndorf. Hier gibt's für 60 Euro das Günstigste was ich in der Nähe finden konnte. Morgen ist das Wetter besser und dann wird im Zelt geschlafen.
Das Gewitter ist vorüber. Der Regen lässt nach und ich kann dann weiterfahren. Es noch donnert es über dem Schwarzwald. Nach wenigen Kilometern erreiche ich Horb. Hier bin ich schon ab und zu mit dem Fahrrad gewesen. Dieses Mal führt der Track nicht am Neckar entlang sondern nimmt eine andere Route. Die führt zunächst über eine lange Strecke den Berg hinauf. Anstrengend aber gut, denn mir war nach dem Regen sehr kalt. Schließlich erreiche ich Bochingen bei Oberndorf. Hier kaufe ich mir etwas zum Essen und Trinken fürs Abendessen und fahre dann zum Apartment. Nach einer warmen Dusche, einem leckeren Abendessen und einem Bier falle ich müde ins Bett.
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2. Tag Bochingen - Böhringen
Am nächsten Morgen stehe ich um 6:30 Uhr auf. Draußen scheint die Sonne. Super! Das wird sicher ein schöner Tag. Doch noch ist es ziemlich kühl. Ich trage meine Sachen zusammen, frühstücke, kümmere mich ums Tagebuch und noch ein paar andere technische Dinge, putze die Zähne und bereite mich auf den zweiten Tag meiner Reise vor.
Um 8:30 Uhr fahre ich los. Es ist ziemlich frisch. Nach ein paar Höhenmetern kann ich die warmen Radlerklamotten ausziehen. Die Wege sind gut zu fahren. In der Ferne ist der große Turm von Rottweil zu sehen. Der erste Höhepunkt des Tages ist die Neckarquelle „Neggerquelle“ in Schwenningen. Ich bin dort schon einmal gewesen. Doch ich bin jedes Mal erstaunt, wie klein der Neckar eigentlich beginnt. Während ich an der Quelle stehe kommt eine Gruppe Radfahrer vorbei. Es geht weiter nach Donaueschingen. Dort muss ich eine Zwangspause machen, weil es stark zu regnen begonnen hat. Nach einer halben Stunde fahre ich weiter. Allmählich verlasse ich den Schwarzwald. Es geht hinauf zum Fürstenberg. Die Aussicht über die gesamte Umgebung ist ein Genuss, bevor es auf der anderen Seite des Berges steil abwärts geht.
Mein linkes Knie macht mir gerade ein bisschen Probleme. Ich habe es heute Morgen bergauf etwas übertrieben und bin im großen Gang mit viel Kraft den Berg hinaufgefahren. Das war vermutlich etwas zu viel kraft, denn tut es weh. Es ist nicht das Gelenk, sondern ein Muskel der schmerzt. Ich hoffe, dass es über Nacht besser wird. Kurz vor Radolfzell muss ich im GPS-Gerät den Track wechseln. Ich schaue, wie es mit der Übernachtung heute Nacht klappt. Hier am Bodensee sollte es zahllose Campingplätze geben. Leider Fehlanzeige. Nicht hier in der Nähe. Es gibt nur einen kleinen Campingplatz in der Nähe. Doch der gefällt mir. Ich baue mein Zelt auf. Nach einer angenehmen Dusche setze ich mich in den Biergarten und genieße den Abend. Was mir nicht behagt ist die große schwarze Regenwand, die am Horizont immer näherkommt. Ich erreiche noch rechtzeitig mein Zelt, bevor das Gewitter loslegt. Ich mache es mir gemütlich und gehe früh ins Bett.
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3. Tag Böhringen - Laufenburg
Ich bin gestern Abend recht früh in meinen Schlafsack gekrochen, weil ich müde war und es beim Regen ohnehin nichts anderes zu tun gab. In der Nacht habe ich im Schlafsack geschwitzt wie verrückt. Und das, obwohl ich den Schlafsack nur über mich drüber gedeckt hatte. Ich habe ihn dann so weit es ging von den Beinen und vom Oberkörper runtergenommen. Dann wurde es besser. So richtig gut schlafe ich allerdings leider nicht. Ich muss zugeben, dass mir der Rücken oder irgendwas anderes auf dem harten Boden weh tut. Das gibt´s doch nicht! Als wach werde ist es schon hell. Es ist 7:30 Uhr. Zeit zum Aufstehen. Ich nehme mein Fahrrad und fahre zum WC-Gebäude. Anschließend frühstücke ich gemütlich und starte nach und nach in den Tag. Eigentlich hoffe ich auf die Sonne, damit sie mein Zelt trocknet. Aber das wird wohl nichts. So mache ich noch etwas Krafttraining, putze die Zähne und ziehe dann meine Radlerklamotten an. Die Joggingrunde entfällt bis auf weiteres.
Ich bin gespannt was der Tag heute bringt.
Ich habe gestern Abend noch entschieden eine kleine Änderung der Strecke vorzunehmen. Der Track würde ursprünglich in einem großen Bogen entlang des Bodensees verlaufen. Doch die Kilometer will ich mir sparen. Ich will am Ende des Bogens wieder auf den Track stoßen. Das bedeutet jedoch, dass ich einige Kilometer zurückfahren muss, bis zu einer Kreuzung an der ich gestern abgeboben bin. Wenig später überquere ich die Grenze zur Schweiz. Hier ist aber außer einem Schild nichts Besonderes zu sehen. Keine Corona-Kontrolle etc. Ich mache ein paar Bilder und fahre weiter. Bald schon bin ich auf dem ursprünglichen Track. Es geht weiter nach Schafhausen zum Rheinfall. In Schafhausen zwingt mich ein kräftiges Gewitter zu einer Pause, weil ich keine Lust habe die Regenklamotten anzuziehen. Der Regen lässt nach und ich fahre weiter. Allerdings währt die Freude nicht lange. Bald schon setzt erneut Regen ein. Nun wird es wohl doch Zeit für die Regenklamotten! Wegen des starken Regens sind nur wenige Besucher am Rheinfall. Anschließend fahre ich weiter nach Waldshut-Tiengen. Eine schöne Strecke trotz Dauerregen. Zwischendurch hört der Regen kurz auf. Doch kaum sind die Regenklamotten trocken kommt schon das nächste Gewitter. Hinter Waldshut-Tiengen verläuft die Route wieder am Rhein entlang. Die Wege bestehen aus Schotter und Sand. Ich habe das Gefühl, dass ich förmlich hören kann, wie Kette und Ritzel durch den Sand im Getriebe verschleißen. Ich möchte heute noch bis Bad Säckingen fahren. Doch dann wird mir der Regen einfach zu viel. Inzwischen ist es schon nach 17 Uhr. Ich suche im Internet nach Unterkünften in der Nähe von Bad Säckingen. Es gibt einige, die jedoch zum Teil sehr teuer sind. Wegen Corona sind zahlreiche Unterkünfte geschlossen. In Laufenburg finde ich eine Übernachtung nur wenige Kilometer entfernt. Ich buche die Unterkunft und bin eine knappe halbe Stunde später dort. Fürs Fahrrad und den Bobby gibt es einen trockenen Platz. Ich breite meine sauberen Sachen im Zimmer zum Trocknen im Zimmer aus. Denn irgendwie ist heute fast alles nass geworden. Die nassen Regenklamotten kommen in die Dusche und anschließend auch zum Trocknen ins Zimmer. Ich hoffe, dass ich die Klamotten morgen früh trocken einpacken kann und ich keine Regenklamotten mehr brauche. Nachdem ich geduscht habe laufe ich zum nahen gelegenen Supermarkt. Ich kaufe mir was fürs Abendessen und Proviant für morgen, sowie Milch fürs Frühstück. Dann lege ich mich aufs Bett und reibe mein Knie ein. Denn das ist immer noch dick geschwollen. Das gefällt mir gar nicht! Trotz Ibuprofen (wovon ich eigentlich gar nichts halte) und Salbe wird es nicht besser.
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4. Tag Laufenburg - Mulhouse (F)
Um 7:30 Uhr wache ich auf und starte in den Tag. Mein Knie ist immer noch dick. Mist!!!
Ich schaue nach draußen und sehe nichts vom schönen Wetter. Alles voller Wolken. Zum Glück regnet es nicht! Ich mache mir Frühstück (wegen Corona darf in der Unterkunft kein Frühstück angeboten werden) und schließe mein Tagebuch von gestern ab. Dann will ich zügig aufbrechen.
Das war jedenfalls der Plan. Doch als ich los komme ist es schon 10:45 Uhr. Aber der Reihe nach...
Ich weiche als erstes mein Müsli ein (ich liebe Müsli das lange eingeweicht ist!) und gehe zum Fahrrad um dort den technischen Dienst zu machen. Hierzu hatte ich gestern Abend einfach keine Lust mehr. Außerdem geht der feine Sand viel einfacher weg, wenn dieser trocken ist. Ich muss eine Menge Sand aus der Kette und den Ritzeln fummeln. Danach, ohne Sand im Getriebe, hört sich die Gangschaltung wieder besser an. Nun ist Zeit fürs Frühstück. Ich weiche mir noch einen zweiten Teller voller Müsli ein und nutze die Zeit um meine Sachen zusammen zu packen. Wo ist denn nur die Zeit geblieben? Es ist schon kurz vor 10 Uhr?!? Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen! Hm, nein! Es ist Urlaub und die Dame vom Service ist noch mit einem anderen Zimmer beschäftigt. Ich packe in Ruhe zusammen, hole Speedy und Bobby aus der Garage, verstaue mein Gepäck, dann geht es weiter. Der Track verläuft entlang des Rhein Ufers. Sehr schön. Es ist ganz gut zu fahren. Mein linkes Knie macht mit. Nach ein paar Kilometern erreiche ich einen Radfahrer, der mit Anhänger und seinem Hund unterwegs ist. Stefan ist der Name des Radfahrers. Es ist schon seit 10 Jahren unterwegs. Wow! Respekt! Wir fahren ein Stück zusammen, bis er mit dem Hund eine Pause macht. Wir nutzen die Zeit und unterhalten uns sehr ausgiebig. Er ist ein sehr interessanter und intelligenter Mensch. Er hat seinen Lebensstiel so gewählt und kommt gut zurecht. Das imponiert mir irgendwie. Zu erzählen gibt es sicher sehr viel. Doch ich will möchte weiterfahren. Ich habe heute noch ein paar Kilometer vor mir. Ich nehme einen 20 Euro Schein aus dem Geldbeutel und gebe Stefan das Geld. Es waren sicher die am besten angelegten 20 Euro, die ich seit langem ausgegeben habe. Dann fahre weiter. Bad Säckingen, dann Rheinfelden. Mal geht es ein Stück durch die Schweiz, dann wieder zurück nach Deutschland. In Weil am Rhein überquere ich schließlich die Grenze nach Frankreich. Der Weg führt bis Mulhouse fast ausschließlich entlang eines Kanals. Dieser Weg war gut ausgebaut und so konnte ich ordentlich Dampf machen. Ich war gegen 17 Uhr in Mulhouse. Es gibt einem Campingplatz in Mulhouse. Alle anderen Campingplätze sind zu weit weg, oder liegen überhaupt nicht in der Nähe der Strecke. Ich will heute unbedingt das nasse Zelt trocknen. Denn das ist nun schon seit ein paar Tagen völlig nass im Beutel. Auch wenn ich gerne noch weiter gefahren wäre entscheide ich mich dafür nach nur 95 Kilometern für heute Feierabend zu machen. Die Hinweise zum Campingplatz waren nicht zu übersehen und es wäre blöd gewesen eine sichere Übernachtung auf diesem Campinglatz aufzugeben. Ich melde mich an der Rezeption an, suche mir einen schönen Platz, baue mein Zelt auf und gehe unter die Dusche.
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5. Tag Mulhouse - Besançon
Am nächsten Morgen stehe ich im kurz vor 7 Uhr auf. Ich stecke die Powerbank ans Netz zum Laden. Über Nacht habe ich im Zelt das GPS-Gerät und das Smartphone geladen. Grade weicht mein Müsli ein. Jetzt muss die Sonne nur noch das Zelt vom Tau und Kondenswasser trocknen, dann kann ich weiterfahren. Nach dem zweiten Teller Müsli bin ich wirklich satt. Ich räume meine Sachen zusammen, mache noch etwas Krafttraining und bereite mich auf die heutige Etappe vor. Ich fülle meine Flaschen mit Wasser, trinke nochmal ordentlich Wasser und mache mich dann auf den Weg. Der Track aus Mulhouse hinaus führt entlang eines Kanals. Der Rhein-Rhone-Kanal. Die Strecke ist quasi völlig flach. Nur anhand der Schleusen entlang der Strecke kann ich ausmachen, ob der Weg steigt oder fällt. Schnell ist klar, es steigt. Aber das ist quasi nicht zu merken. Damit ist heute "happy cycling" angesagt. Mal von den vielen Menschen die auch auf dem Weg unterwegs sind abgesehen. Da ich kein rücksichtsloser Radfahrer bin, fahre ich meist sehr vorsichtig an den langsameren Radfahrern vorbei. Schlimm sind mal wieder die Radfahrer mit elektrischem Antrieb. Denn denken irgendwie grundsätzlich, dass niemand schneller ist als sie. Man könnte wirklich meinen die Generation "Klopapier auf der Hutablage" ist vom Auto aufs elektrische Fahrrad umgestiegen. Weil auch Klingeln nicht immer hilft, findet meine Rücksicht dann leider irgendwann doch gewisse Grenzen. Nach ungefähr 40 Kilometern nimmt die Häufigkeit der Schleusen sehr stark zu und damit auch die Steigung. Nun ja, immer noch keine Steigung im Vergleich zu den Strecken in Irland. Ziemlich genau gegen Mittag erreiche ich dann den Übergang zu einem anderen Radweg. Von hier geht es in 10 oder 20 Kilometern zur Leonberger Partnerstadt Belfort. Dort will ich jedoch nicht hin, sondern ich folge den Eurovelo 6 in Richtung Besançon. Mal sehen, wie sich die Strecke entwickelt. Es gibt viel Wald hier. Eigentlich ist es wie im Schwarzwald oder vielleicht auch entlang des Rhein. Irgendwann wird das „happy cycling“ sicher leider zu Ende sein und die Arbeit beginnt. Es ist zu flach um wahr zu sein. Kaum gesagt, schon passiert es. Der Track verlässt den Kanal und es geht ordentlich nach oben. Jetzt erst merke ich, dass es inzwischen ziemlich warm geworden ist. Tja, das war es dann mit dem einfachen Tag. So schlimm war es dann aber auch nicht. Nach dieser Steigung führte der Weg bald wieder zurück zum Kanal. Ziemlich schnell habe ich heute die 100 Kilometer geschafft, die ich mir als Minimum gesetzt habe. Ab dieser Grenze mache ich regelmäßig alle 25 Kilometer eine kurze Pause. Bei der letzten Pause habe ich mich über eine Übernachtung auf dem Campingplatz informiert. In ungefähr 15 Kilometern Entfernung kommt der nächste Campingplatz. Das ist mir aber ehrlich gesagt noch zu früh. Ich will noch ein bisschen weiterfahren. Besançon wäre heute wirklich zu schaffen. Dort gibt es ebenfalls einen Campingplatz. Wunderbar, dann ist die Sache klar und ich fahre weiter.
Vielleicht noch ein paar Worte zur Strecke. Die ist sehr leicht zu fahren. Die Landschaft ist wirklich wunderschön! Ich bin sehr glücklich über diese Route! Vor lauter Freude über die schöne Landschaft und die schöne leicht zu fahrende Strecke fahre ich leider an der Abzweigung zum Campingplatz vorbei. Das bemerke ich aber erst als ich in Besançon aufs Smartphone schaue. Verdammt! Mal wieder nicht aufgepasst!! Denn ich wusste, dass der Campingplatz außerhalb der Stadt ist. Ich habe mir aber gemerkt, dass er hinter der Stadt und nicht vor der Stadt liegt. Ich müsste jetzt bestimmt 10 Kilometer zurückfahren, um zum Campingplatz zu kommen. Vermutlich bin ich aber sogar freudestrahlend an dem Schild vorbeigefahren? Mist! Nun ja. Ich schaue im Internet ob es in Besançon günstige Übernachtungen gibt. Mit 45 Euro bin ich dabei. Nun ja, wer zu blöd ist, der muss eben bezahlen. Also buche ich die Übernachtung im Hotel(!) und fahre bis in die City von Besançon.
Nach dem Duschen laufe ich zu einem Supermarkt hole Milch und Kekse für morgen und esse auf den Rückweg noch in einem Imbiss zu Abend. Ein bisschen Abstand wegen Corona gibt's noch, aber Masken... Nein, auch nicht im Supermarkt. Oh, tut das gut!!! Ich habe diesen Corona-Mist allmählich satt!
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6. Tag Besancon - nach Verdun-sur-le-Doubs
Als ich um 6:30 aufstehe und nach draußen schaue bestätigt sich leider meine Vermutung: Es regnet. Hm.... Nicht schön. Nun ja, bis los fahre ist noch ein bisschen Zeit. Ich trödele einfach ein bisschen vor mich hin während der Regen allmählich nachlässt. Ich kopiere die Aufzeichnungen vom GPS-Gerät aufs Smartphone, damit die Daten dort gesichert sind. Nachdem alles gepackt ist hole ich mein Fahrrad aus dem Keller vom Hotel. Ich muss unbedingt noch den Seilzug der Schaltung etwas ölen, denn nach dem vielen Regen ist Sand in die Umlenkung gekommen und jetzt krächzt es jedes Mal beim Schalten. Außerdem bekommt die Kette auch noch etwas frisches Öl und dann geht's los. Ich muss zunächst durch die Stadt um zurück zum Track zu gelangen. Dann geht's wieder den ganzen Vormittag dem Kanal entlang. Erneut „Happy Cycling“! Die Landschaft ist auch wieder sehr schön. Ziemlich steil ragen die Felsen neben dem Kanal in die Höhe. Am frühen Nachmittag erreiche ich dann den Beginn der Rhein-Rhone-Kanals. Da hier ist dann leider die extrem gut ausgebaute Strecke zu Ende. Es hätte mich ehrlich gesagt sehr überrascht, wenn das so bis zur Atlantikküste weiter gegangen wäre. Dennoch ist die Strecke immer noch gut zu fahren. Nun jedoch verläuft ein Großteil auf Landstraßen, die jedoch wenig befahren sind. Alles in allem läuft es auch hier ganz gut. Nur vom Wasser sieht man nicht mehr viel. Dafür aber die endlose flache Landschaft Zentral-Frankreichs. Berge gibt es hier überhaupt keine, was das Fahren damit recht einfach macht. Darum will ich mich auch gar nicht beschweren. Die höchsten Erhebungen sind Silos fürs Getreide. Zwischendurch gab es leider ein Problem mit dem Track. Die Schilder sagen grade aus, der Track im GPS-Gerät sagt links. Eine Zwickmühle. Weil der Track bisher immer richtig war hat folge ich dem GPS-Gerät. Erst nach ein paar Kilometern kommt mir der Gedanke, dass die Schilder recht neu waren. Vermutlich gibt es den Weg noch nicht so lange und daher ist er noch nicht erfasst. Ich setze mir zwei Markierungen im GPS-Gerät und kann dies nach meiner Rückkehr den Leuten die die GPS-Daten erstellen mitteilen. Als ich wieder auf den ursprünglichen Track bin stehe ich vor einer Baustelle. Scheiße! Hier machen sie wohl grade die Strecke neu? Mist... Und jetzt? Ich muss tatsächlich ein Stück zurück in die Richtung aus der ich gerade gekommen bin.
Dann weist eine Umleitung den weiteren Weg. Am frühen Abend mache ich dann auf einem Campingplatz Feierabend. Diesmal achte ich auch sehr genau darauf, dass ich nicht wieder vorbeifahre. Denn für heute sind 137 Kilometer wirklich genug. Ich baue mein Zelt auf, gehe unter die Dusche, esse anschließend vom Proviant zu Abend und überlege mir die weitere Route. Spätestens morgen muss ich mich entschieden, wie ich weiterfahren möchte. Obwohl die Entscheidung eigentlich schon getroffen ist. Ich werde den Eurovelo 6 weiter bis zur Atlantikküste fahren. Einen Umweg zum Mittelmeer spare ich mir. Es sind zu viele Kilometer für diese Tour. So wird es nun eine Rundfahrt durch Nordfrankreich werden.
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7. Tag Verdun-sur-le-Doubs - Paray-le-Monial
Ich habe im Zelt sehr gut geschlafen. Ehrlich gesagt besser als in der Nacht zuvor im Hotel. Um 6:30 Uhr werde ich wach, weil die Sonne schon kräftig aufs Zelt scheint. Da in der Nacht ein leichter Wind ging und ich das Zelt nicht ganz geschlossen habe ist es trocken. Ich baue das kleine Solarpanel auf, um die Powerbank zu laden, mache mir etwas Frühstück, putze anschließend die Zähne und will dann mal zügig weiterkommen. Mein linkes Knie hat sich weitergehend erholt. Zum Glück!
Ich frühstücke, packe meine Sachen, dann kommt das Zelt in den Bobby, ich bringe den Müll weg, fülle meine Flaschen mit Wasser und mache mich auf den Weg. 9 Uhr. So früh bin ich selten gestartet. Die Route verläuft wieder entlang eines Kanals. Das macht das Fahren zwar einfach, aber auch ein bisschen eintönig. Ich will auf keinen Fall jammern! Denn so macht Fahrradfahren schon wirklich Spaß. Was heute allerdings nicht immer passt sind der GPS-Track und die Schilder entlang der Route. Offenbar wurde die Route weiter ausgebaut und der Track bei dem Portal, aus dem ich die Daten geladen habe, nicht aktualisiert. Das ist nicht so erfreulich. Nach dem Mittagessen ändert sich zudem der Verlauf der Strecke. Der Track führt jetzt nicht mehr am Kanal entlang, sondern wieder durchs Hinterland. Beim ersten Abstecher bin ich dem Track gefolgt, obwohl die Beschilderung anders war. Das brachte mir viele Höhenmeter. Ich merke nun wirklich jedes Kilogramm Gepäck, dass ich hinter mir herziehe. Dafür ist die Aussicht echt ganz gut. Die Landschaft erinnert mich an Irland. Auch viele kleine Wege, die zwischen Weiden und Wald verkaufen. Sehr schön, so gefällt mir das Radfahren. Und ehrlich gesagt sind die paar Höhenmeter wirklich nichts im Vergleich zu Irland!
Ich finde schnell wieder den neuen Weg und kann mir vorerst weitere Höhenmeter sparen. Doch nicht lange. Allmählich bin ich auch müde und schaue mich nach Campingplätzen um. Es gibt ein paar, die ganz nah am Track liegen. Super. So kann ich noch ein Stück fahren. Den nächsten Campingplatz lasse ich hinter mir und entscheide mich zum übernächsten zu fahren. Das war leider keine gute Idee. Denn als ich ziemlich müde nach 140 Kilometern am Campingplatz stehe ist der geschlossen. Ja so ein Scheiß!! Der nächste Campingplatz ist sehr weit weg und zurückfahren will ich nicht. Nun muss das Internet nach einer Alternative suchen. Und diese Alternative finde ich auch in einem großen alten Herrschaftshaus. Oh wow.... Das alte Haus stand 30 Jahre lang leer und keiner wollte es haben. Dann hat eine Familie das Haus gekauft, umgebaut und der Sohn betreibt es nun als Hotel. Seit 2019 und dann kam Corona. Nun ja. Für mich ist es wie ein Traum. Ein schönes Zimmer, eine große Gemeinschaftsküche, ein riesengroßer Aufenthaltsraum mit gemütlichen Sofas und ich bin der einzige Gast. Wow...!
Ich packe meine Sachen aus, nehme eine Dusche und wasche anschließend die Wäsche. Ich muss hier gar nicht selber waschen. Es gibt eine Waschmaschine und einen Trockner. Nachdem die Waschmaschine läuft gibt es Abendessen. Ich habe jetzt wirklich Hunger. Leider ist es schon spät und das Restaurant im Haus hat leider schon geschlossen. Das ist schade. Ich habe noch genug Proviant und so esse ich gemütlich in der riesengroßen Küche des Gästehauses. Nachdem die Wäsche fertig ist gehe ich ins Bett. Ich bin wirklich müde und irgendwie glücklich an diesem schönen Ort gelandet zu sein. Auch wenn ein Campingplatz mir schon sehr recht gewesen wäre!
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8. Tag Paray-le-Monial - Nevers
Am nächsten Morgen fällt es mir schon ein bisschen schwer diesen schönen Ort zu verlassen. Ich unterhalte mich noch lange mit dem Chef bevor ich den Bobby an mein Fahrrad hänge und mich auf den Weg mache. Zunächst muss ich durch die Stadt zurück zum Track finden. Der Tag startet auch mit „happy cycling“. Entlang am Fluss, viel Schatten, eine gemütliche Strecke... Ich weiß gar nicht mehr wann sich dann die Strecke wieder geändert hat. Weg vom Kanal, wieder durch die Landschaft. Die Abwechslung ist gut. Nur ist es in der Mittagszeit unglaublich heiß. Wenn es dann noch steil den Berg hinauf geht, wird es anstrengend. Dementsprechend hoch ist mein Wasserverbrauch. Ich habe zum Glück am Bobby noch eine zusätzliche Wasserflasche. Trotzdem ich muss unterwegs an einem Supermarkt anhalten und noch mehr Wasser kaufen. Leider passt der Track wieder einmal nicht zu den Schildern entlang der Route. Doch nun stört mich das nicht. Ich folge den Schildern und markiere die Abweichungen im GPS-Gerät. Am späten Nachmittag erreiche ich wieder einen Kanal und kann es auf den letzten 30 Kilometern gemütlich ausrollen lassen. In Nevers finde ich den Campingplatz ohne Probleme. Der ist auch geöffnet. Das habe ich zuvor schon im Internet geprüft. Ich baue mein Zelt auf, nehme eine Dusche, prüfe noch mein Fahrrad und will dann noch in die Stadt zum Einkaufen. Leider muss ich feststellen, dass die Supermärkte recht früh schließen. Zu früh und so laufe ich in die Innenstadt und finde dort in der Fußgängerzone einige Restaurants. Ich bestelle mir was zu essen und genieße den Abend. Das tut echt gut, draußen sitzen, etwas essen und sonst nichts mehr zu tun haben. Außer das Tagebuch schreiben.
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9. Tag Nevers - Gien
Um kurz vor 7 Uhr stehe ich auf und starte gemütlich in den Tag. Die Sonne scheint und heizt kräftig. Ich muss schon beim Zähneputzen schwitzen. Ich trinke nebenbei Wasser, dass aber sofort wieder raus geschwitzt wird. Boah, heute wird es wirklich warm! Ich fahre zur Rezeption trinke kräftig Wasser und fülle nochmal alle Flaschen auf. Nun habe ich 5 Liter Wasser dabei. Das sollte für den Tag reichen. Die ersten Kilometer sind wieder „happy cycling“ zum warm werden. Nach ein paar Kilometern erreiche ich das Ende des Kanals. Nun verläuft der Weg wieder übers Land. Nach 50 Kilometern mache ich eine größere Pause. Hier erreicht mich die Nachricht von Anja, dass es Mutter offenbar relativ schlecht geht. Verdammt!!! Das fehlt mir noch. Nun ist es leider vorbei mit „happy cycling“. Ich bin ziemlich in Gedanken und überlegen wie es mit der Tour weitergehen soll. So sehr, dass ich an einer Kreuzung nicht aufpasse und beinahe von einem Auto überfahren werde. Zum Glück hat der Fahrer aufgepasst und sehr kräftig gebremst! Ein Schwall Schimpfwörter ergießt sich über mich. So ein Mist, das war knapp!Ich entscheide, dass ich zumindest noch bis zur Atlantikküste weiterfahren möchte. Ob ich von dort die Tour fortsetze werde ich dann entscheiden. Ich versuche mich wieder auf die Tour zu konzentrieren. Als ich die 100 Kilometer-Marke geschafft habe schaue ich im Internet, wo ich einen Campingplatz finde, der auch geöffnet hat. Ich entscheide mich noch ein Stück zu fahren und den Campingplatz in Gien anzusteuern. Dort ankommen suche ich mir einen schönen Platz fürs Zelt und fahre dann umgehend zum Einkaufen. Nachdem ich (zu viel) Dinge eingekauft habe hocke ich mich auf die Bank, die gleich neben meinem Zelt steht und esse gemütlich zu Abend. Das tut wirklich gut. Anschließend kümmere ich mich noch ein bisschen um mein Fahrrad. Kette sauber machen, Schrauben kontrollieren und die Ritzel putzen. Nachdem ich das Tagebuch getippt habe lege ich mich zum Schlafen ins Zelt. Ich versuche die Ereignisse des Tages beiseite zu schieben und zur Ruhe zu kommen. Ich bin müde.
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10. Tag Gien - Beaugency
Um kurz nach 5 Uhr werde ich von einem Gewitter geweckt. Schnell bin ich einmal ums Zelt, um die Heringe tiefer in den Boden zu stecken. Im Osten setzt schon die Dämmerung ein, während von Westen her das Gewitter aufzieht. Erfreulicherweise hat es sich an anderer Stelle entladen. Aber es regnet. Gegen 9:30 Uhr lässt der Regen nach. Ich habe schon einige meiner Sachen gepackt und will dann auch aufbrechen. Doch leider fehlt mir ein die Motivation. Liegt es daran, dass ich nicht gut geschlafen habe? Um 10:15 Uhr kann ich starten. Der Campingplatz liegt direkt am Track. Die Route verläuft nicht mehr entlang von Kanälen, hauptsächlich auf Deichen der Loire. Gestern auch schon. Der Wind ist ziemlich kräftig und leider hat er seine Richtung geändert. In den letzten Tagen kam der Wind immer aus Norden oder nordöstlicher Richtung. Das war hilfreich. Nach dem Gewitter hat sich das geändert und nun habe ich teilweise kräftigen Gegenwind. Dies steigert meine Motivation auch nicht. So ist der Tag heute wirklich zäh. Ich muss mich schon immer wieder aufraffen, damit ich nicht zu oft und zu lange Pause mache. Oder ich war einfach etwas übermütig anzunehmen, dass ich die 80 Kilometer bis Orleans mal kurz bis zum Mittagessen gefahren habe. Das wird so nicht klappen. Der Wind ist zu kräftig. Es ist schon später Nachmittag als ich durch Orleans fahre. Immer entlang der Loire. Nachdem ich den Lärm der Großstadt hinter mir gelassen habe fahre ich noch ein paar Kilometer bis zu einem schönen Campingplatz. Das Abendprogramm gestaltet sich fast jeden Abend gleich: Zelt aufbauen, duschen, Wäsche waschen, Abendessen und anschließen noch ein bisschen faulenzen bevor ich dann im Zelt verschwinde und schlafe. In der Ferne zieht wieder ein Gewitter auf. Ich hoffe, dass sich dies erneut wo anders entlädt und ich eine ruhige Nacht im Zelt habe.
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11. Tag Beaugency - Tours
Um 2 Uhr bin ich aufgewacht, weil der Wind stark aufgefrischt ist. Zudem war am Himmel sehr kräftiges Wetterleuchten zu sehen. Ich habe das Zelt erneut auf ein kräftiges Gewitter vorbereitet und die Heringe so tief wie möglich in den Boden gesteckt. Glück gehabt - das Gewitter hat sich wo anders entladen. Am Morgen sieht das Wetter super aus. Hm, leider hat sich das Wetter gleich nach dem Frühstück ziemlich geändert. Die Sonne ist schnell hinter dichten Wolken verschwunden und der Wind hat, gefühlt jedenfalls, nochmal zugenommen. Ich packe meine Sachen zusammen. Das Zelt ist trocken und ich mache mich auf den Weg. Der Wind macht die Fahrt heute sehr anstrengend. Heute tut mir mein Hintern weh. Ich denke über einen Tag Pause nach. Wobei der erste Ruhetag eigentlich erst an der Atlantikküste geplant ist. Im Augenblick kämpfe ich mich Kilometer für Kilometer gegen den Wind vorwärts. Hinzu kommt, dass der Track entlang der ungeschützten Loire-Deiche verläuft und es dort keinerlei Schutz vor dem Wind gibt. Vielleicht bin ich einfach nur ziemlich verwöhnt vom „happy cycling“ der letzten Tage? Einen neuen Kilometer-Rekord werde ich heute nicht aufstellen. Ich bin schon zufrieden, wenn ich heute wenigstens 100 Kilometer schaffe. Ich entscheide bis Tours zu fahren und dort in einem günstigen Hotel zu übernachten. Ich habe jetzt keine Lust mehr auf den scheiß Wind. Mir tun schon die Ohren weh, vom ständigen Pfeifen des Windes.Das Hotel ist weniger "wow" sondern mehr "aha...". Es ist umständlich überhaupt hinein zu gelangen. Die Rezeption ist nur per Klingel und Sprechanlage zu erreichen. Als sich die Türe öffnet bin ich nicht schnell genug um die zweite Türe der Schleuse zu öffnen. Einen Platz zum Abstellen fürs Fahrrad gibt es nicht. Somit übernachten Speedy (mein Fahrrad) und Bobby heute Nacht bei mir im Zimmer. Das stört mich nicht. Weil morgen Sonntag ist und die Geschäfte sind geschlossen muss ich heute Abend noch Proviant kaufen. Das GPS-Gerät führt mich zum nächsten Supermarkt. Ich schaue mir noch ein bisschen die Stadt an und esse an einem Imbiss zu Abend. Die Wettervorhersage kündigt weiteren Regen und kräftigen Wind an. Mist!!!
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12. Tag Tours - Les ponts de Ce
Am nächsten Morgen ist zumindest am Fenster des Hotelzimmers nicht viel vom Wind zu merken. Hoffentlich täusche ich mich da nicht. Ich beeile mich damit meine Sachen zusammen zu packen und losfahren kann. Ich anhänge Speedy und Bobby zusammen und fahre los. Da das Hotel direkt am Track liegt muss ich nicht lange suchen. Zum Glück hat der Wind nachgelassen. Wenn jetzt noch die dicken Wolken nicht gleich anfangen zu regnen, dann könnte es wieder ein Tag mit „happy cycling“ werden. Als ich Tours verlassen habe und nicht mehr so viele Menschen auf den Radwegen unterwegs sind bin ich ziemlich erleichtert. Ich kann ein bisschen mehr Gas geben. Es läuft gut. Ohne den Wind macht es wirklich wieder Spaß. Es geht zunächst auf Deichen entlang der Loire weiter. Irgendwann nimmt der Weg wieder seinen Verkauf durchs Hinterland. Auch diese Wege sind gut zu fahren. Wenig Schlaglöcher und gute Straßen. Da waren die Straßen in Irland leider nicht so gut. Immer wieder mal kommt ein kurzer Regenschauer runter. Aber nichts Schlimmes. Ich denke immer wieder an den netten älteren Herrn auf einen der ersten Campingplätze in Irland. Der hat sein Zelt einfach weiter aufgebaut. Trotz Regen, während ich in mein Zelt geflüchtet bin. Als ich dann nach dem Regen wieder vorsichtig aus meinem Zelt herauskam stand er im Regen und sagte dann diesen Satz, den ich wohl nie vergessen werde: Marten! It's just a shower!Diesem Beispiel folgende nahm ich den Regen auch mit Gelassenheit. Es war schließlich immer genug Zeit zwischen den einzelnen Schauern um wieder trocken zu werden. Ich möchte heute wieder auf einem Campingplatz übernachten und habe mir einen Platz in der Nähe von Angers ausgesucht. Kurz vor dem Campingplatz stoppe ich an einem Wegweiser. Bis zum Ziel ersten großen Etappe in Nantes sind es 99 Kilometer! Das sollte morgen gut zu erreichen sein. Nach dem Abendessen überlege ich lange wie ich die Fahrt morgen gestalten soll. Denn Nantes liegt nicht an der Atlantikküste. Von Nantes bis zur Atlantikküste sind es nochmal 50 Kilometer. Dies würde morgen eine sehr lange Etappe bedeuten. Der Wind soll wieder stärker werden. Heute lasse ich die Entscheidung offen und werde morgen entscheiden, wenn ich unterwegs bin. Ich bin gespannt ob ich die letzte Etappe heute bis zur Atlantikküste komplett fahren kann, oder ob ich doch einen Zwischenstopp bei Nantes einlegen muss. Bis jetzt sieht das Wetter hervorragend aus.
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13. Tag Les ponts de Ce - Saint Brevin les Pins
Ich mache mich um 9 Uhr auf den Weg. Die Route führte heute zunächst wieder über viele Kilometer entlang der Deiche der Loire. Das wurde irgendwann langweilig. Zum Glück änderte sich die Route bald und verlief etwas abseits der Deiche. Bis Nantes waren es ursprünglich 99 Kilometer. Doch ein paar Änderungen der Route führten zu einer Verlängerung. Es scheint zwei Varianten zu geben und ich bin offenbar einmal der einen und dann der anderen Variante gefolgt. Die neue Route verläuft abseits der Städte und ist nicht so befahren. Als ich dann am Nachmittag vor einer gesperrten Brücke stand, die gerade saniert wird, hätte ich kotzen können. Zum Glück habe ich auf dem GPS-Gerät eine Karte mit Radwegen. Damit konnte ich schnell eine Alternative finden. Bei der nächsten Gelegenheit verlasse ich die neue Strecke und folge wieder der alten Route nach Nantes. Die ist jedoch sehr stark mit Fahrrädern befahren. In Nantes kaufe ich mir kurz etwas zum Essen und fahre weiter. Die Stadt gefällt mir nicht. Am Eingang der Stadt sind viele riesige Hochhäuser. In jedem der Hochhäuser leben bestimmt hunderte Familien. Wohnsilos. Außerdem ist es laut in der Stadt! Ich beeile mich, dass ich Nantes hinter mir lassen kann und fahre weiter zur Atlantikküste. Bis zum geplanten Campingplatz sind es noch einige Kilometer. Das wird heute anstrengend. Insgesamt werden es heute sicher mehr als 170 Kilometer bis zum Ziel werden. Das ist deutlich mehr als meine gesetzte Obergrenze von 120 Kilometern am Tag! Es wird spät, als ich den Campingplatz erreiche. Die Rezeption ist noch geöffnet und ich kann mir einen schönen Platz suchen. Anschließen fahre ich schnell noch ohne Bobby nur mit dem Fahrrad zum Einkaufen. Es ist 19:45 Uhr. Die großen französischen Supermärkte haben seit 19:30 Uhr geschlossen. Verdammt!! Ich sehe zufällig in der Nähe Werbung von LIDL. Die haben bis 20 Uhr geöffnet. Dann aber schnell. Als ich wieder am Campingplatz bin baue ich das Hotel Hilleberg auf, gehe duschen und mache es mir im Zelt gemütlich. Ursprünglich wollte ich am Strand der Atlantikküste sitzen, den Sonnenuntergang anschauen und ein Bier genießen. Doch es ist Ebbe und vom Atlantik weit und breit nichts zu sehen. Den EuroVelo 6 habe ich nun abgeschlossen. Ich bin diesem Radfernweg quer durch Europa gefolgt. Im Jahr 2014 zum Schwarzen Meer und nun bis zur französischen Atlantikküste. Jeden Kilometer davon bin ich mit eigener Kraft gefahren. Das erfüllt mich trotz meines Kummers mit Stolz.
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14. Tag Ruhetag in Saint Brevin
Gestern Abend bin ich spät in den Schlafsack geklettert. Lange habe ich noch Pläne gemacht für die nächsten Etappen. Ich habe eine Route gesucht, mit der ich möglichst direkt und ohne einen Umweg zurück nach Nantes weiter nach Norden fahren kann. Diese Route habe ich aufs GPS-Gerät kopiert. So verging der Abend recht schnell. Geschlafen habe ich nicht so gut. Es lag wohl daran, dass die Tour gestern sehr weit und anstrengend war. Ich habe stark geschwitzt und bin oft aufgewacht. Ich bin auch aufgewacht, weil ich sehr großen Durst hatte. Beim nächsten Aufwachen musste ich dringend aufs WC. Gegen Morgen habe ich alle möglichen verrückten Träume gehabt. Der letzte Traum hat mich sehr stark bewegt: Ich bin zügig mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Als die Straße einen scharfen Knick nach rechts macht fahre ich ein Stück weiter geradeaus und halte an. Ich habe eine herrliche Aussicht auf einen schönen Fluss und ein sehr schönes Tal. Dann folge ich dem Weg weiter nach rechts und habe gleich darauf einen herrlichen Ausblick auf ein hohes Gebirge dessen Gipfel mit Schnee bedeckt waren. Alles innerhalb nur weniger Kilometer. Besser gesagt hinter einer Kurve. Es ist unbeschreiblich schön dies erleben zu können. Als ich dann aufwache merke, dass es eigentlich gar kein Traum ist, sondern ich derzeit mit dem Fahrrad auf meiner Rundreise durch Frankreich unterwegs bin und diese schönen Orte schon alle tatsächlich gesehen habe. Ich muss an meine demenzkranke Mutter denken und daran, dass ich ihr noch so viele schöne Erlebnisse, wie ich sie gerade erlebe, wünschen würde und muss weinen.Heute bleibe ich hier auf dem Campingplatz und mache einen Ruhetag!Ich frühstücke in Ruhe und genieße es, dass ich heute Ruhetag habe. Nach dem Frühstück will ich ans Meer, aber ein Regenschauer lässt mich das auf den Nachmittag verschieben. Ich bleibe erst einmal im Zelt und faulenze. Das Personal vom Campingplatz ist rund um das Zelt damit beschäftigt Laub von den leeren Stellplätzen zu entfernen. Weil sie das mit einem Radlader machen, ist es schnell vorbei mit der Ruhe am Ruhetag. Aber die müssen ihre Arbeit auch machen. Ich schnappe meine Radlerklamotten, gehe zum Sanitärgebäude, um die Sachen zu waschen. Es erreicht mich die Info, dass es Mutter sehr schlecht geht und sie ins Krankenhaus muss. Maximal weit weg von zu Hause. Außer telefonieren kann ich sonst gar nichts machen. Selbst mit einem Mietauto würde ich mehrere Tage benötigen, um nach Haus zu fahren. Es stellt sich die Frage, ob ich die Tour abbrechen soll, oder nicht. Ich wasche meine Sachen, hänge alles zum Trocknen auf und mache einen Spaziergang zum Strand und am Meer entlang. Das tut gut. Ich überlege die ganze Zeit, ob ich weiterfahren oder abbrechen soll. Im Augenblick kann ich für Mutter nicht viel tun. Es muss jetzt zu Hause viel organisiert werden. Meine Schwester übernimmt das. Am frühen Abend habe ich mein Fahrrad noch geprüft, die Kette sauber gemacht, geölt und zu Abend gegessen. Zuletzt habe ich die Wäsche abgehängt. Morgen wird die Tour durch Frankreich weitergehen.
15. Tag Saint Brevin - Guillac
Letzte Nacht habe ich ganz schlecht geschlafen. Ich bin sehr oft aufgewacht, habe sehr viel über Mutter und die Demenz geträumt und wie oft ich in den letzten Monaten am Ende meiner Kräfte war. Dann bin ich völlig nass geschwitzt aufgewacht. Ich fühle mich, als hätte ich gar nicht geschlafen. Um kurz nach 6 Uhr wache ich wieder. Ich starte in den Tag. Schlafen kann und will ich nicht mehr. Ich will weiterfahren. Die gesamte Situation mit Mutter hat mich doch ziemlich fertig gemacht heute Nacht.
Die nächste Herausforderung lässt nicht lange auf sich warten: Die Saint-Nazaire-Brücke (lichte Höhe: 61 m, Gesamtlänge: 3.356 m). Dort sind Fahrräder zwar erlaubt, doch vermute ich, dass der Verkehr dort sicher sehr dicht und gefährlich ist. Ich hatte vorgestern geprüft, ob die Brücke mit dem Fahrrad befahren werden darf. Ich habe Schilder gefunden, die die Autofahrer auf die gemeinsame Nutzung hinweisen. Es gab keine Schilder, die Radfahrern die Benutzung der Brücke verbieten. An der Brücke angekommen mache ich eine kurze Pause und kontrolliere mein Fahrrad. Auf der Brücke darf es keine Panne gebe! Zunächst verläuft die Brücke flach über die Loire. An den Stellen, an denen sich die Brücke ausdehnen kann sind Bleche montiert, damit man sicher mit dem Fahrrad fahren kann. Dann kommt der Anstieg. Ich komme nicht mehr so schnell voran und je höher ich komme, desto mehr drückt mich der kräftige Wind zur Seite. Glücklicherweise weg von der Fahrbahn auf der Autos und LKWs an mir vorbeifahren. Trotzdem gibt es nicht viel Platz. Einen Crash kann ich mir nicht erlauben hier oben. Die Lkws fahren rücksichtsvoll. Wann immer möglich wechseln die Lkws die Spur um großen Abstand zu ermöglichen. Super!! Vielen Dank!!! Nachdem ich den Scheitel der Brücke überquert habe geht es bergab. Doch nun mit hoher Geschwindigkeit die Brücke runter rasen wäre wegen des starken Windes sehr leichtsinnig. Ich fahre höchstens 25 km/h. Wenn ich schneller fahre macht der Wind mit mir was er will. Bald habe ich die Brücke bald hinter mir gelassen und kann wenig später die Hauptstraße verlassen. Der Routenplaner hat gestern Abend eine gute Route berechnet. Einsetzender Regen sorgt für eine Abkühlung. Es sieht leider nicht so aus, als wäre der Regen schnell wieder vorbei. Ich halte an und packe mich in die Regenklamotten. Das war die richtige Entscheidung, denn der Regen wurde noch deutlich stärker. Erst gegen Mittag, als ich wieder zurück auf der eigentlichen Route bin, kann ich die Regenklamotten ausziehen und einpacken.
Ich folge nun dem Eurovelo 1. Dieser verläuft zu einem großen Teil entlang des Kanals von Nantes nach Brest. Die Landschaft ist sehr schön und ganz langsam komme ich wieder auf bessere Gedanken. Meine Schwester hat mich über den Stand bei Mutter informiert. Es geht ihr wieder etwas besser, wobei das immer noch sehr sehr weit von gut entfernt ist und wohl auch nicht mehr ganz gut werden wird. Am späten Nachmittag will ich dann im Internet schauen wo ich übernachten kann. Aufs Zelt habe ich heute keine Lust. Leiter gibt es Probleme mit dem mobilen Internet. Mist!! Ich merke wie extrem abhängig ich inzwischen vom Internet bei solchen Reisen geworden bin. Als ich wieder Empfang habe finde ich eine kleine Hütte auf einen Campingplatz. Ich finde es wäre eine schöne Sache heute Nacht in solch einer kleinen Hütte zu übernachten. Anderthalb Stunden später bin ich dort. Ich hänge die Regenklamotten zum Trocknen auf, dusche, esse zu Abend, schreibe mein Tagebuch und gehe früh ins Bett. Für die Nacht und morgen ist Regen angekündigt.
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16. Tag Guillac - Carhaix-Plouguer
Am nächsten Morgen ziehe sehr schnell dichte Wolken auf und der erste Schauer lässt nicht lange auf sich warten. Zum Glück gibt es entlang der Route genügend Bäume um kurz darunter etwas Schutz vor dem Regen zu suchen. Die Regenschauer dauern in der Regel nicht lange und so kann ich die Zeit nutzen, um eine kurze Pause zu machen. Der Track verläuft heute bis zum Nachmittag entlang des Kanals von Nantes nach Brest. Erst am Nachmittag ändert sich das. Der Kanal wurde durch einen Stausee unterbrochen. Für mich bedeutet dies, dass ich den Weg entlang des Kanals verlassen und ein anstrengende Höhenmeter machen muss. Anschließend verläuft die Route entlang einer alten Bahnlinie. Das erinnert mich an Schottland. Die Strecke verläuft zwar flach, trotzdem immer mit einem leichten Anstieg. Die alten Bahnhöfe sieht man noch. Heute sind dies schöne Wohnhäuser. Die Bretagne ist eine wirklich sehr schöne Gegend! Ich bin ganz glücklich darüber, dass ich hier unterwegs sein kann. Nachdem ich den höchsten Punkt der ehemaligen Bahnlinie erreicht habe geht es bergab. Das macht natürlich schon mehr Spaß als bergauf. Leider währte die Freude nicht sehr lange. Bald schon zweigt der Weg wieder ab und führt zurück zum Kanal Nantes - Brest. Die Wege sind gut ausgebaut und ich komme gut und zügig voran. Der Gegenwind ist zwar spürbar, aber bei weitem kein Problem wie es noch vor ein paar Tagen war. Nach etwas mehr als 140 Kilometern komme ich in Carhaix - Plouguer an. Ein Stück außerhalb der Stadt gibt es einen Campingplatz. Dort werde ich heute Nacht mein Zelt aufstellen. Es soll trocken bleiben und die Wettervorhersage für die nächsten Tage verspricht schönes Wetter. Das sind beste Voraussetzungen für ein paar schöne Tage im Norden Frankreichs. Als ich am Campingplatz angekommen bin stelle ich den Bobby ab und fahre nur mit Speedy zum Einkaufen. Ein paar Kleinigkeiten will ich noch besorgen. Doch, als ich zurück am Campingplatz den Rucksack auspacke frage ich mich schon, wer das alles wieder essen soll. Aber ich hatte Hunger. Ein frisches Brot wollte ich unbedingt noch mitbringen und natürlich Kekse. Ich baue mein Zelt auf und gehe unter die Dusche. Dann gibt’s Abendessen, ich schreibe das Tagebuch und allmählich werde ich müde und will ins Bett.
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17. Carhaix-Plouguer - Locquirec
Nach einer erholsamen Nacht stehe ich um 6:30 Uhr auf. Es ist kalt. Draußen ist es sehr nebelig. Mein Zelt gleicht einer Tropfsteinhöhle. Mit einem Tuch reibe ich es von innen trocken so gut ich kann. Somit vermeide ich, dass mir immer wieder kalte Tropfen Kondenswasser in den Nacken tropfen. Es besteht keine Chance das Zelt trocken einzupacken. Also baue ich es völlig durchnässt ab und mache mich auf die nächste Etappe. Um 9:30 Uhr bin ich unterwegs. Allerdings nicht direkt auf dem Eurovelo, sondern auf einen Weg den der Routenplaner gestern vorgeschlagen hat. Denn der Campingplatz ist etwas außerhalb und ein ganzes Stück entfernt vom Track. Ich fahre bis zu einer guten Stelle, um wieder auf die eigentliche Route zurückzukehren. Diese verläuft zunächst entlang einer alten Bahnlinie. Ich mag diese Wege, weil sie gut zu fahren sind. Allerdings bedeutet dies auch, dass ich ungefähr 15 oder 20 Kilometer ständig bergauf fahren muss. Umso schöner ist dann der nächste Abschnitt, wenn es die gleiche Distanz bergab geht. Auf diese Art sind die 50 Kilometer bis Morlaix schnell gemacht. Das war richtig gut! In Morlaix mache ich einen Abstecher zum Bahnhof. Hier habe ich vor einem Jahr mein Fahrrad zusammengeschraubt, bin dann nach Roscoff gefahren und von dort mit der Fähre nach Cork in Irland übergesetzt. Schöne Erinnerungen werden wach an die schönen Wege in Irland und Schottland. (Kein Gedanke mehr an die steilen Ansteige und die vielen Schlaglöcher…)
In Erinnerungen schwelgen bringt mich jedoch nicht weiter. Ich fahre wieder hinunter in die Innenstadt. Am Hafen trennt sich der Weg. Letztes Jahr bin ich links entlang am Hafen gefahren, dieses Jahr geht es nach rechts weiter. Nach nur wenigen Kilometern beginnt die Arbeit! Vorbei ist es mit flachen Straßen soweit das Auge reicht. Es geht steil bergauf. Im kleinen Gang arbeite ich mich voran. Manchmal hilft der Wind ein bisschen. Doch leider nicht oft. Auf die steilen Anstiege folgen Abfahrten bei denen die Bremsen beinahe zu qualmen beginnen. Es kommen doch wieder Gedanken an die Tour in Irland auf. Der Atlantikradweg ist nun mal kein einfacher Radweg. Während der Vormittag noch recht entspannt war und ich in Gedanken schon deutlich längere Etappen geplant habe, muss ich mich jetzt von Etappenplänen von 150 oder gar 180 Kilometern verabschieden. Heute habe ich nach knapp 100 Kilometern keine Lust mehr. Ich prüfe wo es Campingplätze gibt und stelle fest, dass es nicht weit ist bis zum nächsten Campingplatz. Mir ist eingefallen, dass ich auch noch mein nasses Zelt aufbauen und trocknen muss. Und so mache ich heute früher Feierabend, fahre zum nächsten Campingplatz, baue mein Zelt in der Abendsonne auf und fahre noch in die nächste Stadt zum Einkaufen. Der Campingplatz liegt direkt am Strand. Es wäre jetzt noch schön, wenn ich ins Meer könnte um ein bisschen zu baden. Doch niemand sonst ist im Wasser. Daher nehme ich an, dass es zu kalt ist. Also gibt es eine warme Dusche. Sobald die Sonne verschwunden ist, wird es kühl. Ich will ohnehin früh ins Bett. Ich denke an morgen und frage mich, wie ich vorankommen werde. Für das Wochenende sagt die Wettervorhersage wieder weniger schönes Wetter voraus. Erst an nächster Woche soll es heiß werden.
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18. Tag Locquirec - Saint Brieuc
In der Nacht hat sich das Wetter sehr verschlechtert. Starker Wind zerrte kräftig am Zelt wodurch ich immer wieder aufgewacht bin, bis ich mir Stöpsel in die Ohren gesteckt habe. Am nächsten Morgen ist kein blauer Himmel mehr zu sehen. Alles ist grau und es fällt leichter Nieselregen. Ich verstaue mein Gepäck in der Tasche vom Bobby, ziehe den Rucksack auf, hänge den Bobby an den Speedy und breche auf. Es geht ein Stück an der Straße entlang, dann schnell wieder weg und weiter auf kleinen Wegen. Erst ein schönes Stück am Wasser entlang. Dann erklimmt der Weg einige Höhenmeter und schließlich befinde ich mich wieder auf einer alten Bahnlinie. Heute werden noch zahlreiche Höhenmeter zu fahren sein. Alles in allem war die Etappe heute sehr schön. Immer wieder führt der Weg zu Aussichtspunkten von denen man einen schönen Blick aufs Meer hat. Dann verläuft der Weg im Hinterland und später folgt ein Stück direkt am Strand. Der Anteil der Wege durchs Hinterland überwiegt jedoch klar. Da der Wind teilweise sehr kräftig auffrischt beschließe ich heute Nacht im Hotel zu übernachten. Nach ungefähr 80 Kilometern schaue ich im Internet welche Unterkünfte in Frage kommen. Bis Saint-Brieuc ist es noch weit zu fahren. Dort wäre eine günstige Unterkunft. Ich buche die Übernachtung und fahre weiter. Die letzten Kilometer der Etappe sind zäh. Ich bin wieder knapp 150 Kilometer gefahren. Noch länger sollte ich nicht fahren. Ich bin heute schon wirklich lange unterwegs. Dazu kam, dass der Radweg nicht so angenehm zu fahren war. Der Radweg verlief direkt auf einer zweispurigen Schnellstraße. Es hat sich angefühlt, als wäre ich auf dem Standstreifen einer Autobahn unterwegs. Es war ein offizieller Radweg! Es gab zumindest Schilder die das behaupteten. Im Hotel kann ich mein Fahrrad und den Bobby sicher unterstellen. Nur mit dem Zimmer stimmt etwas nicht. Das Zimmer hatte offenbar nach dem letzten Gast niemand sauber gemacht. Hm... Für 65 Euro pro Nacht wäre es schön, wenn es wenigstens frische Handtücher und Bettwäsche gäbe. Ich gehe zur Rezeption und bitte die Dame sich das Zimmer anzuschauen. Sie entschuldigt sich, nachdem sie es angeschaut hat und gibt mir ein anderes Zimmer. Ich packe einen Teil meiner Sachen aus und gehe unter die Dusche. Ich überlege, ob ich noch ein in der Stadt etwas essen soll. Doch es ist schon nach 20 Uhr. Ich will noch mein Tagebuch schreiben und eigentlich um 21 Uhr ins Bett. Tatsächlich ist es inzwischen sogar schon kurz vor 22 Uhr. Ich bin total müde und froh, nicht mehr aus dem Hotel hinaus gegangen zu sein. Ich putze die Zähne, schaue den Wetterbericht und dann fallen mir die Augen zu. Feierabend...
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19. Tag Saint Brieuc - Saint Malo
Die Nacht in Saint-Brieuc war angenehm. Kein Wind, der die ganze Nacht am Zelt zerrt. Nachdem ich meine Sachen zusammen gepackt habe bezahle die Hotelrechnung, hole mein Fahrrad aus der Abstellkammer, baue alles zusammen, starte das GPS-Gerät und dann fahre los. Es ist Sonntag und auf den Straßen in der Stadt ist überhaupt nichts los. Das ist ganz gut. Denn ich bin heute Morgen etwas müde und biege hin und wieder mal falsch ab, bis ich endlich aus der Stadt raus bin. Der Weg führt über viele Punkte von denen man eine schöne Aussicht aufs Meer hat, oder er führt direkt ans Meer. Jede kleine Stadt oder Gemeinde hat solche Aussichtspunkte und der Weg führt heute ausnahmslos an jedem dieser Aussichtspunkte vorbei. Ich habe inzwischen so viel Meer und so viele Strände gesehen, dass ich den einen oder anderen Abstecher zu solch einem Aussichtspunkt auslasse und weiterfahre. Der Himmel ist den ganzen Tag über sehr dicht bewölkt. Es fällt leichter Nieselregen. Der Wind ist wieder kräftig. Nun als Rückenwind ganz angenehm. Am Nachmittag wird aus dem Nieselregen dann richtiger Regen. Ich stelle mich unter einen Baum und nutze die Zeit für eine Pause. Nachdem ich 80 Kilometer gefahren bin schaue ich im Internet welche Unterkünfte es gibt. Ein Wegweiser zeigt 20 Kilometer bis nach Saint Malo. Ich muss nicht jeden Tag einen neuen Streckenrekord aufstellen, denn mein Hintern tut zurzeit etwas weh. Die Haut am Oberschenkel scheuert am Sattel und das ist auf Dauer unangenehm. Es regnet immer wieder und so beschließe ich eine weitere Nacht in einem günstigen Hotel zu verbringen. Nach und nach frage ich mich wie die Planer der Radwege die dieses Schild aufgestellt haben darauf gekommen sind, dass es 20 Kilometer bis Saint Malo sein sollen. Das stimmt bestenfalls wenn man die Luftlinie rechnet. Schließlich erreiche ich Saint Malo. In der Stadt muss ich noch weit fahren bis zur Unterkunft. Die Stadt ist groß, es gibt viele Touristen hier und der Verkehr ist ein Chaos. Zum Glück kann ich mit dem Fahrrad die vielen Staus umgehen. Die Unterkunft finde ich auch schnell. Nach einer warmen Dusche geht es mir schon wieder besser. Ich will heute im Restaurant zu Abend essen. Na ja, dann wurde es eben ein Dönerladen in dem ich zu Abend esse. Im Geschäft nebenan hole ich mir ein Crêpe als Nachtisch.
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20. Tag Saint Malo - Mortain
Am nächsten Morgen frühstücke ich, packe alle meine Sachen und gehe kurz zum Fahrrad, um den technischen Dienst zu machen. Die Kette muss vom Sand und Dreck gereinigt werden und der Schmodder von den Ritzeln entfernt werden. Anschließend öle ich die Kette und bin fertig. Auf der Straße hänge ich den Bobby an das Fahrrad und starte. Raus aus der Stadt! Bald schon habe ich das Meer erreicht. Die Route verläuft über viele Kilometer am Meer entlang immer nach Osten. Ich habe kräftigen Rückenwind. Der hilft sehr um voran zu kommen. Schnell sind die ersten 50 Kilometer gefahren. Ich erreiche den Mount Saint Michelle. Eine große Kirche, die damals auf eine Insel gebaut wurde. Schon sehr beeindruckend. Ich frage mich, wie viele Leute wohl beim Bau von diesem Prestigeprojekt gestorben sind? Die vielen Touristen, die mal irgendwie blöd und mal nervig im Weg herumstehen bringen mich aber schnell wieder zurück in die Realität. Als nächste besondere Sehenswürdigkeit passiere ich einen deutschen Soldatenfriedhof aus dem zweiten Weltkrieg. Ein sehr bedrückender Ort finde ich. Ich bleibe nicht lange. Am Nachmittag geht es wieder auf einer alten Bahnlinie weiter. Auch hier ist es gut zu fahren. Nach knapp 100 Kilometern erreiche ich den nächsten bedeutenden Abzweig dieser Tour. Ich fahre nun zunächst nicht weiter nach Osten, sondern nach Norden in die Normandie. Heute nur ein kleines Stück. Bis Mortain. Dann ist Feierabend. Am Campingplatz baue ich mein Zelt auf, kaufe noch frischen Proviant und esse zu Abend. Die Zeit vergeht sehr schnell. Aber ich bin müde und werde heute Nacht sicher gut schlafen.
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21. Tag Mortain - Agneaux / Saint Lö
Am Morgen bespreche ich mit meiner Schwester, wie es mit Mutter weitergehen soll. Sie wird aus dem Krankenhaus entlassen, kann aber nicht nach Hause. Ihr Zustand ist zu schlecht.
Während ich die Tasche vom Bobby fülle bin ich sehr in Gedanken zu Hause und bei Mutter. Doch nun will ich mich auf meine Radtour konzentrieren. Vom Campingplatz aus muss ich zunächst ein Stück fahren, um wieder die eigentliche Route zu erreichen. Die Route verläuft dann die nächsten 30 Kilometer fast ausschließlich entlang einer alten Bahnlinie. Sehr schön. Mal geht es bergauf, mal bergab. Alles ganz entspannt und immer im Schatten der großen alten Bäume. Es ist angenehmen zu fahren. Nur für mein Solarpanel ist der Schatten der vielen Bäume nicht so günstig. Nachdem ich die ersten 50 Kilometer gefahren bin mache ich eine Rast und esse Mittagessen vom Proviant. Nach der Mittagspause wird es anstrengend. Der Weg führt jetzt nicht mehr entlang der Bahnlinie. Sondern verläuft über Land. Und die Route führt wirklich durch jedes Tal und über jede Anhöhe. Die nächsten 25 Kilometer sind sehr anstrengend. Mal geht es steil bergab, dass die Scheibenbremsen schon und gleich darauf geht es so steil aufwärts, dass ich es grade noch im kleinen Gang schaffe. Trotzdem: Geschafft ist geschafft und es geht weiter. Die nächste Abfahrt hinunter ins Tal... Glücklicherweise ändert sich die Route nach 25 Kilometern erneut. Nun verläuft der Weg wieder an einem Fluss oder einem Kanal. So genau kann ich das gar nicht sagen. Dies sind wieder einfach zu fahrende Kilometer. Das bleibt so bis zum Ende der Etappe. Die endet heute in Agneaux. Damit bin ich etwas mehr als 110 Kilometer gefahren. Ich habe unterwegs immer wieder im Internet nach einem Campingplatz gesucht. Doch es gibt leider innerhalb der nächsten 15 Kilometer keinen Campingplatz. Auch das GPS-Gerät kann keinen Campingplatz anzeigen. Ich suche mir eine Unterkunft, die nicht zu teuer ist. Nachdem ich geduscht habe kläre ich, ob ich ein paar Sachen waschen kann. Ich darf die Waschmaschine benutzen und hänge die Radlerklamotten zum Trocknen in die Abendsonne. Eigentlich wollte ich noch zu Fuß in die Innenstadt und dort etwas essen. Aber ich habe mal wieder zu viel eingekauft und außerdem bin ich zu faul um noch zu Fuß zu laufen. Ich kümmere mich um mein Tagebuch und gehe früh ins Bett.
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22. Tag Agneaux / Saint Lö - Saint Aubin sur Mer
Es war gestern Abend schon wieder halb zehn, als ich ins Bett gegangen bin. Ich habe noch die Wäsche von der Wäscheleine genommen und bei mir im Zimmer zum Trocknen aufgehangen. Außerdem habe ich das Zelt ausgepackt und ausgebreitet, damit es trocken wird. Die nächsten Tage soll es immer wieder Regen geben. Ob ich nach einem Tag im Regen noch im Zelt schlafen will, oder lieber eine feste Unterkunft suche, weiß ich nicht.
Ich habe geträumt. Nichts Schlimmes. Von einem Avox (aus den Tributen von Pamen) der sehr unglücklich und in sich gekehrt war. Ich habe versucht ihn zu überreden etwas Licht in sein Leben zu lassen. Das Fenster nur einen kleinen Spalt zu öffnen. Und schon kam Farbe in das Leben zurück. Dann bin ich aufgewacht und aufgestanden. Ich habe mein Müsli eingeweicht, meine Sachen zusammengepackt und will nun weiterfahren auch, wenn es hier sehr schön ist. Sophie als Gastgeberin ist sehr sehr freundlich! Das ist echt super! Der Abschied hat etwas länger gedauert, denn irgendwie hatten wir beide uns noch viel zu erzählen. Schade, dass nicht mehr Zeit war. Vermutlich hätten wir den ganzen Tag über Gesprächsstoff gehabt. Es ist schon 10 Uhr bis ich los komme. Die ersten 30 Kilometer sind schnell gemacht. Der Track verläuft entlang eines Flusses und somit immer flach. Ich kann quasi den Tempomat einschalten und die Landschaft genießen. Aber immer genau dann, wenn ich einmal kurz nicht auf den Weg schaue ist das plötzlich ein Schlagloch, durch das ich durchfahre. Mein Hintern freut sich dann wirklich sehr und der Bobby (Anhänger) macht wahre Bocksprünge. Mist!!! Also muss ich eben doch mehr auf den Weg achten. Nach 30 Kilometern ist das gemütliche Fahren leider vorbei. Die Route verlässt den Fluss und folgt nun kleinen ohne viel Verkehr. Die Steigungen sind nicht mehr ganz so anstrengend. Nach etwa 70 Kilometern erreiche ich Omaha Beach. Den Ort, an dem die alliierten Kräfte die Befreiung Europas gestartet haben. Heute ist das ein ganz friedlicher und stiller Ort. Kein Vergleich mit dem schrecklichen Gemetzel, dass sich hier damals abspielte. Wobei ich mich schon gefragt habe, warum die Soldaten damals genau hier an Land gegangen sind. Denn nur wenige Meter weg vom Wasser steigt das Gelände steil an. Und von der Höhe hat man natürlich einen perfekten Überblick über den gesamten Strand. Nun ja… Ich bin kein Militär-Experte und von daher ist es mir egal. Es gab zahlreiche Museen, die teilweise sehr gut besucht waren. Doch zum einen interessieren mich alte Panzer, Kanonen und was weiß ich für Kriegszeug einfach nicht (hat nichts mit Strom zu tun...) und zum anderen gibt es immer noch Corona. Auch wenn es inzwischen tatsächlich eher die Ausnahme ist, dass man eine Mund-Nasen-Bedeckung beim Einkauf im Supermarkt trägt.
Nach dem Besuch am Omaha Beach verläuft der Track weiter durchs Land. Wieder mal wollte der Track alle Sehenswürdigkeiten, Aussichtspunkte in der gesamten Gegend ansteuern. Dies waren teilweise große Umwege. Ein paar dieser Umwege habe ich dann "aus der Route raus optimiert". Ich fahre schließlich nicht x Kilometer nach Südwesten, wenn ich eigentlich nach Osten oder Nordosten will! Zudem hatte ich in Richtung Südwesten kräftigen Gegenwind. Nach Osten hatte ich Rückenwind. Mit Hilfe des Rückenwindes bin ich am späten Nachmittag in Saint Aubin sur Mer angekommen. Der Himmel war immer noch dicht mit Wolken verhangen und es sah nach Regen aus. Aus Faulheit habe ich mich für eine nette private Unterkunft zum Übernachten entschieden.
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23. Tag Saint Aubin sur Mer - Le Havre
Der nächste Tag beginnt mit einer Überraschung. Draußen war super schönes Wetter und Sonnenschein. Ich hatte eigentlich mit Regen gerechnet. Nach dem Frühstück packe ich meine Sachen und fahr starte die nächste Etappe. Die Strecke verläuft viele Kilometer an den Strand-Promenaden entlang. Zum Glück war ich früh unterwegs und somit herrschte dort noch nicht viel betrieb. Es wäre anstrengend geworden, zwischen all den Leuten, die auf den Radwegen laufen, Slalom zu fahren. Doch je später der Vormittag wird desto öfter passiert genau das. Es gibt zwei Möglichkeiten, bremsen oder umnieten! Das ist echt zum kotzen. Ich fahre doch auch nicht auf der Autobahn mit dem Fahrrad und wundere mich über die vielen Autos, die dort unterwegs sind. Wie auch immer, der Tag heute war einfach scheiße. Leider verlief die Strecke heute größtenteils entlang viel befahrener Straßen, was einfach nicht schön ist. Besonders die Motorräder nerven extrem, weil die teilweise mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit an mir vorbei rasen. Natürlich mit wenig Abstand und zum Teil mit einem solch infernalischen Lärm, dass ich vor Schreck beinahe vom Fahrrad gefallen wäre. Man soll das folgende eigentlich nicht denken. Aber möge der Arsch mit seinem scheiß Motorrad am nächsten 40 Tonner oder Brückenpfeiler zerschellen!!!! Selbst jetzt bekomme ich noch einen unglaublichen Zorn, wenn ich an diese Idioten denke! Nun gut. Der Track machte wieder einige Umwege über zahlreiche Aussichtspunkte. Zu diesen Aussichtspunkten ging es erst steil hinauf und gleich im Anschluss wieder so steil abwärts, dass die Bremsen heiß wurden und zu kreischen begannen. Zu allem Überfluss gab es an den Aussichtspunkten so gut wie nichts mehr zu sehen, weil alle Plätze mit Aussicht inzwischen durch noble Villen mit sehr hohen Zäunen zugebaut waren. Somit waren das eigentlich nur Höhenmeter um der Arbeit willen, da ich am Ende wieder auf der gleichen Straße wie zuvor weiterfahre. In Richtung Le Havre kündigt sich eine riesengroße Brücke an. Oh... Da wird die Route doch nicht etwa drüber verlaufen? Doch mit jedem Kilometer wird genau dies immer wahrscheinlicher. Es ist die Pont de Normandie. Für mich bedeutet dies, dass ich wieder eine Autobahn befahre, auf der es einem Streifen für Fahrräder gibt. Eigentlich ist das eine gute Sache. Inzwischen ist es nicht das erste Mal. Ansonsten müsste ich einen großen Umweg fahren. Ob es Fähren gibt wie ich nicht. Auf der Brücke gibt es einen baulich abgetrennten Streifen für Fahrräder was etwas mehr Sicherheit bedeutet als bei der letzten großen Brücke über die Loire. Bergauf schaffe ich grade mal 15 km/h. Die Lkws donnern mit 90 km/h an mir vorbei. Aber!!! Die Fahrer nehmen Rücksicht und weichen auf die mittlere Spur aus! Vielen Dank und Respekt! Die Autofahre sind weniger rücksichtsvoll. Auf der Brücke war es ziemlich windig. Ich muss auch bergab langsam fahren, damit ich die Kontrolle behalte und mich der Wind nicht zur Seite drückt. Nachdem ich die die Pont de Normandie hinter mir gelassen habe ist es nicht mehr weit bis Le Havre. Leider sind die letzten Kilometer wieder gefährlich. Es gibt keinen extra Streifen für Fahrräder. Die Lkws donnern, wenn auch mit Abstand, mit hohem Tempo an mir vorbei. Trotzdem ist es kein sehr angenehmes Gefühl. Nach einigen Kilometern verlasse ich den dichten Verkehr im Hafen und erreiche Le Havre. Es wird Zeit für eine Pause. Ich überlege, ob ich den Saine Radweg heute wirklich noch starten soll. Ich schaue im Internet, wo es Campingplätzen gibt. Doch innerhalb der nächsten 30 Kilometer ist kein Campingplatz in Sicht. Jedenfalls nicht auf der Seite der Saine, auf der ich gerade fahre. Hm... Nicht gut. Ich müsste nochmal richtig Kilometer machen um einen Campingplatz zu erreichen. Doch dazu ist der Tag einfach echt zu schlecht gelaufen. Natürlich, mit Gewalt sind immer irgendwie noch 50 Kilometer möglich, aber wenn ohnehin alles nicht so toll ist, dann muss das einfach nicht sein. Ich beschließe im Internet nach einer Übernachtung in Le Havre zu suchen. Camping ist hier nicht möglich. Ich entscheide mich wieder für ein günstiges Hotel. Ich muss mir das Zimmer wieder mit Speedy und Bobby (Fahrrad und Anhänger) teilen, weil es keine geeignete Abstellmöglichkeit gibt. (Keine Sorge, ich spreche nicht mit den beiden…). Nachdem ich geduscht habe kaufe ich etwas zum Essen, kümmere mich um ein paar Kleinigkeiten und Ruck Zuck ist es schon wieder 21 Uhr. Zeit zum Schlafen.
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24. Tag Le Havre - Rouen
Um kurz nach 9:30 Uhr starte ich die nächste Etappe. Die Unterkunft liegt an der Strecke. Ich fahre in Richtung Saine Tal. Ziemlich schnell wird mir klar, dass es gestern eine sehr gute Entscheidung war über Nacht in Le Havre zu bleiben und nicht noch mehr Kilometer zu fahren. Die ersten 40 Kilometer verlaufen heute einfach nur entlang von Autobahnen und Schnellstraßen. Nicht wirklich schön. Und Campingplätze gibt es weit und breit keine. Doch dann endlich führt die Route ins Saine Tal und erreicht wenig später auch die Saine. Die Landschaft war sehr schön und die Wege und Straßen gut zu fahren. Teilweise verlief der Track entlang normaler Straßen, auf denen wenig Verkehr war. Bis zum Nachmittag war sehr schön. Ich musste einmal mit einer Fähre über die Saine übersetzen und wenig später kamen große Hafenanlagen in Sicht. Zuerst nur ein paar Container Terminals, dann stank es gewaltig nach Öl und Ufer war übersäht mit riesengroßen Tanklagern, die gehörten wohl zur Petroleum-Industrie gehörten. Nach den Tanklagern folgten zahllose Silos für Getreide. Schön war es leider nicht. Aber so ist es nun mal, in den Ballungsgebieten der Großstädte. Rouen ist eine sehr große Stadt. Das Stadtzentrum von Rouen war eigentlich ganz hübsch. Doch drumherum gibt es entlang des Radweges keine schönen Orte. Nachdem ich Rouen schon beinahe hinter mir gelassen habe erreiche ich nach 132 Kilometern die Unterkunft. Für heute ist das genug. War eine gute Etappe. Ich kaufe noch etwas Proviant, wasche ein paar meiner Sachen und kümmere mich um den technischen Dienst am Fahrrad. Die staubigen Wege sind nicht so gut für die Kette. Ab und zu muss der Dreck dann mal wieder runter. Außerdem will ich noch klären, wo ich morgen ungefähr ankomme. Bis Paris ist es nicht mehr weit. Es gibt nicht viele Campingplätze in der Gegend.
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25. Tag Rouen - Bouconvillers
Heute fahre ich weiter nach Paris! Das Wetter ist super. Die Sonne scheint, nur ist es ziemlich kühl. Das wird sich aber sicher im Laufe des Tages noch ändern. Besser als Regen oder Sturm.
Ich stelle meine Sachen vor das Tor zur Straße und will grade losfahren, als mich ein Nachbar anspricht. Ich verstehe nicht viel, aber er fährt wohl auch gerne Fahrrad und hat auch ein CANNONDALE. Ich soll mal mitkommen. Na warum nicht. In seiner Garage steht nicht nur ein CANNONDALE Rennrad, sondern mehrere. Und als ich eines anheben möchte, werfe ich es fast gehen die Decke weil es so leicht ist. Uff.... Kein Vergleich zu dem Gewicht, das ich derzeit jeden Tag bewege. Aber mein Fahrrad und der Anhänger müssen schon auch einiges aushalten. Auch heute wird es sicherlich wieder zahlreiche Schlaglöcher und Bodenwellen geben... Ich verabschiede mich und fahre los. Zum Track sind es nur ein paar hundert Meter. Dann geht's direkt weiter durchs Tal der Saine. Erst mal raus aus der Stadt und weg von der Industrie. Zum Glück ist Samstag und der Verkehr ist nicht so dicht. Es dauert ungefähr 20 Kilometer bis ich die Industriegebäude hinter mir gelassen habe und endlich wieder die Natur zu sehen ist. Teilweise verläuft der Weg direkt an der Saine entlang. Manchmal jedoch auch ziemlich weit davon entfernt. Oft bekommt man die Saine gar nicht zu sehen, weil viele der Grundstücke am Ufer Privatbesitz und damit abgesperrt sind. Am späten Nachmittag erreiche ich Vernon. Hier mache ich wie gestern geplant einen Stopp und erkunde die Lage für die Übernachtung. Campingplätze gibt es. Doch die sind leider sehr weit weg vom Track. Ich will heute noch ein paar Kilometer fahren und suche nach anderen Möglichkeiten zum Übernachten. Campingplätze gibt es leider kein. In ungefähr 30 Kilometer Entfernung finde ich ein günstiges Hotel. Zwar auch etwas abseits der Route, aber bei rechtzeitiger Planung lässt sich der kleine Umweg gut in die Route einfügen. Ich warte ich nicht lange, buche mir ein Zimmer und suche eine passende Route dort hin. Diese Route bringt jedoch nochmal ganz ordentlich Arbeit mit sich. Es gibt einige Anstiege zu fahren, bei denen ich kräftig kurbeln muss, um hoch zu kommen. Am späten Nachmittag erreiche ich den Ort, in dem das Hotel sein soll. Doch so sehr ich auch suche, ich kann kein Hotel finden! Ich überprüfe die Adresse mehrfach. Alles korrekt. Ich stehe auf einer Straße am Ortsausgang und kann weder ein Schild noch ein Hotel sehen. Nirgendwo. Das Navi im Smartphone behauptet steif und fest, dass ich noch 200 Meter auf einem Feldweg fahren soll, dann erreiche ich das Hotel. Aber das Einzige was "da" ist, ist ein kleines Bürogebäude. Es gibt zwei Etagen einen Parkplatz und sonst nichts. Kein Hotel. Ich rufe die Telefonnummer an die ich im Internet gefunden habe. Der Anrufbeantworter meldet sich. So ein Mist! Nun ja, wer baut auch hier ein Hotel? Hier braucht niemand so etwas. Aber was wäre, wenn dieses Bürogebäude vielleicht doch ein Hotel ist? Es ist Samstag und da stehen Autos vor dem Gebäude. Hm... Ich fahre zu dem komischen Bürogebäude um es mir aus der Nähe anzuschauen. Genau in dem Augenblick ruft jemand auf meinem Telefon zurück. Ich halte an und nehme den Anruf entgegen. Es ist jemand vom Hotel. Er fragt ob ich mit dem Fahrrad unterwegs bin. „Ja“, sage ich. „Dann komm herüber ich winke dir zu!“ Und tatsächlich! Vor dem Bürogebäude steht jemand und winkt. Der Chef persönlich. Es ist tatsächlich ein Hotel. Ziemlich neu und recht groß. Das Zimmer ist sehr groß und im Bad gibt es sogar eine Badewanne. Super. Dann werde ich mir heute mal Bad gönnen. Frisch gebadet gibt es Abendessen vom Proviant. Denn einkaufen oder gar ein Abendessen im Restaurant waren hier völlig ausgeschlossen. Es gab weit und breit nichts! Das stört mich nicht weiter, denn mein letzter Einkauf war in Punkto Kekse sehr üppig. Und schließlich habe ich kein Problem damit nach einem guten Abendessen mit Brot und Käse noch ein paar Kekse und Erdnüsse zu essen. Am Abend plane ich den Aufenthalt in Paris. Ich werde morgen am frühen Nachmittag in Paris ankommen. Dort will ich auf jeden Fall eine kleine Stadtrundfahrt mit dem Fahrrad unternehmen. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten speichere ich im Navi. Dann wird es Zeit fürs Bett. Es ist schon wieder halb zehn...
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26. Tag Bouconvillers – Paris
Ich freue mich schon sehr auf Paris. Auch wenn dort sicher wieder sehr viele Menschen unterwegs sind und sehr dichtes Gedränge herrscht. Corona ist eben noch immer nicht besiegt! Ich werde besser die meisten Sehenswürdigkeiten in Paris Fuß besichtigen. Zumindest ohne Anhänger. So kann ich den Fußgängern besser ausweichen. Erst mal muss ich dort ankommen! Bis Paris sind es schon noch ein paar Kilometer!
Ich frühstücke heute Kekse und andere Sachen aus dem Proviant.
Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg. Ich trage meine Sachen runter und will das Hotel verlassen. Doch die Türe vom Ausgang ist abgeschlossen. Hm.... Komisch.... Und dabei ist das doch ein Fluchtweg...?? Es gab zum Glück noch einen separaten Eingang für die Nacht. Dort ließ sich die Türe öffnen und ich gelange ins Freie. Es ist außer mir wohl niemand in dem Hotel. Seltsam. Ich hole mein Fahrrad aus dem Abstellraum, lade die Tasche in den Bobby und bin startklar. Ich hoffe nur, dass das große Tor in der Einfahrt nicht auch abgeschlossen ist. Es lässt sich öffnen und ich mache mich auf den Weg nach Paris. Ich muss zunächst knapp 12 Kilometer fahren, bis ich wieder den Track erreiche. An diesem herrlichen Sonntagvormittag kein Problem. Es ist noch ein bisschen kühl, doch das wird sich bestimmt schnell ändern. Unterwegs fällt mir auf, dass viele Getreidefelder schon gemäht sind. Gerste und Weizen sind bereits weg. Die Ernte ist in vollem Gange. Immer wieder sehe ich Anhänger an den Feldern stehen, die darauf warten vom Mähdrescher gefüllt zu werden. Für mich sind die gemähten Getreidefelder immer ein Zeichen, dass der Sommer seinen Zenit erreicht oder eigentlich schon überschritten hat. Ach, was waren das immer für schöne Zeiten bei den Verwandten im Norden Deutschlands, als ich als kleiner Junge dort viele Sommer in der Landwirtschaft verbringen durfte. Ich denke gerne daran!! Die Zeit hat mich schon geprägt.
Nun zurück zur Reise durch Frankreich. Ich erreiche den Track und genieße die Natur. Doch bald schon merke ich, dass die Gegend immer mehr städtischen Charakter annimmt. Die Wege entlang der Seine sind heute sehr bevölkert. Klar, es ist Sonntag, da sind viele Leute unterwegs die aus der Stadt hinaus wollen ins Grüne. Ich sehe viele Fahrräder und je näher ich den Städten komme, umso mehr Fußgänger und Jogger kommen hinzu. Ich muss wirklich langsam fahren, da die Leute leider häufig nicht die Fahrradklingel hören, weil sie Kopfhörer tragen. Dazu kommt, dass die Fußgänger und Jogger hin und wieder ganz plötzlich einem Schlagloch ausweichen ohne sich vorher umzuschauen. Dies bringt mich hin und wieder ziemlich in Not, um einen Unfall zu vermeiden. Dabei fahre ich schon deutlich langsamer und auch sehr vorsichtig. Zwei Jogger hatten leider etwas Pech. Die dachten vermutlich, dass nur ein Fahrrad von hinten kommt. Dass noch ein Anhänger an dem Fahrrad hängt haben sie dann gemerkt...
Oh, ich glaube ich erzähle zu ausführlich.
Auch wenn ich früh die ersten Vororte erreicht habe, so waren es noch einige Kilometer bis Paris. Schließlich taucht dann in der Ferne der Eifelturm vor mir auf. Die Route endet an der Kathedrale von Notre Dame. Oder besser gesagt vor dem, was davon nach dem Brand noch steht. Es ist eine große Baustelle und wird sicher noch lange dauern, bis die Kathedrale wieder so groß und schön ist, wie sie einst war. Dennoch ist es ein beeindruckendes Bauwerk. Weniger schön fand ich das Gedränge vor und um die Kathedrale. Glücklicherweise war ich mit Fahrrad und Bobby unterwegs und konnte mir ein bisschen Abstand zu den Leuten verschaffen. Offenbar war ich jedoch der Einzige, der sich über Corona Gedanken gemacht hat. Alle anderen Leute drückten sich dicht an dicht an der Kathedrale vorbei. Ich wollte möglichst schnell weg von hier, da mir das Gedränge unangenehm war. Die nächste Station war der Eifelturm. Oh Mann!!! Das ist schon ziemlich geil, was die damals gebaut haben. So viele kleine Details. Das sieht man auf den Fotos üblicherweise gar nicht. Ich bin wirklich sehr beeindruckt. Außerdem bin ich natürlich auch stolz, dass ich es mit dem Fahrrad bis hierhergeschafft habe. Nachdem ich den Eifelturm hinter mir gelassen fahre zum Triumphbogen. Damit hatte ich für heute genug vom Sightseeing. Ich bin echt müde und will zur Unterkunft. Das kleine Hotel ist auf Gäste die, mit dem Fahrrad reisen leider nicht vorbereitet. Der Mann an der Rezeption ist etwas verwirrt. Dennoch sehr freundlich und darum bemüht eine Lösung zu finden. Corona sei Dank gibt es kein Frühstück im Hotel und so kann ich Fahrrad und Anhänger in dem kleinen Frühstückssaal abstellen. Wunderbar! Ich mache noch einen kleinen Spaziergang in der Nähe des Hotels. Ich will schließlich ein bisschen was von Paris sehen.
Eine Sache hat mich heute auch sehr bewegt. Das muss hier noch rein. Auf dem Weg ins Zentrum von Paris, entlang der Seine, bin ich an einer oder besser gesagt zwei kleinen Zeltstädten vorbeigekommen. Dort standen bestimmt 200 oder mehr dieser kleinen billigen Zelte herum, die man auf ein Festival-Wochenende mitnimmt und anschließend wegschmeißt, weil sie einfach nichts taugen. Dicht an dicht standen die Zelte am Ufer der Saine. Und vor, neben und hinter den Zelten wimmelte es von Menschen die dort irgendwie gelebt oder eher gehaust haben. Menschen aus Afrika, die dort irgendwie den Tag verbringen. Menschen die tatsächlich existieren, aber um die sich niemand zu kümmern scheint. Sie existieren wohl einfach nicht. Aber sie sind da! So sieht es aus, das Europa von 2020. Na ja.... Gute Nacht!
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27. Tag Paris - Vandières
Ich habe mein Müsli eingeweicht und währenddessen schon mal meine Sachen zusammengepackt. Die Wäsche abgehängt, die provisorische Wäscheleine eingepackt und so weiter. Zähne noch gründlich putzen und dann los. Vor mir liegt der Weg nach Osten. Nach Hause. Das sind nochmal über 700 Kilometer. Also noch eine lange Strecke zu fahren. Mit jedem Tag sind es jedoch mindestens 100 Kilometer weniger.
Ich trage meine Sachen runter auf den Gehweg, gebe den Schlüssel ab, hänge den Bobby ans Fahrrad und fahre los. Die Route führt hinaus aus Paris. Die Wege sind gut ausgebaut. Es geht wieder an einem Kanal entlang. Es wäre traumhaft, wenn ich in den nächsten Tagen noch einmal ordentlich Tempo machen und auf seht gut ausgebauten, flachen Radwegen ganz entspannt nach Hause radeln könnte. So viel zum Wunschdenken, denn nach ungefähr 30 Kilometern ändert sich der Weg ziemlich drastisch. Die Schilder beschreiben erneut eine ganz andere Route als der Track im GPS-Gerät vorgibt. Das wäre nicht das erste Mal. Meist führte nach wenigen Kilometern die eine, wie auch die andere Strecke wieder zueinander. Diesmal ist das leider nicht der Fall. Nicht nur, dass sich jemand offenbar viel Mühe gemacht hat, um alle Schilder entlang der alten Strecke zu entfernen, derjenige hat auch noch viel Zeit und Geld dafür spendiert, um Schilder mit „Durchfahrt verboten“ aufzustellen. Doch diese Schilder scheinen niemand zu interessieren. Viele Radfahrer die gleiche Strecke, die auch mein GPS-Gerät vorschlägt. Dann kann es doch eigentlich nicht so falsch sein wie ich fahre. Zunächst war der Weg noch halbwegs gut zu befahren. Doch bald schon wurde es immer steiniger und die Schlaglöcher wurden größer und größer. Ganz so, als hätte sich schon sehr lange niemand mehr um den Weg gekümmert. Noch kann ich auf dem Rad weiterfahren, ohne dass ich absteigen und schieben muss. Doch wenig später wurde das Gestrüpp immer dichter. Ich kam nur noch im Schneckentempo vorwärts. Wäre ich schneller gefahren, wäre mein Fahrrad wohl in zwei Teile zerbrochen. Die Bocksprünge, die der Bobby auf dieser Schlaglochstrecke schon seit vielen Kilometern macht, will ich gar nicht erwähnen. So kann es nicht weitergehen. Der Weg ist für ein Tourenfahrrad mit Anhänger nicht fahrbar. Ich suche in der Karte nach einem anderen Weg und finde glücklicherweise auch eine Alternative. In einem Reisebericht eines Tourenradlers wird ein Track als Download zur Verfügung stellt. Diese Daten lade ich aus dem Internet herunter, schaue mir den Verlauf genau an und entscheide mich dieser Route zu folgen. Der Track verläuft nun auf Landstraßen. Der Verkehr ist nicht besonders stark. Natürlich wäre es entlang der Marne sicher schöner zu fahren, als auf einer Landstraße. Hin und wieder halte ich nach dem Weg entlang der Marne Ausschau. Denn am Fluss ist es schöner als auf der Landstraße in der Sonne zu schmoren. Heute war es sehr warm. Trotz der schlechten Strecke zwischendurch bin ich gut vorangekommen. Bereits 140 Kilometer bin ich bis zum Nachmittag gefahren. Denn allmählich will ich nach Hause. Am späten Nachmittag suche ich nach einer Unterkunft. Ich will am liebsten wieder auf einem Campingplatz zelten. Weil ich grade durch die Champagne fahre, wäre zelten auf einem Weingut bestimmt etwas Besonderes. Ich finde einen schönen Campingplatz in einem Weingut oder einer Champagne, wie man hier sagt. Nach dem Abendesse mache ich es mir vor dem Zelt gemütlich und genieße die Abendsonne. Den Champagner gab es leider nur flaschenweise. Etwas viel für einen Abend. So gibt es Wasser zum Abendessen und ein paar Kekse zum Nachtisch. Nach dem technischen Dienst am Fahrrad wird es Zeit zu schlafen.
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28. Tag Vandières - Bar-Le-Duc
Ich bin zurzeit etwas ungeduldig. Ich würde am liebsten die gesamte Strecke nach Hause an einem Tag fahren. Das geht natürlich nicht. Ich muss mich ein bisschen zusammen nehmen um die Reise noch in Ruhe und Stück für Stück zu Ende zu fahren. Nachdem ich die Übernachtung bezahlt habe mache ich mich auf den Weg. Schon im nächsten Ort erreiche den ursprünglichen Track. Das GPS-Gerät zeigt auf der Karte, dass der Radweg weiter am Marne Kanal entlang verläuft. Ich beschließe dem ursprünglichen Track nochmal eine Chance zu geben. Dieses Mal war das eine gute Entscheidung, denn der Track verlief über gemütliche und schöne Wege entlang des Marne Kanals. Nach dem Mittagessen änderte sich das leider. Wieder einmal verschwanden die Markierungen und aus den flachen und glatten Rennpisten der letzten 60 Kilometer wurden ziemlich holprige Wege. Vielleicht war ich auch einfach nur verwöhnt? Auch die weniger gut ausgebauten Wege waren fahrbar. Wenn auch nicht immer ganz einfach, weil sie stellenweise völlig zugewachsen waren mit Gestrüpp. Zwischendurch gab es leider Abschnitte die gesperrt waren. Toll.... Mitten im Nichts steht ein Schild und behauptet der Weg ist gesperrt. Hm... Darauf wollte ich es ankommen lassen und bin den frischen Reifenspuren von Fahrrädern gefolgt. Tatsächlich war der Weg nicht gesperrt. Das nächste Schild habe ich freundlich ignoriert und das übernächste ebenfalls. Auf einer Strecke von 15 Kilometern gab es keine einzige Baustelle. Offenbar wurde der Weg frisch angelegt oder erneuert. Dann kam schon das nächste Schild "gesperrt wegen Baustelle". Ja, ja.... Danke! Ihr mich auch.... Und ich bin zügig an diesem blöden Schild vorbeigefahren. Nach ein paar Kilometern kam mir dann ein Radfahrer entgegen. Diesmal gibt es offenbar tatsächlich kein Weiterkommen, weil eine Brücke gesperrt ist. Das ist nicht gut. Soll ich nun wirklich zahlreiche Kilometer Umweg fahren? Ich beschließe, dass ich zunächst einmal weiterfahre um zu sehen was mit der Brücke tatsächlich ist. Diesmal stimmt es tatsächlich. Gesperrt, weil die Brücke saniert wird. Neben der Brücke gibt es einen schmalen Steg. Die Brücke ist nur ein paar Meter lang und so nehme ich den Bobby vom Fahrrad ab, trage alles über den kurzen, schmalen Steg, hänge auf der anderen Seite der Brücke den Bobby wieder ans Fahrrad und fahre weiter. Da habe ich wirklich schon schlimmeres erlebt. Der Weg wurde zwar nicht besser, aber auch nicht schlechter. Während ich am Nachmittag nach einer Unterkunft für die Nacht suche beginnt es zu regnen. Doch kein Campingplatz heute Nacht? Die Wettervorhersage kündigt für die Nacht und morgen schlechtes Wetter an. Am Abend erreiche ich dann meine Unterkunft in Bar-Le-Duc. Ich will noch Einkaufen. Doch der Supermarkt ist geschlossen. Um 17 Uhr? Was soll denn das? Heute ist der 14. Juli. Ein Nationalfeiertag in Frankreich. Das Ende der Revolution. Ach so...? Na ja, dann gibt es morgen früh wohl kein Müsli.
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29. Tag Bar-Le-Duc - Varangeville
Es ist 6:30 Uhr. Ich starte in den Tag. Müsli gibt es heute nicht. Dafür Brot, Käse und Schokolade. Ich verabschiede mich, bringe meine Sachen in die Garage, belade den Bobby, hänge ihn ans Fahrrad und mache mich auf den Weg. Doch nach wenigen hundert Metern mache ich einen Halt, um Proviant für den Tag zu kaufen. Gestern gab es nichts zu kaufen wegen des Nationalfeiertages. Schließlich erreiche ich wieder den Track und folge ihm die nächsten 30 Kilometer entlang eines Kanals. Auf guten Wegen mit schönster Aussicht auf die Vogesen.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vogesen
So macht das Fahren wirklich Spaß. Ich bin so in Gedanken versunken und auf die Landschaft konzentriert, dass ich gar nicht aufs GPS-Gerät schaue und somit auch nicht sehe, dass ich eigentlich schon vor ein paar Kilometern hätte abbiegen müssen. Hm, Mist! Ich bin leider davon ausgegangen, dass es heute den ganzen Tag so schön weiter geht. Ich fahre ein paar Kilometer zurück und verlasse den Radweg entlang des Kanals. Die Route führt hinauf in die Vogesen. Ich sehe vor meinem inneren Auge, wie sich die Kekse, die ich vorhin gegessen habe nach und nach in Nichts auflösen. Irgendwo muss die Energie schließlich herkommen, um den Berg hinauf zu kommen. Trotz aller Mühen, war die Landschaft wirklich herrlich. Zudem gab es sehr wenig Verkehr. Überhaupt scheint hier nicht viel los zu sein. Die Dörfer sind leider ziemlich heruntergekommen. Schade, in so einer schönen Gegend. Die nächsten 30 Kilometer verläuft die Route durch sehr dünn besiedeltes Gebiet. Nach insgesamt 70 Kilometern änderte sich die Strecke wieder sehr stark. Nun verläuft die Route entlang von Autobahnen und Landstraßen bis ich die Mosel erreiche. Ich war ehrlich gesagt ziemlich überrascht, als ich plötzlich an der Mosel stehe. Nun ja, Erdkunde hatte mich in der Schule leider nicht so sehr interessiert. Die Route folgt der Mosel einige Kilometer durch schöne Naturschutzgebiete. Die Landschaft ist wirklich sehr schön. Mit Fotos kaum festzuhalten. Man muss es wirklich selber sehen. Schließlich erreiche ich wieder einen Kanal, dem die Route folgt. Ich weiß schon gar nicht mehr wie der Kanal hieß und wo ich auf ihn gestoßen bin. Es gibt zahllose solcher Kanäle in Frankreich. Damals waren dies sicher sehr wichtig zum Transport von Waren. Heute braucht die meist niemand mehr, weil sie vom LKW abgelöst wurden. Eigentlich schade.
Die Strecke nach Nancy zieht sich schon sehr in die Länge. Dabei muss ich gar nicht direkt nach Nancy, sondern fahre südlich daran vorbei. Ich schaue mich nach Campingplätzen um. Es gibt leider nur sehr wenige. Der nächst gelegene Campingplatz ist mir zu weit weg. Denn würde ich bis dorthin fahren, wären es wieder eine 150 Kilometer Etappe. Das will ich heute nicht fahren. Eine günstige Pension wird dann die Bleibe für die Nacht. In dem Ort kaufe ich mir noch Proviant für morgen und Milch fürs Müsli. Ich schaue mir am Abend nochmal die Route für die nächsten Tage an. Hinter Straßburg macht der Track einen Schwenk nach Süden. Somit wäre Straßburg ein 55 Kilometer Umweg für mich. Ich suche daher eine andere Route, die mich zurück nach Deutschland führt. Bis Iffezheim möchte ich morgen schon fahren. Die Route via Pforzheim und weiter nach Hause kenne ich auswendig. Somit ist die Planung für die letzten Etappen abgeschlossen.
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30. Tag Varangeville - Haguenau
Nach dem Frühstück packe ich meine Sachen zusammen und fahre wieder einmal los. Die Route führte die nächsten 50 Kilometer auf sehr guten Wegen an einem Kanal entlang. Die Landschaft war wieder einzigartig schön. Es ist herrlich in einer solch schönen Umgebung unterwegs zu sein. Einzig die sehr dichten Wolken machen mir Sorgen. Bislang blieb es glücklicherweise bis auf leichten Nieselregen weitgehend trocken. Gegen Mittag verlässt der Track die Route entlang des Kanals. Aus dem Nieselregen ist inzwischen kräftiger Regen geworden. "It's just a shower", dachte ich mir eine Zeit lang und habe auf die Regenklamotten verzichtet. Als ich völlig durchnässt und durchgefroren bin mache ich in einem kleinen Dorf an einer überdachten Bushaltestelle meine Mittagspause und ziehe mir meine Regenklamotten an. Gerade als ich alles angezogen und meine Pause beendet habe lässt der Regen nach. Ich behalte die Regenklamotten an, da mir wirklich kalt ist. Im Laufe des Tages erreiche ich wieder den Marne - Rhein Kanal. Der Weg führt zu einer riesengroßen Schleuse. Normalerweise überwinden die Schleusen die ich bislang gesehen an den Kanälen einen Höhenunterschied von 2 bis 3 Meter. Diese Schleuse überwindet 15 Höhenmeter! Es ist ein gewaltiges Bauwerk. Und tatsächlich werden auch gerade zwei Schiffe darin nach unten gelassen. Das schaue ich mir natürlich an. Nachdem der Regen ganz aufgehört hat erreiche ich das "Tal der Schleusen". So oder ähnlich steht es auf den Schildern entlang des Weges. Ich staune nicht schlecht, wie viele Schleusen innerhalb kurzer Abstände aufeinander folgen. Leider sind die Kanäle trocken. Es gibt wohl einen neuen Kanal, sogar mit einem Tunnel, den die Schiffe heutzutage nutzen. Ich fahre weiter durch „Das Tal der Schleusen“. Hier quetschen sich viele Verkehrsmittel durch das enge Tal. Neben einer Straße und dem Kanal gibt es noch eine Bahnlinie. Der Kanal überquert diese Bahnlinie teilweise auf Brücken. Die Baumeister von damals haben hier wirklich ihr ganzes Können gezeigt. Nachdem ich das Tal der Schleusen hinter mir gelassen habe erreiche ich nach 40 Kilometer Hagenau. Dort beende ich für heute meine Radreise an einem Campingplatz. Auch wenn es sehr nach Regen aussieht, will ich unbedingt nochmal im Zelt übernachten. Es war heute schon etwas ungewohnt mit dem Mann an der Rezeption vom Campingplatz auf Deutsch zu sprechen. Ich war im Verlauf dieser Reise immer wieder überrascht, wie wenig Leute in Frankreich Englisch sprechen. Deutsch habe ich in dieser Zeit mit kaum jemand gesprochen.
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31. Tag Haguenau - Leonberg
Heute ist der letzte Tag meine Radreise. Die letzte Etappe. 120 Kilometer sind es mindestens noch bis nach Hause. Ich packe das nasse Zelt ein, denn leider hat es in der Nacht immer wieder geregnet. Am Morgen glich mein Zelt wieder einer Tropfsteinhöhle. Ich fülle meine Wasserflaschen, hänge den Bobby ans Fahrrad und mache mich auf den Weg. Die Route führt zunächst ins Stadtzentrum von Hagenau. Der Himmel ist dicht mit Wolken verhangen. Ich bin gespannt, wann der Regen erneut einsetzt. Wo immer möglich führt der Weg über gut ausgebaute Radwege. Nach ungefähr 35 Kilometern habe ich die "Grenze" nach Deutschland erreicht. Bei Iffezheim führt die Route über eine alte Eisenbahn Brücke, die zur Straße umgebaut wurde. Wenig später erreiche ich Rastatt. Ich folge der B3 über viele Kilometer. Es geht nach Ettlingen und dann raus aus dem Rheintal und hoch auf den Schwarzwald. Eine schöne Strecke führt bis Pforzheim. Dort fahre ich zur Würm und weiter durchs Würmtal. Das kenne ich gut und von meinen Touren durch den Schwarzwald. Gegen 17 Uhr erreiche ich Leonberg. Es wird wirklich höchste Zeit für mein wohlverdientes Weizenbier auf dem Marktplatz. Ich setze mich an einen Tisch, bestelle ein kühles Weizenbier und genieße jeden Schluck. Dann wird es Zeit für die letzten Meter nach Hause.
Der schöne Busch im Trog vor dem Haus ist tot. Niemand hat ihn gegossen. Schade. Ich hänge den Bobby ab, trage die Tasche in die Garage und schließe das Garagentor hinter mir. Hiermit ist diese Radreise zu Ende. Zu Hause ist außer mir nun niemand mehr. Mutter ist inzwischen im Pflegeheim und die Pflegekraft ist letzte Woche abgereist. Ende. Das wars. Nun muss ich mich alleine zurechtfinden und einem neuen Alltag, der nicht mehr durch die Pflege meiner Mutter bestimmt ist.
Doch erst ab morgen. Heute Abend trinke ich Bier, höre laute Musik und bin mit meinem Gedanken noch unterwegs.
Oder schon wieder?
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Irland - Schottland Tour 2019
Am 24. Juni 2019 bin ich zu einer weiteren großen Fahrrad-Tour aufgebrochen. Ich wollte schon immer Irland nud Schottland besuchen. Und wie kann das besser gehen, als mit dem Fahrrad?
Die Vorbereitungen zur Irland - Schottland Tour waren allerdings etwas holprig. Ich habe einfach etwas zu spät angefangen die Details zu planen. Im Büro gab es viel zu tun, aber hauptsächlich lag es an dem zunehmenden Aufwand, den ich nach Feierabend für die Pflege meiner Mutter aufbringen muss. So ist leider das ein odere andere Thema liegen geblieben, weil ich mich um meine Mutter kümmern musste. Nun ja, der Tag hat eben nur 24 Stunden. Ich war aber auch etwas blauäugig mit der Idee, dass ich die Fahrt durch Frankreich nach Roscoff, zur Fähre die mich dann nach Irland bringt, ebenfalls mit dem Fahrrad machen könnte. Das sind ja nur ein paar hundert Kilometer. Das ist soweit schon richtig. Aber als ich dann einmal genauer geschaut habe, wieviele Kilometer es in Irland und Schottland ungefähr werden könnten war schnell klar, dass ich beides nicht machen kann. Entweder Irland und Schottland in Gänze ohne Radreise durch Frankreich, oder eben nur einen Teil von Irland und Schottland, dafür mit Tour durch Fraknreich. Klar, Frankreich muss warten. Ich will so viel Zeit wie möglich in Irland und Schottland verbringen. Somit werde ich mit dem Zug durch Frankreich fahren. Am Besten mit dem TGV. So der Plan....
Nun kam schnell die Erkenntnis, dass im TGV keine Fahrräder transportiert werden dürfen. Natürlich gibt es Regionalzüge, aber ich wollte doch möglichst schnell zur Fähre. So beschließe ich, dass mein Fahrrad ein Gepäckstück wird. Und der Anhänger ein zweites Gepäckstück ist. Hier konnte ich keine Beschränkungen finden. Okay, dann habe ich jetz einen Plan und muss nur noch die Tickets für den Zug und Fähre buchen. Das war keine große Kunst. Somit war die Anreise nach Irland endlich in trockenen Tüchern und ich konnte mich auf die weiteren Vorbereitungen konzentrieren.
Den GPX Track habe ich vom Internet geladen (www.biroto.eu). Nun ging es noch darum elektronisches Kartenmaterial zu laden und auf dem Garmin GPS Gerät zu installieren. Das geht dank USB1 sehr langsam, aber es geht. Nichtsdestotrotz dauert es einfach sehr lange, bis ich alle Karten zusammen habe. Zusätzlich mache ich die selbe Arbeit noch fürs Smartphone. Dann habe ich eine Reserve, falls das GPS Gerät vielleicht mal streikt. Ich hatte schon einmal ein Problem, als ich Ungarn unterwegs war. Deswegen ist mir eine Reseve ganz wichtig.
Nachdem dann schließlich das Gepäck fertig in der Bobby-Tasche verladen war, konnte es los gehen. Zwei Bekannte haben angeboten mir beim Transport vom verpackten Fahrrad und dem Bobby zu helfen. Das war sehr schön und ich habe es gerne angenommen. Ab Stuttgart war ich dann ohne Unterstützung unterwegs. Aber das war okay. Schließlich ist der Bahnhof nicht so groß.
Wie es nun weitergeht ist in den folgenden Kapiteln beschrieben.
Zusätzlich gibt´s auf der deutschsprachigen Version des Reiseberichtes noch das komplette Tagegbuch, dass ich während der einzelnen Tage geschieben habe. Für alle, die gerne noch mehr erfahren möchten. Klickt dazu auf die Überschrift in jedem Kapitel.
1. Kapitel - Vorbereitung
Meine letzte große Radtour liegt schon drei Jahre zurück. Umso mehr habe ich mich gefreut endlich wieder eine große Rundreise mit dem Fahrrad zu unternehmen. Vom Norden Europas habe ich schon viel gesehen. Von Island bis Dänemark und zum Nordkap habe ich schon viele Kilometer mit dem Fahrrad entdecken können. Den Wunsch endlich mal nach Irland, Schottland und England zu reisen trag ich schon lange mit mir herum. Dass ich schon lange nicht mehr solch eine große Rundreise vorbereitet habe ist mir in den letzten Tagen und Nächten vor meiner Abreise aufgefallen. Ich habe doch ein wenig unterschätzt, was alles zur Planung dazugehört. Und so saß ich teilweise bis tief in die Nacht am Computer um Fahrkarten für Zug und Fähre zu kaufen, die Routenplanung zu machen und mein Gepäck zu packen. Wie sollte die Tour überhaupt verlaufen? Wie komme ich überhaupt nach Irland? Eine Anreise per Flugzeug kam für mich wegen des hohen CO2-Ausstoßes der Flugzeuge nicht in Frage. Direkt in Leonberg mit dem Fahrrad losfahren, bis in die Bretagne und von dort mit der Fähre nach Süd-Irland übersetzen? Ganz genau dieser Gedanke war ständig in meinem Kopf, bis ich dann wenige Tag vor meiner Abreise ernsthaft die Route geplant habe. Hm… Frankreich ist mal nicht so eben in zwei Tagen zu durchqueren. Wenn ich direkt in Leonberg starte, dann benötige ich mindestens zwei Wochen bis Roscoff im Norden Frankreichs. Diese zwei Wochen fehlen mir dann für meine Rundreise durch Irland und Schottland. Ich musste erkennen, dass ich eine andere Möglichkeit finden muss, um zur Fähre zu gelangen. Die Fähre von Roscoff in Frankreich nach Cork in Irland war jedoch für mich gesetzt. Also blieb mir der Zug, um durch Frankreich bis Roscoff zu reisen. Und mit welchem Zug reist man in Frankreich, wenn es mal etwas schneller gehen muss? Natürlich mit dem TGV. Ich wollte schon immer mal mit solch einem Super-Zug fahren und erleben wie es ist, mit 300km/h durch Land zu rasen. Kopfzerbrechen gemacht hat der Transport meines Fahrrades im Zug. Denn im TGV darf man kein Fahrrad mitnehmen. Ich habe lange recherchiert, ob es eine Ausnahme gibt. Aber ohne Erfolg. Nur Gepäck darf man mitnehmen. Also musste mein treuer Begleiter Speedy vom Fahrrad zum Gepäckstück werden. Zerlegen… Vom Fahrradladen um die Ecke bekomme ich einen großen Karton in dem sich ein zerlegtes Fahrrad befand. Ich schraube mein Fahrrad auseinander, packe den Rahmen zum Schutz in Folie ein und verstaue alles in dem großen Karton. Dazu noch ein paar Tragegurte, damit ich den Karton UND den Bobby (meinen Gepäckanhänger) gleichzeitig tragen kann. Denn bei der Reise mit dem Zug bleibt beim Umsteigen nicht viel Zeit und viel Bahnhöfe sind für Fahrräder mir Anhänger überhaupt nicht ausgelegt. Ich will unbedingt Fahrrad + Anhänger gleichzeitig von A nach B bringen können. Ob tragen, ziehen oder fahren ist egal.
Ein weiterer Punkt meiner Vorbereitung war die Routenplanung. Dass ich in Erdkunde nicht sonderlich gut aufgepasst habe, wurde mir bei der Planung der Anreise durch Frankreich bereits klar. Das sollte sich in Irland und Schottland nicht wiederholen. Hier half mir dann das EuroVelo-Projekt der EU. Das Projekt fasst viele kleinere lokale Radrouten zu einer großen teilweise länderübergreifenden Route zusammen. So gab es auch für Irland und Schottland eine Route für GPS-Gerät zum Download.
Die spannende Frage auf jeder Reise ist: „Was packe ich ein?“ Diese Frage hat mich auch wieder sehr beschäftigt. Wie viele Radlerhosen nehme ich mit? Welche Jacke packe ich ein? Brauche ich Kleidung für den Alltag? Was ziehe ich im Zug an? Wie warm ist es überhaupt in Irland? Regnet es dort viel? Brauche ich denn auch noch Technik, Werkzeug und Ersatzteile für so eine lange Reise?
Ich habe angefangen meine Klamotten im Wohnzimmer auf dem Fußboden auszubreiten. Der Haufen wuchs schnell an und bald musste ich mich entscheiden, was bleibt da und was nehme ich mit? Falls etwas fehlt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder vor Ort kaufen, oder es fehlt einem eben doch nicht. Doch irgendwann muss alles Notwendige in die große gelbe Tasche vom Bobby hinein und der Rest bleibt zu Hause.
Damit waren die Vorbereitungen abgeschlossen. Das Reisfieber steigt, die Reise kann los gehen.
2. Kapitel - Anreise
Am frühen Morgen des 24. Juni war es kann so weit. Ein Freund fährt mich mit seinem großen Transporter direkt nach Stuttgart zum Bahnhof. Das ersparte mir den Fußmarsch von zu Hause zum Bahnhof und den Umstieg in Stuttgart. Die Bahn sorgte mit einer kurzfristigen Änderung des Gleis für die Abfahrt nochmal für etwas Frühsport bei mir und den anderen Fahrgästen. Im TGV wurde dann klar, dass es wirklich unmöglich gewesen wäre ein Fahrrad zu transportieren. Hightech-Zug hin oder her. Viel Platz fürs große Gepäck gibt es hier nicht. Den Bobby kann ich gut verstauen und glücklicherweise finde ich eine leere Nische in der ich den großen Karton mit meinem Fahrrad verstauen kann. Dann geht’s los. Stuttgart – Paris. Zum Glück habt der Zugbegleiter ein Auge zugedrückt, als mein Karton mit dem Fahrrad den Durchgang ein bisschen verkleinert hatte.
Am Westbahnhof in Paris ist sehr viel Gedränge. Inzwischen sind auch die Temperaturen nicht mehr so angenehm, wie am frühen morgen in Stuttgart. Ich schleppe den Karton mit dem Fahrrad am Gurt über die Schulter. Den Bobby ziehe ich mit dem anderen Arm hinter mir her. So geht es vom Bahnsteig zur U-Bahn. Denn ich muss nun erst einmal vom Westbahnhof zum Nordbahnhof gelangen, damit ich meinen Zug nach Norden erreiche. Die U-Bahn ist alles andere als barrierefrei. Dazu kommen noch die blöden Schranken an den Ein- und Ausgängen der U-Bahn. Die sind dafür gemacht, dass Personen durchlaufen. Die sind nicht gemacht für Reisende mit großem Gepäck! Mir läuft in der Hitze der Schweiß in Strömen über den Körper. Das fängt wirklich gut an. Habe ich doch zu viel in den Bobby gepackt? Keine Zeit zum Nachdenken. Erst einmal am Nordbahnhof das richtige Gleis finden und in den richtigen Zug steigen. Auch hier finde ich wieder eine Nische für mein großes Gepäck. Und nun geht es mit Vollgas nach Nordwesten. Es ist schon erstaunlich. Wo der ICE in Deutschland seine Höchstgeschwindigkeit erreicht setzt der TGV locker nochmal 100 km/h drauf. Verrückt. Ich hoffe nur, dass nichts passiert und denke ein bisschen an das große Unglück in Eschede.
Am späten Nachmittag erreiche ich Molaix. Ich bin froh endlich aus dem Zug aussteigen zu können. Schließlich sitze ich schon viele Stunden im Zug. Am Bahnhof in Morlaix suche ich mir zunächst einen trockenen und ruhigen Platz, um den Speedy wieder zusammen zu bauen. Erfreulicherweise habe ich beim Einpacken zu Hause kein Einzelteil von Speedy vergessen. Ich zerkleinere den großen Karton, so dass er in den Mülleimer passt und nun geht die Radtour los. Zuerst zwar nur zur Unterkunft am anderen Ende der Stadt, aber die ersten Kilometer sind gefahren. Morlaix ist ziemlich hügelig. Jetzt merke ich bergauf das Gewicht vom Bobby mit seinem Gepäck deutlich.
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Der nächste Morgen beginnt mit einem gemütlichen Frühstück und einer Stadtrundfahrt durch Morlaix. Durchaus sehenswert. Besonders eindrucksvoll ist das Viadukt von Morlaix. Ein mehrstöckiges Eisenbahnviadukt, dass die Stadt überspannt und über das heute noch Züge fahren. Auch der TGV mit dem ich gestern angereist bin. Das Ziel der heutigen Etappe ist die Hafenstadt Roscoff. 30 Kilometer von Morlaix entfernt. Dort legt am Abend die Fähre nach Irland ab. Bis die Fähre ausläuft habe ich noch viel Zeit. Aber der Puffer durch die Übernachtung in Morlaix war mir wichtig. Die Erfahrung mit der Bahn in Deutschland zeigt immer wieder, dass für große Distanzen ein Puffer unbedingt notwendig ist. Roscoff erreiche ich gegen Mittag. Ich verbringe den Tag dort mit Sightseeing und fahre am späten Nachmittag zum Hafen. Es ist für mich jedes Mal ein überwältigendes Gefühl mit dem Fahrrad auf eine solch große Fähre zu fahren. Die Größenverhältnisse sind fast schon surreal. Ich kette Fahrrad und Bobby irgendwo an eine Seitenwand der Fähre und laufe mit meinem Gepäck zum Großraumabteil in dem ich heute übernachten werde. Eine Kabine wollte ich wegen einer Nacht nicht buchen. Als die Dieselmotoren starten bebt und klappert die gesamte Fähre. Ich glaube mit Schlafen wird das nichts werden bei dem Lärm.
Bis zum nächsten Morgen habe ich irgendwie und irgendwo ein paar Stunden geschlafen. Ich will nur noch runter von diesem lärmenden Schiff. Ich gehe an Deck und beobachte den Sonnenaufgang. In zwei Stunden werde ich in Irland sein. Ich kann es kaum erwarten. Ich will das Land sehen!
Um 8 Uhr erreichen wir Cork in Irland. Ich mache mein Gespann startklar und dann kann es los gehen.3. Kapitel - Südwestirland – Von Cork nach Galway
Ich kann es kaum erwarten den Bobby wieder ans Fahrrad zu hängen und von der Fähre zu fahren. Runter von dieser unglaublich lauten Fähre und rein in die wunderschöne Natur Irlands. Als ich über die Rampe fahre schlagen die Emotionen in mir schon sehr hoch. Doch dann muss ich mich schnell wieder aufs Radfahren konzentrieren. „Drive LEFT“ heißt es auf Schildern, die einen daran erinnern, die richtige Seite der Straße zu benutzen. Nach einem kurzen Check beim Zoll verlasse ich den Hafen und fahre nach Cork. Erst mal muss ich mir etwas Bargeld aus einem Automaten herauslassen. Ich habe zwar ein paar Euro dabei und damit komme ich hier nicht weit. Während ich noch meine Kreditkarte aus dem Gepäck hole beobachte ich, wie am Automaten neben mir jemand Bargeld herauslässt. Aber was ist das? Die Geldscheine kommen mir bekannt vor?! Euro?!? Moment, das habe ich bei meinen Vorbereitungen gar nicht weiter betrachtet. Welche Währung gilt in Irland eigentlich? Dank mobilem Internet kann ich das sofort klären und stelle fest, dass der Euro in Irland offizielle Währung ist. Hm, gute Reisevorbereitung… Ich hebe trotzdem etwas Bargeld ab und mache mich dann auf den Weg nach Downtown Cork. Es ist eine große Stadt. Es gibt viele Pubs, was ich natürlich von Irland auch nicht anders erwartet habe. Allmählich führt mich der Weg hinaus aus der Stadt. Der Verkehr nimmt ab und die Straßen werden schmaler und schmaler. Außerdem ist es sehr hügelig. Es geht immer wieder bergauf – bergab. Ich stärke mich bei einer kurzen Rast. In der Ferne sind Berge zu erkennen und mir schwant, dass da noch etwas Arbeit auf mich zukommen wird. Da esse ich schnell noch ein paar extra Kekse und fahre weiter. Über Serpentinen geht es lange bergauf. Ziemlich anstrengend mit dem Bobby hinten dran. Außerdem fehlt mir schon ein bisschen Training. Das aber werde ich sicher noch genug bekommen und den nächsten Wochen. Bald führt der Weg wieder bergab bis zum Meer. Ich habe nun den „Westcoast Way“ erreicht. Die Landschaft und die Häuser erinnern mich sehr stark an Neuseeland. Klar, viele Menschen sind vor langer Zeit nach Neuseeland ausgewandert und haben ihre Kultur dorthin mitgenommen. Aber auch die Landschaft ist so unglaublich ähnlich, dass ich oft aus dem Staunen nicht mehr herauskomme. Eines steht für mich fest: Stand heute würde ich jedem raten, verzichtet auf 30 Stunden Flug, spart das Geld und das CO2 und geht erst mal nach Irland. Und wer unbedingt 30 Stunden Anreise braucht, kann mit Zug und Fähre hierherkommen. Dann kommt auf jeden Fall ein Gefühl von Neuseeland auf!
Das GPS zeigt mir zuverlässig den Weg und findet auch viele Campingplätze in entlang der Route. Zeit für Feierabend. Ich bin für den ersten Tag genug gefahren. Das Zelt ist schnell aufgebaut. Ich genieße eine warme Dusche und anschließend ein frisch gezapftes, kaltes, leckeres Irisches Bier. Was kann es Schöneres geben, als solch einen tollen Auftakt für eine Reise?
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Am nächsten Morgen geht es weiter zum „Wild Atlantik Way“. Die Straße ist jedoch ziemlich stark befahren. Es ist kein reiner Radweg. Zum warm werden verläuft die Route die Hauptstraße kurz nach dem Start und führt über einen Pass. Zum Glück lässt der Verkehr nach und ich kann die Schönheit der Natur genießen. In Gedanken bin ich wieder ziemlich oft in Neuseeland. Die Route entfernt sich zum Glück immer mehr von den verkehrsreichen Straßen und nimmt kleine Nebenstraßen. Die nächsten Berge kommen in Sicht und wieder gibt es ordentlich Arbeit um den nächsten Pass zu bewältigen. Trotz allem bin ich einfach völlig begeistert von der Natur. Es ist so unglaublich schön hier! Im Tal ist es ziemlich warm, auf den Pässen weht ein eiskalter und kräftiger Wind. Ich habe zum Glück genug warm Kleidung eingepackt. Nach dem dritten Pass an diesem Tag merke ich, dass es allmählich Zeit wird einen Campingplatz zu suchen und den Tag mit einem gemütlichen Vesper und einem kühlen Irischen Bier ausklingen zu lassen.
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Am nächsten Morgen merke ich, dass die drei Pässe von gestern doch ein bisschen Muskelkater hinterlassen haben. Oder lag es doch am Bier? Meine Beine sind jedenfalls zunächst nicht wirklich erfreut darüber den Kampf mit dem Gegenwind aufzunehmen. Zunächst verläuft der Weg an der Küste entlang. Berge sind keine in Sicht. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Küste Irlands völlig flach verläuft. Es geht immer bergauf und bergab. Eigentlich könnte ich mein Gespann bergab rollen lassen und so etwas Schwung für den nächsten Anstieg zu bekommen. Doch leider sind die Straßen viel zu schlecht. Ich würde nur das Fahrrad oder der Bobby kaputt machen. Am Abend erreiche ich Lahinch. Ein kleiner Touristenort an der Küste. In der Jugendherberge finde ich ein Bett zum Übernachten. Ich kaufe ein, um meinen Proviant zu füllen und besuche dann ein Irish Pub, das gleich neben der Jugendherberge liegt. Mit Irischer Livemusik, Irischem Bier und einem guten Abendessen geht der Tag zu Ende.
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Nach einem Abstecher zur Promenade in Lahinch führt die Route zunächst auf dem "Wild Atlantik High-Way" weiter. Inzwischen mag ich den Weg nicht mehr so sehr, weil einfach zu viel Verkehr dort ist. Das ist laut und teilweise wird recht knapp überholt. Ich bin dann immer ganz froh, wenn der Track wieder auf eine der kleinen Nebenstraßen abzweigt. Heute Vormittag verlief die Strecke an viel Weideland entlang. Die typischen Mauern aus Stein säumten den Weg über viele Kilometer. Einen kleinen Pass gab es dann noch, aber so was gehört inzwischen zum Standard und muss halt gefahren werden. Am Nachmittag dann verläuft der Weg entlang zahlreicher kleiner Dörfer und Häuser bis ich die Stadt Galway erreiche. Ich baue mein Zelt am Campingplatz auf, während ich immer wieder mit Sorge zu Himmel schaue. Es sieht sehr nach Regen aus. Der Wind weht kräftig und bringt immer dichtere Wolken mit sich. Ich versuche mein Zelt so auszurichten, dass der Wind möglichst wenig Angriffsfläche hat. Neben mir müht sich ein älterer Herr mit seinem Zelt ab. Nun, ein richtiges Zelt ist das gar nicht, sondern mehr ein Fishermans Shelter. Also ein Zelt, in dem man beim Angeln sitzt und vor dem Regen geschützt ist. Der ältere Herr ist wohl auch mit dem Fahrrad unterwegs. Fahrrad… Nun ja, wahrscheinlich sind der ältere Herr und das Fahrrad dasselbe Baujahr. Wie er es geschafft hat die Klappliege auf dem Fahrrad bis hier her zu transportieren ist mir wirklich ein Rätsel. ABER völlig egal. Er ist ein Radfahrer, auf der Reise so wie ich auch. Und deswegen helfe ich ihm mit seinem Zelt. Auch wenn ich das blöde Zelt ziemlich schnell verflucht habe, steht es irgendwann halbwegs. Genau in dem Moment öffnet der Himmel seine Schleusen. Ein kräftiger Regenschauer geht nieder. Fast schon in Panik packe ich sämtliche Taschen des älteren Herrn, stopfe sie in sein Zelt und flüchte dann vor dem Regen in mein Zelt, das seinem Namen „Hotel Hilleberg“ alle Ehre macht. Ich warte, bis sich der Schauer gelegt hat und esse nebenbei vom Proviant. Boah, was für ein Wetter! Nachdem sich Regen und Sturm gelegt haben traue ich mich wieder heraus aus meiner Festung. Der ältere Herr steht im Regen, lächelt als er sieht wie vorsichtig ich meinen Kopf zum Zelt herausstrecke und sagt zu mir: „MARTEN, IT´S JUST A SHOWER!“ Ich werde diesem Moment wohl nie wieder in meinem Leben vergessen. Während ich fast schon in Panik vor dem Regen geflüchtet bin, blieb er einfach draußen und ließ den Regen in aller Ruhe über sich ergehen. Ein Irisches Urgestein.
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4. Kapitel - Westirland – Von Galway nach Foxford
Wind und Regen waren auch am nächsten Tag meine Begleiter. In der Nacht schon zerrte der kräftige Wind sehr an meinem Zelt. Ein Regenschauer nach dem anderen ergoss sich über mein Hotel Hilleberg. Gegen morgen ließ der Regen nach und der kräftige Wind trocknete mein Zelt. Der Wind sorgte dafür, dass die Kilometer entlang des Wild Atlantik Way ziemlich anstrengend wurden. Als der Weg dann endlich von der viel befahrenen Straße abzweigt erreiche ich ein großes Moorgebiet im Hochland. Dort gab es nichts, was irgendwie Schutz vor dem Wind geboten hätte. Kein Baum, keine Hecken, kein Hügel nichts. Und so wurde ich zum Spielball der Elemente. Je nach Verlauf des Weges kommt der Wind mit voller Wucht genau von vorne, oder aber er packt einen von der Seite und drückt mich mit samt Fahrrad und Anhänger quer über die Fahrbahn. Zum Glück ist kaum Verkehr. Wenn der Wind von vorne kommt, dann schaffe ich in der Ebene noch grade 15 km/h. Wenn es dann noch bergauf geht werde ich noch ein bisschen langsamer. Eigentlich macht die Steigung kaum noch etwas aus. Der starke Wind kostet die meiste Kraft. Außerdem regnet es zwischendurch immer wieder kräftig. Das fühlt sich bei dem starken Wind an, als würde man mit dem Kärcher gewaschen werden. Die Regentropfen tun auf den Lippen und im Gesicht weh. Das Gute ist: Der starke Wind trocknet das alles schnell wieder. Bis zum nächsten Schauer. Meine Stimmung ist grade nicht besonders gut. Während ich eine Pause mache um Kraft aus meinem Proviant zu tanken suche ich im Internet nach einer Möglichkeit zur Übernachtung. Hier irgendwo das Zelt auszubauen wäre sicher kein Problem. Niemand würde sich daran stören. Aber nach solch einem Tag, mit viel Regen und Sturm habe ich irgendwie das Bedürfnis nach einer festen Unterkunft. Wenn der Sturm die ganze Nacht am Zelt zerrt ist es wieder nichts mit schlafen. Ich finde ein Hostel in der Nähe von Leenaun. Der Weg zum Connemara Hostel führte entlang des Killary Fjord - Eine Gegend die nicht schöner sein könnte. Während ich am Fjord entlang fahre ragen neben mir und auf der anderen Seite des Fjords die Berge steil in die Höhe. Einige der Gipfel sind in Wolken gehüllt. Diese wunderschöne Natur lässt mich die Anstrengungen des Tages bald vergessen. Und mittendrin in dieser wunderschönen Umgebung erreiche ich das Hostel. Nach einer warmen Dusche setze ich mich ins TV-Zimmer. Doch statt des TV brennt dort ein schönes Feuer im Ofen. Während es draußen stürmt und ein Regenschauer nieder geht, mache ich es mir auf dem Sofa bequem, genieße die Wärme des Feuers, lasse mir ein Bier schmecken und schreibe das Tagebuch. Ein herrlicher Ort.
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Höhenprofil
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Weil es dort so schön war, habe ich wirklich einige Zeit gebraucht um am nächsten Morgen aus den Federn und aufs Fahrrad zu kommen. In Gedanken sitze ich noch immer auf dem Sofa vor dem wärmenden Ofen. Tatsächlich aber fahre ich um den Killary-Fjord, bleibe immer wieder stehen um die Schönheit der Natur aufzusaugen und versuche ein paar Eindrücke mit der Kamera festzuhalten. Nach einer Stunde sehe ich wieder das Hostel der letzten Nacht. Nun ja, der Fjord ist riesig! Oder anders gesagt, die ersten knapp 15 Kilometer bringen mich nur 2 Kilometer nach Norden. Gegen Mittag erreiche ich Westport. Von da an führt die Strecke wieder durch zahlreiche kleine Dörfer, bis die nächsten Berge in Sicht kommen. In Foxford endet die heutige Etappe. Einen Campingplatz gibt es nicht. Dafür aber eine günstige Unterkunft. Bald werde ich Nordirland erreichen.
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Höhenprofil
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Ohne Regen geht es am nächsten Tag durch eine eher unspektakuläre Landschaft über kleine Landstraßen weiter. Weideland so weit das Auge reicht. Nun ja, irgendwo muss die irische Milch schließlich herkommen. Am späten Nachmittag erreiche ich die Grenze zu Nordirland. Eine lange Brücke über einen kleinen Fluss führt nach Belcoo. Ich bin ja wirklich gespannt wie das hier in einen halben Jahr aussieht, wenn der Brexit harte Realität wird. In Nordirland hole ich mir gleich erst mal etwas Bargeld. Aber erst bin ich wieder nicht sicher, ob das schon wieder irgendwie das falsche Geld ist. Es steht Bank of Ireland drauf. Aber auch Pfund. Das ist total verwirrend. Für die 20 Pfund Note gibt es drei verschiedene Ausführungen. Das soll einer verstehen. Das totale Chaos. Nun ja. Im Lebensmittelgeschäft konnte ich auch mit Euro bezahlen. Die machen das hier eben praktisch. Im kleinen Grenzverkehr. Wie man es vermutlich in Deutschland nennen würde. Das alles steht auf dem Spiel wegen dem Brexit...
Wenig später erreiche ich den Campingplatz. Ich baue mein Zelt auf, dusche, esse etwas zu Abend und kümmere mich dann mal um mein Fahrrad. Die Kette mache ich sauber und gebe etwas Öl drauf. Mehr ist heute beim technischen Dienst nicht zu machen. Alles andere sieht ja noch ganz okay aus. Ich tippe anschließend das Tagebuch während das GPS Gerät bereits an der Powerbank geladen wird. Dann krieche ich in meinem Schlafsack.
5. Kapitel - Nordirland
Der nächste Tag bietet keine spektakulären Landschaften. Trocken und ohne Wind geht es nach Lettermacaward. Camping gibt es hier nicht. Dafür eine schöne private Unterkunft, die von einer sehr netten Dame betrieben wird. Sie kann es kaum erwarten mal ordentlich für einen hungrigen Radfahrer zu kochen. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und lasse mir einen riesengroßen Teller Irish Stew schmecken (nicht vegetarisch, aber dafür viel Energie…). Die Strecke hinter Letterkenny war wieder sehr hügelig. Es ging ständig hoch und runter. Doch heute machen mir die Steigungen irgendwie kaum zu schaffen?! Zügig geht es hinauf, bergab muss ich wieder bremsen bis die Bremsbeläge qualmen und dann geht es schon wieder die nächste Steigung hinauf. Was ein paar große Teller Irish Stew bringen ist erstaunlich. Gegen Mittag komme ich am Eingang des Glenveagh Nationalpark vorbei. Was für eine faszinierende Gegend! Ehrlich gesagt stelle ich mir so ähnlich die Gegend in Kanada oder Alaska vor. Unten ein Fluss, oben die kahlen Berge und überall Wald und jede Menge Natur! Der Weg führt leider nicht in den Nationalpark hinein, sondern über zahlreiche kleine Nebenstraßen immer weiter nach Nordosten. Heute muss ich über die Leute hier brichten. Irgendwo auf einen dieser unzähligen kleinen Nebenstraßen auf denen ich heute gefahren bin kommt mir ein Kerl mit seinem alten Traktor entgegen. Er hält an, macht den Motor aus und wir unterhalten uns ein bisschen über alles Mögliche. Wo ich her komme, wohin ich fahren will und so weiter. Der übliche Smalltalk eben... Dann kommt ein Auto angefahren. Ich denke schon jetzt kriegt gleich jemand einen cholerischen Anfall und tobt, weil die Straße blockiert ist... Was passiert...??? Der Fahrer steigt aus, kommt her, stellt sich zu uns und wir unterhalten uns eine ganze Weile, bis ich irgendwann sage, dass ich weiterfahren muss. Oh, meinen die beiden. Stimmt, wir auch! Schönen Tag noch... Das war schon ein tolles Erlebnis. Die Menschen hier sind sehr gelassen und entspannt.
Heute komme ich gut voran. Bis zum Nachmittag stehen schon 140 Kilometer auf dem Zähler. Ich wollte heute noch bis Derry weiterfahren. Eigentlich kein Problem. Das wären dann nochmal 30 Kilometer. Doch da fällt mir dann wieder meine Obergrenze von 120 Kilometern pro Tag ein. Die habe ich nicht ohne Grund. Wenn ich an einem Tag zu viel fahre, dann merke ich das eben doch am nächsten Tag. Also suche ich mit in Letterkenny eine Unterkunft. Ich plane noch die Route für den nächsten Tag, trinke ein scheußliches Bier (es gibt in Nordirland KEIN irisches Bier!) und gehe dann ins Bett.
Nachdem ich Letterkenny hinter mir gelassen habe verläuft die Route wieder auf kleinen Straßen mit wenig Verkehr. Das ist alles gut zu fahren. Aber eben immer auf und ab. Irgendwann muss ich den Eurovelo1 dann verlassen, weil ich nach Norden will. Die Stelle verpasse ich nicht. Nun habe ich die Wahl zwischen 5 Kilometer entlang einer Straße auf der halbwegs Verkehr ist, oder mindestens 10 Kilometer auf und ab ohne Verkehr. Da entscheide ich mich für etwas mehr Verkehr. Ich muss ja nicht mit aller Gewalt Höhenmeter machen... Schließlich erreiche ich Derry (Londonderry) an. Dort geht es nun auf dem Radweg 93 weiter. Der aber hat gleich mal ganz ordentlich Höhenmeter parat. Die Steigungen sind jetzt sehr steil und nur noch im kleinsten Gang zu schaffen. Dafür geht's ein Kilometer weiter wieder bergab, dass mir die Bremsen wirklich leidtun. So geht es denn ganzen Nachmittag. Das ist anstrengend und zermürbt. Weil ich doch unbedingt noch zum Golden Sand Camping will verlasse ich den Track und steuere mit dem Navi im Smartphone den Campingplatz an. Der Weg führt nochmal über einen Berg. Es geht fast eine Stunde nur bergauf. Im kleinsten Gang schaffe ich die Steigung grade noch so. Meine Beine sind müde und mein Hintern hat auch keine Lust mehr. Zudem setzt auch noch Regen ein. Und es geht ein sehr kalter Wind. Als ich oben auf dem Berg angekommen bin weht mir ein eiskalter Wind die Regentropfen ins Gesicht. Die Aussicht dort oben ist wegen der dichten Wolken gleich null. Und so geht es eben einfach wieder auf der anderen Seite des Berges wieder runter. Ebenfalls sehr steil. Diesmal müssen die Bremsen wirklich leiden. Die Scheiben sind blau geworden und die Regentropfen zischen auf den heißen Scheibenbremsen. Ich fahre noch ein Stück bis zum Campingplatz. Dort kann ich mein Zelt aufbauen und eine warme Dusche nehmen. Das tut wirklich gut. Leider kann ich die Temperatur des Wassers nicht verstellen. Und so kommt es fast kochend heiß aus der Brause über mir. Egal, die Wärme tut gut! Auf dem Weg zum Campingplatz habe ich ein Restaurant gesehen. Na das wäre jetzt doch noch was. Ich kaufe mir noch schnell Milch fürs Frühstück und fahre dann ohne Anhänger zum Restaurant. Doch die Küche ist schon zu. Um halb zehn macht die Küche Feierabend und jetzt ist es eben schon viertel vor zehn. So ein Mist. Enttäuscht fahre ich zum Campingplatz zurück. Dort gibt es einen Imbiss. Eine große Portion Pommes und eine Burger bekomme ich dort noch. Dazu noch ein paar Infos zu den Drehorten von Games of Thrones.
Am nächsten Tag verläuft die Route entlang der Nordküste von Nordirland. Am Vormittag was es eine wirklich schöne Strecke. Es ging entlang an einigen Stellen an denen Games of Thrones gedreht wurde. Bishop's Garden und so weiter. Überall war viel Trubel. Dazu musste man viel Geld bezahlen, wenn man Zutritt zu den Drehorten haben wollte. Darauf hatte ich wirklich keine Lust. Gegen Mittag erreiche ich Ballintoy. Dort sollte sich was Sehenswertes am Hafen befinden. Aber außer riesiger Heerscharen von Touristen habe ich nichts gesehen. Auch hier war mir einfach zu viel Trubel und Gedränge. Die Höhenmeter von der Straße bis zum Hafen waren so gesehen wirklich unnötig. Als ich gegen Nachmittag dann wieder auf der Route bin wird es richtig anstrengend. Es geht teilweise so steil den Berg hoch, dass ich es im ersten Gang fast nicht mehr schaffe. Meine Knie schlagen jetzt wirklich Alarm. Es geht so steil bergauf, dass ich es soeben noch schaffe zu kurbeln. Zum Schieben wäre es zu steil. Mir würden die Schuhe auf der Straße wegrutschen. Die Belastung für die Knie ist enorm. Ich merke das! Die Aussicht ist zwar super schön, aber dafür habe ich grade nicht den Blick. Das Problem bei dem ständigen auf- und ab ist, dass der Körper beim Anstieg wirklich maximale Leistung bringen muss und extrem stark. Wenn es dann nur wenig später bergab geht und der kalte Wind den nassen Körper völlig auskühlt, werden auch alle Muskeln wieder kalt ab. Beim nächsten Anstieg (nach maximal einem halben Kilometer) startet man wieder eiskalt und muss aber sofort volle Leistung bringen. Das geht gewaltig auf die Kondition und strengt wesentlich mehr an, als kontinuierlich eine hohe Leistung zu bringen. Nur ja. Heute Nachmittag war es wirklich sehr extrem. Und bergab wurde es für die Bremsen auch wieder eine heiße Sache. Ich fahre inzwischen im Schritttempo bergab. Dann kühle ich nicht so sehr aus und die Bremsen werden nicht so sehr belastet. Ich hoffe wirklich, dass die Bremsbeläge noch bis zum Ende der Reise halten.
Damit geht meine Zeit in Irland zu Ende. Am nächsten Tag sind es noch ein paar Kilometer entlang der Küste bis zum Hafen von Larn (nördlich von Belfast). Von dort nehme ich die Fähre nach Stranraer in Schottland.
6. Kapitel - Schottland
Von der Fähre aus sieht es in Schottland zwar auch hügelig aus, aber die Berge sind nicht so hoch. Das jedenfalls hoffe ich. Ich werde es bald sehen. In 10 Minuten sind wir da. Okay, ich nehme alles zurück. Als die Fähre zum Anlegen dreht kommen ziemlich hohe Hügel in Sicht. Ich stand dann wohl auf der falschen Seite der Fähre. Es wohl nicht leichter werden... Im Hafen von Stranraer baue ich mein Gespann zusammen. Mit dem GPS-Gerät finde ich schnell den Weg. Ich habe mir vorgenommen heute nochmal ordentlich Kilometer zu machen, als ich an einem Campingplatz vorbeikomme. Ich überlege, ob ich weiterfahren soll. Denn eigentlich wollte ich noch Kilometer machen. Ich suche im Internet nach weiteren Campingplätzen. Aber es gibt kaum Campingplätze in der Nähe. Mir fällt ein, dass ich unbedingt mal die Wäsche waschen sollte. Ein wichtiger Punkt! Daher beschließe ich heute nicht weiter zu fahren und diesen Campingplatz zu nutzen, um meine Wäsche zu waschen und mir einen faulen Sonntag zu machen. Ich baue mein Zelt auf, ziehe meine Radlerklamotten aus und nehme alles mit zur Waschküche. Dort fülle ich die Waschmaschine und starte eine Ladung Wäsche. In der Zwischenzeit fahre mit dem Fahrrad zum Einkaufen. Das ist auch wichtig, damit ich morgen Müsli zum Frühstück habe. Als ich wieder zurück bin mache ich mir Abendessen, trinke gemütlich ein Bier (endlich wieder gutes Bier!) und warte bis die Wäsche fertig ist. Ich stecke die Wäsche anschließend in den Trockner. Auf die Wäscheleine hängen bringt nichts. Die Sonne geht bereits unter. Also mache ich einen gemütlichen Abend in der Waschküche.
Am nächsten Tag führt der Weg zunächst nach Süden. An die Südküste Schottlands. Bisher verläuft der Weg ohne extreme Anstiege. Klar, ein bisschen Arbeit muss schon sein, aber es geht wirklich ganz gut. In Schottland scheinen die Radfahrer nicht mit aller Gewalt wirklich jede mögliche Steigung mitnehmen zu wollen. Das ist gut. Nach etwa 30 Kilometern geht es nach Norden. Sehr gut. Denn ich will ich schließlich nach Norden! Auch weiterhin bleiben gewaltige Anstiege oder ständiges Auf und Ab aus. Das wundert mich schon ein bisschen. Gegen Nachmittag fahre ich dann am Galloway Nationalpark vorbei. Hier kommen nun doch ordentlich Höhenmeter auf mich zu. Aber auch hier ist alles irgendwie gut machbar. Ich fahre durch ein großes Waldgebiet. Oder zumindest was noch davon übrig ist. Viele Flächen sind komplett kahl. Teilweise wurde schon wieder aufgeforstet. Es gibt viel Windwurf. Zum Teil ganz frisch. Es ist hier (bis auf ein paar Autos) menschenleer. Natur pur. Hier gibt es viele gute Möglichkeiten zum Zelten. Ein bisschen abseits und niemand würde ein Zelt sehen oder sich daran stören. Doch ich will noch ein bisschen vorankommen. Zudem habe ich nicht genügend Wasser dabei, um zu campen. Durstig kann ich nicht schlafen und mir fehlt Wasser. Darüber hinaus gibt es in Maybole einen Campingplatz. Ja, ich gehe schon wirklich gerne auf einen Campingplatz. Das ist schon etwas bequemer, wenn eine warme Dusche am Abend auf einen wartet. Wobei hier die Duschen meist kochend heiß sind. Man kann die Temperatur nicht einstellen, sondern nur das Wasser auf und zu machen. Heißes Wasser auf einem Sonnenbrand ist toll. Zum Glück ist mein Sonnenbrand am Anfang der Tour geholt habe fast weg.
Über Nacht kam der Regen. Regen die ganze Nacht. Regen beim Frühstück, Regen beim Zelt abbauen, Regen beim packen und Regen beim Fahren. Die Route verläuft zunächst entlang der Schottischen Westküste. Dann verlässt der Weg die Küste und geht durchs Land weiter. Hier gibt's nun auch Höhenmeter zu machen. In den Regenklamotten macht das nicht so viel Spaß, weil ich irgendwann wohl von innen fast so nass bin wie von außen. Jedoch sind die Steigungen nicht ganz so anstrengend wie in Irland. Am Nachmittag verläuft die Route dann entlang einer alten Bahnlinie. Jedenfalls vermute ich das. Denn die Strecke verläuft flach, ohne große Anstiege und über viele Kilometer gerade aus. Da kann ich ordentlich Fahrt machen. Ich muss mich ohnehin ein bisschen beeilen. Denn ich habe Moses, meinen B&B Gastgeber, versprochen um 17 Uhr da zu sein. Von unterwegs schreibe ich ihm, dass es wohl 18 Uhr wird. Die letzten Kilometer durch Glasgow ziehen sich in die Länge. Das liegt unteranderem daran, dass ich immer noch in Kilometern denke, die Schilder hier aber immer Meilen anzeigen. Und das ist schon ein Unterschied. Ich dachte mir heute Morgen noch, dass es heute nur ein kleines Stück von 60 Kilometern bis nach Glasgow gibt. Dass am Ende doch 108 Kilometer daraus geworden sind hat mich ein bisschen überrascht. Es war dann halb sieben, als ich bei Moses an der Türe stand und erst mal um etwas Wasser gebeten habe um meine Sachen zu waschen. Alles war total dreckig. So wollte ich auf keinen Fall in seine Wohnung. Ich wasche die Tasche vom Bobby ab, ziehe meine Regenklamotten vor der Wohnung aus und trage mein Fahrrad noch die Treppe hoch. Dann ist es geschafft. Ich packe die Sachen die heute Morgen beim Packen nass geworden, oder die ich nass eingepackt habe, aus der Tasche vom Bobby aus zum Trocknen. Nur nicht das Zelt. Das muss leider erst einmal nass in seiner Tasche bleiben. Dann kann ich duschen. Oh, was warme Wasser tut gut!! Anschließend ziehe ich mich an und lauf eine Runde durch Glasgow. Ich will in erster Linie einkaufen und etwas essen. Es hat tatsächlich aufgehört zu regnen.
Am nächsten Morgen ist zuerst ein technischer Dienst am Speedy notwendig. Nach dem vielen Regen von gestern muss ich unbedingt die Fahrradkette sauber machen und ölen. Meine Radlerklamotten und auch die meisten anderen Sachen die beim Abbauen und packen im Regen des Vortages nass geworden sind, sind wieder trocken. Ganz wichtig ist mir der Daunen-Schlafsack. Die Strecke führt zügig aus Glasgow hinaus. Es geht zunächst an einem alten Kanal entlang. Das bedeutet, es ist ziemlich eben und ich kann gut in Fahrt kommen. Die Wege sind zwar noch nass, aber von oben gibt's vorerst keinen Regen. Auch wenn die dichten Wolken etwas anderes vermuten lassen. Die Wege sind wirklich gut zu fahren. Ich bin sehr begeistert von den Radwegen hier. Die sind wirklich super. Kein Vergleich zu Irland oder Deutschland! Die ersten 35 Kilometer bis Loch Lomond sind schnell gemacht. Aber dann gibt es doch ziemlich viele Höhenmeter zu fahren. Dazu es geht auch immer wieder auf und ab. Jedoch nicht so krass und auch nicht so oft wie in Irland. So bleibt viel Zeit um die herrliche Landschaft zu genießen. Nachdem ich einen Sattelpunkt erreicht habe, führt der Track wieder viele Kilometer entlang einer alten Bahnlinie. Das bedeutet wenig Steigung und ordentlich Tempo. Das macht richtig Spaß. Es ist wirklich interessant, wohin die Leute früher überall Eisenbahnlinien gebaut haben. Dann erreiche ich in einem Nationalpark. Hier enden die asphaltierten Straßen und Schotter bedeckt nun die Wege. Ich stelle fest: Guter Schotter mit weichen Schlaglöchern ist viel angenehmer zu fahren, als Asphalt mit seinen harten Schlaglöchern. Die Natur hier ist absolut beeindruckend. Wunderschön. An einem See mache ich Rast, esse vom Proviant und trinke ein Bier, dass ich noch von gestern übrighabe. Immer wieder halte ich kurz an, um ein paar Fotos von der wunderschönen Natur zu machen.
Wegen der vielen Stopps komme ich kaum voran, was sich gegen später noch als Problem erweisen wird. Es sind heute recht einfach zu fahrende Kilometer. Das tut auch mal gut. Leider komme ich trotzdem nicht so richtig voran. Trotz der relativ einfach zu fahrenden ehemaligen Bahnlinien über die der Track in weiten Teilen verläuft. Mein Ziel für heute ist Aberfeldy. Das sollte eigentlich gut zu schaffen sein. Denn dort gibt es wieder einen Campingplatz. Den will ich nutzen, weil ich unbedingt mein total nasses Zelt auspacken, trocknen und dann drin schlafen will. Doch die Strecke zieht sich wirklich sehr in die Länge. Immer wieder, wenn ich auf die Schilder schaue, will Aberfeldy mit seinem Campingplatz nicht näherkommen. Ich überlege schon, ob ich unterwegs per Internet eine andere Unterkunft buchen soll. So spät am Abend sind die wenigen (bezahlbaren) Unterkünfte, die es entlang der Route gibt, jedoch alle vergeben. Und so motiviere ich mich eben immer wieder aufs Neue, dass es wirklich nicht mehr weit ist. Irgendwann erreiche ich Aberfeldy. Inzwischen ist es halb zehn. Ein Ladengeschäft hat noch geöffnet. Ich nutze die Chance und kaufe mir Lebensmittel fürs Abendessen, Frühstück und den Proviant für morgen ein. Auf dem Weg zum Campingplatz komme ich noch an einem Chips Shop vorbei. Hunger? Nun, warum eigentlich nicht....? Ich esse noch eine große Portion Pommes und einen Cheeseburger. Veggi hin oder her.... Ich brauche jetzt wirklich erst mal ordentlich was zum Essen, um Energie für morgen zu tanken. Ich bin heute 164 Kilometer gefahren. Der Campingplatz hat seine Rezeption längst geschlossen. Das ist natürlich blöd. Auch die Schranke ist unten und abgeschlossen. Nun ja, mit dem Fahrrad ist das eigentlich kein Hindernis. Ich fahre am Nebeneingang auf das Gelände und schaue mich um, wo die Zelte stehen und baue mein Zelt in der gleichen Ecke auf. Doch Moment... Von Zelt kann leider bei mir keine Rede sein. Ich würde es eher als Wasserschloss bezeichnen. Ich musste es vorgestern im Regen abbauen und völlig nass im Bobby verstauen. Und genauso völlig durchnässt ist es jetzt immer noch. Nix mit Hotel Hilleberg. Alles nass. Ich baue es auf und reibe mit einem Tuch das Innenzelt trocken. Zum Schlafen ist es okay. Hoffentlich scheint morgen die Sonne. Dann ist alles wieder trocken. Ich verstaue meine Sachen im Zelt und gehe duschen. Das tut wirklich gut, auch wenn mal wieder das Wasser kochend heiß ist. Als ich zurück bin, ist das Zelt natürlich immer noch völlig nass. Klar, nachts um 23 Uhr trocknet nichts. Ich stecke das GPS Gerät noch an die Powerbank, trinke ein Bier und schreibe das Tagebuch. Inzwischen ist es kurz vor 1 Uhr. Heute war wirklich ein langer Tag zum Radfahren. Ich muss morgen unbedingt etwas weniger fahren.
7. Kapitel - Die schottischen Highlands
Die Nacht war regnerisch. Ich stehe gegen 9 Uhr auf, laufe zur Rezeption und will mich nun erst einmal anmelden. Die Dame dort ist nicht sonderlich erfreut, dass ich nicht die Nummer angerufen habe, die sie an der Türe stehen hat. Okay, das war mir klar. Ich habe gestern Abend auch einfach keine Nummer mehr anrufen wollen. Ich entschuldige mich für den Fehler und denke auch, dass ich es beim nächsten Mal sicher machen werde, wenn ich wieder spät ankomme. Damit ist das Thema dann auch erledigt. Irgendwie komme ich heute nicht richtig in Schwung. Es dauert ewig, bis ich meine Sachen im Zelt halbwegs beisammenhabe. Aufziehende dunkle Wolken helfen dann aber, etwas Schwung in die Sache zu bekommen. Ich ziehe meine Radlerklamotten an, bereite das Fahrrad vor, stecke die Sachen in die Tasche vom Bobby und baue das Zelt ab. Das Zelt hat zwar noch ein paar nasse Stellen, aber kein Vergleich zur völligen Nässe vor ein paar Tagen. Grade als ich das Zelt zusammenrolle, fallen die ersten Tropfen. Das ist jetzt zum Glück nicht mehr schlimm. Hauptsache ist das Zelt ist trocken im Bobby. Als der Schauer so richtig los legt komme ich unter einer Brücke hindurch. Perfekt! Ich nutze die Zeit und mache eine Vesperpause. Das muss auch sein und so leert sich dann auch meine Dose Bier, die ich gestern Abend nicht mehr getrunken habe, weil ich zu müde war. Ich komme nach Pitlochry. Eine kleine Stadt in der sehr viele Touristen unterwegs sind. Der Track führt über meist sehr wenig befahrene Straßen oder extra angelegte Radwege. Es geht einen Pass hinauf. Nicht steil, aber der Gegenwind tut sein Übriges, damit es nicht zu einfach wird. Der Anstieg dauert mehrere Kilometer. Aber ich bin eben auch mitten drin in den schottischen Highlands!! Die Landschaft ist wunderschön. In Invernahavon ist dann auf einem schönen Campingplatz Feierabend. Während ich hier im Zelt sitze und schreibe hat es zu regnen begonnen. Und das nicht zu knapp. Nun ja. Ich kann nur hoffen, dass es bis morgen früh aufgehört hat und ich dann wieder ein trockenes Zelt einpacken kann. Das ist mir schon wichtig. Wie man beim Lesen sicher merken kann.
In der Nacht hat wieder ziemlich viel und stark geregnet. Ich reibe mit einem Tuch mein Zelt erst von innen ab, damit ich nicht jedes Mal vom Kondenswasser der Innenseite nass werde. Anschließend reibe ich das Zelt auch von außen ab. So wird es hoffentlich schneller trocken. Ich frühstücke noch vom Proviant und will dann losfahren. Vielleicht schaffe ich es um 10 Uhr unterwegs zu sein? Auf dem Campingplatz ist noch jemand mit dem Fahrrad. Gestern hat er mein Grüßen ignoriert. Heute, während als ich mein Zelt zusammengepackt habe, packte ihn dann vermutlich doch die Neugier. Roman aus Russland kommt seit Jahren jedes Jahr nach Schottland und macht dort Urlaub. Es gefällt ihm hier sehr gut. Er hat sich vor für mein „Hotel Hilleberg“ interessiert. Gewicht und so. Beim Preis hat er kurz gezuckt. Nun ja Qualität kostet Geld! Wir unterhalten uns noch ein bisschen, aber dann will ich los. Und tatsächlich um Punkt 10 Uhr bin ich unterwegs. Ich bin selber etwas überrascht, als ich beim GPS Gerät auf die Uhrzeit schaue. Ganz so einfach ist die Strecke heute nicht mehr. Die völlig flachen Stücke entlang der alten Bahnlinien hatten mich in den letzten Tagen sehr verwöhnt. Heute ging es meist über hügelige Strecken. Doch kein Vergleich zu Irland. Es gibt lange Strecken die früher mal eine Straße waren. Weil der Verkehr immer mehr zugenommen hat, wurden oft gleich neben der alten Straße neue Autobahnen oder Schnellstraßen gebaut. Die alten Straßen sind entweder für den lokalen Verkehr oder nur noch für Radfahrer freigegeben. Über die ganz hohen Berge führte der Weg nicht. So ist alles mehr oder weniger angenehm zu fahren. Natürlich sind die Anstiege schon auch wieder anstrengend und meine Beine merken auf jeden Fall das Gewicht, dass der Bobby zu schleppen hat. Gegen Mittag komme ich nach Newtonmore. Dort sind ziemlich viele Touristen. Und (wenn ich es noch richtig weiß) gibt es dort eine lokale Eisenbahn die noch mit Dampf fährt. Jedenfalls kam mir so eine schöne alte Dampflokomotive unterwegs entgegen. Für ein Foto hatte ich keine Gelegenheit. Es waren zu viele Bäume im Weg. Nun ging es weiter Richtung Inverness. Das Wetter war heute recht trocken. Hin und wieder mal ein leichter Schauer. Just a shower! Am Nachmittag verlasse ich den Track in biege Richtung Inverness ab. Ich habe ich die 2.000 Kilometer Marke meiner Tour erreicht. Der Weg nach Inverness ist für mich quasi eine Sackgasse. Das heißt ich fahre morgen ungefähr 15 oder 20 Kilometer von Inverness wieder denselben Weg zurück, bis zu der Stelle an der ich dann nach Norden weiterfahre. Trotzdem war es gut den Abstecher nach Inverness zu machen. Eine schöne Stadt. Es gibt viele Touristen hier und man hört immer wieder mal etwas Deutsch. Ich schaue mich ein um. In einer kleinen Gasse entdecke ich einen Chips Shop. Dort hole ich mir was zu essen. Ich kann draußen vor dem Shop sitzen und entspannt essen. Das passt. Nur die deutschen Touristen schauen mich ein bisschen blöd an. Warum??? Keine Ahnung. Ich sitze vor dem kleinen Laden, esse gemütlich und trinke eine Cola. Also nichts Ungewöhnliches. Laut furzen und rülpsen tue ich auch nicht (oder doch…?). Das Essen auf jeden Fall lecker. Ich schaue mir noch ein bisschen die Stadt an, kaufe Proviant für morgen und Bier für heute Abend.
Nach einer entspannten Nacht in Inverness fahre ich um halb zehn los. Das ist eine gute Zeit. Zunächst lege ich dieselbe Strecke zurück, die ich gestern nach Inverness gefahren bin. Blindleistung sozusagen. Es sind knapp 15 Kilometer von Inverness bis zurück zum Track. Trotzdem wäre es schade gewesen diesen Abstecher nicht zu machen. Es geht nur eben erst mal ordentlich nach oben, um aus Inverness heraus zu kommen. Mit dem Verlassen von Inverness lasse ich wohl auch die schottischen Highlands hinter mir. Die Berge verschwinden und die Landschaft wird flach. Das freut den Radfahrer natürlich. Hin und wieder gibt es jedoch kurze, steile Anstiege. Die sind im kleinsten Gang gut zu schaffen. In der Ebene hilft der Rückenwind, um einfach und schnell Kilometer zu machen. Ich komme gut voran. Bis zum Nachmittag jedenfalls. Besonders auf neuem Straßenbelag bemerke ich eine Unwucht im Hinterreifen. Ich prüfe die Speichen. Die sind alle okay. Dann stelle ich fest, dass sich ein kleines Stück der Reifenflanke aus der Seitenwand des Reifens ablöst. Das ist nicht gut. So wie es aussieht, werde ich mit diesem Reifen die Tour nicht komplett zu Ende fahren können. Ein neuer Reifen muss her. Noch kann ich weiterfahren. Und so beschließe ich in Aberdeen nach einem neuen Reifen Ausschau zu halten. Doch, wenn ich dort ankomme ist Sonntag. Außerdem wurde die Unwucht immer stärker. Per Internet finde ich einen kleinen Fahrradladen. Dort kann man mir weiterhelfen. Zwar gibt es nicht exakt die Reifenbreite die ich bislang drauf habe, aber der neue Schlappen wird schon bis nach Hause halten. So kann es nun weiter gehen. Ohne Unwucht....
Ich habe durch die Reifenpanne Zeit verloren. Bis zum Campingplatz an dem ich heute Nacht übernachten will sind es schon noch ein paar Kilometer. Die Strecke ist dafür sehr schön. Oft entlang am Meer. Dann durch kleine Städte, etwas entfernt vom Meer. Ein paar Kilometer vor dem Campingplatz kaufe ich noch ein. Milch fürs Frühstück, Proviant für morgen und Bier für heute Abend. Als ich am Campingplatz ankomme und mir einen schönen Platz fürs Zelt herausgesucht habe, gibt es einen Regenschauer. Na ja. Ist nicht so schlimm. Gleich steht das Zelt. Ich packe alle Sachen ins Zelt und dann hört der Regen auch schon wieder auf. Ich schaue jetzt, dass ich zügig ins Bett komme. Morgen gibt's wieder ein schönes Stück zu fahren.
Den neuen Tag starte ich mit viel Müsli. Das weicht ein, während ich ein paar Sätze in mein Tagebuch tippe. Ich bin irgendwie noch etwas müde. In der Nacht ging immer ein leichter Wind, was bedeutet, dass mein Zelt trocken ist. Das ist super. Ich hoffe es kommt kein Schauer, bis ich es eingepackt habe. Es dauert eben schon ein bisschen, bis ich alles immer zusammen habe. Dann noch das Geschirr spülen und so weiter. Da geht Zeit drauf, weil ich immer ein Stück laufen muss bis zum Gebäude mit der Küche. Um 9:30 Uhr fahre ich los. Zunächst geht es auf kleinen Nebenstraßen wieder auf und ab. Ähnlich wie in Irland. Nur nicht ganz so steil. Doch bald schon muss ich öfters auf das kleine Kettenblatt wechseln. Sonst komme ich die Steigungen nicht hoch. Es läuft heute nicht so gut. Ich selber bin zwar nicht müde, aber meine Beine schon. Ich komme nicht in Schwung. Nach einigen Kilometern erreiche ich die Küste. Die Aussicht ist wieder herrlich und macht schon wieder etwas mehr Laune. Jedoch zweigt der Weg bald von der Küste ab. Heute muss ich mich schon wirklich motivieren, um weiter zu fahren. Ich mache nach 30 Kilometern eine kurze Pause und esse von meinen Keksen. Auf eine lange Pause mit Brot und Käse habe ich noch keine Lust. Dennoch läuft es nicht besser. Am frühen Nachmittag mache ich nochmal eine Pause. An einem alten Bahnhof gibt es einen Tisch und eine Bank zum Sitzen. Diese Chance nutze ich. Ich packe meinen Proviant aus und esse gemütlich. Eine Radfahrerin hält an und fragt mich nach Öl für ihre Kette. Das habe ich und schnell hört das Quietschen der Kette auf. Dann esse ich weiter. Vom Bahnhof an führt der Weg wieder ein paar Kilometer entlang einer alten Bahnlinie. Da geht es dann zum Glück etwas voran. Außerdem merke ich, dass die Pause gut getan hat und etwas Energie da ist. Bis Aberdeen ist es immer noch weit zu fahren. Es geht nun ständig auf und ab. Den Körper aufheizen und bergab kühlen Muskeln und Gelenke wieder völlig aus. Warm Kleidung anziehen hilft auch nicht viel. Denn ich kann nicht alle zwei Kilometer die Klamotten komplett wechseln. Gegen 17:30 Uhr komme ich in Aberdeen an. Lynn die Gastgeberin ist sehr freundlich. Ich kann mein Fahrrad abstellen, sie zeigt mir das Zimmer und das Bad. Nachdem ich geduscht habe mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Ich bin neugierig auf Aberdeen. In einem Chips Shop esse ich zu Abend. Anschließend laufe ich dann noch ein bisschen durch die Stadt. Gegen 21 Uhr bin ich wieder zu Hause. Ich schaue mir die Strecke für die nächsten zwei Tage an. Übermorgen will ich in Edinburgh sein. Ein Zimmer buche ich jetzt schon, da es in der Stadt keinen Campingplatz gibt. Weit außerhalb will ich auch nicht zelten.
Am nächsten Morgen packe ich meine Sachen zusammen, trage alles zum Ausgang, verabschiede mich von Lynn und starte das GPS-Gerät. Doch was ist das? Das GPS-Gerät meldet, dass es keine Satelliten finden konnte? Was soll der Mist?! Ich bestätige die Meldung und schalte das Gerät aus und starte es erneut. Aber Fehlanzeige. Nichts geht mehr. Es schaltet sich sofort wieder aus. So ein Mist!! Eine halbe Stunde, oder gar noch länger versuche ich irgendwie das Gerät wieder zum Laufen zum bekommen. Ich versuche es zu laden. Ohne Erfolg. Ich versuche es mit dem USB-Kabel und dem USB-Modus. Ohne Erfolg. Das Gerät schaltet sofort nach dem ersten Start Bildschirm wieder aus. So eine Scheiße!!! Zum Glück habe ich den Track noch auf dem Smartphone gespeichert und kann das Smartphone zur Navigation nutzen. Außerdem gibt es genügend Schilder entlang des Weges. Ich beschließe jetzt nicht noch mehr Zeit damit zu verschwenden dieses Stück Elektronikschrott (dass es im Augenblick einfach ist!!!,) wieder zum Leben zu erwecken. Es ärgert mich natürlich gewaltig einfach nur dumm da zu stehen. Ich mache mich jetzt auf den Weg. Die Route führt wieder durch kleine Dörfer entlang der Küste. Das ist eine sehr schöne Strecke! Leider bleibt es nicht ewig so. Schnell wird es hügelig. Gegen Mittag kommt die Sonne heraus und wärmt. Immer wieder schaue ich an Abzweigungen aufs kaputte GPS-Gerät um sicher zu sein, dass der Weg auch stimmt. Gewohnheit. Wenn ich wirklich nicht sicher bin, muss ich anhalten, absteigen, das Gespann sicher abstellen, den Rucksack abnehmen, mein Smartphone herausholen, nachschauen und anschließend wieder alles sicher verstauen. Erst dann kann ich weiterfahren. Ich will das Smartphone auf keinen Fall den ganzen Tag direkt am Fahrrad fest machen. Die Vibrationen sind sehr stark. Und wenn Smartphone nun auch ausfällt, weil es einen Wackelkontakt oder sonst etwas hat, dann stehe ich wirklich ohne jegliche Navigation da. Ich habe mich nun wirklich genug über das blöde GPS-Gerät geärgert. Jetzt will ich auch mal wieder Spaß an meine Radtour haben! Es geht immer entlang der Küste. Mal über Stock und Stein, mal ein paar Kilometern landeinwärts durch die Hügel. Ich merke, dass bei mir im Augenblick die Luft raus ist. Ich habe nicht mehr viel Lust zum Radfahren. Wahrscheinlich liegt es einfach an dem blöden GPS-Gerät, das mir die Laune verdorben hat. Ich fahre noch bis Monifieth. Dort gibt es einen Strand-Campingplatz direkt an der Strecke. Ich bin heute schon ein gutes Stück nach Edinburgh vorangekommen. Als ich den Campingplatz erreiche ist in der Rezeption niemand mehr. Ich rufe die Telefonnummer an, die für solche Fälle dort angegeben ist. Man erklärt mir, wo ich mein Zelt aufbauen kann und so weiter. Für heute ist es dann auch wirklich genug. Nachdem das Zelt steht fahre ich ein paar hundert Meter in die Stadt hinein und halte nach einem Chips Shop Ausschau. Hier gibt es einen asiatischen Schnellimbiss. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt abends irgendwo etwas Warmes zum Essen zu holen und am Campingplatz in Ruhe zu Essen. Nach dem Abendessen muss ich noch einkaufen. Der Supermarkt hat laut Internet bis 23 Uhr geöffnet. Somit kein Grund zur Eile. Als ich nach dem Abendessen dorthin fahre ist alles dunkel und der Laden hat zu. Um kurz nach 20 Uhr??!?! Was soll das denn?!? Wegen einer Veranstaltung geschlossen. Mist! Auf der anderen Straßenseite gibt es noch einen kleinen Laden. Der hat Milch fürs Frühstück, Bier für nachher und Wasser. Mehr brauche ich nicht.
Am nächsten Morgen verlässt der Weg die Küste und führt ins Inland. Dann über die Tay Bridge bei Dundee. Eine wirklich sehr lange Brücke. Zum Glück gibt es einen extra Weg für Fußgänger und Radfahrer. Am Nachmittag geht es dann einfach immer wieder auf und ab. Mit der Aussicht auf die Landschaft und einem Ruhetag in Aussicht lässt es sich gut fahren. Doch der Weg bis Edinburgh ist weit. Das habe ich etwas kürzer eingeschätzt. Am frühen Abend erreiche ich dann den Forth River und die Forth River Road Bridge. Nun sind es noch 20 Kilometer bis Edinburgh. Diese Brücke über den Fluss ist schon ein sehr beeindruckendes Werk der Technik! Ich weiß nicht wieviel Kilometer lang, aber es kommt mir fast ewig vor, bis ich das andere Ende der Brücke erreicht habe. Parallel dazu gibt es noch eine Brücke für die Autobahn und noch eine sehr alte Brücke für den Zugverkehr. Ich mache ein paar Bilder und fahre weiter. Der Weg führt in die Innenstadt. Die Beschilderung ist gut. An einem Punkt den ich mir zuvor markiert habe muss ich den Track verlassen und Richtung Unterkunft abbiegen. Die Navi-App vom Smartphone leitet mich zur Unterkunft. Wunderbar. Ich checke ein. Außerdem kann ich auch die Buchung für das Zimmer auf zwei Nächte zu verlängern. Wunderbar! Ich bringe den Bobby samt Tasche ins Zimmer. Speedy muss draußen am Fahrrad-Abstellplatz bleiben. Ich habe zwei Schlösser. Dann wird den Speedy auch niemand klauen. Ich kaufe noch schnell ein. Ich habe einen riesengroßen Durst auf ein oder zwei Bier. Aber leider ist es schon nach 22 Uhr und da gibt es in Schottland im Supermarkt kein Bier mehr. Scheiße... Aber egal. Dann trinke ich einfach Wasser. Ich muss mich unbedingt um meine Wäsche kümmern. Die Radlerklamotten müssen unbedingt gewaschen werden. Wenn das gemacht ist kann ich mir die Stadt anschauen! Aber jetzt gehe ich erst mal ins Bett!
Heute ist ein Ruhetag. Ich brauche eine Pause. Meine Beine sind müde und die Motivation ist auch nicht hoch. Vor allem sollte ich die Wäsche waschen. Und wirklich, ich brauche eine Pause und gehe den Tag ganz in Ruhe an. Gegen Mittag habe ich die Wäsche fertig. Genau dann beginnt es zu regnen. Da bin ich jedoch schon stärkeren Regen gewohnt und mache mich auf den Weg in die Innenstadt. Zuerst zum Observatorium. Von dort habe ich einen guten Überblick über die Stadt. Dann laufe ich hoch zum Schloss. Dort ist sehr viel Gedränge. Gegen 15 Uhr tun mir die Füße weh vom Laufen. Die Latschen die ich dabei habe sind gut geeignet um ein bisschen in der Stadt zu laufen. Es sind keine Wanderschuhe. Zum Mittagesse suche ich einen Chips-Shop. Anschließend bin ich dann zur Unterkunft gelaufen und habe mich dort erst mal ins Bett gelegt. Zwei Stunden später wache ich wieder auf. Nun, das war dann wohl nötig. Ich schaue mir noch den weiteren Verlauf der Reise an. Im Besonderen wo es Campingplätze gibt und ob denn noch weitere Berge zu durchqueren sind. So wie es aussieht werden die nächsten zwei Tage nochmal durchaus anstrengend werden. Zwischen Edinburgh und Newcastle liegt ein Gebirge. Und damit jede Menge Hügel. Ich nehme mir vor, diese Etappen kurz zu machen um nicht gleich wieder alle Energie zu verschwenden. Hinter Newcastle wird es offenbar flach.
Und kurz nach 7 Uhr wache ich auf und starte in den Tag. Heute geht's weiter mit der Reise. Ich hoffe, dass meine Beine wieder mehr Lust haben auf Radfahren. Nun sehe ich zu, dass ich loskomme. Ich will schließlich nicht in Edinburgh bleiben. Ich packe meine Sachen zusammen, gebe den Zimmerschlüssel ab und fahre los. Zunächst bis zu dem Punkt, an dem ich vorgestern den Track verlassen habe. Dann folge ich der Beschilderung. Die Beschilderung ist gut und so komme ich ohne Probleme aus Edinburgh heraus. Es dauert allerdings ungefähr 10 bis 15 Kilometer, bis ich auch die ganzen Vororte hinter mir gelassen habe. Über kleine Landstraßen geht es weiter. Heute weht ein kräftiger Gegenwind, der die Fahrt anstrengend macht. Schade denke ich immer wieder. Wenn das Rückenwind wäre, dann würden vermutlich die Reifen qualmen. Aber so glühen höchstens meine Muskeln. Nun ja. Man kann sich die Sache auch schlecht reden. Nach und nach kommen die Berge näher, die ich gestern schon auf der Karte gesehen habe. Sehr hoch sind die zwar nicht, aber trotzdem quasi kahl. Keine Bäume, nur Gras, ein paar Sträucher und natürlich jede Menge Schafe....
Bergauf mit kräftigem Gegenwind. Das ist schon kurz gesagt einfach scheiße! Ein bisschen nervt mich das grade schon. Aber es hilft nichts. Dafür ist die Landschaft wieder sehr schön. Zwischendurch überhole ich noch einen Radfahrer, der sich auch den Berg hocharbeitet. Ein bisschen motiviert mich das. Jemand, dem es auch nicht besser geht wie mir. Wie stark der Wind ist merke ich erst so richtig, als es wieder bergab geht. Eigentlich würde ich hier ordentlich bremsen müssen, aber das Gegenteil ist der Fall: Ich muss kräftig treten, damit ich nicht zum Stehen komme. Verflixter Wind!! Nach und nach komme ich wieder in etwas geschütztere Lagen. Auch die Bäume werden wieder zahlreicher und dichter. Bald sieht es aus wie im Schwarzwald. In Innerleithen mache ich einen kurzen Stopp. In einem kleinen Laden laufe ich etwas Obst und frischen Käse fürs Mittagessen. Innerleithen könnte wirklich auch eine kleine Stadt im Schwarzwald sein. Jedenfalls von der Umgebung her. Ich fahre bis Melrose. Dort ist der einzige Campingplatz weit und breit. Und somit ist dann auch nach knapp 100 Kilometern Schluss für heute. Der nächste Campingplatz wäre für heute zu weit entfernt. Der Campingplatz liegt direkt am Weg. Ich muss nicht lange suchen. Und mit dem Zelt einen Platz zu bekommen ist gar kein Problem. Nach dem Duschen mache ich mich auf den Weg ins Dorf. Ich halte nach einen Chips Shop Ausschau und werde schließlich auch fündig. Nach einem ordentlichen Abendessen gehe ich noch einkaufen fürs Frühstück (und noch etwas zu trinken für heute Abend). Zurück am Campingplatz mache ich es mir im Zelt bequem.
8. Kapitel - England
Am nächsten Tag fahre ich kurz vor 10 Uhr los. Der Weg aus Melrose hinaus ist leicht zu finden. Mein Ziel für heute ist Berwick-upon-Tweed. Die kleine Stadt an der Küste ist ungefähr 80 Kilometer entfernt. Das ist sicher nicht so viel, aber warum sollte ich mir wieder so viel vornehmen. Der Weg führt zunächst nach Osten und immer wieder auch mal ein bisschen nach Norden. Das ist zwar nicht ganz meine Richtung, aber der kräftige Rückenwind lässt die Kilometer wirklich sehr gut machen. Der Weg führt immer über kleine Sträßchen mit wenig Verkehr. Gehen 14 Uhr erreiche ich Berwick-upon-Tweed. Gefahren bin ich knapp 80 Kilometer. Das ist schon ein bisschen wenig, entscheide ich und schaue im Internet, wo es noch weiter Campingplätze gibt. Auch wenn die Stadt wirklich schön an der Küste liegt, sicher einen schönen Campingplatz und einen leckeren Chips Shop hat, möchte ich schon gerne noch ein bisschen weiterfahren. In Waren gibt es den nächsten Campingplatz. Das wären nochmal 40 bis 50 Kilometer. Nun ja... Dann los! Der Weg führt zunächst am Strand entlang, dann führt er durch die Dünen. Sehr schön und auch ganz gut zu fahren. So macht die Tour richtig Spaß! Die Sonne kommt auch ein zwischen den Wolken durch. Ich merke, dass die Wärme, die der Wetterdienst für Deutschland angekündigt hat, nun auch hier angekommen ist. Es ist wirklich, als hätte jemand die Heizung eingeschaltet. Der Weg verläuft leider nicht die ganze Zeit am Meer entlang. Bald biegt er wieder ins Inland ab. Nun gibt es auch wieder Höhenmeter. Damit habe ich dann aber die letzten Berge in Schottland hinter mir gelassen. Der Wind wird wieder ein Thema. Ziemlich kräftig weht der Wind mal wieder in die falsche Richtung. Nun ja. Ich komme voran. Am späten Nachmittag gibt es dann noch etwas Regen. Am frühen Abend erreiche ich den Campingplatz in Waren bei Bamburgh. Der Campingplatz ist sehr voll. Zum Glück bekomme ich noch einen Platz fürs Zelt. Leider ist es hier nicht so wie in Irland, wo man einfach irgendwo sein Zelt auf dem Campingplatz aufstellen darf. Es gibt strenge Vorschriften zum Beispiel der Abstand zum Nachbarn und so weiter. Brandschutz macht schon Sinn. Somit wäre der Tag für heute erledigt. Ach ja, ich merke leider schmerzhaft, dass ich nicht mehr in Schottland bin. Es gibt kein Tennent's Bier mehr. Nur noch eine Dose, die ich noch im Rucksack habe. Das englische Bier schmeckt im Vergleich zum Tennant's wirklich nicht so gut. Oder zum Teil auch echt scheiße....
Zum schlechten Bier kam dann am nächsten Morgen noch schlechtes Wetter hinzu. Ich werde heute wohl mal wieder im Regen fahren. Nicht grade tolle Aussichten. Doch während ich noch gemütlich beim Frühstück sitze, hört der Regen auf und die Sonne kommt heraus. Wunderbar! Ich esse noch schnell mein Müsli leer und reibe das Zelt trocken. Außerdem baue ich noch kurz das Solarpanel auf, denn die Powerbank ist ziemlich leer und heute Abend muss ich mein Smartphone wieder aufladen. Wenigstens muss ich nicht noch zusätzlich das GPS-Gerät laden. Ein Vorteil....
Während ich mein Zelt zusammen lege und einrolle kommen schon wieder Regentropfen vom Himmel. Zum Glück hört es gleich wieder auf. Ich bin um kurz vor 10 Uhr startklar und mache mich auf den Weg. Die Strecke verläuft wieder über viele kleine Nebenstraßen. Erst nach Nordosten zur Küste. Und dann wieder ein bisschen ins Inland und gegen Mittag wieder zur Küste. Der Weg führt nun durch die Dünen. Das macht Spaß zum Fahren. Allerdings ist es sehr rutschig auf den engen Wegen zwischen den Dünen. Außerdem sind die Wege teilweise steil. Wenn ich nicht sehr gut aufpasse gerate ich aus der nur 20 cm breiten Spur aufs nasse Gras. Weil meine Fahrradreifen jedoch eher für Straßen ausgelegt ist, als für nasses Gras, fahre ich teilweise wie auf Schmierseife. Zweimal habe ich kurz die Kontrolle über das Gespann verloren und nur wie durch ein Wunder bin ich nicht vom Fahrrad gefallen oder habe mir weh getan. Ich war mir zweimal ziemlich sicher: Jetzt tut es gleich weh und ich liege im Dreck... Zum Glück ist nichts passiert. Für die schöne Landschaft hatte ich dann allerdings kaum noch ein Auge. Von weitem sehen die Regenschauer schön aus. Aber nur solange sie einen nicht einholen. Heute gab es einige Regenschauer. Teilweise sehr kräftig. Bei den leichteren Schauern bin ich einfach weitergefahren und dachte an den älteren Herrn an einem der ersten Campingplätze: Marten, it's just a shower...!!
Gegen Mittag hatte ich Glück. Ich wollte im Supermarkt etwas zum Essen kaufen, als ein leichter Schauer zum Starkregen wurde. Glücklicher Weise war ich im Trockenen. Als es nachgelassen hat, bin ich weitergefahren. Die Sonne schien, als wäre nichts gewesen. Und so gab es den ganzen Tag immer wieder mal eine Dusche. Am Nachmittag gab es nochmal einen sehr kräftigen Schauer. Da ist das Wasser sogar aus dem Kanal herausgekommen und hat den Deckel angehoben. Noch zwei bis drei Stunden bis zum nächsten Campingplatz. Weil ich gestern Abend gehört habe, dass die Ferien in England begonnen haben und die Campingplätze besonders jetzt am Wochenende sehr voll sind, beschließe ich dort anzurufen, um vorab zu reservieren. Am Telefon erklärt man mir dann: Sorry, no Tents allowed on our site. Uff, was soll denn der Blödsinn...!!?!?!. Der nächste Campingplatz, der halbwegs in der Nähe der Route liegt, kommt erst hinter Newcastle. So weit will ich nicht mehr fahren! Also schaue ich was es sonst noch in der Nähe von Newcastle gibt. In Whitley Bay werde ich fündig. Ich buche die Übernachtung via Internet. Dann gibt es heute eine feste Unterkunft. Der Weg verläuft nun leider durch irgendwelche hässlichen Industriegebiete. Am Nachmittag erreiche ich die Unterkunft. Die Gastgeberin ist sehr freundlich. Ich kann mein Fahrrad und den Bobby in einen kleinen Hof hinter dem Haus abstellen mit dem Wasserschlauch sauber machen. Die Tasche vom Bobby ist ebenfalls völlig dreckig und bekommt auch eine gründliche Wäsche. Nachdem ich dann geduscht habe mache ich mich auf den Weg zum Abendessen. Ich halte wieder nach einem Chips Shop Ausschau und esse gemütlich dort zu Abend.
Die nächste Etappe startet ganz efreulich. Bis Tynemouth verläuft der Weg immer am Ufer entlang. Gesäumt von einer ewig langen Promenade. In Shields muss ich mit der Fähre übersetzen. Die Fahrt dauert nur gut 10 Minuten. Bis Sunderland geht es immer am Ufer entlang. Hinter Sunderland verlässt der Weg dann das Ufer und wird wirklich zu einem ganz üblen Dreck Weg. Der Weg wird nicht gepflegt. Es gibt riesige Schlaglöcher und das Gestrüpp vom Wegrand reicht sehr weit in den Weg hinein. Brennnesseln und Dornen inklusive. Überall, wo "Zivilisation" in der Nähe ist, liegt Müll herum, dass es nur so graust! Dazu liegen jede Menge Scherben auf den Wegen. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich heute angehalten habe, um meine Reifen auf kleine Glassplitter zu kontrollieren. 10-mal bestimmt! Immer wieder gibt es Stellen, an denen jemand versucht hat ganze Müllhaufen zu verbrennen. Die Überreste von Matratzen liegen noch herum. Zu sehen gibt es nicht viel, da das Gestrüpp überall sehr hochwächst. Es ist, als fährt man in einem Tunnel. Spaß macht mir das überhaupt nicht! Am Nachmittag führt dann der Weg durch einige größere Städte und deren Industriegebiete und Hafenanlagen. Norton, Portrack und Middlesborough um ein paar davon zu nennen. Hier wird der Weg zum Suchspiel. Es gibt Stellen, da weicht der Weg von dem Track ab, den ich im Smartphone gespeichert habe. Ich folge der Beschilderung. Doch plötzlich sind die Schilder weg, oder durch Vandalismus zerstört. So bleibt mir nichts anderes übrig, als zum letzten bekannten Punkte zurück zu fahren und dann dem Track auf dem Smartphone zu folgen. Vereinzelt tauchen dann auch wieder Schilder auf. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass ich mich wohl in den Städten nicht 100% auf die Beschilderung verlassen kann. Am Abend erreiche ich dann den Campingplatz in Redcar. Eine sehr nette Dame am Empfang rettet den Tag. Ich hole mir etwas zum Abendessen. Anschließend kläre ich, wie es mit der Tour weitergehen wird. So ganz sang- und klanglos werde ich die Tour nicht beenden. Ich will schon noch ein paar Tage fahren. Bis Hull. Von dort gibt es eine Fähre nach Rotterdamm. Auf der Fähre muss ich eine Kabine buchen, was ich eigentlich nicht will. Schlecht schlafen kann ich auch für weniger Geld, wenn ich daran denke, wie laut es auf der letzten Fähre von Roscoff nach Cork war. Eines ist auf jeden Fall sicher: Ich werde nicht mit aller Gewalt die Kilometer bis Harwich auf dem Fahrrad runterreißen. Das lohnt sich hier überhaupt nicht!
Der Zug von Hull nach Harwich kostet fast 180 Euro. Und ich habe keine Gewissheit, ob ich mit dem Fahrrad und dem Bobby in den Zug einsteigen kann. So entscheide ich mich dafür, die Fähre ab Hull zu buchen. Die kostet zwar auch knapp 200 Euro. Dafür ist der Transport von Speedy und Bobby kein Problem. Ich mache die Buchung fertig. Am Mittwochabend läuft die Fähre in Hull aus. Bis dahin muss ich die Strecke zurückgelegt haben. Damit wäre die Frage wie es weitergehen wird geklärt.
Die vergangene Nacht war leider nicht erholsam. Der Wind ist in der Nacht so sehr aufgefrischt, dass ich um Mitternacht aufgewacht bin. Mein Hotel Hilleberg ist da schon fast davongeflogen. Der Wind zerrte sehr heftig am ganzen Zelt. Ich habe die Heringe so tief in den Boden gesteckt, wie es möglich war. Beim Aufstellen des Zeltes habe bereits eine geschützte Stelle zwischen einem Gebäude und einer hohen Mauer ausgesucht. Der Wind konnte es trotzdem teilweise kräftig erfassen. Ich dachte wirklich, dass es das Zelt heute Nacht noch zerreißen wird. Auch am Morgen ist der Wind noch sehr kräftig. Man hört, wie die Nordsee kocht! Es ist halb sieben, als ich aufstehe und mir mein Frühstück mache. Ich bin gespannt, wie ich bei dem Sturm heute mit dem Fahrrad vorankomme. Nachdem ich gefrühstückt habe versuche ich möglichst schnell mein Zelt in die Tasche vom Bobby zu bekommen. Denn es sieht schon wieder sehr nach Regen aus. Ich packe schnell zusammen und versuche dann mein Zelt noch ein bisschen zu trocknen. Das Trocknen geht dank des sehr starken Windes recht gut. Das Zusammenlegen dann schon deutlich schwieriger. Eigentlich ist es ein Ding der Unmöglichkeit. Der Wind reißt das Zelt sofort in irgendeine Richtung davon. Damit es nicht zu einfach wird verteilt eine kräftige Windböe meinen Müll übers komplette Gras. Verdammt. Ich renne dem Müll hinterher und sehe grade noch, wie eine weitere Windböe mein Zelt aufs Korn nimmt und über die Mauer des Campingplatzes wirbelt. Nicht gut... So verteilt sich der Müll erst mal wieder. Den sammle ich ein, nachdem ich mein Zelt wieder unter Kontrolle habe. Doch ich gebe es auf, das Zelt sauber zu falten und ordentlich in den Beutel zu packen. Ich rolle es irgendwie ein und stecke es dann in den Sack, wo es hingehört. Dann kümmere ich mich um den Müll. Es ist kurz nach 9 Uhr als ich los fahre. Zunächst geht es durch Redcar hindurch und weiter zur Promenade Richtung Südosten. Die Wege sind sehr gut gemacht. Es gibt viele Touristen. Später verläuft der Weg entlang Küste oberhalb der Klippen durch die Dünen. Der Weg ist sehr schmal und zum Radfahren wirklich sehr anspruchsvoll. An einer Stelle muss ich das Gespann auseinander bauen und 50 Meter eine Treppen hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf tragen. Dann erreiche ich eine kahl gefressene Wiese. Der Weg führt gradewegs steil bergauf. Keine Chance das zu fahren. Zu steil, der Untergrund zu weich und meine Reifen sind zu glatt. Es sind die ersten und hoffentlich einzigen 100 Meter, die ich schieben muss. Glücklicherweise verläuft der weg dann wieder entspannt durch die Dünen. Wenig später stehe ich vor einem Verkehrsschild, muss an meine Bremsbeläge denken und kurz schlucken. 25% Gefälle, das ist verdammt steil. Und vermutlich geht es auf der anderen Seite dann auch genauso steil wieder hoch...!?!?! Wie auch immer... 25%! Ich bin sehr langsam bergab gefahren. Doch als ich unten ankomme, haben meine Bremsen geraucht!!! Denn das Gefälle war nicht nur sehr steil, sondernauch noch sehr lang. Ich erreiche ein kleines Fischer-Dorf und wie vermutet ging es nach dem Dorf auch wieder mit 25% Steigung nach oben. Ganz ehrlich, ohne angeben zu wollen: Was sind schon 25% Steigung nach über 3.000 Kilometern bergauf und bergab fahren?
Nach dieser Bergprüfung verläuft der Weg durchs Inland. Ich muss jetzt endlich mal Gas geben. Es ist schon 14 Uhr und ich bin gerade mal 50 Kilometer gefahren. Schließlich erreiche ich die Stadt Whitby. Von dort verläuft der Weg auf einer alten Eisenbahnstrecke bis nach Scarborough. Die nächsten fünf oder mehr Kilometer zwar stetig bergauf, aber immerhin keine Stellen, an denen ich mein Fahrrad und den Bobby tragen muss. Besonders gut ausgebaut ist die Strecke leider nicht. Teilweise wachsen die Sträucher ganz in den Weg hinein. Und die unzähligen Schlaglöcher lassen kein besonders hohes Tempo zu. Also schleiche ich auf dem Weg mit 15 km/h daher bis Scarborough. In Scarborough mache ich eine kurze Rast und schaue im Internet wo der nächste Campingplatz zu finden ist. Es wären noch 15 Kilometer. Das ist kein Problem. Das mache ich, denn bis Scarborough waren es grade mal 90 Kilometer. Leider sind auf dem Campingplatz mal wieder keine Zelte erlaubt....! Ja so ein Dreck!!! Nun gut, dann nehme ich ein Zimmer in Scarborough und Schluss mit der Tour für heute. Per Internet finde ich schnell eine günstige Unterkunft. Die ist auch gut gelegen. Passt also alles gut zusammen. Nach dem Duschen mache ich einen Spaziergang durch Scarborough und ich muss sagen:
"I really like Scarborough"! Eine schöne Stadt an der Küste. Es gibt ein großes Schloss, dass aber so weit oben am Berg liegt, dass ich keine Lust hatte dort hinauf zu laufen. Ich bin lieber zum Strand hinunter gelaufen und habe das bunte Treiben dort angeschaut. Es gab zahllose Touristen dort, jede Menge Fress-Buden und Geschäfte in den sie allen möglichen Kleinkram verkauft haben. Als es dunkel wird mache ich mich auf den Weg zurück zur Unterkunft. Ich will noch ein paar Sachen waschen und dann so langsam ins Bett. Morgen ist der letzte Tag, den ich komplett in England mit dem Fahrrad unterwegs bin. Es soll morgen auch warm werden. Uff, ich habe heute Nachmittag schon kräftig geschwitzt.
Die Nacht in der Unterkunft war ganz angenehm. Ich habe gestern nach der Ankunft meine feuchten Sachen so gut es ging im Zimmer verteilt. Besonders wichtig ist mir hierbei immer der Schlafsack. Denn die Daumen vertragen die Feuchtigkeit nicht. Über Nacht sind die Sachen dann soweit trocken geworden, dass ich alles ohne Probleme die nächsten Tage in der Tasche vom Bobby lassen kann. Außerdem habe ich gestern Abend noch ein paar Radlerklamotten von Hand gewaschen. So habe ich am Donnerstag, wenn ich in Rotterdam von Bord gehe ein paar frische Fahrradklamotten. Auch die Fahrradkleidung ist halbwegs trocken geworden. Die restliche Feuchtigkeit trocknet während der Fahrt hinten am Rucksack und auf der Tasche vom Bobby.
Weil ich alle Sachen im Zimmer verteilt habe zum Trocknen, dauert es länger bis ich alles wieder eingepackt habe. Um kurz nach halb zehn komme ich los. Von der Unterkunft geht's zunächst ein kurzes Stück bergauf, damit ich wieder den Track erreiche. Aus Scarborough finde ich gut und schnell hinaus. Die Stadt hat mir auch irgendwie gefallen. Zunächst geht es an der Küste weiter. Die Aussicht auf den blauen Himmel und das Meer ist herrlich! Doch bald verlässt der Track die Küste und führt ins Inland. Die Strecke verläuft ziemlich flach. Genau richtig, um in Fahrt zu kommen. Bald kommt ein Anstieg mit 16%. Zu früh gefreut. Aber inzwischen bringen mich solche Anstiege auch nicht mehr aus der Fassung. Nur der Verkehr...! Es ist leider keine kleine Nebenstraße. Zwar sind nicht viele Autos unterwegs an diesem Morgen auf der steilen und kurvenreichen Strecke, aber die Autofahrer fahren wie die Verrückten! Überholen trotz Gegenverkehr, dann mit hoher Geschwindigkeit und 50cm Abstand am Radfahrer vorbei, oder den Gegenverkehr zum starken Abbremsen zwingen. Unglaublich...! Nun ja, zum Glück muss ich hier nicht lange fahren. Bald ist der Weg wieder weg von der Straße und ich fahre auf kleinen Nebenstraßen weiter. Die Straßen sind halbwegs gut und ich kann nochmal richtig Gas geben. Sehr zum Ärger für manche Leute auf dem Rennrad. Die mögen es bekanntlich gar nicht, von einem Mountainbiker überholt zu werden. Und dann auch noch von einem Mountainbiker mit einem Gepäck-Anhänger!!! Gegen Mittag macht der Track nochmal einen Abstecher zum Meer. In Sewerby mache ich Mittagspause und genieße die Sonne. Dann geht es zurück Richtung Inland. Mit genügend Wasser zum Trinken ist die Wärme heute zu ertragen. Es ist merklich wärmer als in den letzten Tagen. Nach knapp 100 Kilometern mache ich nochmal eine Rast und schaue auf der Karte, wie weit es denn überhaupt noch bis Hull ist. Eigentlich wollte ich erst morgen in Hull ankommen. Ich hatte vorsichtig kalkuliert, damit ich auf keinen Fall großen Stress habe, um die Fähre zu erreichen. Nun sieht es so aus, dass es noch 30 Kilometer sind bis Hull. Die schaffe ich auf jeden Fall auch noch heute ohne Probleme. Somit habe ich morgen den ganzen Tag über Zeit in Hull und kann entspannt am Abend zur Fähre. Ich suche im Internet nach einer Unterkunft. Kurz vor 18 Uhr erreiche ich das Hotel Royal in Hull. Nach der Anmeldung kommt jemand und bringt mein Fahrrad zum Abstellraum. Die Wärme heute war schon anstrengend. Außerdem bin ich ein bisschen traurig, denn hier ist nun meine Tour zu Ende. Irgendwie bin ich auch froh, die letzten Wochen ohne Unfall oder sonstigen Probleme geschafft zu haben. Es war eine sehr schöne Tour!
Glücklicherweise habe ich heute Nacht eine Unterkunft genommen und nicht am Campingplatz geschlafen. Das mache ich auf meinen Touren eigentlich immer, die letzten ein oder zwei Nächte wenn möglich nicht mehr zelten. Damit kann das Zelt, der Schlafsack und alles andere trocken eingepackt werden. Je nachdem kann es schließlich ein paar Tage dauern, bis ich die Sachen dann zu Hause auspacken kann. Und das ist nicht gut. Ich habe gestern Abend noch Proviant für die Fähre eingekauft. Jede Menge Scones. Lecker! Grundsätzlich aber achte ich grade sehr darauf nicht mehr so viel zu essen wie in den letzten Tagen. Auch wenn es schwerfällt. Ohne die viele Kilometer auf dem Fahrrad brauche ich auch nicht mehr so viel zu essen. Gegen 10 Uhr checke ich aus, aber lasse mein Gepäck noch im Hotel. Ich schaue mich ein bisschen im Hull um. Zum Mittagessen gehe ich in einen Chips Shop. Und dann wird es allmählich auch Zeit, dass ich mich in aller Ruhe auf den Weg zum Hafen mache. Aber auch da ist noch genügend Zeit. Es ist heute echt verdammt warm und die paar Kilometer zum Hafen bringen mich nochmal ganz ordentlich ins Schwitzen. Am Gebäude von P&O Ferries frage ich, wo ich denn hinmuss. Ich fahre über eine große Rampe in die Fähre hinein. Dort weist man mir einen Platz fürs Fahrrad zu. Ich trage mein Gepäck in die Kabine und schaue ich mich ein bisschen auf der Fähre um. Etwas wehmütig gönne ich mir ein offizielles Abschiedsbier. Damit wäre die Tour beendet. Schade! Vielleicht gibt es morgen nochmal in Rotterdam ein Stück zum Fahren. Von der Fähre zum Bahnhof.
Ich freue mich auf die Überfahrt. Es scheint sehr ruhig zu werden. Kaum Wind. Allerdings braut sich ein Gewitter über Hull zusammen. Kein Wunder, nachdem es so schwül war den ganzen Tag. Ich bin auch gespannt, wer noch in der Kabine ist. Es sind aber auch noch ein paar Stunden, bis die Fähre ausläuft. Ich habe Hunger und esse vom Proviant. Bis jetzt ist noch immer niemand außer mir in der Kabine. Nachdem ich eine Ladung Scones vertilgt habe suche ich mir in einer Bar einen ruhigen Platz, genieße ein Bierle und schaue zu, wie wir ablegen. Später dann gehe ich noch an Deck, denn es ist draußen wärmer als drin. Blöde Klimaanlage. Bis die letzten Lichter verschwunden sind stehe ich noch am Heck der Fähre. Dann mache ich mich so langsam auf den Weg ins Bett. Ich bin alleine in der Kabine.
9. Kapitel - Die Niederlande (Hitzeschlacht)
Ich habe mir gestern Abend im Navi den Radweg von Rotterdam nach Nijmegen angeschaut. Irgendwie gefällt mir die Idee, diesen Weg auch noch zwei Tage zu fahren. Ich muss ohnehin aufs Rad, um vom Hafen zum Bahnhof zu kommen. Warum nicht gleich noch ein Stück weiterfahren? Das werde ich tun. Zeit habe ich und in Holland Radfahren will ich einfach mal machen.
Die Fähre fährt in den Hafen von Rotterdam. Wir werden aufgefordert zu unseren Fahrrädern oder Fahrzeugen zu gehen. Wenig später öffnet sich das riesige Tor der Fähre und es kann los gehen. Ich muss daran denken nun wieder auf der rechten Seite zu fahren. Ich unterhalte mich noch kurz mit einem Radfahrer der auch von der Fähre gestartet ist und zum Bahnhof in Rotterdam radeln will. Ich kann ihm leider nicht weiterhelfen, da ich beschlossen habe nicht in Rotterdam in den Zug zu steigen, sondern noch ein Stück durch die Niederlande zu radeln. Das sage ich ihn auch so. Er würde vielleicht auch auf den Zug verzichten und noch ein bisschen fahren. Das ist seine Entscheidung. Ich trete zunächst ordentlich in die Pedale, weil ich vorankommen will. Nach 20 Kilometern mache ich dann eine Pause. Ich hatte kein Frühstück und für ein paar Scones wäre jetzt ein guter Zeitpunkt. Ich bin grade beim zweiten oder dritten Scone, da kommt der Radfahrer von vorhin vorbei. Wir sprechen nochmal kurz über unsere Pläne. Hier an dieser Stelle zweigt der Weg zum Bahnhof ab und führt weiter nach Nijmegen. Oliver beschließt dem Weg ebenfalls zu folgen. Ich freue mich über Begleitung und dann fahren wir gemeinsam weiter. Zunächst ist es etwas schwer, bis wir auf dem eigentlichen Track sind und auch ein bisschen aufeinander abgestimmt sind. Das klappt erfreulicherweise schnell und auch sehr gut. Wir folgen größtenteils dem Maas-Radweg. Je später der Vormittag wird, desto höher steigen die Temperaturen. Am Vormittag war es noch okay. Aber nun, gegen Mittag zeigt das Thermometer 39 Grad Celsius. Das ist sehr heiß. Mir geht irgendwann das Wasser aus. Ich habe unterwegs im Supermarkt nochmal welches gekauft, doch es reicht einfach nicht. Wir machen immer wieder Pause, damit der Körper abkühlen kann. In dem Naturschutzgebiet gibt es leider kaum Schatten und schon gar kein Trinkwasser. An einem kleinen Bauernhof halten wir an und fragen nach Wasser. Glücklicherweise können wir dort unsere Flaschen auffüllen lassen. Damit kommen wir weiter. Die Hitze ist unglaublich. Der Asphalt scheint zu glühen! An manchen Stellen kommt es mir wirklich vor, als würde jemand ein Gebläse mit Heißluft auf mich richten. Die Hitze war definitiv die Herausforderung des Tages. Immerhin wir haben es geschafft. An einer sehr kleinen Fähre hatten wir nochmal richtig Glück. Die freiwilligen Fuhrleute wollten gerade Feierabend machen, als wir die Fähre erreichen. Sie bringen uns noch an andere Ufer. Sonst hätten wir zahllose Kilometer zurückfahren und einen weiten Umweg fahren müssen. Am Abend erreichen wir den Campingplatz in Woudrichem. Wir können wir übernachten. Bevor wir die Zelte aufbauen kaufen wir noch Abendessen und Bier zum Trinken. Wir essen gemeinsam zu Abend, genießen kaltes Bier und kümmern uns dann um unseren Kram. Am Abend setzen wir uns noch in einen Biergarten, genießen den warmen Abend bei ein paar kühlen Bierchen.
Ich versuche gleich am nächsten Morgen das GPS mit dem neuen Track zu aktualisieren. Denn gestern Abend war das GPS-Gerät plötzlich eingeschaltet im Rucksack. Es muss schon einige Zeit eingeschaltet sein, denn der Akku war halb leer. Ich habe es aus und wieder eingeschaltet. Es funktionierte ohne Probleme. Heute Morgen dann funktionierte es wieder nicht mehr. Das ist nun sehr merkwürdig. Blödes scheiß Teil! Ich mache mir Frühstück und starte allmählich in den Tag. Nach dem Frühstück packe mein Zelt ein und verabschiede mich von Oliver. Heute fährt jeder seine Reise zu Ende. Ich breche auf und komme nach einem halben Kilometer an die erste Fähre. Ich muss allerdings noch ein bisschen warten, bis die kleine Fähre startet. Um 10:30 Uhr geht es hoffentlich weiter. Ein bisschen nervt es mich grade, dass ich nach nicht einmal zwei Kilometern schon wieder anhalten und warten muss. Aber gut, die viertel Stunde kann ich schon warten. Um kurz nach halb zehn steht dann tatsächlich jemand von seinem Liegestuhl auf, winkt zu mir hinüber, dass ich kommen soll und läuft zur Fähre. Es ist schon okay so. Die ganz kleinen fahren werden ehrenamtlich betrieben. Und wer kann es jemand verübeln, wenn er bei der Hitze nicht grade Lust hat in der Sonne über einen kleinen Fluss zu fahren? Ich unterhalte mich während der überfährt mit dem Fährmann über meine Reise nach Irland und Schottland. Interessant war seine Bemerkung zu den Leuten in den Niederlanden und Deutschland. Er meinte zu mir, wie viel freundlicher und entspannter die Leute in Irland seien, im Vergleich zu hier oder Deutschland. Oh ja...!! Da habe ich ihm aus ganzem Herzen zustimmen können. Da bin ich froh, dass mich mein Eindruck nicht getäuscht hat. Dann sind wir auf der anderen Seite angekommen und ich verabschiede mich und fahre weiter. Noch sind die Temperaturen erträglich. Der Weg führt entlang der Maas über fast endlose Deiche. Es gibt wenig Schatten. Immer wieder gibt es Stellen, wo ich mit einer Fähre übersetzen muss. Die Herausforderung des Tages war wieder die enorme Hitze. Ich habe den Tag über ziemlich genau 10 Liter Wasser getrunken und musste nicht einmal aufs WC.
Am späten Nachmittag habe ich es auch nochmal bei der Bahn wegen einer Fahrkarte fürs Fahrrad versucht. Was für ein Sauladen...! Das gibt es nicht! Ich hatte letzte Woche schon einmal versucht eine Fahrrad-Karte zu kaufen. Online war dies überhaupt nicht möglich. So habe angerufen und mir wurde gesagt, dass es die Fahrrad-Karte nur in Deutschland am Automaten oder per Post gibt. Na das ist ja super. Heute versuche ich es nochmal. Denn ich brauche den Platz fürs Fahrrad nur von Düsseldorf nach Stuttgart. Somit kann ich die Fahrrad-Karte in Düsseldorf am Automaten holen. ABER….
Nach 10 Minuten bin ich dann mal bei einer Dame am Telefon und erkläre ihr was ich will. Als sie den Namen Nijmegen hört versteht sie gar nichts. Ich buchstabiere... Da legt die blöde Nuss einfach auf...!!!! .............. Zensur............. Ich versuche es nochmal. Wieder 10 Minuten Warteschleife, bis ich bei jemand bin, der mit internationalen Fahrkarten zu tun hat. Der erklärt mir einfach in wenigen, völlig verständlichen Worten wie die Sache läuft: Eine Fahrrad-Karte braucht man immer. Die kann ich aber auch ganz einfach morgen in Nijmegen kaufen. Das macht keinen Unterscheid, weil die international gilt. Für den IC von Düsseldorf nach Stuttgart brauche ich eine Reservierung fürs Fahrrad, so wie man es für einen Sitzplatz auch macht. Das ist der Unterschied zwischen Fahrrad-Karte und Reservierung. Er schaut nach. Leider ist alles belegt. Somit kann ich nicht mit dem IC fahren. Die Regionalzüge sind eine gute Alternative. Somit steige ich morgen früh in Nijmegen in einen Regionalzug. Ich habe viel Wasser und Proviant gekauft. Damit sollte ich eine längere Bahnreise ohne Probleme bei der Hitze überstehen. Wenn alles klappt, dann bin ich morgen Abend wieder in Leonberg... Am Abend habe ich mich im Hostel in Nijmegen auf die Terrasse gesetzt und genieße noch zwei Bierle, bevor ich dann ins Bett gehe. Ich bin müde. Ich will morgen gleich früh zum Bahnhof. Denn die Fahrt wird lange dauern. Ich bin müde und will nur noch schlafen...
In der Nacht habe ich leider nicht gut geschlafen. Es war sehr warm im Zimmer. Nach dem Frühstück packe ich meine Sachen zusammen und bereite den Bobby auf die Fahrt mit der Bahn vor. Das bedeutet, dass ich das kleine Schutzblech abschraube und einen Spanngurt über die Tasche vom Bobby schnüre. Das Schutzblech ist aus Kunststoff und etwas empfindlich. Und wenn ich irgendwo beim Umsteigen hängen bleibe ist es sicher kaputt. Das will ich vermeiden. Der Spanngurt ist wichtig, damit ich den ganzen Bobby zur Not auch einfach mal kurz von oben schnappen und tragen kann. Gegen halb acht fahre ich zum Bahnhof. Das Ticket zu kaufen ist kein Problem. 34 Euro bis Mönchengladbach. Und die Fahrrad-Karte ist auch dabei. Ich muss in Venlo umsteigen. Mit dem Fahrrad komme ich gut in den Zug. Kein hoher Einstieg. Ich baue das Gespann im Zug auseinander, drehe Fahrrad und Bobby um und hänge das Gespann wieder zusammen. So bin ich beim Umsteigen schneller. In Mönchengladbach fährt der Zug vom selben Bahnsteig. Das ist für mich einfacher. Denn dort wo es keine Rolltreppen gibt muss ich das Gespann auseinander bauen und einzeln von einem Gleis zum anderen tragen.
Allmählich merke ich, dass ich wieder in Deutschland bin: Es kommt ein älterer Herr mit einem Fahrrad. Eigentlich wäre noch Platz, wenn ein junger Kerl aufstehen und zwei Sitze rutschen würde. Er sagt jedoch, dass er schwerbehindert sei und hier sitzen bleibt. Was für ein Arschloch!!! Ich stehe auf und biete dem Herrn an sein Fahrrad ein mein Fahrrad zu stellen. Das freut ihn sehr und so wird alles gut. Als ich umsteigen muss hilft mir der Herr beim zusammenbauen des Gespanns. Mein nächster Halt wird in Köln sein. Dort wird das Unterhaltungsprogramm an Bord ist sehr interessant. Eine Harz-4-Familie sitzt im Zug. Und das worüber die sich unterhalten ist wie billiges Privatfernsehen! Krass....! Nicht gespielt. Jedenfalls ich sehe die Kameras nicht. Der Umstieg in Köln hat gut geklappt. Ich musste mit dem Gespann auf einen anderen Bahnsteig. Dank Rolltreppen war das kein Problem. Und in den nächsten Zug konnte ich ebenfalls bequem einsteigen. Als nächstes muss ich in Mainz umsteigen. Der Zug ist pünktlich in Mainz und der Umstieg klappt auch. Ich muss das Gespann auseinander bauen, damit alles in den Aufzug passt. Das Abteil für Fahrräder ist dann leider am anderen Ende des Zuges. Es ist genug Zeit. Ein Kerl um die dreißig steigt noch mit einem vollgepackten Fahrrad ein. Der Typ ist jedoch ziemlich fertig. Keine Schuhe und ziemlich zerrissene Klamotten. Er unterhält sich mit meinem Fahrrad und dem Bobby. Nebenbei hantiert er mit einem elektrischen Wasserkocher herum. Irgendwie komisch. Und dann kommt eben, was kommen muss: Bei der Kontrolle hat er keinen Fahrschein, die Polizei wird verständigt und, und, und. Offenbar wird er gesucht oder vermisst. Ich überlege, ob ich ihm helfen soll und wenn ja wie?
Zu guter Letzt stecke ich ihm beim Ausstieg 10 Euro zu. Vielleicht ist das hilfreich für ihn. Dann muss ich weiter zum nächsten Bahnsteig. Dank Rolltreppen aber kein Problem. Der Zug nach Heidelberg ist unpraktisch zum Einsteigen. Zum Glück habe ich heute Morgen den Spanngurt um den Bobby gespannt. So kann ich Fahrrad und Anhänger einfach kurz schnappen und die großen Lücken zwischen dem Bahnsteig und dem Zug gut überwinden. Nächster Halt ist dann Heilbronn. Der Zug fährt mit der Kirche ums Dorf. Der Zug ab Heilbronn ist ein alter Personenzug. Ziemlich klapperig und ohne Klimaanlage. Dafür mit Fenstern. Zugfahren wie vor 10 oder 20 Jahren eben. Nur zum Abstellen von Fahrrädern gibt es nicht viel Platz. Bis Ludwigsburg ist es nicht so weit. Dann muss ich schon wieder aussteigen. Weiter soll es mit der S-Bahn gehen. Ich muss nun dringend aufs WC. Auf die Fahrt mit der S-Bahn habe ich keine Lust mehr. Ich entscheide mich dazu, die Strecke von Ludwigsburg nach Leonberg mit dem Fahrrad zu fahren. Ich kenne die Strecke gut und fahre los. Erst mal raus aus der Stadt. Ein Donnern aus der Ferne aus Richtung Leonberg macht mir klar, dass ich vielleicht doch die falsche Entscheidung getroffen habe. In Markgröningen sehe ich über die ganze Region Stuttgart und hoffe, dass ich vielleicht Glück habe und mich das Gewitter verschont. Doch ab Ditzingen fallen die ersten Tropfen. Es wird zum Glück nicht schlimmer und so erreiche ich um kurz vor 20 Uhr den Marktplatz in Leonberg. Ich habe es geschafft. Auch wenn es grade regnet, so stört mich das nicht. Ich fahre nach Hause und drücke die Klingel. Bin gespannt, ob mich Mutter erkennt. Das ist kein Problem. Sie kommt runter und wir laden zusammen mein Gepäck aus. Ich stecke die meisten Sachen gleich in den Wäschekorb. Es macht keinen Sinn die Sachen erst nach oben zu tragen und dann wieder in die Waschküche runter zu bringen. Nur die Waschmaschine starte ich heute nicht mehr. Gegen Mitternacht gehe ich ins Bett. Der Alltag hat mich gleich wieder mit ziemlich großer Härte eingeholt. Schade! Trotzdem bin ich sehr froh und dankbar über diesen schönen Urlaub.
Radreise zum Schwarzen Meer 2014
Im Sommer 2014 habe ich eine Reise mit dem Fahrrad ans Schwarze Meer unternommen.
Auf den nachfolgenden Seiten habe ich meine Erlebnisse und Eindrücke während der Fahrt in einem Tagebuch festgehalten. Das habe ich jeweils nach Etappen und Tagen sortiert hier veröffentlicht.
Wem es zu viel ist, jeden einzelnen Tag zu lesen, kann gerne auch nur einen Blick in die Zusammenfassungen der einzelnen Etappen werfen. Diese sind nicht ganz so ausführlich geschrieben. Die Aufteilung der Etappen richtet sich größtenteils nach den Ländern, durch die ich gekommen bin. Sie ist aber auch einer gewissen Übersichtlichkeit im Browser geschuldet.
Abfahrt in Leonberg war am Sonntag, 27. Juli 2014
Zurück in Leonberg war ich am Mittwoch, 27. August 2014
In Summe bin ich über 3500 km mit dem Fahrrad gefahren.
Ich habe viele sehr interessante Eindrücke von der Reise mitgenommen. Sehr wichtig war es mir, die Länder in Süd-Osteuropa näher kennen zu lernen. Denn offen gesagt, habe ich mit den meisten Ländern (Ausnahme ist Bosnien-Herzegowina) bis lang nicht viel zu tun gehabt. Es war sehr spannend Land und Leute kennen zu lernen. Wobei ich sagen kann, dass der Donauradweg eigentlich erst hinter Budapest so richtig interessant wird. Bis dort hin war es allerdings auch alles andere als öder oder langweilig. Etwas zu knabbern hatte ich an der kyrillischen Schrift in Bulgarien. Denn leider konnte ich mit den Buchstaben nichts anfangen. Aber auch dies war kein Problem, dass nicht unüberwindlich war.
Beeindruckend war das “Eiserne Tor”. Die Landschaft ist wirklich unbeschreiblich schön. Ich kann nur sagen, dass sich wirklich jeder Kilometer auf dem Weg dort hin gelohnt hat. Die Entschädigung für die Anstrengung war schon sehr beeindruckend.
Schön anzusehen war natürlich auch das Donaudelta. Nach solch einer langen Reise wirklich ein Höhepunkt. Von Tulcea (die letzte große Stadt am Donaudelta) bis zur Mündung ins Schwarze Meer sind es noch 30 bis 40 Kilometer. Diese können nur mit dem Schiff zurückgelegt werden. Mit Schnellbooten kann man sich ohne Probleme dort hin fahren lassen. Ich habe mich jedoch mehr oder weniger freiwillig für eine gemütliche Bootstour durch das Delta entschieden, was ich keinesfalls bereut habe.
Das Bad im Schwarzen Meer bei Constanta war dann der Abschluss meiner Radreise. Am nächsten Tag hatte ich die Heimreise fest in Visier genommen und verschiedene Möglichkeiten ins Auge gefasst. Mit dem Fernbus in eineinhalb Tagen zurück nach Leonberg, oder mit der Bahn. Der Bus fährt in 2014 (laut Fahrplan) gegen Mitternacht. Die Mitnahme vom Fahrrad ist je nach Auslastung des Bus möglich. Was mir einfach nicht so richtig gefallen hat war die Möglichkeit nicht mitgenommen zu werden und irgendwann nach Mitternacht in Constanta zu stehen und eine Übernachtung zu suchen, nur um es am nächsten Tag erneut zu versuchen. Aus diesem Grund habe ich mich für die Rückreise mit der Bahn entschieden. Das hat problemlos geklappt. Man liest allerhand unterschiedliches über die Mitnahme von Fahrrädern im Zug. Da ist auch von Bestechung die Rede. Ich denke ich hatte einen sehr gutmütigen Schaffner erwischt, der (so mein Eindruck) nie und nimmer bestechlich gewesen wäre. Er hat die Sache geduldet und sowohl Fahrrad, als auch ich blieben im Nachtzug nach Budapest.
Die letzten Kilometer von Stuttgart nach Leonberg bin ich selbstverständlich mit dem Rad gefahren. Ich war positiv überrascht, wie gut ich mit Anhänger im Wald die Steigung zum Westbahnhof hinauf gekommen bin. Lag wohl am Training…
Wer mehr sehen und lesen möchte, dem seien die nächsten Kapitel empfohlen.
Die Donau in Deutschland
Die letzten Tage vor meiner Abfahrt waren sehr stressig. Es gab im Büro natürlich noch so viele Dinge, die ich gerne vor meinem Urlaub fertig machen wollte. Schließlich befindet sich mein Projekt auf der Zielgeraden und da will ich natürlich nicht, dass während meiner Abwesenheit größere Probleme auftreten. Das bedeutete lange Tage im Büro zu verbringen.
Gleichzeitig wollte ich auch noch ein kleines Projekt im THW zu Ende bringen. Somit wurden auch die Abende immer recht spät und das Packen des Gepäck ist ein klein wenig auf der Strecke geblieben.
Nun ja, nicht wirklich.
Ich weiß von früheren Touren schon recht gut, was ich einpacken muss und was unnötig ist. Ich habe jedesmal vor den Touren eine Packliste erstellt und diese nach meiner Rückkehr abgeglichen mit dem was gefehlt hat oder unnötig war. Ehrlich gesagt hat bislang eigentlich nie etwas Wichtiges gefehlt. Und wenn etwas fehlt, kann man es entweder unterwegs kaufen, oder braucht es dann vielleich doch nicht.
So hatte ich die Sachen, die ich mitnehmen wollte auch schnell beisammen. Alles wurde dann nach Kategorien in Stoffbeutel verpackt. All diese Beutel mussten dann am Sonntag Morgen nur noch in der Bob-Tasche Platz finden. Das ging einfacher als erwartet, denn ich musste für die Reise keine ganz warmen Klamotten einpacken. Es ging dieses mal nach Süden!
Es ist schon ein besonderes Gefühl, eine große Radreise direkt an der eigenen Haustüre zu starten. Entlang von Wegen, die ich schon so oft gefahren bin. Nur dieses Mal werde ich eben nicht am Abend wieder zu Hause ankommen.
Ab Calw ging es durch das schöne Nagoldtal weiter zum Neckar und dessen Quelle in Schwennignen. Vor dort ist es noch ein kleines Stück bis Donaueschingen, wo Brigach und Breg die Donau zu Weg bringen.
An der Stelle einfach links abbiegen und schon geht es durch das schöne Donautal in Richtung Schwarzes Meer. Zu dem Zeitpunkt galt aber Budapest als mein offizielles Ziel. Ich wollte den Mund ja nicht zu voll nehmen.
Auch wenn vor meiner Reise einige Leute den Donauradweg als langweilg bezeichnet haben, so muss ich wirklich sagen, dass das nicht stimmt. Es ist sicher keine große körperliche Herausforderung diesen Teil des Weges zu fahren, aber man kann die Fahrt ja auch nur einfach wegen der schönen Natur unternehmen. Und die Natur ist an vielen Stellen wirklich beeindruckend.
Ich hatte allerding etwas pech mit dem Wetter.
Dauerregen ab Beuron und teilweise Hochwasser auf den Wegen haben die Fahrt nicht gerade einfacher gemacht. Mit der richtigen Kleidung ging es gut. Übernachtet habe ich bei dem Regenwetter aber nicht im Zelt, sondern habe mir günstige Unterkunfte entlang des Weges gesucht. Das hat auch meist gut geklappt. Nur hin und wieder war die erste Pension schon voll, oder die Wirtsleute wollten einfach einen völlig nassen Radfahrer im Haus haben (wegen dem Dreck…)
Nach einem Abstecher im Kloster Weltenburg ging es Richtung Kehlheim ziemlich steil bergauf, bevor ich dann Nahe Hermsaal einen schönen Campingplatz zum Übernachten entdeckt habe. In Regensburg bin ich dann beinahe in einer Touri-Führung stecken geblieben. Hier war richtig viel los und mit einem Gespann aus Fahrrad plus Anhänger wollte ich mich nicht durch die Menge drücken. Also bin ich recht bald nach Straubing weiter gefahren. Deggendorf. Dann kam Passau in greifbare Nähe. Hier war auf jeden Fall ein Abstecher in die Hackelberger-Brauerei fällig. Das Bier dort ist herrlich, aber bei über 30°C im Schatten haut das auch mächtig rein. Damit ich nicht doch noch ein Bierchen trinke mache ich mich auf den weiteren Weg nach Inzell in Österreich. Ein Stück hinter Inzell finde ich wieder einen ganz netten Campingplatz und freue mich auf eine angenehme Nacht in meinem Hotel Hilleberg.
Der erste Teil der Donaureise wäre geschafft. Die Donau in Deutschland liegt hinter mir. Vor mir noch viele Kilomter bis Budapest und noch mehr bis ans Schwarze Meer. Ob ich das überhaupt schaffe?
Die Donau in Österreich und der Slowakei
Auch in Österreich ist der Sommer zunächst noch sehr wechselhaft. In der Nacht auf dem Campingplatz hinter Inzell hat ein kräftiges Gewitter für ordentlich überflutete Straßen und eine ordentliche Dichtheitsprobe bei meinem Zelt gesorgt. Andere Städte hat es in der Nacht aber noch schlimmer erwischt, genauso wie es am Campingplatz schon das ein oder andere Zelt unter Wasser gesetzt hat.
Landschaftlich ist die Strecke zwischen Inzell und Aschach sehr schön. Die Natur ist herrlich und der Weg entlang der Donau sehr gut zu fahren. An der Industriestadt Linz vorbei geht es weiter nach Willersbach. Vorbei an Ybbs und Pöchlarn geht es wieder durch sehr schöne Landschaft bis Melk.
Auch das Wetter macht sich ganz gut. Es ist oft morgens noch ziemlich bedeckt und klart erst zum Mittag oder zum Nachmittag hin auf. Leider denke ich morgens öfters nicht daran die Sonnencreme zu verwenden, weil ja alles dicht bewölkt ist. Und beim Fahren merkt man wegen dem Fahrtwind die Sonne gar nicht so sehr. Erst am Abend ist ein ordentlicher Sonnenbrand auf meinen Schultern und den Knien zu spüren. Leider. Sonnenbrand auf Sonnenbrand ist verdammt unangenehm. Deswegen fahre ich ein paar Tage mit Langarm-Shirt und langer Radhose, was bei über 30°C irgnedwie nicht ganz die passende Kleidung ist. Aber es ist perfekt gegen den Sonnenbrand.
Beim Flusskilometer 1975 passiere ich das nie in Betrieb gegangene Atomkraftwerk Zewtendorf. Kurz der Inbetriebnahme entbrannte damals wohl ein heftiger Streit in Polik und Bevölkerung, ob Österreich wirkilch ein Atomkraftwerk braucht oder nicht. Die Gegner behielten damals die Oberhand und so dient das AKW heute als Ersatzteilspender und Ausbildungsreaktor für baugleiche deutsche Atomkraftwerke. Bis Wien ist es nicht mehr weit und um einen Abstecher im Prater komme ich natürlich nicht umhin. Am Fuße des Riesenrades mache ich Mittagspause und stärke mich mit meinem Proviant. Danach ist von der Donau nicht mehr viel zu sehen. Die Fahrt geht entlang der Hochwasserschutzdämme. Diese sind teile einige Kilometer von der Donau entfernt, da das Gebiet als Überflutungsgebiet dient. Das ist der Nationalpark “Donauauen”. Bald schon kommt Bratislava in Sicht. Der Donauradweg streift die slovakische Hauptstadt aber nur am Rande. Und so schnell, wie ich in die Slovakei gekommen bin, war ich auch schon wieder hindurch. Ich habe ehrlich gesagt gar nicht mitbekommen, dass ich irgendwo über die Grenze nach Ungarn gefahren bin.
Die Donau in Ungarn und Kroatien
Über viele kleine ungarische Dörfer führt der Donauradweg weiter nach Györ. In der Stadt allerdings verliert sich leider der Weg. Es gibt zwar Wegweiser die die Richtung anzeigen, aber die verlaufen an der nächsten Krezung im Nichts. Mit Hilfe des Navi finde ich schnell den Weg aus der Stadt und es dauer nicht lange, bis plötzlich wieder Schilder des Eurovelo 6 / Donauradweg auftauchen. Der Anfangs auf bestem Asphalt verlaufende Weg wird hinter Böny bald zum Trail-Abenteuer. Riesige Pfützen und Schlammlöcher erfordern sehr viel Geschick, um diese Hinternisse zu umfahren. Bald verläuft der Weg zwar wieder auf Asphalt, aber der ist völlig mit kleinen Schlaglöchern durchsetzt. Diese lassen sich nicht umfahren und so hat die Strecke bis nach Komarom ihre ganz eigene Herausforderungen.
In Komarom angekommen warten sowohl ein schöner Campingplatz als auch gleich nebenan ein Thermalbad. Das Bad war eine sehr willkommene Entspannung nach den ersten Etappen meiner Tour.
Bis Budapest ist es noch eine Etappe. Das Highlight auf dieser Etappe ist das “Donauknie”. Hier macht die Donau, die eigentlich von West nach Ost fließt einen Knick nach Süden. Auch hier werden alle, die den Donauradweg als langweiig bezeichnen Lügen gestraft. Die Landschaft ist herrlich und es macht echt sehr viel Freude hier zu fahren. Mit diesen schönen Eindrücken im Kopf lassen sich auch die Kilometer auf einer Hauptstraße nach Budapest ertragen. Nur noch ein kleines Stück, dann bin ich am Eingang zum Sziget-Festival. Damit wäre mein (erstes und (in)offizielles) Ziel erreicht. Bis hier wollte ich auf jeden Fal kommen. Es hätte mich auch schon sehr gewundert, wenn das nicht geklappt hätte.
Ich stehe vor dem Eingang zum Festivalgelände und sehe außer Radladern, Gabelstaplern und vielen fleißigen Leute nichts vom Festival. Das fängt erst morgen an. Heute ist da nichts los und campen wird dann wohl auch nicht drin sein. Estwas gefrustet mache ich mich auf die Suche nach einem Campingplatz in der Stadt. Gar nicht weit weg werde ich fündig. Dort mache ich einen Ruhetag. Ich nutze den Tag, um meine Klamotten zu waschen, Fahrrad und Anhänger zu checken und ansonsten um nichts zu tun. Am Abend kann ich mich auch nicht mehr wirklich aufraffen, um zum Sziget zu fahren. Ich war ja schon zweimal dort, also wird das Festival dieses Jahr ohne mich auskommen müssen.
Ich werde morgen früh aufbrechen um ans Schwarze Meer zu fahren!
Mit dem Fahrrad durch Budapest zu fahren war schon was besonderes. Wohl deswegen, weil ich die Stadt schon zweimal besucht habe und jedesmal zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war. Heute bin ich ganz unabhängig unterwegs. Vorbei geht es am Parlament, der Innenstadt und den vielen Brücken über die Donau. Hinter der letzten Brücke wandelt sich das Bild der Stadt schnell. Die noblen Häuser sind schnell verschwunden und Industrie-Ruinien dominieren das Bild. Die Straßen haben teilweise diese Bezeichnung nicht verdient und Schlaglochpisten machen die Fahrt echt anstrengend.
Einen Tag später sitze ich Abends bei Bekannten aus Leonberg in deren Sommerdomizil. Ich bin dort eine Nacht zu Gast und darf die Gastfreundschaft genießen. Der Aufbruch am nächsten Morgen fällt schon wirklich schwer. Das lag aber nicht am Wein und auch nicht am Plattfuß im Hinterrad, sondern einfach daran, dass es dort wirklich sehr schön war. Aber der Osten ruft und ich habe noch ein großes Stück Weg vor mir.
Bei glühender Hitze geht es weiter nach Vukovar. Die kroatische Stadt ist im Krieg schwer umkämpft gewesen. Teilweise sieht man das den Gebäuden noch an. Als Mahnmal steht dort immer noch der zerschossene Wasserturm von Vukovar. Auf recht hügeliger Strecke geht es weiter nach Ilok. Die Grenze zu Serbien ist nicht mehr weit. Die erste große Stadt, die ich in Serbien durchfahre ist Novi Sad. Mit seinen häßlichen Hochhäusern (tut mir leid, wenn ich das so hart sage…) ist die Stadt nicht grade einladend. Ich fahre an dem Tag noch ein Stück weiter bis Beska, wo ich in einer Pension übernachte. Der Tag war anstrengend. Es ist allerhand passiert…
Die Donau in Serbien, Rumänien und Bulgarien
Inzwischen hat sich das Wetter für Sonne pur entschieden. Es ist Nachmittags glühend heiß. Die Temperaturen liegen sicher bei 35°C oder mehr. So genau kann ich das nicht sagen, denn das Thermometer im Fahrrad-Tacho zeigt 43,8°C an, weil es eben in der prallen Sonne ist. Inzwischen fahre ich auch nicht mehr mit langer Kleidung, weil es einfach zu heiß ist. Ich creme mich dick mit Sonnenschutz ein, was schon halbwegs hilft.
Bald erreiche ich Belgrad. Die Stadt ist mit ihren teilweise recht alten Stadtviertel und Häusern sehr interessant. Hier mündet die Sava in die Donau. Den Weg aus der Stadt finde ich gut. Es gibt Schilder, die den Weg anzeigen. Es geht über eine mehrspurige Straße aus der Stadt. Ich gebe ordentlich Gas, um im dichten Verkehr nicht zu langsam zu sein. An einer Stelle bin ich aber nicht aufmerksam und verpasse den Abzweig. Mein Versuch mit Hilfe des Navi diesen Fehler ein paar Kilometer später zu korrigieren endet in Matsch und dichtem Gestrüpp. Ich muss tatsächlich die komplette falsch gefahrene Strecke wieder zurück. An dem verpassten Wegweiser nehme ich den richtigen Weg und komme schnell weg von der Hauptstraße. Es geht auf ruhigen Wegen über Hochwasserdämme weiter durch einige Dörfer. In dem ungarischen Dorf “Skorenovac” übernachte ich und verdaue meinen Frust über den verlorenen Weg und den Marsch durch Matsch und Papma bei einem üppigen Abendessen und ein paar Bier.
Rumänien empfängt mich erst einmal mit vielen Höhenmetern. In der Mittagshitze ist der Anstieg sehr anstrengend, da der kühlende Fahrtwind fehlt. Dafür wird diese Anstrengung mit einer schönen Aussicht belohnt. Kilometer für Kilometer nähere ich mich dem “Eisernen Tor”. An dieser Stelle wird die Donau von steilen Felsen in ein recht enges Flussbett gezwängt. Die Landschaft entland der Donau ist wirklich unglaublich schön. Allein um diese unglaublich schöne Landschaft zu sehen, hat sich bislang jeden Anstrengung gelohnt. Es ist wunderschön!
Ich zelte am Ufer der Donau und nehme ein Bad im Fluss. Aber wirklich sauber machte das Wasser nicht. Es blieb ein leichter Schmierfilm auf der Haut zurück. Ein drittes Auge ist mir aber nicht gewachsen (wobei ich da irgendwas Komisches am Rücken habe. So einen Hubbel…)
Nachdem ich den “Großen” und den “Kleinen Kessel” passiert habe, überquere die Grenze nach Serbien. Es ist in Serbien einfacher eine Unterkunft zu finden. Nur einen Tag später erreiche ich die Grenze zu Bulgarien. Das Land empfängt mich mit riesigen Sonnenblumenfeldern die schon von Weitem in kräftigem Gelb leuchten. Die Gegend ist sehr landwirtscahftlich geprägt. Leider gibt es auch Dörfer, die inzwischen fast ausgestorben sind. Das ist schade.
Der Weg verläuft über zahlreiche Hügel. Die Anstiege sind teilweise sehr anstrengend. Oft sind die Böschungen aber zu verwachsen, als dass man ein paar schöne Bilder von der Donau und der umgebenden Landschaft machen könnte. Etwas Kummer bereitet mir die kyrillische Schrift. Denn ich verstehe absolut gar nichts von dem, was die Hinweisschilder sagen. Die Wegweiser an den großen Straßen sind zweisprachig. Viele Abzweigungen, an denen man falsch fahren kann gibt es auch nicht, so dass es unterm Strich keine Probleme wegen der kyrillischen Schrift gibt.
Inzwischen zeigt meine Kilometerzähler 2600 km an.
Trotz des guten Training sind die ständigen Steigungen und Abfahrten auf die Dauer sehr kraftzehrend. In Bulgarien ändert sich der Verlauf der Strecke aber nicht. Aus diesem Grund beschließe ich wieder auf die serbische Seite der Donau zu wechseln. Hier ist der Verlauf der Strecke deutlich flacher.
Die Donau in Rumänien
Auch Rumänien ist in dieser Gegend sehr landwirtschaftlich geprägt. Während ich Anfangs noch über jedes Pferdefuhrwerk das ich sehe ins Staunen gerate, wird dieser Anblick bald selbstverständlich. Die Leute auf den Fuhrwerken grüßen mit einem freundlichen “Salute!”. Ein Gruß, den ich bald auch übernommen habe.
In den Dörfern spielen die Kinder oft vor dem Haus. Wenn sie mich sehen laufen viele von ihnen an die Straße vor. Sie rufen laut, winken und strecken den Arm aus zum “einschlagen”. Ich weiß inzwischen, dass Fahrradhandschuhe nicht nur bei einem Sturz vom Fahrrad vor größeren Schmerzen schützen. Teilweise hauen die Kids ganz gewaltig rein, so dass es fast schon weh tut.
Die Möglichkeiten eine Pension zu finden sind teilweise sehr dürftig. Aus diesem Grund habe ich das Zelt dabei. Ich suche mir immer Stellen, wo ich möglichst nicht auffalle. Ich denke dasd ist die beste Methode: Wenn man nicht gesehen wird, dann erweckt man schon nicht das Interesse irgendwelcher Leute, die vielleicht nicht unbedingt Gutes im Schilde führen. Wenn man aber völlig in der Pampa übernachtet kann es eben sein, dass vielleicht doch mal ein Wildtier in der Nähe des Zeltes vorbei kommt. Auch wenn der Schrecken anfänglich groß war, so ist es wohl doch so, dass ein Wildschwein meist mehr Angst von den Menschen hat als umgekehrt.
In den Städten ist es dagegen kein Problem eine Unterkunft zu finden. Dort findet sich eigentlich auch immer alles, was die Leute brauchen. Während es in den Dörfern fast immer einen oder mehrere “Tante Emma” Läden gibt, so finden sich in den Städten Kaufland, Penny und Co. Aber auch zahlreiche Märkte gibt es in den Städten, wo es täglich frisches Obst und Gemüse gibt.
Auf den Hauptstraßen vor und hinter den großen Städten ist teilweise schon recht dichter Verkehr. Die LKW-Fahrer sind aber wirklich sehr rücksichtsvoll. Nur einer zieht mit seinem Sattelzug ganz gefährlich dicht an mir vorbei. Der hat allerdigns auch im weiteren Verlauf die halbe Straße für sich gebraucht, weil er Schlangenlinien fuhr. Nun, 40-Tonner fahren macht sicher auf diesen engen Straßen richtig viel Spaß. Ich hoffe nur, das er nicht mal jemand zu Tode fährt.
Mit der Fähre geht es erneut über die Donau, man bleibt jedoch in Rumänien. Bulgarien trennt diemal ein alter rostiger Zaun von Rumänien. Die Stadt Silistra liegt in Bulgarien. Allmählich tauchen die ersten Wegweiser auf, die die Kilomter nach Constanta anzeigen. Noch sind die Kilometerangaben dreistellig, aber weit ist es nicht mehr bis zum Schwarzen Meer. Die Landschaft ist leider auch nicht mehr so flach. Inzwischen gibt es auch hier in Rumänien einige kräftige Steigungen zu nehmen.
Die Gegend scheint sehr gut “geeignet” für die Windkraft zu sein. Es gibt riesige Windparks, deren Windräder sich schnell drehen. Leider bedeutet das für mich heftigen Gegenwind. Das macht die Fahrt schon sehr anstrengend. Als ob die ständigen Steigungen nicht schon anstrengend genug wären. Die Fahrt wird teilweise schon fast zur Schinderei. Es ist glühend heiß und der Gegenwind läßt maximal 10…15 km/h zu. Mehr schaffe ich einfach nicht. Meine Beine brennen und mein Wasserverbraucht schnellt in die Höhe. Ich habe nachgerechnet und komme auf 15 Liter am Tag. Nun ja, es hat morgens um 8 Uhr schon 24°C. Am Nachmittag sind es über 35°C. Dazu noch die pralle Sonne und der Wind.
Auf dem Weg nach Norden beschließe ich eine kleine Routenänderung. Ich fahre nicht nach Braila und Galati, sondern nehme den direkten Weg nach Tulcea.
Tulcea ist die größte Stadt am Donaudelta. Hier verzweigt sich die Donau in drei Arme, die letztendlich ins Schwarze Meer münden. Das Donaudelta ist ein Weltkulturerbe und hat dies auch zurecht verdient.
Donaudelta und Schwarzes Meer
Mit dem Fahrrad geht es an der Stelle nicht mehr weiter. Ich buche eine Tagestour mit einem Ausflugsboot ins Donaudelta. Das Wetter ist sehr angenehm und die Fahrt mit dem Boot sehr entspannt. Um zum Kilometer Null zu kommen muss man mit dem Schnellboot über die Donau dort hin rasen. Es sind schon einige Kilometer bis dort hin. Die Fahrt in einem solchen Schnellboot sieht aber alles andere als entspannt aus. Die Leute krallen sich am Sitz oder sonst wo fest, die Boote hüpfen über die Wellen und Gischt spritzt immer wieder in die Boote. Nein, dann lieber gemütlich die Vögel und Fische entlang der Donau beobachten. Es gibt sehr viel zu sehen und abseits der Hauptarme ist es sehr ruhig. Zwischendruch schlafe ich ein, werde aber gleich von den Mitfahrenden auf dem Boot geweckt.
Nach einem erholsamen Tag im Donaudelta fahre ich dann die letzte Etappe bis nach Constanta.
Die Straßen waren an diesem Sonntag nur wenig gefahren. Mit eine kleinen Kutsche fahre ich um die Wette, wer schneller ist. Ein spannender Wettkampf entwickelt sich. Leider folgt auf den Erfolg alsbald eine kräftige Abkühlung: Unterwegs gerate ich in ein heftiges Gewitter. Es gab leider weit und breit außer Bäumen keine Möglichkeit sich unterzustellen. Weil ich aber binnen weniger Minuten ohenhin schon völlig nass war, hat es mich dann auch nicht weiter gestört, die nächsten zwei Stunden im strömenden Regen zu fahren. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Gewitter solch einen langen Atem haben kann. Das Wasser stand auf den Straßen und Blitz und Donner wurden immer noch stärker, als ich glücklicherweise einen Unterstand in einer kleinen Stadt gefunden habe.
Wenig später ist der Spuk dann vorbei und ich kann bis Constanta weiterfahren.
Endlich bin ich am Schwarzen Meer angekommen!
Das Baden im Meer war herrlich.
Für mich hat sich der Traum von der Radtour ans Schwarze Meer erfüllt. Das macht mich wirklich überglücklich.
Ich bin froh, es geschafft zu haben, ohne dass etwas passiert ist. Ich bin ebenso froh, dass ich vor knapp vier Wochen den Mut hatte loszufahren und ich bin dankbar, dass ich die Zeit für diese Reise bekommen habe.
Nun geht es darum meine Heimreise zu organisieren.
Ich weiß nicht, wie einfach es werden wird, wieder nach Hause zu kommen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Bus oder Zug. Ich habe im Vorfeld meiner Reise nichts gebucht oder reserviert, da ich nun wirklich keine Ahnung hatte, ob und wenn ja, wann ich überhaupt in Constanta ankomme. Außerdem hat sich bei der Reise ans Nordkap auch gezeigt, dass es immer einen Weg nach Hause gibt.
Rückreise
Ich habe mich gegen die Rückreise mit dem Bus entscheiden. Der fährt gegen Mitternacht in Constanta ab und es ist eben nicht sicher gesagt, dass an Bord Platz ist für das Fahrrad. So fahre ich zum Bahnhof und erkundige mich nach einem Ticket bis Bukarest. Ich mache meinen Anhänger etwas besser transportfähig in dem ich das Schutzblech entferne und einen Spanngurt um den Anhänger samt Gepäcktasche schnüre. Daran kann man den Anhänger deutlich besser tragen um zur Not Fahrrad und Anhänger auf einmal transportieren zu können.
Von Constanta nach Bukarest dauert die Fahrt etwas über zwei Stunden. Es gibt einen Wagen, in dem Fahrräder mitgenommen werden können. Alles läuft unproblemtisch.
Weil der erste Teil der Rückreise mit der Bahn so problemlos war, habe ich beschlossen mit der Bahn weiterzufahren. In Bukarest kaufe ich mir bei einer sehr “motivierten” Service-Dame eine Fahrkarte für die Fahrt bis Budapest.
Im Zug befestige ich das Fahrrad ganz vorne im ersten Wagen am Durchgang zur Lok, weil dort keiner druchlaufen muss / kann. Dort sollte das Fahrrad am wenigstens stören. Der Schaffner ist nicht gerade glücklich, als er ich ihm erkläre, dass ich keine Fahrradkarte bekommen habe und dies mit ihm im Zug “regeln” soll. Er hat sich aber nicht weiter an meinem Fahrrad gestört somit der die Sache vom Tisch. Die Fahrt bis Budapest ging etwas länger, als ich angenommen hatte. Die Auskunft in Bukarest war leider nicht ganz eindeutig. Viertel nach Neun, kann eben sowohl 21:15 Uhr bedeuten, als auch 09:15 Uhr am nächsten Morgen. Da letztere Uhrzeit gemeint war, hat sich die Frage der Übernachtungsmöglichkeit in Budapest erledigt.
Ich bin am nächstens Vormittag dann über Györ weiter nach Wien gefahren. Dort war dann erst einmal eine Pause. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf´s Zugfahren. Ich wollte nur noch raus. In einer schönen Jugendherberge habe ich eine Nacht verbracht und bin am nächsten Tag mit dem Zug über Salzburg nach München gefahren. Das Wetter war grauenvoll. Und beim Umsteigen habe ich deutlich gemerkt, dass ich wohl etwas zu sommerlich für das österreichische und deutsche Sommerwetter angezogen bin.
Gegen Abend erreiche ich Stuttgart.
Die letzten Kilometer von Stuttgart nach Leonberg fahre ich selbstverständlich mit dem Fahrrad. Nach drei Tagen im Zug brauche ich wirklich dringend etwas Bewegung. Die Steigung vom Westbahnhof zum Birkenkopf komme ich selbst mit dem Anhänger noch recht gut hoch. Nun ja, die 3500 km merkt man eben doch.
Mit einem guten Freund treffe ich mich Abends in Leonberg noch auf ein Bier (oder zwei). Ich erzähle von meinen Erlebnissen bis mir irgendwann vor Müdigkeit die Augen zufallen. Am nächsten Morgen freue ich mich auch meiner Mutter von meiner Reise zu berichten.
Damit wäre die Donauradtour 2014 zu Ende.
Ich hoffe, dass ich irgendwann mal wieder auf eine große Tour gehen kann!
Island-Rundreise 2012
Die Idee Island mit dem Fahrrad zu erkunden ist vielleicht schon etwas ungewöhnlich. Viele Leute lassen sich von Wetter bzw. Klima dort oben abschrecken. Aber so schlimm ist es gar nicht (naja, jedenfalls nicht immer...)
Nach meiner Fahrt ans Nordkap war ich schon etwas mit dem Klima in Nordeuropa vertraut. So habe ich mich nicht unbedingt ums Klima in Island gesorgt. Ich wollte dieses Land im Norden einfach mal besuchen. Die Idee hatte ich bei einer Wanderung in Neuseeland. Kurz zuvor hatte ich in Neuseeland ein paar heiße Quellen und Sulfatarengebiete besichtigt und bin dann recht schnell zu dem Schluss gekommen, dass Island auch viele solcher heißen Quellen hat, was sicherlich sehr interessant ist. Dies ist ganz bestimmt eine Reise wert.
Weil ich ohnehin so gerne mit dem Rad unterwegs bin, war es für mich natürlich keine Frage, diese Reise ebenfalls mit dem Rad zu unternehmen. Die Anreise allerdings erfolgte schon mit dem Flugzeug. Zurück ging es dann per Fähre. Mein Reisebüro hier in Leonberg hat mich bei der Buchung des Fluges und der Fähre wirklich erstklassig unterstützt. Klar, man kann das heute auch alles selber im Internet machen, aber unterm Strich kommt man selten günstiger weg. Und außerdem sind das eben Fachleute, die einem bei der Vorbereitung viel Arbeit abnehmen. Warum also nicht diesen Service in Anspruch nehmen?
Insgesamt bin ich knapp vier Wochen unterwegs gewesen. Drei Wochen davon habe ich in Island verbracht. Die restlichen Tage zum Teil in Dänemark und eben auch in Deutschland. Wie schon erwähnt habe ich zur Anreise das Flugzeug genommen. Für die Rückreise dann die Fähre von Island nach Dänemark. Die Fähre ist ganz im Norden Dänemarks angekommen und so bin ich noch ein paar Tage durch Dänemark gefahren, um nach Flensburg zu gelangen. Von dort bin ich dann mit dem Zug nach Hause gefahren.
Insgesamt sind auf der Tour 2145 Kilometer zusammen gekommen. Wie viele Höhenmeter es waren, kann ich nicht sagen, aber es waren einige.
Ich denke gerne an diese Reise zurück. Außerdem habe ich auf dieser Reise erfahren, was ein „Sturmtief über Island“ in Wirklichkeit bedeutet, wenn der Wetterbericht das hier in Deutschland so nebenbei erwähnt.
Viel Spaß beim Lesen der einzelnen Kapitel!
Island-Rundreise - Erste Woche
Ich habe mir lange überlegt, ob ich die Anreise nach Island auch mit der Fähre machen soll. Da es inzwischen aber nur noch eine Fährverbindung für den Personenverkehr nach Island gibt, erschien mir das als nicht sinnvoll. Zu zeitintensiv wäre die An- und Abreise geworden. Aus diesem Grund habe ich mich nach einer Flugverbindung erkundigt. Ich wusste noch von meinem Rückflug vom Nordkap, dass der Fahrradtransport per Flugzeug gar nicht so dramatisch ist, wie ich früher immer gedacht habe. Bei Iceland-Air gab es einen Direktflug von Stuttgart nach Keflavik. Dies ist der internationale Flughafen von Island. Eine solch einfache Verbindung nach Island war dann auch der ausschlaggebende Punkt das Flugzeug zu nehmen. Weil ich aber für die Rückreise auf keinen Fall mein Fahrrad wieder stundenlang mühevoll einpacken wollte, war die Rückreise per Fähre auf jeden Fall gesetzt. Auch wollte ich unbedingt mal wieder etwas „Schiffle“ fahren. Per Fähre ist die Rückreise völlig einfach. Man stellt das Fahrrad einfach irgendwo im Lagerraum an die Seiten und dann ist es o.k. Natürlich nicht grade irgendwo in den Weg…
Da nun aber Startpunkt und Ziel meiner Island Reise nicht mehr derselbe Ort waren, musste ich mich vom Gedanken einer Umrundung Islands verabschieden. Das wäre aus Zeitgründen nicht möglich gewesen, oder jedenfalls sehr knapp geworden. Um aber dennoch einen Blick auf den Vatnajökull werfen zu können, habe ich mich für eine Tagestour dort hin entschieden. Per Bus ging es von Reykjavik Richtung Süd-Osten bis zum Jökulsarlon, einem Fjord in den der Vatnajökull kleine und große Eisberge kalbt.
Nach diesem Ausflug per Bus habe ich dann meine Fahrt um Island angetreten und bin nach Norden in Richtung Breidafjördur gefahren.
Island-Rundreise - Zweite Woche
Die erste Woche in Island ist recht anstrengend gewesen. Ich habe einfach etwas Zeit gebraucht, um mich an das Klima zu gewöhnen. Als ich in Deutschland aufgebrochen bin, hatte es knapp 30°C. Da waren die 15 … 17°C schon eine deutliche Abkühlung. Auch musste ich mich noch etwas an mein neues Rad gewöhnen. Mein alter Nordkap-Begleiter „Scotty“ konnte wegen eines Rahmenbruch nicht mit auf die Reise gehen, so dass ich noch recht kurzfristig einen Ersatz beschaffen musste. Mit „Speedy“ habe ich einen adäquaten Ersatz gefunden, aber es brauchte eben doch etwas Zeit zum eingewöhnen.
Den Nordwesten Islands habe ich während meiner Reise nicht besucht. Zu wenig Möglichkeiten für Camping und vor allem um Essen zu bekommen, machten die Entscheidung erforderlich. Es wären einfach recht große Distanzen zu fahren gewesen und ich wollte mich bei all dem schließlich auch nicht übernehmen. Was das „Jedermanns-Recht“ beim Campen angeht, so gibt es dieses Recht auch in Island. Man darf überall für eine Nacht campen, sofern das Gelände nicht umzäunt ist, also jemand sichtlich gehört. So habe ich dieses Recht für mich interpretiert. Sicher hätte man auch trotz Zaun campen können, aber es ist eben einfach nicht erlaubt. Und weit und breit war niemand, den um hätte um Erlaubnis fragen können.
Der Breidafjördur ist für seine Wal-Beobachtungen bekannt. Auch sicher ein echtes Abendteuer, diese riesigen Säugetiere einmal mit eigenen Augen zu sehen. Aber für solche Abenteuer werden auch abenteuerliche Preise verlangt. Um meine Reisekasse zu schonen, habe ich auf solch einen Ausflug verzichtet.
Island-Rundreise - Dritte Woche
Weil ich auf den Besuch der Fjorde im Nordwesten verzichtet habe, wollte ich aber auf jeden Fall die Fjorde im Norden in aller Ausführlichkeit durchfahren. Wichtig war mir auch immer, möglichst von der Ringstraße „1“ wegzukommen. Denn auf dieser Straße ist schon immer sehr viel Verkehr. Und wenn sich dann blöderweise einer der wenigen LKWs und einer die vielen Wohnwagen-Gespanne gleichzeitig begegnen, wird es auf der Straße dann eng. Vor allem für Radfahrer, wobei nie die LKWs das Problem waren…
Ich wollte eine schöne Tour durch die Skagaheidi machen. Eine Landzunge im Norden Islands, die von einen kleinen Schotterstraße umrundet wird. Aber leider war für mich schon gleich an der Abzweigung zu dieser Schotterpiste Schluss. Die Straße durfte nur von Anwohnern befahren werden. „Eisbären-Alarm“! Vor wenigen Tagen wurde wohl ein Bär gesichtet, der von Grönland her an Land gegangen sein soll. Weil die Eisbären nach so einer Strecke wohl sehr hungrig sind, ist es derzeit dort zu gefährlich für Touristen. „…und Radfahrer mögen die Bären dann ganz besonders…“ meinte einer der Feuerwehr-Leute, die die Straße gesperrt hatten. Ich wollte es jedenfalls nicht darauf ankommen lassen, zum Abendessen zu werden und bin einfach Richtung Osten weitergefahren zur nächsten Landzunge (ganz ohne Eisbär!).
Sehr spannend war auch das Solfataren-Gebiet rund um den Myvatn. Überall gab es kleine Löcher, Ritzen und Öffnungen, aus denen Dampf aufstieg. Etwas Schwefelgeruch lag immer in der Luft. Hier betrieben die Isländer einige Geothermie-Kraftwerke. Nur durch die Wärme des Erdinneren wird hier im recht großen Umfang Strom produziert. Inzwischen wird so viel Strom produziert, dass sich die Produktion von Aluminium in Island lohnt. Der Rohstoff (Bauxit) wird in großen Mengen per Schiff nach Island gebracht. Im Lichtbogen-Ofen wird daraus dann Rohaluminium für die weitere Verarbeitung in Europa oder Amerika.
Beeindruckend war auch der Dettifoss. Der größte Wasserfall im Nordosten Islands. Gespeist wird der Dettifoss mit dem Schmelzwasser des Vatnajökull. Über eine Breite von etwa 100 Meter ergießen sich die grau-braunen Wassermassen über 45 Meter in die Tiefe! Ein sehr beeindruckendes Schauspiel.
Island-Rundreise - Vierte Woche
Nach dem beeindruckenden Schauspiel von Dettifoss und Hafragilsfoss im innern Teil des Landes, bin ich dann wieder nach Norden an die Küste Islands gefahren. Die nördlichste Landzunge Islands wollte ich auf jeden Fall noch umrunden. Eisbären sollte es hier keine geben, aber den Ausblick auf eine kleine Insel im Nordmeer. Durch diese verläuft der Polarkreis.
Nach Seydisfjördur zur Fähre ist es nun nicht mehr weit. Ich überlege mir schon seit Tagen, ob sich vielleicht doch noch ein Abstecher ins Hochland lohnt. Einen kleinen Ausflug dort hin habe ich zu Beginn meiner Tour bereits unternommen. Aber so einen halbwegs vernünftigen Rundkurs kann ich in der Karte nicht entdecken. Und dieselbe Strecke hin und zurückfahren will ich auf keinen Fall. In Egilsstadir beschließe ich schließlich einen einfachen und kleinen Abstecher nach Südosten zu machen. Hier gibt es noch zahlreiche kleiner Fjorde, die man erkunden kann. Außerdem besteht hier die Möglichkeit für einen schönen Rundkurs. Und so fahre ich zum Stödvarfjördur bevor ich mich nach einem weiteren Aufenthalt in Egilsstadir auf den Weg zur Fähre nach Seydisfjördur mache.
Die Überfahrt mit der Fähre war sehr entspannt. Insgesamt ist man zweieinhalb Tage auf See unterwegs. Das reicht aber auch wirklich, denn irgendwie kommt bald Langeweile auf und die Beine rufen nach Bewegung. Die Fähre macht einen kurzen Stopp an den Färöer-Inseln, bevor es dann nach Dänemark weitergeht. In Dänemark kommt man ganz im Norden des Landes an. Man muss also noch durch ganz Dänemark fahren, wenn man in Flensburg mit dem Zug weiter nach Süden kommen will. Grundsätzlich gibt es eine Zugverbindung vor Hirtshals im Norden bis Flensburg. Ein Zugticket habe ich aber nicht im Voraus gekauft, weil ich mir schon überlegt habe, das „Stückle“ durch Dänemark auch noch kurz mit dem Rad zu fahren. Weil die Bahn wegen einer beschädigten Brücke nicht von Hirtshals aus gefahren ist, sind einige Radreisende ins Schwitzen gekommen, da der Schienen-Ersatzverkehr keine Fahrräder mitnimmt. Mich hat dies zum Glück nicht betroffen.
Aber mit mal kurz die Dänemark rauschen auf einer „Po-Backe“ war es leider nichts. Das lag aber nicht daran, dass irgendwelche unüberwindbaren Berge zwischen mir und Flensburg lagen, sondern ein sehr strammer Wind aus Süden, hat mir das Leben schon schwer gemacht. Da hatte ich an manchen Tagen schon ordentlich zu kämpfen. Dennoch war es schön, auch mal Dänemark mit dem Rad zu „erfahren“. So quasi „on the fly“…
Von Flensburg aus ging es dann mit dem Zug nach Hause. Auch hier waren im IC die Fahrradplätze ausgebucht. Wer im Sommer mit dem Rad in den IC will, der muss wirklich früh buchen. Oder eben mit dem Regionalexpress fahren. Ich habe nach einem Tag im Zug einen Stopp in Göttingen eingelegt und einen Bekannten dort besucht. Nach dieser Pause war dann die restliche Strecke im Zug gut zu meistern.
Radreise zum Nordkap 2010
Ein Reisebericht über meine Fahrradtour von Göteborg ans Nordkapp.
Abfahrt mit dem Zug in Leonberg war am Freitag, 02. Juli 2010
Zurück in Leonberg war ich am Sonntag, 01. August 2010
In Summe bin ich knapp 2800 km mit dem Fahrrad gefahren.
Der Gedanke, mit dem Fahrrad einmal bis ans Nordkapp zu fahren, hat mich eigentlich seit einer Wohnmobiltour mit ein paar guten Freunden im Jahr 2005 nie mehr so richtig los gelassen. Schon damals wollten wir eigentlich sehr weit nach Norden fahren. Die Zeit und eine Kilometerbegrenzung des Vermieters hatten uns jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. So war für mich der Besuch am Nordkapp quasi noch eine offene Rechnung.
Ende Februar 2010 fiel dann für mich die Entscheidung, dass ich die Tour fahren werde. Es ist gar nicht immer so einfach vier Wochen Urlaub zu bekommen. Aber letztendlich konnte ich meinen Chef davon überzeugen. Schließlich bin ich den Rest des Jahres dann auch wieder die ganze Zeit im Büro.
Lange habe ich überlegt, wie ich mein Gepäck transportieren soll. Mein damaliges Bike (“Scotty”) war ein Fully und daran lassen sich nur sehr umständlich Gepäcktaschen befestigen. Ich habe mich nach langer Recherche für einen kleinen Ein-Rad-Anhänger entscheiden. Die Anschaffung des B.O.B. Ibex war wirklich eine sehr gute Investition. Inzwischen gibt es zahlreiche Nachbauten, die teilweise erheblich günstiger sind. Aber nichts taugt auch nur annähernd so viel wie der Bobby!
Nun ging es noch um die Klärung des Termins. Weil Kollegen mit Familie bei der Planung der Sommerferien Vorfahrt haben, habe ich mich entschieden, möglichst VOR den Sommerferien wieder zu Hause zu sein (mit einer kleinen Überschneidung ist mir das auch ganz gut gelungen).
Zum Aufbau des Berichtes:
Die Aufteilung der Reise in die Teile 1 bis 5 ist nur der besseren Übersichtlichkeit geschuldet.
Zu jedem Teil gibt es eine kleine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse. Diese Zusammenfassungen habe ich neu erstellt. Die Ereignisse der Tagesetappen habe ich während der Reise jeden Abend in mein Tagebuch geschrieben.
Viel Spaß beim Lesen.
Noch ein Hinweis:
Das Nordkap (Nordkapplatået) ist ein steil aus dem Eismeer emporragendes Schieferplateau (Kap) auf der norwegischen Insel Magerøya und befindet sich auf dem Gebiet der nach ihm benannten Kommune Nordkapp. Es liegt auf 71° 10′ 16″ nördlicher Breite, rund 2100 Kilometer vom Nordpol entfernt und 514 Kilometer nördlich des Polarkreises.
Quelle: Wikipedia
Um Zeit zu sparen konnte ich nicht von Leonberg aus mit dem Rad direkt los fahren. Ich hatte nur vier Wochen Zeit für die Radreise. Bis zu dieser Reise hatte ich eignetlich auch noch nicht wirklich ein Gefühl dafür, wie sich solche langen Touren bewältigen lassen. Klar hatte ich die große Hoffnung bis ans Nordkapp zu kommen, aber bis dort hin lagen einige tausend Streckenkilometer und viele Höhenmeter vor mir.
Weil ich nicht sicher war, ob ich solch eine Strecke überhaupt schaffe, habe mir über die Rückreise auch vor der Abfahrt nicht viele Gedanken gemacht. Sicher, ich habe mich informiert wo die Züge abfahren, mit denen ich ggf. beim Abbruch der Reise wieder zurück komme. Aber wenn man ans Nordkapp will, dann denkt man erst einmal ans Hinkommen und im Hinterkopf vielleicht ein klein wenig an die Rückreise (oder einen evtl. Abbruch).
Es ging also von Leonberg mit den Zug erst einmal nach Kiel. Per Fähre dann weiter nach Göteborg.
Tja und dann steht man erst einmal da am Hafen mit seinem Zeugs. Der Rucksack gefüllt mit Proviant, der Anhänger bepackt mit allem von dem man denkt, es in den nächsten Wochen zu benötigen und jede Menge Kribbeln im Bauch, weil es nun endlich los gehen kann. Etwas Regen stört da erst einmal nicht wirklich.
Die Richtung ist auch klar: Norden.
Nur ist es in der Stadt nicht immer ganz so einfach die Orientierung zu behalten. Die Karten, die ich dabei habe sind von der Auflösung auch in Städten jedoch halbwegs brauchbar. Dennoch lande ich am Anfang beinahe auf einer Autobahn. Ich gebe zu, dass ich mir die Karten zu Anfang nicht ganz so gründlich angeschaut habe, wie ich es vielleicht hätte tun sollen. Aber es macht andererseits wenig Sinn, die komplette Strecke bis ans Nordkapp schon von vorne herein fest zu planen. Es gibt viele Wege, die nach Norden führen. Welches der Beste Weg ist, weiß man erst wenn man die anderen schon gefahren ist.
Gleich zu Anfang meiner Tour legte ich auch einen Sturz hin.
Ich wollte noch einmal einen Blick in die Karte werfen und halte nur kurz an. Ich vergesse, dass ich mit dem Schuh noch im Pedal eingehakt bin und falle im Stand um. Weil es an der Stelle abschüssig war, habe ich mich ganz ordentlich verletzt: Schulter und das rechte Knie bluten ziemlich. Die Hände habe ich mir dank der Handschuhe nicht aufgerissen. Die schmerzende Schulter wird mich die nächste Zeit noch beim Schlafen im Zelt auf der Isomette plagen und die Wunde am Knie braucht nach der Reise noch einige Wochen bis alles verheilt ist. Denn die Wunde liegt so ungünstig, dass ich jedesmal beim Knien im Zelt oder sonst wo darauf komme. Die ständige Bewegung beim Kurbeln lässt die Wunde auch nicht schneller abheilen.
Zu einer Fahrradtour gehört unbedingt auch die Übernachtung im Zelt.
Mit meinem “Hotel Hilleberg” bin ich ganz gut gerüstet. Den Namen gab ich dem Zelt wohl auch wegen des Preises. Denn Hilleberg ist nicht grade der günstigste Anbieter von Zelten. Aber weil das Klima im Norden Europas schon etws rauher sein kann, wollte ich nicht mit einem Zelt vom Discounter los ziehen.
Zum Anderen hat das Hotel Hilleberg auch viel Platz, um darin einen Regentag zu verbringen, so es denn sein muss. Es gibt genügend Platz, um sich auszubreiten. Außerdem fühlt man sich bei Regen darin wirklich sicher. Selbst im kräftigen Dauerregen hatte ich bislang nie die Sorge, dass Wasser ins Zelt rein kommen kann.
So etwas ist schon sehr wichtig!
Zelten im Sommer in Nordeuropa bedeutet zunächst einmal, sich an die ständige Helligkeit zu gewöhnen. Denn im Sommer ist es selbst um 3 Uhr noch hell. Es hängt natürlich davon ab, ob man im Süden unterwegs ist, oder weit oben im Norden.
Die Straßen in Schweden lassen sich relativ einfach in Kategorien einteilen:
Autobahnen, Landstraßen, Schotterstraßen und Matsch.
Die Autobahnen sind natürlich nichts für Fahrrad. Und die Landstraßen unterscheiden sich in der Anzahl der Ziffern in ihrer Nummerierung:
1-stellig –> Sehr gut ausgebaut, sehr viel Verkehr und Lärm
2-stellig –> Fester Belag, aber weniger Verkehr
3-stellig –> Meistens fester Belag, hin und wieder Schotter-Stücke, wenig Verkehr
ohne Nummer –> In der Regel Schotter, viele Schlaglöcher, Matsch oder Staub, aber sehr wenig Verkehr
Ich habe bei meiner abendlichen Planung der Route für den nächsten Tag versucht in der Regel die 3-stelligen Straßen zu nutzen. Die erschienen mir einfach als der beste Kompromiss zwischen Verkehrsdichte und Straßenverhältnis.
Nach getaner Planung war meist Zeit für ein gemütliches Bierle. In Schweden und Norwegen gibt es im Supermarkt eigentlich nur Bier mit einem Alkoholgehalt von 3,5% zu kaufen. Alles andere gibt es nur im Restaurant oder in speziellen Schnapsladen. Die Preise für das “Starköl” sind dann aber mit 5 bis 7 Euro jenseits von gut und böse.
Ich bin ja aber nicht wegen des Bieres in Schweden, sondern um mit dem Fahrrad ans Nordkapp zu fahren!
Da in Schweden das “Jedermanns-Recht” gilt, darf man auf allen Wiesen usw., die nicht umzäunt sind für einen Nacht campen. Ich habe hin und wieder von diesem Recht gebrauch gemacht. Im Großen und Ganzen sind unangenehme Überraschungen ausgeblieben. Hin und wieder sind in der Nacht Leute aufgetaucht, aber auch bald wieder verschwunden. Probleme gab es nie. Dennoch muss ich sagen, dass mir das Zelten alleine in der Pampa nicht ganz so liegt. Warum auch immer, so fühle ich mich am Campingplatz wohler. Ich habe aber festgestellt, dass es auch hier eine reine Gewohnheitssache ist. Man muss es nur oft genug machen, dann stört einen das wilde Campen nicht mehr und man schläft in aller Ruhe.
Wenn Regen in Sicht war, dann habe ich mich allerdings schon auch gerne mal in eine Stuga verkrochen.
Weiter geht es mit Kapitel 3
Je weiter man nach Norden kommt, desto rauher wird die Landschaft.
Es fällt in Schweden das am Besten auf, wenn man den Wald betrachtet:
Im Süden ist der Wald überall sehr dicht. Die Fichten haben sehr dichte Nadeln und stehen auch sehr dicht zusammen. Je weiter man allerdings nach Norden kommt, umso lichter werden die Fichten und die Bäume stehen auch deutlich weiter auseinander. Die Wälder an sich sind bei Weitem nicht mehr so dicht.
Bis dann irgendwann der Punkt kommt, an dem die Bäume gänzlich verschwunden sind und nur noch Graslandschaft (oder Tundra) vorkommt.
Weil auch die Siedlungsdichte nach Norden hin start abnimmt, sind die Tiere hier nicht so scheu. Und so begegne ich kurz hinter der Grenze zu Lappland den ersten Rehntieren. Irgendwie kam es mir schon vor, als wären die Tiere bestellt gewesen, denn wirklich kurz hinter dem Schild zur Gebietsgrenze sind die Ersten aufgetaucht. Ich war beeindruckt, wie wenig Scheu die Rehntiere vor den Menschen haben. Und so konnte ich ein paar Bilder von ihnen machen. Beinahe wäre ich wieder vom Rad gefallen, weil ich vor lauter Freude und Aufregung über die Rehntiere fast vergessen hätte anzuhalten, bevor ich die Kamera aus dem Rucksack hole. Aber die Rehntiere haben geduldig gewartet, bis ein paar Fotos auf der Speicherkarte gelandet sind.
Nur im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr sind die Rehntiere nicht ganz so berechenbar, wie man das erwarten könnte. Kurzum: Die Viecher sind echt total hohl…
So stehen die erst einmal in einem Rudel mitten auf der Straße. Kommt ein Auto, dann laufen sie zuerst in alle Himmelsrichtungen auseinander. Aber nur, um Sekunden später die Richtung zu ändern und wieder über die Straße zu den anderen Rehntieren zu rennen. Meist reicht es irgendwie, dass es keine Unfälle gibt, aber ein paar habe ich doch totgefahren im Graben liegen sehen. Ich vermute mal, die Langholz-Lastwagen sind nicht ganz so rücksichtsvoll wie die Autofahrer. Bei denen ist man als Radfahrer schon fast in der gleichen Kategorie, wie die Rehntiere.
Wahrscheinlich gibt´s wegen überfahrener Radfahrer aber deutlich mehr Ärger und deswegen halten die LKW nicht voll drauf. Aber knapp geht es schon hin und wieder zu. Auch wenn die LKW entgegen kommen, so fahren diese meist sehr schnell. Mir wäre das Tempo nicht geheuer, aber Zeit ist bei denen wohl bares Geld. Wenn so ein LKW auf schmaler Strecke entgegen kommt, dann trifft die Druckwelle, die der LKW vor sich her schiebt einen wirklich fast, als würde man gegen eine Wand fahren. Ich versuche mich immer recht klein zu machen, damit die Wucht nicht so groß ist.
Anstrengend sind solche langen Touren auf jeden Fall. Und wenn man den ganzen Tag mit dem Rad unterwegs ist, dann braucht man schon ganz ordentliche Mengen zu futtern. Irgendwo muss die Energie herkommen. Das habe ich an einem Tag auch ganz deutlich gemerkt. Weil McDonalds und Co. in Nord-Schweden nicht grade an jeder Ecke zu finden sind, habe ich Proviant in meinem Rucksack dabei. Und weil ich zu faul zum Kochen bin, besteht der Proviant in der Regel aus Brot, Käse, (Wurst), Mais und ein paar Süßigkeiten. Weil das auf Dauer auch etwas einseitig ist, hatte ich eines Morgens beschlossen ein extrem gesundes Frühstück zu machen. Es gab Ananass, Milch, etwas Müsli, Trauben und noch ein paar andere gesunde Dinge. Natürlich keine Süßigkeiten, denn die wollte ich ja unbedingt weglassen. Mit diesem “Tankinhalt” bin ich aber keine 30 Kilomter weit gekommen. Dann ging kein Rad mehr rum. Eigentlich ging es schon während der 30 Kilometer recht schleppend voran. Ich war recht gefrustet darüber und habe alsbald eine Pause eingelegt. Ich habe brav Brot und Käse gegessen, eine Dose Mais und weil ich irgendwie gefrustet war noch eine ordentliche Portion Doppelkekse. Nach einer kleinen Pause in der Sonne, habe ich es dann nochmal versucht. “…Vielleicht läuft es jetzt ja besser” habe ich mir noch gedacht, als ich wieder aufs Rad gestiegen bin. Und siehe da: Nach ein paar Kilometern hatte ich wieder richtig Tempo drauf und fuhr dem Nordkapp mit voller Kraft entgegen.
Seit diesem Tag weiß ich, dass Müsli und Obst auf jeden Fall immer noch sehr gesund sind, aber wenn man mit dem Rad 100 Kilometer oder mehr machen will, dann braucht es noch andere Dinge, die Energie liefern. Allerdings halte ich “Energy-Riegel” und Co. für teuren Quatsch. Doppelkekse rocken auf jeden Fall besser wie die Dinger.
“However you do it, go to the f***ing North…!”
(Wie auch immer Du es anstellst, Du MUSST in den Norden…!)
Das waren die Worte eines recht betrunkenen Soldaten, dem ich noch recht weit unten im Süden Schwedens begegnet bin. Zuerst war ich etwas verärgert über seine recht drastischen Worte. Aber mit jedem Kilometer, den ich nördlich des Polarkreis gefahren bin habe ich seine Worte mehr und mehr verstanden. Würde ich ihn wieder treffen, würde ich ihm gerne sagen, wie f***ing recht er hatte!
Der Jockfall ist einer der größten Wasserfälle, die ich je gesehen habe. Ein unglaubliches Naturschauspiel, bei dem jede Sekunde gigantische Wassermassen zu Tal stürzen. Es ist aber nicht nur dieses wunderschöne Naturschauspiel, dass mich so sehr beeindruckt, es ist auch die Landschaft, die sich inzwischen schon sehr gewandelt hat. Es gibt nur noch wenige Bäume und die Tundra überwiegt allmählich. Es sind endlose Weiten und ganz entfernt am Horizont werden Himmel und Erde eins. Als kleiner Wicht, nur unterwegs mit dem Fahrrad, könnte man sich in dieser Landschaft schnell sehr verloren vorkommen. Aber mit Nichten! Die Tundra ist keine trostlose Gegend, sondern ebenfalls voller Pflanzen, die zum Teil in sehr schönen Farben blühen.
Ganz hinten am Horizont tauchen die ersten Berge auf. Mit dem Fahrrad ist so eine fast endlose Strecke keines Wegs öde. Mit einer regelmäßigen Energiezufuhr in Form von Doppelkeksen geht es zügig voran. Viel Verkehr ist auf den Straßen hier oben im Norden nicht mehr. Deswegen kann ich auch hin und wieder 2-stellige Straßen fahren, weil die 3-stelligen inzwischen fast ausschließlich Schotterpisten geworden sind (und mein Hintern lehnt diese kategorisch ab…)
Ein kurzer Abstecher nach Finnland bringt mir die Erkenntnis, dass die Finnen den Euro haben (sorry, dass ich das nicht vorher recherchiert habe…) und, dass es normales Bier in 1 Liter Dosen dort recht günstig zu kaufen gibt. Da habe ich natürlich nicht ganz widerstehen können und mir einen kleinen Vorrat für den nächsten Abend eingekauft.
Die weitere Tour verlief dann in Norwegen. Allmählich wurden auch die Dörfer immer seltener. Zur Sicherheit vergrößere ich meinen Proviant. Denn die ein oder andere Nacht verbringe ich wieder mit Wild-Campen. Auch das Wetter zeigt sich mittlerweile von seiner rauhen Seite. Regen und teilweise sehr starker Wind machen die Etappen zum Teil sehr anstrengend. Es ist einfach die Prüfung, die man ablegen muss, wenn man mit dem Rad ans Nordkapp will. Man fährt da nicht einfach mal so aus einer Bierlaune heraus hin…!
Die Berge, die ich vor ein paar Tagen noch am Horizont gesehen habe, sind mittlerweile schneebedeckt. Doch auch hier in den Bergen finden sich immer wieder Orte zum Erholen. So habe ich nach ein paar verregneten Tagen auf dem Fahrrad und klammen Nächten im Zelt einen Unterschlupf in “Engholms Husky Lodge” gefunden. Einen der schönsten Orte, an denen ich je geschlafen habe. Ich bin nur froh, dass ich das Heulen der Hunde, dass irgendwie nach Wolf klang, nicht in den Nächten davor gehört habe, in denen ich irgendwo in der Tundra gezeltet habe…
Nach und nach rückt das Nordkapp näher. Die ersten Fjorde lassen erkennen, dass es nicht mehr weit sein kann. Das Wetter bessert sich und so gibt es eigentlich nur noch eine große Hürde zu nehmen: Den Nordkapp-Tunnel.
Jedes Fahrrad-Forum im Internet weiß hierzu eine andere Geschichte. Ich muss aber durch diesen Tunnel, um ans Nordkapp zu kommen. Die Einen schreiben, dass man dort nicht mit dem Fahrrad durch kann und darf. Es ist viel zu gefährlich. Die Anderen sagen, es wäre wohl schon möglich. Alles in allem also keine ganz rosigen Aussichten für meine letzte Etappe. Schließlich habe ich mich an einem Sonntagmorgen gegen 4 Uhr auf den Weg gemacht, um durch den Tunnel zu fahren. Meine Hoffnung war, dass um diese Uhrzeit wenig Verkehr ist und ich somit ohne große Probleme durch den Tunnel komme. Tatsächlich war dort außer einem großen Loch im Berg sonst nichts und niemand, der mich an meinem Vorhaben hätte hindern können. Wie es im Tunnel war, ist in der Etappe vom 25. Juli zu lesen.
Die letzten Kilometer zum Nordkapp waren alles andere als einfach zu fahren. Ich habe im Tunnel wohl einfach etwas zu viel Gas gegeben, was Kraft gekostet hat.
Doch dann sehe ich mein Ziel, für das ich so viele Kilometer und Tage unterwegs gewesen bin:
Durch die Fenster der “Nordkapphalle” ist die große Weltkugel zu sehen.
Die Weltkugel liegt auf 71° 10′ 16″ nördlicher Breite und markiert somit den “fast” nördlichsten Punkt Europas. (Es gibt nur ein paar Kilometer weiter entfernt den wirklich nördlichsten Punkt, aber dort kommt man eben nicht so einfach hin).
Als ich bei der Weltkugel stehe, kann ich es zuerst einmal gar nicht fassen. Ich habe es tatsächlich bis hier her mit dem Fahrrad geschafft. Mir tausend Gedanken und Bilder der vergangenen Tage und Wochen durch den Kopf. Für einen kurzen Moment überwältigen mich die Gefühle. Es ist so unglaublich hier zu stehen. Was zuerst einfach nur ein kleiner Gedanke war, ist Wirklichkeit geworden und ich stehe hier auf einem Schieferplateau im Eismeer am nördlichsten Punkt Europas. Von hier aus sind es noch knapp 2100 Kilometer bis zum Nordpol. Wie es wohl hinterm Horizont weitergeht…?
Während die letzen Tage das Wetter hier oben offenbar grauenhaft gewesen sein muss und die Sicht gleich null war, habe ich das schlechte Wetter etwas weiter im Süden hinter mich gebracht. Nun werde ich dafür mit dem schönsten Sonnenschein belohnt: Die Sonne scheint wärmend vom stahlblauen Himmel. Es ist morgens 11 Uhr. Bis zur Mitternachtssonne werde ich noch 13 Stunden warten müssen. Ich war nun so lange unterwegs und werde mir diese Schauspiel auf keinen Fall entgehen lassen. Das Wetter in der Nacht soll gut bleiben.
Nun, da ich viel Zeit habe, macht sich schnell eine gewisse Leere breit. Ich bin am Ziel angekommen. Von hier aus komme ich nicht mehr weiter nach Norden. Komisch: Schon zur Mittagszeit “Feierabend” machen. Das ist so gar nicht mein Ding. Ich bin doch heute noch gar nicht so viel gefahren!?
Allmählich merke ich, wie kalt der Wind Wind hier oben trotz den Sonne ist. Ich suche mir einen warmen Platz in der Nordkapphalle und lasse mir eine Tasse heißes Wasser brignen. Ich versuche darin den Instant-Wein, den ich von zu Hause aus für diesen Augenblick mitgenommen habe, aufzulösen. Das Ergebnis schmeckt irgendwie schauerlich. Wozu muss es denn auch immer Alkohol sein?! Tagsüber ist hier in der Halle recht wenig los. Ich wundere mich wirklich, dass zu diesem Touristen-Magnet nicht mehr Leute kommen. Auch draußen sind nur wenige Menschen zu sehen. Das ändert sich gegen Abend aber zusehend. Im Minutentakt kommen Busse an und laden Unmengen an Touris aus, die sich teilweise sogleich auf Klettertour in die Weltkugel begeben. Reicht es eigentlich nicht, das Ding einfach nur anzuschauen? Warscheinlich sind die Fotos für Familienalbum umso beeindruckender, wenn man in die Weltkugel klettert, anstatt einfach nur davor zu stehen…
Gegen Mitternacht ist es eiskalt im Freien und in der Halle drängen sich die Leute dicht an dicht. Ich gehe zu eine Grotte, die zur Halle gehört. Hier gibt es eine riesige, aber komplett verdunkelte Glasfront genau Richtung Norden. Beleuchtet wird die Grotte mit Kerzen und ein paar schwachen Leuchten. Eine deutsche Touristin fragt die Dame an der Bar, was es denn hier zu sehen gibt. Interessiert höre ich zu und erfahre, dass die Verdunkelung um Mitternacht geöffnet wird. Völlig verdutzt frage die Touristin, ob das alles ist? “Yes, we just raise the curtain…”
Da war die Touristin schneller weg, als ich “ah..ha” sagen konnte.
Nun ja, leider wird die Touristin wohl nie erfahren was, die übrgigen Besucher und ich erleben durften, als die Vorhänge hoch gingen. Die gesamte Grotte war plötzlich von dem warmen, gelblichen Licht der Mitternachtssonne durchflutet. Es ging ein Raunen durch die Grotte, als sich die Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten und man draußen vor der Glasfront die Sonne nur wenige Meter über dem Eismeer sehen konnte. In all ihrer Größe und Schönheit.
Es sind eben doch die einfachen Dinge im Leben, die einen begeistern und in ihren Bann ziehen. Zwar geht die Sonne jeden Tag auf und wieder unter, aber ist ein schöner Sonnenaufgang oder ein Sonnenuntergang nicht jedes Mal ein Naturschauspiel besonderer Art?
Eines kann ich jetzt auch sagen: Das Sprichwort “Im Ostern geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen wird sie untergehen und im Norden ist sie nie zu sehen” kann ich so nicht mehr stehen lassen. Wer es hier oben gesehen weiß, was ich meine!
Nachdem die Sonne schon wieder ein Stück nach Osten gewandert ist, mache ich mich auf den Rückweg nach Honningsvag. Auch wenn die Mitternachtssonne scheint, so gibt sie kein bisschen warm. Auf dem Rad ist es eiskalt. Ich bin froh, als ich am Morgen dann auf der Hurtigruten-Fähre bin. Es ist das erste mal seit Wochen, dass ich fahre, ohne selbst in die Pedale zu treten. Das macht jetzt ein netter Dieselmotor für mich. Die Strecke bis Hammerfest ist sehr schön. Der Nebel, der teilweise in den Fjorden hängt, ist warm geheizten Aussichtsdeck sehr schön anzusehen.
In Hammerfest ändere ich meinen ursprünglichen Plan, mit den Hurtigruten soweit nach Süden zu fahren wie möglich. Die Sache ist einfach sehr teuer. Eine günstige Flugverbindung bringt mich nach Oslo und von dort weiter nach Berlin.
Das Wacken-Open-Air hätte eigentlich mein Ziel bei den Ankunft im hohen Norden Deutschlands sein sollen. Aber nach den Wochen in der Natur und der Stille wäre die Umstellung auf ein Heavy-Metal Open-Air mit 80.000 Besuchern sicher ein krasser Schock geworden. So wird Wacken wohl warten müssen (wenn ich mal alt bin und im Rollstuhl sitze, dann findet sich hoffentlich jemand, der mich zur Bühne schiebt…).
Anstelle Wacken besuche ich auf dem weiteren Weg nach Süddeutschland noch unsere THW-Jugendgruppe auf dem Zeltlager in Wolfsburg. Die Mädels und Jungs vertreten “das Ländle” auf dem Bundeswettkampf der Jugendruppen. Da muss ich natürlich hin und die Daumen drücken. Leider hat es für einen Sieg nicht ganz gereicht, aber zu einem respektablen 6. Platz!
Mit dem Reisebus ging es dann zurück nach Leonberg. Die letzten Kilometer von der THW-Unterkunft bis nach Hause waren irgendwie komisch: Alles vertraut, aber doch irgendwie seltsam fremd geworden…
Berichte über Wanderungen
Apuseni Nationalpark - Rumänien - 2018
Geschäftlich führte mich mein Weg immer wieder nach Rumänien in die Stadt Cluj. Meine rumänischen Kollegen haben mir viel über ihre schöne Heimat berichtet und ein paar schöne Plätze in der Nähe von Cluj gezeigt. Dies war eine sehr schöne Möglichkeit um Land und Leute etwas näher kennen zu lernen. Auf meiner Fahrradreise ans Schwarze Meer im Jahre 2015 konnte ich Rümänien entlang der Donau kennen lernen. So wurde schließlich mein Interesse geweckt dort auch einen der vielen Nationlparks zu besuchen. Weil mir die Gegend um Cluj schon etwas bekannt war, lag es auf der Hand den Apuseni-Nationalpark im gleichnamigen Apuseni-Gebirge in der Nähe von Cluj zu besuchen. Ein Kollege hatte mir sehr viel über diese wunderschöne Gegend in der er aufgewachsen ist erzählt und auf diese Weise die Wanderlust in mir geweckt. Diese Wanderlust konnte ich auch in Pascal, meinem langjährigen Wanderfreund, wecken. Mit ihm durfte ich schon zahlreiche schönen und ausgiebiegen Wanderungen erleben. Er gehört für mich zu Wandern dazu wie Schuhe, Rucksack, Schlafsack und Isomatte -- kurz, ohne geht es nicht!
So sind wir am 19. August zusammen auf eine 10-tägige Wandertour gegangen.
Los ging es in Bologa am nördlichen Ende des Nationalparks. Von dort durch die schönsten Gebiete des Apuseni-Nationalpark mit seinen vielen Höhlen und ausgedehnten Wäldern. Unser Ziel war schließlich Garda de Sus am südlichen Ende. Von dort sind wir dann mit dem Bus nach weiter in die Stadt Turda und habe die Saline von Turda besichtigt. Ich habe noch nie zuvor solch ein großes von Menschenhand geschaffenes Bauwerk gesehen. Die Stadtkirche von Leonberg würde dort komplett Platz finden. Vermutlich sogar das Ulmer Münster. Alles haben die Arbeiter in der Vergangenheit von Hand aus dem Berg gemeißelt, um Salz zu gewinnen. Am 1. September sind wir dann wieder zurück in Cluj. Wir haben noch zwei Tage, um uns die Stadt anzuschauen bevor unser Flug nach Frankfurt startet.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen des Reiseberichtes und bei den Bildern.
Hier ins Tagebuch habe ich die täglichen Einträge aus meinem elektronischen Tagebuch kopiert.
Wer also noch mehr über die Wanderung, meine Eindrücke etc. lesen möchte kann dies hier gerne tun.
Tippfehler, die sich über meine kleine Smartphone-Tastatur eingeschlichen haben, bitte ich zu entschuldigen.
Viel Spaß beim Lesen!
Neuseeland - Rundreise 2011
Was mich damals dazu bewogen hat die Reise nach Neuseeland zu unternehmen kann ich heute gar nicht mehr so genau sagen. Es war aber sicher mal der Wunsch, dieses Kleinod am anderen Ende der Welt zu besuchen und näher kennen zu lernen. Denn noch kommt man dort zu halbwegs erträglichen Preisen hin. Keine Ahnung, wie sich die Flugpreise in der Zukunft entwickeln.
Diese Rundreise in Neuseeland habe ich mit meinem Studienkollegen Daniel unternommen. Das war eine wirklich gute Idee. Ich hatte bei einem Studie-Treffen erzählt, dass ich im November nach Neuseeland reisen möchte und Daniel hatte mich einfach gefragt ob wir zusammen dort hin sollen. So hat es dann auch gepasst. Er hat mir viele Sachen bei der Vorbereitung abgenommen. Die Wanderungen haben wir uns gemeinsam herausgesucht. Klar, wir hätten auch einige Monate dort bleiben können und hätten immer noch Wanderstrecken gefunden, die interessant gewesen wären. Aber wir mussten uns eben etwas einschränken. Eine lange Diskussion gab es um den Milford Sound. Das ist das Touri Highlight schlechthin. Aber gerade dort ist es eben sehr überlaufen. Hinzu kommt, dass man auf fast allen bekannten Trails bereits Monate, wenn nicht sogar Jahre im Voraus buchen muss, damit man einen Platz in den Hütten bekommt. Das hat uns schon ein wenig abgeschreckt.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir sehr viele wunderschöne Wanderungen gemacht haben. Ob der Milford Sound nun so viel besser gewesen wäre, kann ich natürlich nicht sagen. Es lohnt sich auf jeden Fall auch die weniger bekannten Trails zu laufen.
Neuseeland ist schon ein ganz besonderes Land. Es ist irgendwie schon wie „Europa in klein“. Die Natur bietet alle Facetten, von Meer bis hin zu Bergen, auf relativ kleinem Raum. Das macht es so besonders. Besonders ist auch die Herzlichkeit der Leute dort. Überall haben die Leute freundlich gegrüßt. Der Smalltalk entlang der Wanderstrecken war zuerst etwas, dass mir völlig fremd war. Aber mehr und mehr habe ich diese kurzen Stopps für einen kleinen Plausch zu schätzen gewonnen. Hier zu Hause vermisse ich diese Offenheit sehr. Man verläuft sich in Auckland: „Kein Problem, ich muss in die gleiche Richtung. Kommt einfach mit! Aber sagt mal, wo kommt ihr denn her….?“
Das Reisen mit dem Fernbus ist dort gar kein Problem. Auch wenn Daniel und ich uns anfangs über das komische System der „Stunden-Kontingente“ gewundert haben. Warum rechnen die nicht nach Kilometern ab? Die Busse waren fast immer sehr pünktlich. Selbst die Shuttles, die einen ins hinterste Eck des neuseeländischen Busch bringen, sind zuverlässig. Alles wirkt hier in Neuseeland wirklich „very British“…
Eine sehr traurige Erfahrung waren die massiven Zerstörungen in Christchurch durch das Erdbeben, dass sich dort nur wenige Monate vor unserer Ankunft ereignet hatte. Aber ganz nach Kiwi-Art lässt man sich von so etwas auch nicht unterkriegen. Ich wünsche den Kiwis, dass sie von weiteren schweren Erdbeben verschont bleiben und dass sie auf keinen Fall ihren Optimismus (einer der wesentlichen Charakterzüge der Kiwis!) verlieren.
Einen Rückflug ohne Zwischenstopp in Australien würde ich aber nicht mehr machen. Die Flugzeit von Neuseeland nach Deutschland ist einfach zu lang. Außerdem ist Australien ganz bestimmt eine Reise wert. Lieber ein paar Tage mehr Urlaub nehmen oder die Zeit in Neuseeland verkürzen!
Ach ja: Sonntag Abends in Deutschland ankommen und Montags zur Arbeit zu gehen: Keine gute Idee…
(Weiter geht es in den einzelnen Etappen-Berichten und im Tagebuch!)
P.S.
Mein besonderer Dank geht an meinen Studienkollegen Daniel, für die Bereitstellung der Bilder für diesen Bericht!
Wenn man beschließt nach Neuseeland zu reisen, sollte man sich unbedingt im Klaren darüber sein, was es heißt ans andere Ende der Erde zu fliegen. Mit dem Finger auf der Landkarte ist das ein Kinderspiel. Was früher mit dem Schiff über sechs Monate gedauert hat, erledigt das Flugzeug in knapp etwas mehr als einem Tag. Zum Glück ist es heute auch weitaus ungefährlicher!
Mein Mitwanderer und ehemaliger Studienkollege Daniel und ich haben im guten Leonberger Hapag-Lloyd Reisebüro einen Flug mit Emirates gebucht. Weil der Zwischenstopp in Dubai sehr lange war, haben wir gleich beschlossen einen Zwischenstopp in der Wüstenmetropole einzulegen. Somit ging es in der ersten Etappe von Frankfurt nach Dubai.
Die Stadt ist schon wirklich ein Superlativ nach dem anderen. Eines davon ist der Burj Khalifa, den wir aus der Ferne im Dunst erkennen können. Wir besichtigen die Altstadt und den Dubai Creek. Die vielen Gerüche und Menschen auf dem Markt sind schon sehr interessant. Weniger gefällt mir an Dubai, dass es hier wirklich ausschließlich nur ums Geld machen geht. Die Menschen die hier arbeiten kommen aus allen möglichen Ländern dieser Erde. Sie leben hier unter unterschiedlichsten Bedingungen und versuchen so viel Geld wie möglich nach Hause zu ihren Familien zu schicken. So jedenfalls hat es mir unser Taxifahrer erklärt, der uns am nächsten Morgen zum Flughafen gebracht hat.
Die nächste Etappe der Reise für nach Bangkok. Aber diesmal war es wirklich nur eine Zwischenlandung. Es gibt inzwischen wohl eine neue internationale Regelung die vorgibt, dass bei jedem Zwischenstopp die Sicherheitskontrollen erneut durchlaufen werden müssen. Das bedeutet: Alle raus aus dem Flieger und neu durch den Sicherheitscheck. Das ist leider immer mit langem Warten und somit viel Zeitverlust verbunden. Mit der Zeit nervt es einfach, denn auch in Melbourne: Das gleiche Prozedere.
Irgendwann sind wir in Christchurch angekommen. Die Einreise verlief eigentlich relativ problemlos. Mein Zelt wurde jedoch zerlegt und sehr genau inspiziert. Lebensmittel hatten wir keine dabei. In Neuseeland achten die Leute bei der Einreise peinlich genau darauf, dass aber ja nichts ins Land kommt, was das Ökosystem irgendwie gefährden könnte. So waren dann auch ein paar Grassamen, die sich im Klettverschluss meiner Latschen verfangen hatten das größte Problem. Nachdem ich alles sorgfältig entfernt und in den Mülleimer geworfen hatte konnte ich weiter.
Christchurch wurde wenige Monate vor unserer Reise von einem schweren Erdbeben erschüttert. Die Schäden sind entsprechend groß. Aber die Leute sind sehr erfinderisch und machen das Beste aus ihrer Lage. Es waren immer noch viele Häuser unbewohnbar und erst einmal habe ich mich gefragt, was die Schmierereien an den Hauswänden „Clear“ und ein Datum wohl bedeuten. Wir sind nicht weiter in die Siedlungen gelaufen sondern haben den Park besichtigt und sind früh ins Bett. Am übernächsten Morgen sind dann mit dem Bus nach Süden aufgebrochen.
Unser nächstes Ziel war Dunedin
Nachdem wir nun Christchurch mit seinen teilweise stark vom Erdbeben beschädigten Häusern gesehen hatten, den Schokoladen-Wasserfall bei Cadbury in Dunedin bewundert hatten, wurde es allmählich wirklich Zeit, auch einmal etwas von der Natur in Neuseeland zu erwandern.
Unsere nächste Etappe der Rundreise führt Daniel und mich nach Te Anau. Mit einem Abstecher in der südlichsten Stadt Neuseelands (Invercargill) erreichten wir Te Anau. Der Ausgangs- und Endpunkt unserer ersten „großen“ Wanderung in Neuseeland. Daniel und ich hatten uns für eine Wanderung auf dem Kepler Track entschieden, weil dies eine der südlichsten Wanderungen ist und zugleich große Teile der Strecke im Regenwald verlaufen. Und gerade der Regenwald war es, was wir sehen wollten. Nicht ganz bedacht hatten wir den Grund, warum Regenwald wohl Regenwald heißt. Das es zuweilen wohl etwas Regen gibt, war zu erwarten. Aber uns hat es schon ganz gut erwischt.
Ich war neugierig darauf, den Regenwald kennen zu lernen. Die Bäume und die Pflanzen. Die Pflanzen und die Bäume, die eine Symbiose eingehen und jeder vom anderen profitiert. Auch das Klima hat mich überrascht. So nahe am Südpol darf man den Begriff Regenwald nicht mit „tropischem“ Regenwald verwechseln. Denn teilweise lag entlang unseres Weges Schnee. Und auch sonst war es schon teilweise empfindlich kalt.
Wir haben nach den langen Busfahrt von Dunedin nach Te Anau unser Zelt zum ersten Mal auf einem kleinen Campingplatz aufgebaut. Ich war froh endlich mal in der Natur übernachten zu können. Deswegen sind wir unter anderem schließlich nach Neuseeland gekommen! Am nächsten Morgen war es dann nur ein kurzes Stück bis zum Ausgangspunkt des Kepler-Track. Daniel und ich haben uns die ganze Zeit beim Frühstück gefragt, wie die Kiwis das wohl machen mit der Kontrolle der Buchungen. Man muss unbedingt vorher beim „Department of Conservation“ (DOC) die Wanderung „buchen“ damit man überhaupt starten darf. Vielleicht steht ja wirklich jemand an einem Tor und überprüft die Namen und Buchungen?
Aber weit gefehlt. Da ist … niemand…
Also laufen wir einfach mal drauf los. Der Kepler-Track ist gut ausgeschildert. Die Dauer bis zu den einzelnen Hütten ist auch beschrieben. Also kann wirklich nichts schief gehen. Kartenmaterial ist nicht nötig (ich weiß leider gar nicht mehr, ob wir überhaupt etwas dabei hatten. Vielleicht Ausdrucke aus dem Internet?)
Wie erwartet ist die Natur im Regenwald schon sehr beeindruckend. Auf schmalen Pfaden geht es zwischen meterhohen Farnen hindurch, die ich so von zu Hause nur als Zimmerpflanzen kenne. Erstaunlich auch die Pflanzen, die auf den Bäumen wachsen. Es muss hier schon sehr viel Regen geben, damit die existieren können. Kaum war der Gedanke ausgesprochen find es auch an zu tröpfeln. Nun ja, Regenwald eben. Der Regen wurde stärker und mit zunehmenden Höhenmetern ging der Regen allmählich in Schneeregen und schließlich Schnee über. Gut durchgefroren erreichen wir die erste Hütte. Unser Tagesziel. Im großen Aufenthaltssaal war gut geheizt und viele Wanderer waren bereits mit kochen beschäftigt. Nach einem gemütlichen Abend mit ein paar netten Reisebekanntschaften aus aller Welt ging es dann zum Schlafen und den gut durchlüfteten Schlafsaal. In der Nacht habe ich auch zum ersten Mal meinen Daunenschlafsack zugemacht.
Leider war am nächsten Morgen das Wetter ziemlich schlecht und es war lange Zeit nicht klar, ob wir wegen Lawinen-Sprengungen überhaupt unsere Wanderung fortsetzen dürfen. Der dichte Nebel hat den Arbeiten der Lawinenexperten aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zu schlechte Sicht für den Helikopter. Für uns hieß das zunächst, dass wir unsere Wanderung fortsetzen können, aber bedeutete natürlich auch: Ebenfalls keine Sicht. Schade. Ranger Pat hat sich alle Mühe gegeben und uns während des ersten Stück des Weges ausführlich erklärt, was wir jetzt grade alles verpassen. Das alte Schlitzohr!
Der Weg führt hinab ins Tal und das Wetter wurde besser. So konnten wir auf der weiteren Wanderung zahlreiche wunderschöne Wasserfälle und andere Naturschauspiele bewundern. Nachts hat nur mal ein völlig liebestrunkener Kiwi-Vogel genervt. Die Jungs können während der Balzzeit wirklich sehr laut und sehr leidenschaftlich auf ihr einsames Herz aufmerksam machen. Sehr zum Leidwesen lärmgeplagter Großstädter, die einfach mal Nachts ihre Ruhe haben wollen…
Jedoch hat jeder Platz und jede Hütte in Neuseeland ihre ganz besondere Schönheit. Mit Abstand einer der schönsten Abende war das Lagerfeuer am Lake Manapouri. Wenn nach einem schönen Wandertag ein erfrischendes Bad im See auf einen wartet und anschließend ein Lagerfeuer am Strand, dann ist die Welt in diesem Augenblick schon perfekt!
Nach ein paar wirklich schönen Tagen in der Natur des Fjordland Nationalpark kehren wir wieder zurück nach Te Anau. Voller Impressionen bauen wir noch einmal unser Zelt am Campingplatz auf, bevor wir uns am nächsten Tag auf den Weg nach Queenstown machen. Die Stadt, in der der Bungee-Sprung erfunden wurde.
Mehr zu lesen gibt es in den einzelnen Tagebuch-Berichten, oder HIER
Queenstown ist wohl das Outdoor-Mekka schlechthin. Überall werden irgendwelche Fun-Sport-Aktivitäten angeboten. Überall locken die verrücktesten Abenteuer. Und Mountain-Bikes überall. An jeder Ecke kann man sich für ein paar NZL ein schickes Fully ausleihen. Und weil ich inzwischen schon arg auf Entzug bin, muss das natürlich sein. Daniel und ich beschließen einfach mal einen Tag lang getrennte Wege zu gehen, denn er ist so gar nicht fürs Biken zu gewinnen. Ich suche mir in einem Geschäft ein schickes Bike aus, besorge mir noch eine Karte und dann kann es auch schon losgehen. Ach wie herrlich, endlich mal wieder mit dem Rad unterwegs zu sein und den Fahrtwind zu spüren. Der erste Bikepark lässt nicht lange auf sich warten und so gibt es erst mal eine Runde auf richtig tollen Trails. Ein paar Runden drehe ich dort, bis es mich aber weiter raus aus Queenstown zieht. Ich will einfach mal ein wenig ins Hinterland fahren und die Gegend dort erkunden. Zwischenzeitlich fängt es zwar an zu regnen, aber das stört mich erst, als ich komplett nass bin. Egal, so langsam wird es auch Zeit nach Queenstown zurück zu fahren.
Unsere nächste Etappe führt uns zu den großen Gletschern Neuseelands: Fox und Franz-Josef. Wir wollen auf jeden Fall eine Gletscher-Wanderung machen (geführt natürlich…!). Nach einiger Überlegung beschließen wir, dass wir die Wanderung am Franz-Josef Gletscher unternehmen und beim Fox einfach nur ein bissel drum herum wandern. Der Fox ist vom Backpacker zu Fuß zu erreichen und steuern wir ein paar Aussichtpunkte an, von denen man eine tolle Sicht auf den riesigen Fox Gletscher hat. Die Aussicht macht wirklich schon Hunger auf die Gletscher-Wanderung am Franz-Josef.
Die Wanderung buchen wir über eine Agentur. Dort gibt es quasi alle Ausstattung, die man braucht (oder auch nicht), um einen Tag im Gletscher zu verbringen. Von den Schuhen bis zu den Eiskrallen. Auf Schuhe zum ausliehen verzichte ich gerne, dafür nehme ich einen Rucksack von den Leuten, denn meinen großen Rucksack wollte ich nicht mitnehmen. Soviel Proviant habe ich dann schließlich auch nicht dabei. Der Guide „Chris – The Avatar“ erklärt uns erst einmal, wie die Eiskrallen befestigt werden, dann geht´s auf ins Eis.
Es ist schon wirklich eine fremde Welt, das ewige Eis. Die blaue Farbe des Eises schimmert immer wieder an vielen Stellen durch. Mancherorts hat das Schmelzwasser kleine Kriechgänge geschaffen, durch die man rutschen kann. Kalt ist es darin. Ansonsten haben wir perfektes Wetter. Die Sonne scheint und wärmt einem, während wir im Eis umherklettern. Die Guides haben an vielen Stellen kleine Treppen gehauen und so ist es recht einfach voran zu kommen. Im oberen Teil des Gletschers gibt es noch nicht viele Wege. Hier tun sich ständig neue Spalten, Gänge und Wege auf. Die Einwände, die sich links und rechts von uns auftürmen sind meterhoch. Wenn man diese überwinden möchte, dann ist das sehr kraft- und zeitaufwändig. So eine Tagestour im Gletscher ist schon sehr anstrengend. Und das wissen wohl auch die Agenturen. Denn im Preis für die Besichtigung ist noch eine Eintrittskarte für die „Hot-Pools“ im Örtchen Franz-Josef enthalten. Zuerst habe ich mich über diese unnötigen Mehrkosten geärgert, aber Abends beim Faulenzen in dem heißen Wasser, war ich dann gar nicht mehr so unglücklich darüber.
Am nächsten Morgen fahren wir dann weiter nach Norden. Die nächste Station unserer Rundreise ist Punakiki. Dort wollten wir auch eine kleine Wanderung im Inland unternehmen. Aber das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung. Starker Regen führt zu Hochwasser in den Flüssen, die wir durchqueren müssen. Das ist bei Hochwasser zu gefährlich. Wir müssen uns etwas anderes überlegen. Und so fahren wir bereits am nächsten Tag weiter nach Norden.
Wir fahren wegen der angekündigten starken Regenfälle im Gebiet um Punakiki schon am nächsten Tag weiter nach Norden, bis Nelson. Hier finden wir einen schönen und gemütlichen Backpacker. Da wir die Hütten für die Wanderung am Abel Tasman Track bereits im Voraus von zu Hause aus buchen mussten, haben wir wenig Spielraum, was eine Terminänderung angeht. Das heißt, wir haben einen kompletten Tag, den wir in Nelson verbringen können. Die Stadt ist gar nicht so klein und bietet allerhand sehenswertes. Wir laufen zu einem Aussichtspunkt, der gleichzeitig auch die geografische Mitte Neuseelands sein soll. Vom Aussichtpunkt hat man einen schönen Ausblick über die Stadt und die nahe Küste.
Am nächsten Tag bringt uns ein Shuttle zusammen mit einigen anderen Wanderern zum Ausgangspunkt des Tracks. Die erste Etappe führt zuerst einmal nach oben. Vom Pegin-Gipfel haben wir eine tolle Aussicht über die goldenen Sandstrände die unter uns liegen. Wir übernachten in der ersten Nacht im Zelt. Und das bedeutet natürlich auch wieder einen gemütlichen Lagerfeuerabend. Aber der aufkommende starke Wind macht die Freude (und das Feuer) recht bald zu nichts. Also geht´s früh ins Bett.
Auf der nächsten Etappe müssen wir uns auch sehr an einen strengen Zeitplan halten: Der Zeitplan von Ebbe und Flut. Denn auch hier müssen wir wieder ein paar Stellen durchqueren, die nur bei Ebbe passierbar sind. Am Morgen hat es auch noch angefangen zu regnen. Erst nur wenig, aber schon bald regnet es Bindfäden. Am Nachmittag erreichen wir nach dem „Tidal-Crossing“ das Tagesziel: Eine Hütte des DOC. Eigentlich hatten wir für diese Nacht ebenfalls nur einen Zeltplatz gebucht, aber während unserer heutigen Regen-Etappe ist in uns der Wunsch nach einem Bett in einer Hütte immer stärker geworden. Als wir ankommen ist die Hütte wirklich brechend voll. Es stellt sich jedoch schnell heraus, dass fast alle Leute dort heute noch weiter müssen. Wir könnten also Glück haben mit einem trockenen Bett.
Der nächste Tag verspricht besseres Wetter und so machen wir uns hoch motiviert auf den Weg zur dritten Etappe. Weitere Tidal-Crossings warten auf uns, aber auch zahlreiche wunderschöne, goldene Sandstrände, deren Einladung nach einer gemütlichen Rast wir gerne annehmen. Als wir am Abend unseren nächsten Zeltplatz erreichen habe ich einen Sonnenbrand, weil ich beim Faulenzen am Strand wohl mal kurz eingeschlafen bin. Der Zeltplatz ist sehr klein und liegt direkt am Strand. Weit und breit ist keine Zivilisation in Sicht. Die Sterne leuchten sehr hell vom Himmel und reichen aus, damit rund ums Zelt genug zu sehen ist. Die Sternbilder am Himmel scheinen zum Greifen nah zu sein, obwohl wir direkt auf Meereshöhe zelten. Auch wenn kitschig klingt, eine Sternschnuppe macht den Sternenhimmel perfekt!
Der Abel Tasman Track wartet noch mit ein paar wunderschönen Naturschauspielen und schönen Hütten auf. Ein wirklich toller Track, den ich sehr gerne gelaufen bin. Immer wieder schön war es auch, tagsüber und ganz besonders abends die Wanderbekanntschaften zu treffen. So vergingen die Abende sehr schnell und vor allem sehr unterhaltsam.
Es ist schön, so viele Menschen aus aller Herren Länder zu treffen und sich mit denen über denen Heimat und den Problemen dort zu unterhalten. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel die Leute über Deutschland wissen.
Nach den schönen Tagen auf dem Abel Tasman Track ganz im Norden der Südinsel, heißt es nun für uns Abschied von der Südinsel zu nehmen und mit der Fähre auf die Nordinsel überzusetzen. Von Nelson aus fahren wir mit dem Bus nach Picton. Von dort aus legt die Fähre nach Wellington ab.
Die Überfahrt verläuft sehr ruhig. Es ist kaum Wind und Seegang zu merken. So bleibt viel Zeit um an Deck noch die Landschaft der Südinsel ein letztes Mal an uns vorüberziehen zu lassen. Überall saftig grüne Wiesen, dazwischen immer wieder schroffe Felsen. Aber nach und nach verschwindet die Südinsel im Dunst und die Fähre nimmt Kurs auf Wellington. Nun bin ich schon gespannt, was die Nordinsel zu bieten hat. Aber irgendwie steht mein Urteil (vielleicht etwas vorschnell) fest: So schön wie auf der Südinsel kann es gar nicht sein.
Hierzu auch mein Bericht in der Zwischenbilanz…
Wellington „The windy City“ macht ihrem Namen auch alle Ehre. Als wir ankommen geht ein sehr starker Wind. Das Wetter ist nicht grade einladend und so verbringen wir einen ganzen (Regen-) Tag im Te Papa, dem neuseeländischen Nationalmuseum. Das Museum ist riesig und trotzdem sehr spannend aufgebaut. Auch für Kinder wird hier schon etwas geboten und so ist an diesem Tag auch sehr viel los dort. Mit einer kleinen Führung verschaffen wir uns einen Überblick über das Museum und gehen anschließend selbst auf Entdeckungstour. Am Abend bin ich ziemlich groggy.
Weil Großstädte nur bedingt interessant sind, machen wir uns schon am nächsten Tag auf den Weg nach Wairoa. Dort wollen wir zum Waikaremoana Track. Ein Inlands-Wanderweg, der nicht so bekannt ist. Nach einer Übernachtung am Campingplatz in Wairoa bringt uns ein Shuttle zum Ausgangpunkt des Tracks. Die Fahrt dauert fast zwei Stunden und geht wirklich sehr tief ins Inland. Asphaltierte Straßen gibt es hier weit und breit keine. Als wir uns dann Mitten im Nirgendwo auf den Weg machen habe ich leise Zweifel, ob der Fahrer uns wohl tatsächlich in ein paar Tagen wieder genau hier abholt, oder nicht.
Der Weg ist sehr anstrengend. Denn es geht zunächst über einige Stunden nur bergauf. Mit vollgepacktem Proviant-Beutel im Rucksack macht es die Sache nicht gerade einfacher. Hohe Stufen und teilweise weit aufragende Baumwurzeln erfordern sehr viel Konzentration, um nicht zu stolpern. Als wir Abends an der Hütte ankommen, zieht schon wenig später dichter Nebel auf und es wird sehr kalt. Zum Glück gibt es einen Ofen. Daniel und ich kümmern uns ums Feuer, worüber die übrigen Hüttengäste sehr froh sind und bei der Holzbeschaffung tatkräftig mit anpacken.
Der nächste Tag startet kühl, entschädigt aber mit vielen schönen Bildern aus der Natur. Das Highlight des Tages ist der See direkt am Zeltplatz. Das Wasser ist halbwegs warm und lädt zum Baden ein, was nach dem schweißtreibenden Aufstieg von gestern wirklich eine schöne Sache ist. Eine Runde schwimmen und sich dann zum Trocknen in die Sonne legen… so sieht Entspannung in Neuseeland aus. Weil es jede Menge Holz in der Nähe des Zeltplatzes gab, haben wir am Abend ein schönes Lagerfeuer angezündet. Das gehört inzwischen quasi zum Standard-Umfang einer jeden Übernachtung im Zelt.
Die folgenden Nächte verbringen wir wieder in Hütten. Teilweise kräftige Gewitter und starker Regen machen uns die Überlegung recht einfach, nach einem Upgrade vom Campingplatz zum Bett in der Hütte zu fragen. Weil der Waikaremoana Track nicht so frequentiert ist, stellt das Upgrade nie ein Problem dar. Man muss eben die Preisdifferenz in bar bezahlen. Dann passt alles.
Am letzten Tag unserer Wanderung klärte sich dann auch meine Frage, ob der Fahrer des Shuttles wieder auftauchen wird. Nein, er ist nicht mehr aufgetaucht. Aber er hat einen Freund geschickt, der uns abgeholt hat. Also alles gut. Und so bleibt mir der Waikaremoana Track in sehr schöner Erinnerung.
Wir haben uns noch einen Tag Erholung vom Waikaremoana Track gegönnt, bevor wir weitergefahren sind nach Taupo. Das Wetter ist ziemlich wechselhaft. Mal hat es 25 Grad und viel Sonne, am nächsten Tag ist Regen angesagt. In Taupo machen wir deswegen einen Stopp, da es hier neben des Tongario-Crossing auch noch ein paar interessante Geothermie-Felder gibt. Die schauen wir uns am ersten Tag genauer an. Überall in dem Geothermie-Feld, dass die Kiwis nachvollziehbar „Craters of the moon“ nennen dampft, blubbert und brodelt es. Es riecht etwas muffig. So kann man sich irgendwie schon die Reise ins Innere der Erde vorstellen. Zahlreiche Hinweisschilder warnen ausdrücklich davor in den heißen Dampf zu fassen oder gar die markierten Wege zu verfassen. Ja klar, mit den üblichen Flip Flops wäre das sicher nicht so gut, mal irgendwo hinzutreten, wo es heiß herauskommt. Das Geothermie-Kraftwerk in der Nähe können wir leider nicht anschauen. Da ist niemand. Das wird komplett ferngesteuert. Schade.
Nach dem Besuch bei den „Craters of the moon“ machen wir uns auf den Rückweg zum Backpacker und bereiten unser Proviant für die morgige Wanderung vor. Der Tongario-Crossing ist eine alpine Wanderung über eine Kette von Vulkanen ganz in der Nähe von Taupo. Die Sicht von dort soll phantastisch sein und man kann in einen Vulkankrater hinabblicken. Leider ist die Wettervorhersage nicht ganz so günstig und so bleibt nur die Möglichkeit am nächsten Morgen in aller Frühe beim Veranstalter der Tour anzurufen um zu erfahren, ob die Sache steigt oder nicht. Ein Tonband verkündet frohe Nachrichten und wir warten am nächsten Morgen gespannt auf den Bus, der uns zum Ausgangspunkt der Wanderung bringen soll. Zahlreiche Busse sind an diesem Morgen unterwegs zum Ausgangpunkt. Um den Gipfel des Ngauruhoe sind ein paar leichte Wolken zu sehen. Also war meine Entscheidung kurze Hose und T-Shirt anzuziehen genau richtig. Der Aufstieg ist gut ausgebaut, aber schon nicht ganz einfach. Daniel und ich haben aber wenige Probleme. Im Gegenteil es ist schön mal ganz ohne die schweren Rucksäcke laufen zu können. Aber allmählich verdichten sich die Wolken und aus anfänglichem Nieselregen wird richtig kräftiger Dauerregen.
Nun ja, der Rest der Wanderung war wenig spaßig. Sehr feucht, saukalt und zu sehen gab es teilweise nicht mal mehr die eigene Hand vor Augen. Schade. Erst beim Abstieg auf der anderen Seite klarte der Himmel am Nachmittag auf. Aber auch nur, um die langsameren Wanderer am später Nachmittag mit einem kräftigen Gewitter-Regen noch einmal komplett zu durchnässen. Zum Glück gehörten Daniel und ich zu den schnelleren Wanderern.
Am Abend schien die Sonne wieder, als wäre den ganzen Tag über das schönste Wetter gewesen. Hätte mir jemand erzählt, was er heute beim Crossing erlebt hat, würde ich kein Wort davon glauben.
Nach den Erlebnissen am Tongario-Crossing ist uns zum Glück die Lust aufs Wandern nicht ganz vergangen. Wir wollten auf jeden noch eine Wanderung unternehmen. Allerdings keine mehr auf einem der „Great Walks“, sondern nur eine Tagestour. So machen wir auf dem Weg nach Auckland einen Zwischenhalt in Te Puru. Ein kleines beschauliches Städtchen, in dem wir einen sehr kleinen und urgemütlichen Backpacker gefunden haben. Wir wollten einfach nicht gleich in Auckland in einen der riesigen Backpacker. Deswegen haben wir den Zwischenstopp beschlossen. Hier in Te Puru gab es gleich mehrere Wanderwege, die wir einschlagen konnten. Wir haben und für eine Tageswanderung durch das Hinterland entschieden. Eine sehr abwechslungsreiche und schöne Wanderung. Auch wenn die Wege nicht sehr oft begangen werden und entsprechend zugewachsen sind. Die Beschilderung war dennoch immer ausreichend und wir haben den Weg gut finden können. Weniger schön waren die vielen Matschlöcher, denn wir hatten keine Gummistiefel dabei, was aber durchaus sinnvoll gewesen wäre. Daniel hat unterwegs auch noch nähere Bekanntschaft mit einem der Matschlöcher gemacht.
Gelohnt hat sich die Wanderung aber auf jeden Fall. Am Gipfel angekommen wartete eine wirklich sehr neu gebaute Hütte auf uns. Hätten wir das gewusst, dann wären wir für eine Nacht hier oben geblieben. Aber so sind wir am Nachmittag zurück und haben Daniels Klamotten erst einmal der Waschmaschine übergeben.
Einen letzten Abstecher auf dem Weg nach Auckland haben wir dann noch mit dem Besuch der Coromandel-Halbinsel unternommen. In der gleichnamigen Stadt haben wir uns mit ein paar Souvenirs eingedeckt und sind am späten Abend dann mit dem Schnellboot nach Auckland gefahren.
Auckland ist die größte Stadt Neuseelands, aber nicht die Hauptstadt! Dennoch ist hier quasi immer etwas los. Die Backpacker sind dementsprechend fast immer voll belegt und wir waren froh überhaupt noch eine Unterkunft zu finden. Es war ein gutes Stück zu Laufen bis wir dort waren. Zur Belohnung gab es dann ein Zimmer ohne Fenster und mit schlechter oder keiner Klimaanlage. Aber irgendwann übermannte mich dann auch der Schlaf und am nächsten Morgen sind wir früh aufgestanden, um uns Auckland anzuschauen.
Ein paar Stunden haben wir damit verbracht uns viele Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Daniels Reiseführer sprudelte förmlich über voll Ideen. Aber irgendwann war es dann auch mal gut. Wir sind zurück zum Backpacker und haben unsere Rucksäcke abgeholt. Mit dem Shuttle ging es dann zum Flughafen nach Auckland. Die lange, langweilige Rückreise stand an. Leider. Kaum zu fassen, wie schnell vier Wochen vorbeigehen können.
Zur Rückreise habe ich bereits alles gesagt: Langweilig.
Schon auf der ersten Etappe von Neuseeland nach Australien habe ich vergeblich den „HALT“ Knopf gesucht. Ich wollte einfach nur, dass der Pilot kurz anhält, die Türe aufmacht und mich raus lässt. Ich hatte absolut keine Lust nach so vielen Tagen im Freien, in diesem blöden engen und lauten Flugzeug zu hocken.
Naja, mit zwei oder drei Bier im Kopf bin ich dann eingeschlafen…
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Traumpfad München - Venedig - 2009
Als Pascal und ich im Frühjahr 2009 unseren Freunden und Bekannten kundgetan haben, dass wir zu Fuß von München nach Venedig laufen wollen, ernteten wir von den meisten nur Unverständnis und Kopfschütteln. Das sind wohl die Standard-Reaktionen deutscher Couch-Tomaten, wenn es um solche Vorhaben geht. Dabei ist an einer solchen Wanderung überhaupt nichts Schlimmes.
Blut geleckt haben Pascal und ich im Jahr 2008, als wir einen lange gehegten Wunsch in die Tat umsetzen konnten: Den Westweg zu wandern. Das ist jener Weg, der quasi vor der Haustüre von uns in Pforzheim startet und über die wunderschönen Höhen des Schwarzwaldes bis nach Basel verläuft. Nach dieser Wanderung waren Pascal und ich uns einig, dass auf jeden Fall eine noch größere Wanderung folgen muss. Und wie so oft, entstehen großartige Ideen meist nach ein oder zwei Bier. Den Winter über haben wir beide diese Idee reifen lassen und haben im Frühjahr beschlossen, von München nach Venedig zu wandern.
Der Wanderführer von Ludwig Graßler war eine großartige Lektüre, um an langen Winterabenden auf dem Sofa von der großen Wanderung über die Alpen zu träumen. Das Frühjahr haben wir konsequent genutzt, um unsere Ausstattung zu verbessern. Mit ALDI Isomatte Discounter-Schlafsack und Interrail-Rucksack haben wir auf dem Westweg keine guten Erfahrungen gemacht. Um unser neues Equipment zu testen, haben wir einige „Probewanderungen“ auf der Schwäbischen Alb und rund um den Bodensee unternommen. So konnten wir Erfahrung sammeln und unsere Fitness entsprechend steigern.
Damit waren wir für unsere erste Alpenüberquerung zu Fuß gut vorbereitet.
Was wir unterwegs alles erlebt haben ist in den nachfolgenden Kapiteln beschrieben. Wie in anderen Berichten von mir üblich, gliedert sich der Reisebereit wieder in einzelne Abschnitte, die zusätzlich durch die Tagebucheinträge vertieft werden.
Viel Spaß beim Lesen!
Die erste Etappe des Traumpfades München – Venedig startet offiziell am Münchner Marienplatz. Von dort aus gelangt man über den Viktualienmarkt zum Deutschen Museum, um dann allmählich entlang des Planetenpfades die Bayrische Landeshauptstadt zu verlassen.
Unterwegs trifft man schon bald die ersten Mitwanderer, die ebenfalls auf dem Weg Richtung Alpen sind. Sehr gefreut haben Pascal und ich uns, als wir zufällig Ludwig Graßler getroffen haben. Er hat den Weg vor vielen Jahren erstmal beschrieben und ist ihn zuletzt im Alter von über 80 Jahren nochmals gelaufen. Jedoch nicht mehr an einem Stück und nicht mit so viel Gepäck. In einem Punkt hatte er wirklich nicht unrecht: Wir brauchen keinen Schlafsack und keine Isomatten, es gibt überall Unterkünfte.
Besonders gefallen hat mir bei diesem Abschnitt im Voralpenland das allmähliche Näherkommen an die Berge. Von München aus ist wirklich noch nicht viel zu sehen von den Bergen, aber mit jedem Tag kommt man den Bergen ein gutes Stück näher. Auch zum Eingewöhnen ist das sehr vorteilhaft. So treffen einen die ersten richtigen Höhenmeter nicht mehr ganz so unvorbereitet.
Nach den ersten Übernachtungen in Hotels oder Pensionen startet dann das „Hüttenleben“. Mir hat das immer gefallen, auch wenn die ersten Erfahrungen mit Schnarchern im Zimmer nicht so positiv waren. Ohrstöpsel hin oder her, die Dinger sind einfach ein Muss, wenn man nicht zu sehr unter den komischen Geräuschen der Mitmenschen leiden möchte. Die Hütten sind inzwischen schon fast auf Hotelniveau angekommen, was teilweise etwas schade ist. Der ursprüngliche Charakter geht verloren. Aber man muss schon auch dem zunehmenden Besucherzustrom in den Bergen Rechnung tragen. Fasziniert hat mich überall die Technik auf den Hütten. Solaranlagen hier, UV-Wasseraufbereitung mit Batterieversorgung dort oder Blockheizkraftwerke die für Strom und Wärme in der Hütte sorgen.
Mehr zum ersten Abschnitt unserer Wanderung von München nach Venedig ist in den einzelnen Tagebuchabschnitten zu finden.
Mit dem Einstieg ins Karwendel-Gebirge wurde uns schon schnell klar, dass wir eben nicht irgendwo im Mittelgebirge unterwegs sind, sondern in den Alpen. Die ersten Anstiege waren schon recht anstrengend. Umso größer dann die Freude, wenn wir abends müde aber zufrieden sagen konnten: Nächste Etappe geschafft!
Es ist schon ein langer Weg bis nach Venedig. Und wie so oft, wenn man ganz am Anfang eines solch langes Wegs steht, macht sich eine große Ungewissheit breit. Schafft man die Strecke, hat man genügend Klamotten dabei, ist die Zeit für die gesamte Wanderung wirklich ausreichend und schließlich auch: Wie wird das Wetter. Hier muss man einfach sehr geduldig sein und sich auf seine und die Erfahrungen anderer verlassen. Denn diese Ungewissheit gibt es immer, wenn man vor etwas Neuem steht. Aber von solchen Erfahrungen kann man lernen und schließlich auch an ihnen wachsen.
Mit dem Erreichen der Bundesgrenze nach Österreich, haben wir nach wenigen Tagen einen für uns wichtigen Meilenstein erreicht. Immerhin: Wir sind zu Fuß von München bis nach Österreich gelaufen. Das gibt uns auf jeden Fall einen Ansporn für die weiteren Etappen, auch wenn natürlich abends die Knochen müde sind und morgens eine gewisse Aufwärmphase brauchen.
Es gibt bekanntlich viele Voodoo-Weisheiten, wenn es um die Frage geht schafft man eine Langstreckenwanderung oder nicht. Manche sagen, nach drei Tagen geben viele auf, andere würden nach 7 Tage aufgeben und so weiter. Nun ja, wir haben eigentlich bislang nie einen Grund gehabt uns überhaupt mit dem Gedanken zu beschäftigen!
Die Etappe im Karwendelgebirge war recht kurz, denn schon nach wenigen Tagen erreichen wir Wattens im Inntal. Ab hier beginnen die Zentral-Alpen.
Mit dem Erreichen von Wattens trennen Pascal und ich uns von ein paar Ausrüstungsgegenständen. Schlafsäcke, Isomatten, Kocher und noch ein paar Dinge treten die vorzeitige Heimreise an. Im Postamt stellen wir fest, dass wir nicht die ersten München – Venedig Wanderer sind, die hier ein paar Kilogramm Gewicht loswerden wollen.
Da das Leben auf den Hütten recht kostspielig ist, haben wir versucht ein gesundes Mittelmaß zwischen Selbstverpflegung und Hüttenkost zu finden. Selbstverständlich sind die bereits erwähnten technischen Anlagen sehr kostspielig in der Anschaffung und der Unterhalt der Hütten ist ebenfalls mit hohen Kosten verbunden. Wir stellen jedoch fest, dass ein Hüttenabend mit Abendessen, Übernachtung und Frühstück im Schnitt mit 50 Euro zu Buche schlägt. Hochgerechnet auf 29 oder 30 Etappen machen wir uns schon Sorgen um das Reisebudget. Den einen oder anderen Abend verzichten wir aufs warme Abendessen und essen vom Proviant.
Proviant hatten wir immer genug dabei. Nun auch wenn es sich teilweise nur um große Mengen Kekse, Käse und Brot gehandelt hat, so sind wir immer satt geworden. Auf den obligatorischen Apfel zum Nachtisch oder für zwischendurch haben wir auch nicht verzichtet. Es gab schließlich seit Wattens etwas mehr Platz im Rucksack!
Auf unserem Weg durch die Alpen können wir den Klimawandel live miterleben. Die Abschnitte des Weges, die im Wanderführer noch als Strecken über Gletscher-Gebiet beschrieben sind, verlaufen heute nur noch über Schotter und Geröll. Der Tuxer-Gletscher endet inzwischen weit oberhalb des Wanderweges.
Mit dem Erreichen der Grenze nach Italien erreichen wir auch den nächsten großen Meilenstein auf unserer Wanderung. Ein einfacher Grenzstein markiert die Bundesgrenzen. Südtirol nimmt uns mit seinen schönen Bergen und saftigen Weiden in Empfang. Hier werden wir auch unsere erste Pause auf dem Weg nach Venedig einlegen. Nach nunmehr fast zwei Wochen wandern merken wir schon, dass ein Ruhetag uns gut tun würde. Klar ist aber: Das Ding laufen wir in jeden Fall zu Ende!
Nach unserem Ruhetag setzen wir unsere Tour genau an derselben Stelle fort, an der uns Freunde vor zwei Tagen abgeholt haben: Am Dorfplatz in Lüsen. Wir wollen schließlich jeden Kilometer nach Venedig zu Fuß zurücklegen und nicht schummeln. So gut die Erholung auch war, es dauert eine Zeit lang, bis wir in unseren „Alltags-Rhythmus“ zurückfinden.
Den Abschnitt unserer Wanderung möchte ich gerne als Königsetappe bezeichnen. Die Dolomiten sind schon ein sehr beeindruckendes Gebirge! Der „Höhepunkt“ unserer Wanderung ist unbestritten der Piz Boe. Mit seine 3152 Höhenmetern ist er der höchste Punkt unserer Wanderung und weder Pascal noch ich haben jemals auf solch einer Höhe übernachtet. Das kleine Refugio Capanna Fassa in dem wir übernachtet haben, war sehr gemütlich, bot aber nur wenig Platz zum Übernachten. Auf überflüssigen Luxus, wie eine Dusche, muss man auf dieser Höhe verzichten. Dafür war das Essen super. Das ist beileibe nicht in allen Hütten selbstverständlich. Die Tissi-Hütte zeigt uns, dass man für wenig Essen sehr viel Geld bezahlen kann. Und kalt war das Essen auch noch.
Mit Blick auf den Marmolada-Gletscher erreichen wir Allhege, am gleichnamigen See.
Das sehr urige Rifugio Pina de Fortuno ist unsere letzte Hütte in den Dolomiten. Nach ein paar herrlichen Tagen in den Dolomiten erreichen wir mit der Stadt Belluno das südliche Ende der Gebirgskette. Inzwischen hat sich das Wetter auch auf Herbst eingestellt und wird in den nächsten Tagen ab eine Höhe von 2000 Metern den ersten Schnee dieses Winters bringen. Die letzte Etappe in den Dolomiten hat es uns nicht leicht gemacht. Die Umgehung des Klettersteiges der „Schiara“ war unpassierbar. Alternativen sind ebenfalls durch Lawinen nicht mehr zu passieren gewesen. So blieb Pascal und mir nur der Abstieg ins Piave-Tal.
Mit dem Erreichen der Stadt Priula beginnt nun unser letzter Abschnitt auf unserer Wanderung nach Venedig: Die Italienische Flachland.
Damit beginnt, was man getrost als Pflicht-Kilometer bezeichnen kann. Der Weg verläuft in sehr weiten Teilen über endlose und schattenlose Deiche des Piave. Oftmals geht es stundenlang einfach nur gerade aus. Das macht es zwar einfach, was das Navigieren angeht, ist aber total langweilig.
Wir reißen die Kilometer runter und genießen einen schönen Abend am Strand in Lido de Jesolo. Das Baden im Meer war eine wunderschöne Abwechslung zum eintönigen Laufen in der brütenden Hitze. Das Meer ist erreicht. Venedig kann nicht mehr weit weg sein. Nur noch eine Etappe, dann stehen wir auf dem Markusplatz.
Unser Vorhaben, komplett zu Fuß von München nach Venedig zu laufen, können Pascal und ich leider doch nicht ganz in die Tat umsetzen: Für die letzten Kilometer durch die Lagune steigen wir auf eine Fähre, die uns nach Venedig bringt.
Und dann stehen wir am Markusplatz. Umgeben von unzähligen Touristen, die uns teilweise fragend anschauen, warum wir uns freudestrahlend in den Armen liegen und uns zur geschafften Wanderung beglückwünschen. Vielleicht liegt es aber auch an den Bierdosen, die wir in der Hand halten…?
Es ist geschafft!
Wir haben unser Ziel erreicht. Unterwegs gab es keine Unfälle und wir sind wirklich mächtig stolz auf unsere Leistung.
In Venedig bleiben wir noch ein paar Tage und genießen das unbeschreibliche Flair dieser Stadt. Mit dem Zug fahren wir dann zurück nach Deutschland. Mit einem der letzten Züge fahren wir von München zurück nach Leonberg. Ein Absackerle noch in unserer Stammkneipe und dann trennen sich nach über einem Monat die Wege von Pascal und mir erst mal für ein paar Tage. Es war eine sehr schöne Zeit, die ich auf keinen Fall missen möchte. Ich bin glücklich, dass wir diese Wanderung gemeinsam unternommen haben!