Radreise nach Athen - 2021
Radreise nach Athen - 2021 -- 1. Kapitel – Aufbruch nach Süden
Die Planungen sind abgeschlossen, das Fahrrad ist startklar, der Bobby ist gepackt, die Route im GPS-Gerät abgelegt, die letzte Telecon mit den Kollegen zu Ende und eine letzte E-Mail an die Kameraden vom THW gesendet.
Donnerstag, 30. Juni 2021: Es geht los!
Der Regen der Nacht hat aufgehört, als ich kurz nach 9 Uhr aufs Fahrrad sitze und meine Reise nach Athen beginne. Viele Gedanken wirbeln wie verrück in meinem Kopf. Da ist die Freude über die Reise, da sind Sorgen über die Gefahren unterwegs, Gedanken an meine Mutter und und und. Doch all dies schiebe ich nun erst einmal beiseite. Die Radreise nach Athen wird in vielen kleinen Etappen gefahren und nicht an einem Tag. Nun führt mich der Weg erst einmal nach Stuttgart. Und von dort weiter durch das Remstal bis nach Schwäbisch Gmünd. Weiter nach Aalen bis Nördlingen. Hier werde ich übernachten. Im Zelt übernachten will ich aufgrund des vielen Regens nicht.
Am nächsten Morgen führt die Route nach Donauwörth. Dort beginnt die „Via Claudia Augusta“, die mich über die Alpen nach Süden führen wird. Donauwörth ist nicht neu für mich. Hier bin ich im Jahr 2014 schon einmal mit dem Fahrrad durchgefahren. Damals auf dem Weg an Schwarze Meer. Heute folge ich nicht der Donau, sondern der Via Claudia Augusta Richtung Augsburg. Meine nächste Station auf dem Weg nach Süden. Der Weg nach Augsburg ist gezeichnet von den starken Unwettern der letzten Tage. Dicke Äste, teilweise ganze Bäume liegen auf dem Weg und machen das Vorankommen teilweise nicht leicht.
Die Alpen kommen in Sicht - Noch kaum zu erkennen und vom Dunst umgeben. Ich passiere Landsberg am Lech, erreiche das hektische Füssen, passiere die Grenze zu Österreich und erreiche Reutte in Tirol. Kontrolliert wurde ich an der Grenze nicht. Es gab am Radweg eigentlich auch keine Grenze. Keine Kontrolle wegen Corona. Nichts! Ich folge der Route Richtung Fernpass und übernachte in Leermoos. Der nächste Tag beginnt zunächst wenig anstrengend. Am Fernpass ändert sich das. Auf teilweise steilen Wegen, meist weit weg vom Autoverkehr, führt die Route zur Gemeinde Fernpass. Die warme Sonne lädt zu einer kurzen Pause ein. Endlich ist der Regen der letzten Tage vorbei. In Pfunds übernachte ich, um morgen gut gestärkt über den Reschenpass nach Südtirol zu fahren.
Radreise nach Athen - 2021 -- 2. Kapitel – Über die Alpen
Ich bin schon erstaunt, wie schnell man eigentlich mit dem Fahrrad in den Alpen ist.
Am fünften Tag meiner Reise erreiche ich Meran in Südtirol. Unterwegs passiere ich viele kleine Gemeinden, die ich vor Jahren mit der THW-Jugendgruppe aus Leonberg besucht habe. Ich verbinde viele schöne Erinnerung mit dieser Gegend. Am Abend erreiche ich dann Meran mit seiner Therme und der schönen Altstadt.
Der Etsch folge ich am nächsten Tag über viele Kilometer ohne Höhenmeter nach Süden. Bozen ist das Ziel. Die Wege sind gut ausgebaut und so kann ich ein bisschen Tempo machen, denn nach und nach wird die Strecken entlang von Etsch und endlosen Feldern mit Apfelbäumen langweilig. Zudem wird es warm. Die Strecke bleibt jedoch nicht den ganzen Tag so einfach zu fahren. Als ich die Stadt Trento passiert habe, verlässt die Via Claudia Augusta die Etsch und nimmt zahlreiche Höhenmeter in Angriff. Der Weg erinnert nunmehr sehr an die alten Pfade, auf denen die Römer zu Fuß unterwegs waren. Es geht steil nach oben. So steil, dass mein Hinterrad durchrutscht. In Levico Terme finde ich eine Übernachtung.
Die Etappe von Levico Terme nach Feltre durch die Dolomiten war ein Wechselbad der Gefühle. Lest hierzu einfach ein paar Zeilen aus dem Reisetagebuch:
Beim Check der Reifen sehe ich eine große Dorne seitlich im Vorderreifen stecken. Ich ziehe das blöde Ding raus und höre schon, wie die Luft entweicht. Ach so liebe Zeit. So ein Scheiß. Nun ja, da hilft ärgern auch nichts, der Ersatzschlauch muss her! Ich hänge den Bobby ab, lade die Tasche aus, hole Werkzeug und wechsle den Schlauch. Dann aufpumpen (oh wie bequem ist das zu Hause mit dem Kompressor...! Alles wieder sauber einpacken, anhängen und weiter geht's. Den Schlauch flicke ich heute Abend in Ruhe. Dann geht es erst mal ein paar Kilometer ganz entspannt durchs breite Tal. Na, so kann es von mir aus den ganzen Tag bleiben. Aber kaum ist der Gedanke zu Ende gedacht zweigt der Weg vom Tal ab und führt hoch in die Berge. Jetzt am Abend weiß ich gar nicht mehr, wie viele Anstiege das heute waren. Auf jeden Fall ziemlich viele und teilweise sehr steil. Gegen Mittag erreiche ich den Passo Forcella. Nach über drei Stunden habe ich grade mal 35 Kilometer geschafft. Nicht viel, dafür aber anstrengend. Aber eines muss ich einfach auch zugeben: Die Landschaft hier ist absolut wunderschön! Und ich bin völlig erstaunt, wo die Leute überall gebaut haben. Da, wo ein bisschen Platz am Berg ist, steht eine Kirche und ein Dorf drumherum. Dann kommen aber auch Stellen, wo gar nichts ist, nur Natur. Kaum zu glauben, dass es so was hier gibt. Es geht bergab. Steil bergab. Nachdem ich schneller als 65 km/h war, habe ich doch mal gebremst und bin langsamer gefahren. Denn vor einer Kehre haben die Bremsen angefangen zu kreischen. Außerdem will ich nicht in einer Woche zwei Satz Bremsbeläge runter schrubben.
Der Weg führ hoch zum Passo Croce d'Aune. Boah, der zog sich ewig. Meist in der Sonne, lief mir der Schweiß echt in die Fahrrad-Handschuhe. Die verwaschene Schrift auf der Straße zeigt, dass sich hier wohl schon die Profis beim Giro Italia hoch gequält haben. Das macht es in dem Moment aber auch nicht flacher.... Glücklicherweise ist auch der Pass irgendwann geschafft. Nach einer alten Weisheit geht es somit auch wieder bergab. Es macht schon Spaß durch die Kehren zu flitzen. Der Bobby macht auch gut mit! Nur die Bremsen..., die kreischen immer wieder, weil sie sehr heiß werden. Ich erreiche schließlich gehen 17 Uhr die Stadt Feltre.
Am Abend des 07. Juli erreiche ich nach einer anstrengenden Etappe Lido di Jesolo. Ich bin an der Adria. Das nasskalte und windige Wetter, dass mich nördlich der Alpen begleitet hat, ist schon seit ein paar Tagen Geschichte. Inzwischen ist es sonnig und heiß. Bis hier her bin ich in 8 Tagen knapp 1.000 Kilometer gefahren und habe die Alpen überquert.
Radreise nach Athen - 2021 -- 3. Kapitel – Entlang der Adria - Kroatien
Die Route verläuft entlang dem Golf von Triest Richtung Südost. Triest ist die letzte große Stadt in Italien, bevor ich Slowenien erreiche. Ich bin etwas nervös wegen dem Grenzübergang nach Slowenien. Immer noch gibt es in vielen Ländern Beschränkungen wegen Corona und Kontrollen an den Grenzen. Tatsächlich stehen noch Kontrollstellen und Zelte am Grenzübergang. Jedoch ist aller verwaist. Ich genieße die Fahrt durch Slowenien. Mich erinnert die Landschaft schon sehr an den Schwarzwald. Interessant fand ich die großen Grills, die vor den Rasthäusern standen und auf denen ganze Schweine gegrillt wurden. Mir schwant, dass die südeuropäische Küche nicht sehr auf vegetarische Kost ausgelegt ist.
Am Grenzübergang nach Kroatien war sehr viel Betrieb. Ich ziehe gleich die obligatorische Maske auf. Vor mir stehen eigentlich nur wenige Fahrzeuge, doch es geht kaum voran. Es wird sehr streng kontrolliert. Hinter mir wird die Schlange immer länger. Vor mit wird diskutiert, es werden Papieren hin und her gereicht und schließlich bin ich dran. Ein kurzer Blick auf den Personalausweis, ein Blick in den Impfpass und schon kann ich weiter. Alles easy. Willkommen in Kroatien.
Das ruhige Hochsommerwetter schlägt in der ersten Nacht in einen schweren Sturm um. Plötzlich fliegen in meiner Unterkunft die Gegenstände durch die Wohnung, die Fenster schlagen zu und ich kann gar nicht schnell genug rennen, um in der Ferienwohnung alle Fenster zu schließen. Auch am nächsten Morgen hat sich der Wind nicht gelegt. Vor dem Haus erwischt mich eine Böe und ich verliere beinahe das Gleichgewicht. Meinen Plan entlang der Magistrale 1 zu radeln kann ich keinesfalls umsetzen. Das ist viel zu gefährlich, wenn eine Böe von der Seite kommt und mich zur Fahrbahnmitte drückt, werde ich überfahren. Ich muss somit durch die Berge. Dort wird der Wind allerding noch stärker sein. Das war leider tatsächlich der Fall: Windböen, die mich von vorne erwischen, tun fast so weh. Mit solcher Wucht erfasst mich der Sturm. Kommen die Böen von der Seite drückt es mich mit dem gesamten Gespann ein paar Meter zur Seite. Bevor der kleine Wimpel am Bobby abbricht, baue ich ihn ab. Glücklicherweise verlässt die Route irgendwann die Berge und führt durch windgeschützte Täler. Am Abend erreiche ich die Stadt Otocac.
Dem Sturm folgen Hitze und Trockenheit. Tagsüber erreichen die Temperaturen im Schatten inzwischen weit über 30 Grad Celsius. Insgesamt transportiere ich an Fahrrad und Bobby 5 Liter Wasser, da ich nicht erwarten kann in den Bergen ausreichend Trinkwasser zu finden. Der Weg führt durch eine extrem trockene Landschaft. Nur Sonne und Hitze. Kein Schatten. Und selbst Wind kühlt nicht, sondern fühlt sich an wie ein Heißluftgebläse. Mein Wasservorrat verdunstet förmlich. Ich mache immer wieder einen kurzen Stopp um zu trinken. Zum Glück habe ich viel Wasser dabei. Hier in der einsamen Gegend gibt es keinen Supermarkt an dem man mal kurz anhalten kann, um Wasser zu kaufen. Am Nachmittag erreiche ich dann wieder die Adria. Die Berge liegen hinter mir. Der Unterschied ist gewaltig. Während ich noch vor einer Stunde in glühender Hitze in der Prärie unterwegs war und ab und an mal ein Häuschen an der Straße stand, gibt es hier nun Bierstände, Würstchenbuden, teure Autos, Jachten und Luxus im Überfluss. Tja, so läuft es wohl auf dieser Welt. Mich beschäftigt der unglaublich krasse Gegensatz zwischen arm und reich noch eine ganze Weile. Ich bin überzeugt, dass manchmal nötig ist, bewusst zu verzichten, um erkennen zu können, was man eigentlich hat.
Eine dunkle Rauchwolke in der Stadt Srima reißt mich aus meinen Gedanken. Nun, das sieht nicht nach einem Grillfeuer aus. Der Weg führt auch noch genau in die Richtung der Rauchwolke. Ein paar Minuten später sehe ich hinter den Häusern in der Stadt meterhohe Flammen auflodern. Ich halte an und bitte einen Schaulustigen die Feuerwehr zu verständigen. Ich könnte denen am Telefon nicht einmal sagen, in welcher Straße ist bin. Bisher hat offenbar niemand von dem Brand Notiz genommen, geschwiege denn die Feuerwehr verständigt. Der Mann ist ganz erleichtert, als er aufhört hat zu telefonieren. Offenbar war er der erste Anrufer. Der Wind facht die Flammen nochmal richtig kräftig an. Die Flammen sind weit über die Häuser hinaus zu sehen. Nun, mehr kann ich auch nicht machen und fahre weiter. In der nächsten viertel Stunde kommen mir viele Feuerwehr-Fahrzeuge entgegen. Großeinsatz! Der Wind treibt den Qualm noch eine ganze Weile in meine Richtung. Am Horizont sehe ich auch schon die nächste Qualm Wolke. Kein Wunder, so trocken wie alles hier ist.
In Split lege ich den ersten Ruhetag meiner Reise ein. Inzwischen habe ich über 1.600 km zurückgelegt und allmählich merke ich, dass mir Sonne, starker Wind und die große Hitze schon zu schaffen machen. Hinzu kommt, dass jeden Tag zwischen 90 und 140 Kilometer mit dem Fahrrad unterwegs bin. Ich suche mir eine günstige Übernachtung am Rande der Altstadt von Split. Nach einer Abkühlung in der Adria mache ich am Abend einen kleinen Rundgang durch die Altstadt Dalmatinischen Palast.
Nach dem Ruhetag in Split führt der Weg häufig entlang der Strände an denen die Leute wie die Röstkartoffeln in der Sonne liegen und vor sich hin schmoren. Das Wasser der Adria lädt sehr zum Baden ein. Bei der Hitze eine schöne Abkühlung, doch ich will vorankommen und nicht baden. Am Abend erreichen mich die ersten Nachrichten von den verheerenden Unwettern und Überflutungen in Nordrheinwestfahlen und im Ahrtal. Da muss es wohl sehr schlimm sein. Ich verfolge die Berichte in den Nachrichten sehr gespannt und hoffe, dass die Schäden nicht so gravierend sind.
Am 17. Tag meiner Reise erreiche Dubrovnik. Die Kilometer auf der Hauptstraße – auch Magistrale genannt – sind gefährlich. Ich sehe aber immer wieder Gedenksteine entlang der Magistrale. Die Magistrale verzeiht keinen Fehler. Zum Glück nehmen die Lkws und Autos, die mich überholen relativ viel Rücksicht. Anders der Gegenverkehr. Die Fahrer überholen und sehen einen Radfahrer gar nicht oder erst sehr spät. Es ist ein sehr beängstigendes Gefühl, wenn mir plötzlich zwei Autos nebeneinander mit sehr hohem Tempo entgegenkommen. Aufpassen, aufpassen, aufpassen!! Die Altstadt von Dubrovnik ist sehr beeindruckend. Allerdings gibt es kaum einen Ort an dem Fahrradfahren so unmöglich ist wie hier. Überall gibt es nur Treppen. Ich muss mein Fahrrad und den Bobby hundert Meter die Treppen hochtragen, bis ich die Unterkunft erreiche.
Damit habe ich Kroatien von Norden und Süden durchquert und werden morgen Montenegro erreichen.
Radreise nach Athen - 2021 -- 4. Kapitel – Entlang der Adria - Montenegro
Die Einreise nach Montenegro war völlig unkompliziert. Personalausweis geben, warten, einpacken und weiterfahren.
Monte – Negro (deutsch ‚schwarzer Berg) macht seinem Namen alle Ehre!
Nachdem ich auf der Hauptstraße den internationalen Flughafen von Tivat passiert habe, zweige ich ab, Richtung Berge. Inzwischen bin ich knapp 80 Kilometer auf recht flacher Strecke gefahren. Doch nun steigt die Straße steil bergauf. Das war mit Ansage. Denn schon in der Routenführung war zu sehen, dass zum Ende der heutigen Etappe nochmal etwas mehr als 1.000 Höhenmeter zu fahren sind. Es dauert einen Augenblick, bis meine Beine genügend Kraft abgeben, um die Steigung in Angriff zu nehmen. In der prallen Sonne schießt mir der Schweiß aus allen Poren. Zum Glück habe ich genug Wasser zum Trinken dabei. Die nächsten 25 Kilometer führt die Route einfach nur bergauf. Es sind 26 Kehren, so ist es jedenfalls auf einem Schild an der letzten Kehre zu lesen. Doch damit ist noch nicht genug. Nach ein paar Kilometern geht es noch weiter nach oben. Zum Schluss stehen 1040 Höhenmeter auf dem GPS-Gerät.
In Cetinje suche ich mir eine Übernachtung nach mache einen Rundgang durch die Altstadt. Es gibt eine wunderschöne und sehr große Fußgängerzone. Alles ist voll mit Leuten. Es gibt jeden Menge Restaurants, vor manchen spielt Livemusik. Die ganze Fußgängerzone ist gesäumt von vielen großen alten Kastanien. Hier ist richtig viel Leben auf der Straße. Und das ganz ohne Massen von Touris! Ich laufe eine Weile durch die Fußgängerzone und lasse mich schließlich bei einem Restaurant nieder. Was zu futtern wäre jetzt schon gut. Ich will natürlich die einheimische Küche probieren. Während ich aufs Essen warte und ein kühles Bier genieße, gesellt sich noch ein streunender Hund zu mir. Dabei habe ich vor dem Spaziergang geduscht...! Er wartet, ob vielleicht etwas für ihn übrigbleibt. Na und dann dieser Hundeblick… Im nächsten Augenblick könnte ich den Hund schon mit nach Hause nehmen. Aber die blöde Töle am Nachbartisch kläfft, wie geisteskrank und das geht den hungrigen Kerl wohl noch mehr auf die Nerven als mir. Jedenfalls zieht er von dannen und blickt nochmal traurig zurück. Also der Kerl wusste schon, wie man jemanden herum kriegt...
Der nächste Tag ist ein Sonntag. Der Tag startet beschaulich. Es regnet zudem und ich lasse mir Zeit mit dem Start der Etappe. Nach ein paar Kilometern verlässt der Track die Hauptstraße und verläuft auf einer sehr wenig befahrenen, aber wunderschönen Panorama-Straße. Nun, die Straße war nicht so schön, aber die Aussicht. Unglaublich. Wirklich sehr schön. Die Berge und der Blick auf die Täler. Am späten Vormittag wird meine Freude leider etwas eingetrübt. Plattfuß. Mist! Zum Glück am Vorderreifen. Da ist der Schlauch schnell herausgezogen, geflickt und wieder eingebaut. In der Ferne braut sich ein Gewitter über den Bergen zusammen. Das sieht sehr schön aus, wenn die Blitze vom Himmel zucken, aber mir wäre es lieber ich stünde nicht irgendwo in den Bergen, wenn es gewittert. Die Gewitter hängen fest in den Bergen. Leider fahre ich genau darauf zu, statt davon weg. Erstaunlich lange tropft es nur ein bisschen. Doch dann wird der Regen deutlich stärker. Zudem wird es auch kalt. So kann ich nicht weiterfahren. Ich halte an und hole die Regenjacke und die wasserfesten Überschuhe aus dem Bobby. Vor dem Regen geschützt kann es weiter gehen. Vom Sattel einer Passhöhe kann man schon Albanien sehen.
Am Grenzübergang gibt es wieder lange Schlangen. Ein Autofahrer weist mich darauf hin, dass es einen Durchgang für Fußgänger gibt. Dort geht es für mich schneller. Das ist sehr nett. Die Grenzanlagen teilen sich Montenegro und Albanien gemeinsam. An einem Fenster kontrolliert der Grenzer aus Montenegro, am anderen Fenster der Grenzer aus Albanien. Personalausweis geben kurzer Check, fertig. Weiter geht's. Willkommen in Albanien.
Radreise nach Athen - 2021 -- 5. Kapitel – Entlang der Adria - Albanien
Auf den Straßen ist viel Verkehr. Es fühlt sich hier ein bisschen an wie Tunesien. Die Märkte, die Minarette, die Leute, der Verkehr und und und. Ich erreiche bald mein Hotel in Shkoder. Die Leute sind sehr freundlich.
Am nächsten Tag muss ich auf der Hauptstraße weiterfahren. Die Nebenwege sind zu schlecht, oder mit Müll und Scherben übersät. Der Verkehr ist leider ziemlich dicht. Doch fahren die Autos nicht so schnell wie in Kroatien. Die Autos und Lkws nehmen Rücksicht auf Radfahrer. Ich sehe oft ältere Menschen, die mit sehr alten und klapprigen Fahrrädern unterwegs sind. Wohl aber eher aus der Not heraus, weil sie kein anderes Fortbewegungsmittel haben. Die Route führt durch mehrere große Städte. Ich bin jedes Mal fasziniert von dem Gedränge auf den Märkten, den vielen Menschen vor den Geschäften und irgendwie auch von dem halbwegs koordinierten Chaos auf den Straßen. Man gewöhnt sich schnell daran und irgendwie komm ich immer gut und sicher durch. Inzwischen gibt es auch gute Wege abseits der Hauptstraße. Zumindest bis zum Flughafen von Tirana. Hier zweigt der Weg wieder ab und wird Schotterweg. Aber machbar. Bis Durres zieht es sich leider noch ein ganzes Stück zu fahren. Nun, mehr als 150 Kilometer an einem Tag ist auch nicht grade wenig. Mir ist inzwischen das Wasser ausgegangen und ich merke, dass eine Packung Kekse als Proviant für den ganzen Tag doch etwas wenig ist, wenn man fast den ganzen Tag mit Volllast radelt.
Am Abend erreiche ich die Unterkunft. Nachdem ich geduscht habe, kaufe ich mir noch was zum Essen und Trinken. Das Wasser im Hotel will ich hier nicht trinken. Ich habe zwar ein paar große Schluck genommen, weil ich unglaublich durstig war, aber meine Sinne sagten mir laut und deutlich: Lass es!! In Supermarkt gibt es Wasser in Flaschen, was ich eigentlich völlig ablehne aus Umweltschutzgründen, aber hier geht es einfach nicht anders. Ich mache noch einen Spaziergang zum Strand, hole mir was zum Essen und laufe zurück zum Hotel.
Radreise nach Athen - 2021 -- 6. Kapitel – Albanien – Land und Leute
Ein paar Gedanken über Land und Leute will ich hier unbedingt loswerden:
Bloß wo fange ich an, die Eindrücke wieder zu geben...?
Vielleicht mal beim Straßenverkehr. Der ist auf den Hauptstraßen sehr dicht. Doch die Leute nehmen Rücksicht auf Radfahrer. Ich merke allerdings, dass ich im Vergleich zu den dort üblichen Radfahrern fast schon mit Lichtgeschwindigkeit daherkomme. Jedenfalls fällt mir immer wieder auf, dass sich die Leute ziemlich verschätzen. Ich musste jedoch bislang keine Vollbremsung hinlegen, weil plötzlich jemand aus einer Einfahrt herauszieht. Aber wenn mich Autos überholen, merken Fahrer oft sehr spät, dass ich viel schneller bin, als sie denken und sie nicht so einfach oder schnell an mir vorbei sind, wie angenommen. Da wird es mit dem Gegenverkehr manchmal schon fast brenzlig. Doch schlimmer wäre, sie würden dann einfach nach rechts ziehen und ich hätte das Nachsehen. Aber das ist nicht der Fall. Sie nehmen Rücksicht auf Radfahrer. Danke!!
Auf den weniger stark befahrenen Straßen hupt hin und wieder mal jemand kurz hinter mir. Das ist aber dieses "Achtung, ich überhole dich gleich" Hupen. Klingt komisch, aber man merkt die Leute sind entspannt. Hin und wieder gibt es auch mal einen Daumen nach oben vom Beifahrer. Nie den Stinkefinger. Auch die Polizei fährt mit Daumen nach oben hin und wieder vorbei, oder lässt kurz die Sirene krächzen.
Im ersten Hotel, im dem ich gestern übernachtet habe waren die Leute sehr sehr zuvorkommend und wirklich sehr sehr nett. Etwas, dass ich aus der Service-Wüste Deutschland gar nicht mehr gewohnt bin. Wirklich herzlich sind die Leute. Umso mehr fand ich es schade, dass Google bei es Stadt Shkoder gleich automatisch ".... Kriminalität" vervollständigt. Nun ja, wer nachts in einer Großstadt allein im Park unterwegs ist, muss leider überall damit rechnen vielleicht unangenehme Begegnungen zu machen. Da hilft eben der eigene Menschenverstand.
Leider ist es mit dem Müll so eine Sache. Oder um es kurz zu sagen. Es sieht überall, wo Leute hinkommen, aus wie die Sau. Leider ist das Umweltbewusstsein nicht vorhanden. Schöne Bäche oder kleine Flüsse sind voller leerer PET-Flaschen. In jedes Loch, wo man Müll reinwerfen kann, ist auch Müll drin. Es stinkt teilweise erbärmlich nach Müll und Gammel. Vermutlich liegt auch hin und wieder mal ein überfahrener Hund im Graben und vergammelt, ich weiß es nicht. Bauschutt wird einfach irgendwo in den Graben geworfen. Aus dem Auge aus dem Sinn. Selbst während ich eine Pause an der Straße mache, kommt einer mit der Schubkarre voll Bauschutt und kippt den direkt neben mir in die Pampa. Das ist weniger schön. Aber es scheint auch keine entsprechende Struktur zu geben. Es gibt wohl keine Müllabfuhr, die die Tonnen zu Hause leert, sondern nur zentrale großen Tonnen an der Straße. Da kommt dann alles rein. Mülltrennung...? Was für ein Lacher... An den großen Plätzen in den Städten sieht es dann auch dementsprechend aus und riecht im Sommer natürlich entsprechend. Warum dann trotzdem immer noch so viel Müll in der Landschaft landet, weiß ich leider auch nicht. Jedenfalls ist das schon extrem schade.
Ach, mir gehen hierzu so viele Gedanken im Kopf herum (na klar, mit irgendetwas muss man sich tagsüber ja auseinandersetzen, während man fährt, wenn es der Verkehr zulässt).
Radreise nach Athen - 2021 -- 7. Kapitel – Woche „Drei“
2501 km zeigt mein Tacho am Tag 22 meine Reise nach Athen. Ich bin in Albanien unterwegs. Das Land hat mich in seinen Bann gezogen. Immer wieder mal hupt es kurz neben mir und ein Autofahrer winkt oder zeigt mit dem Daumen nach oben. Ich schaue schon sehr genau hin, ob es nicht doch der Stinkefinger ist. Aber ist es nie. Das motiviert auch ein bisschen. Wie schon gesagt die Leute sind sehr freundlich und entspannt. Davon möchte ich mir gerne eine Scheibe abschneiden und diese Art für mich mitnehmen. Die Sonne brennt unglaublich heiß vom Himmel und meine 4,5 Liter Wasser für unterwegs sind schon früh verbraucht. Inzwischen liegt der Wasserbedarf bei mir bei 10 bis 12 Liter pro Tag! Das bedeutet aber nicht, dass ich tagsüber einen Stopp zum Pinkeln machen muss. Die Strecke ist überwiegend sehr anspruchsvoll, da viele Höhenmeter zu fahren sind. Die Landschaft ist dafür sehr schön, wenn es durch die Berge geht.
Um ehrlich zu sein denke ich inzwischen nur noch selten an zu Hause. Habe ich mir noch in den ersten zwei Wochen überlegt, was ich alles machen will, wenn ich wieder zu Hause bin, denke ich inzwischen wirklich selten an zu Hause, sondern mehr daran, wo ich noch hinfahren könnte. Immer wieder kommen mir Amman (in Jordanien) oder Erbil (im Nordirak) in den Kopf. Amman kenne ich gut und nach Erbil verbindet mich inzwischen auch das THW. Was sind dann nochmal 1800 Kilometer? Da beneide ich wirklich sehr die Leute, die in Athen sagen können: Weiter geht’s….!
Andererseits habe ich in den letzten Wochen so viel gesehen und erlebt und ich bin noch lange nicht in Athen. Woran ich oft denke, ist mein Garten: Wenn ich unterwegs schöne Gärten sehe. Mein Garten fehlt mir schon ein bisschen (auch wenn er derzeit wegen des vielen Regen wohl eher eine Stechmücken-Hölle ist, als ein Ort der Entspannung ist).
Radreise nach Athen - 2021 -- 8. Kapitel – Griechenland – Die Wiege der Bürokratie
Die Ausreise aus Albanien war echt einfach. Nach einem halben Kilometer komme ich dann an die Grenzstation zur Einreise nach Griechenland. Es ist wenig los, aber hier laufen Leute mit Einweg-Schutzkleidung, Masken, Gerichtsschutz herum. Oh man, in Albanien hat man mich in ersten Supermarkt ganz komisch angeschaut, als ich dort mit Maske rein bin. Danach habe ich es auch echt genossen mit Abstand im Supermarkt OHNE Maske einzukaufen. Aber hier an der Grenze zu Griechenland ist wegen Corona richtig Party. Eine Dame in Einweg-Schutzkleidung kommt zu mir und fragt mich nach meinem PFL. Was für Ding?? Ich habe einen Personalausweis, einen Impfpass und mehr brauche ich als EU-Bürger nicht, wenn ich in die EU einreisen will. Das ist schließlich die Grundidee der ganzen EU. Doch hier brauche ich noch ein Passagier Lokalisierungsfaktor Formular. Alter.... Haben die ein Rad ab??!?!?! Die Griechen wollen doch nicht allen Ernstes Deutschland in Punkto Bürokratie das Wasser abgraben?? Na, wie auch immer. So ein Ding habe ich nicht. Als ich zu Hause los gefahren bin war davon noch keine Rede. "Kein Problem" sagt mir die Dame. Ich kann es online ausfüllen und dann ist die Einreise kein Problem. WLAN haben sie dazu extra eingerichtet. Also dann, warum nicht die Bürokratie erst mal glücklich machen. Zum Glück gibt's etwas Schatten und ich fange an.
Ach so, erst einmal einen eigenen Account anlegen. Dann auf die E-Mail zur Bestätigung warten, die tatsächlich ziemlich prompt in meinem E-Mail-Postfach landet. Der Link, den ich anklicken muss, funktioniert sogar und ich kann mir nun ein Passwort ausdenken. Na, bislang war das ja noch einfach. Dann erfolgt die Anmeldung auf der Seite des Zivilschutzes. Nun geht eine endlose Fragerei los:
- Name, Anschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adresse
- Wo komme ich her, wo will ich hin (genaue Adresse der Unterkunft, wobei das System irgendwie die Daten überprüft und ich verzweifelt versuche die griechischen Buchstaben der Straße von meiner Unterkunft in das blöde Feld zu kopieren)
- Nummer des Personalausweises
- Datum der Impfung, welcher Impfstoff?
- Notfall-Kontakt, über den man mich erreichen kann. Ich gebe die Adresse meiner Schwester an. Nur bei der Telefonnummer muss ich passen und schaue im Adressbuch meines Smartphones nach.
Alles klar, weiter geht's. Denkst du...
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Nee, jetzt, oder?!?!?!
Auf einmal bekomme ich echt Blutdruck und fange schon an die Software-Entwickler dieser Welt zu verfluchen. Okay ruhig bleiben. Nochmal....
Bundesland, Grenzübergang, nächste Unterkunft, Personalausweis, Impfstoff, Notfall-Kontakt und was weiß ich noch welchen Scheiß die wissen wollten.
Ihre Angaben werden geprüft....
„Die maximale Anzahl von Passagieren, die zum ausgewählten Datum über den ausgewählten Einstiegspunkt einreisen können, wurde erreicht. Bitte versuchen Sie es erneut mit einem anderen Datum“.
Ja hat denen jemand ins Hirn geschissen???!!?!!? Tut mir leid für die Wortwahl, aber was soll denn der Mist? Die Dame in Einweg-Schutzkleidung kommt zu mir und fragt, ob ich vorankomme. Ich kopiere den Text in den Google Übersetzer und zeige ihr die Meldung. Oh, Hm, ... Also...???
Ich soll es einfach direkt bei der Polizei bei der Einreise versuchen und dort das Problem erklären. Das ist eine gute Idee. Ich laufe die paar Meter weiter zum Grenzposten. Der Mann am Schalter schaut sich die Meldung an, schüttelt den Kopf und sagt mir, dass ich ohne dieses PFL nicht einreisen kann. Na, das ist ja gut. Zum Glück lässt der Mann aber mit sich reden. Ich erkläre ihm, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und vor drei Wochen in Deutschland los gefahren bin. Da war von einem PFL noch keine Rede. Und wenn ich hier heute nicht einreisen kann, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als heute Nacht mein Zelt hier an der Grenze aufzubauen und dann morgen nochmal die Einreise zu machen. Ich muss ja weiterkommen. Nach Albanien will ich nicht zurück (so schön es dort auch ist...!). Glücklicherweise hat der gute Mann ein Einsehen. "Griechenland und Deutschland sind ja Freunde" sagt er. Personalausweis bitte. Kurzer Check und der deutliche Hinweis, mach schon, fahr weiter...!
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich schnappe meine Sachen und gehe Gas. Ein bisschen später sortiere ich meinen Papierkram wieder in die Tasche des Bobby. Geschafft. Aber ein bisschen ärgert mich das schon. So ein blödes Formular, ein Scheißdreck, der einfach nicht richtig tut und schon steht man unter Umständen irgendwo ziemlich blöd da, weil irgendjemand eine Zeile in der Software nicht richtig getippt hat und es eben auch niemand getestet hat. Nun ja. Dafür geht's jetzt durch schöne Obst-Plantagen Richtung Igoumenitsa. Meist ohne große Anstiege. Ich konzentriere mich wieder einfach auf die Tour und versuche heute Abend mal das blöde PLF noch auszufüllen. In Ruhe. Auf dem Sofa. Bei einem Bierle....
Das blöde PLF habe ich dann doch tatsächlich noch fertig bekommen. Nach drei weiteren Versuchen....
Radreise nach Athen - 2021 -- 9. Kapitel – Griechenland – Nochmal neu starten
Nachdem ich keine einfache Einreise nach Griechenland hatten wollte ich trotzdem optimistisch bleiben auf meiner Tour. Jetzt bin ich schließlich schon so weit gefahren und habe eigentlich keine Lust mir durch die Bürokratie und irgendwelche absurden Regeln die Laune verderben zu lassen.
Doch da fällt mir die Sache mit dem Seetunnel bei Preveza ein. Ach, da war ja noch was....
Zwischen Preveza und Aktio gibt's einen 2 Kilometer langen Tunnel unter dem Meer hindurch. Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit dem Eurovelo 8 zu folgen und um eine riesengroße Bucht herum zu fahren. Das sind ziemlich genau 150 Kilometer extra. Das Problem ist, dass der Tunnel für Radfahrer gesperrt ist. Das war mir schon vorher klar. Wie so oft kursieren Geschichten im Internet wonach vom Tunnelbetreiber jemand kommt, das Fahrrad auf einen kleinen Transporter lädt und einen durch den Tunnel bringt. Davon gibt's auch Bilder. Nun das wäre super, diesen großen Umweg sparen zu können. Doch wie lange dauert es wohl an einem Freitagnachmittag, bis mich jemand dort in einem Transporter mitnimmt? Also beschließe ich möglichst zügig zum Tunnel zu kommen. Kurz nach 14 Uhr bin ich am Tunneleingang. Eigentlich nichts Besonderes. Der Verkehr ist nicht sehr stark, das Gefälle der Einfahrt nur gering. Warum sollte man da nicht einfach kurz mit dem Fahrrad durchfahren? Die Schilder mit dem Verbot für Fahrräder könnte man fast übersehen, wenn sie nicht so groß und zahlreich wären. Also stelle ich mich wie beschrieben unter eine Überwachungskamera und warte gespannt ab was passiert. Parallel halte ich nach Transportern Ausschau und halte den Daumen nach oben. So wie früher eben: Klassisch beim Trampen. Wenn ich sonst mal an der Straße anhalte um was zu Essen oder zu Trinken schauen die Leute immer ganz neugierig. Aber nun starren alle in den Autos nur stur gerade aus. Bloß nicht hinschauen zu dem Typ, der den Daumen hebt. Sonst springt vielleicht noch das Corona Virus ins Auto...? Ein paar alte klapprige Roller fahren an mir vorbei und in den Tunnel. Ach so, die dürfen. Na, das kann ich auch und hänge den Bobby wieder ans Fahrrad. „Die können mich einfach mal“, sage ich mir und will grade losfahren, da kommt tatsächlich ein Transporter vom Betreiber des Tunnels. Wow, das ist ja unglaublich. Der Fahrer steigt aus und macht mir sofort sehr deutlich klar, dass ich es nicht wagen soll mit dem Fahrrad durch den Tunnel zu fahren. Okay, sehr freundlich. Der gibt mir einen Zettel mit Telefonnummern von Taxi oder Bus-Unternehmen. Da soll ich anrufen, mich abholen und durch den Tunnel bringen lassen. Ich bitte ihn mich doch einfach mitzunehmen, wenn er doch jetzt eh durch den Tunnel fährt. Wortlos steigt er ins Auto und fährt weg. A…. Der Dickkopf in mir sagt, dass es mir egal ist und ich jetzt durch diesen dämlichen Tunnel fahre. Fertig. Eine andere Stimme erinnert mich an mein nicht völlig korrekt ausgefülltes PFL von gestern. Wenn also zum illegalen Durchfahren des Tunnels auch noch Ärger mit dem blöden PFL dazu kommt, dann gibt es eine Menge Frust für nix. Also den scheiß Tunnel abhaken und um die blöde Bucht herumfahren. 150 Extra-Kilometer. Jetzt noch ein Taxi rufen und so weiter.... Nee, keine Lust. Es ist schon 15 Uhr und ich habe echt Hunger. Meine Kekse sind fast alle gegessen und so beschließe ich in einem der Restaurants etwas zu Mittag zu Essen. Während ich die Einheimische Küche genieße, überlege ich mir, wie ich morgen weiterfahre. Die Umfahrung der Bucht oder doch einen Transport organisieren? Doch zunächst entscheide ich für heute Feierabend zu machen. Ich suche mir eine Unterkunft und lasse die Tour für heute gut sein.
In der Unterkunft bin spreche ich mit dem Gastgeber über den Tunnel. Er ärgert sich sehr über den Tunnel, weil er die Menschen von zwei benachbarten Osten voneinander trennt. Früher ist man kurz mit der Fähre den halben Kilometer gefahren und war bei Freunden oder Verwandten. Als Kind kein Problem. Heute unerreichbar. Nur mit dem Taxi. Er telefoniert mit einem Bekannten. Und somit habe ich morgen früh doch jemand, der mich für einen akzeptablen Geldbetrag durch den Tunnel bringt. Das macht auch die Situation der Übernachtungen deutlich einfacher. Tja, manchmal gibt es eben doch noch einen Trumpf von dem man zunächst gar nichts weiß.
Am nächsten Morgen steht der Transporter schon vor der Unterkunft und wartet. Mit drei Schrauben baue ich das Vorderrad aus, damit das Fahrrad gut ins Auto passt. Zehn Minuten später sind wir am Tunnel und weitere ZWEI Minuten später auch schon durch. Das ist wohl der totale Witz!!! Da wäre ich auf einer Po-Backe durchgefahren. Jedoch hängen eine Menge Kameras im Tunnel und gleich danach kommt eine Mautstelle. Ich vermute spätestens hier hätten sie mich dann rausgezogen. Oder eben auch nicht, wenn man sich nur dumm genug stellt. Aber die Fähigkeit fehlt mir leider. Also lässt mich der Fahrer nach der Mautstelle aussteigen, hilft beim Ausladen, bekommt sein Geld und ist auch schon wieder weg. Ich baue mein Fahrrad wieder zusammen und fahre los. Immer weiter nach Süden.
Radreise nach Athen - 2021 -- 10. Kapitel – Griechenland – Endspurt
Es sind noch drei Tage bis Athen. Ich sollte bald einen Ruhetag machen. Denn die enorme Hitze strengt an. Inzwischen liegt mein Wasserverbrauch sogar bei über 12 Litern pro Tag. 15 Liter sind nötig, um die irgendwann mal pinkeln zu müssen. Die ein oder andere Etappe gehört eben zu den Pflicht-Etappen, die man auf einer solch langen Reise einfach auch zurücklegen muss.
Natürlich gibt es viele Abschnitte, an denen die Route entlang schöner Strände verläuft. Kleine Restaurants laden zur Mittagszeit zu einem gemütlichen Mittagessen ein. Eine gute Stärkung für die nächsten Kilometer. Allerdings habe ich in der Hitze gar nicht so viel Hunger. Ein Problem, denn ich brauche die Energie. Ich habe während der Reise an Gewicht verloren.
Am 26. Tag meiner Reise erreiche ich Korinth. Von hier aus ist es noch eine Tagesetappe bis Athen. Hm, ein komisches Gefühl. Ich genieße die Nacht in der Unterkunft. Das Meer rauscht unterhalb vom Balkon und lässt mich in tiefen Schlaf fallen. In der Nacht dreht der Wind und weht nun vom Land her. Er trägt den würzigen Geruch von brennenden Kiefern mit sich. Die Waldbrände sind inzwischen an zahlreichen Stellen ausgebrochen. Glücklicherweise musste ich (noch) keinen Umweg wegen der Waldbrände fahren. Über teilweise sehr stark befahrene Straßen führt die Route nach Athen. Manchmal verstehe den Eurovelo nicht wirklich. Gibt es Gebiete in denen die Route keinen Aussichtpunkt, Sehenswürdigkeit oder sonstige „Point of interesst“ auslässt, folgt die Route nun einer hässlichen, lauten, viel befahrenen stinkenden Hauptstraße. Der Wind treibt mir den Dreck in die Augen und die Autofahrer werden mit jedem Kilometer dem ich mich Athen nähere hektischer und aggressiver.
Dann ist es geschafft: Nach 3113 Kilometern, die ich in 28 Tagen (inkl. Ruhetage) gefahren bin erreiche ich am 27. Juli 2021 meine Unterkunft in Athen! Die Radreise nach Athen ist geschafft. Ich bin absolut glücklich, aber im Augenblick auch sehr müde.
Ich habe mir die wichtigen Punkte im GPS-Gerät gespeichert und mache mich mit dem Fahrrad auf Stadtrundfahrt. Der erste Punkt auf meiner Liste war die Akropolis. Früh am Morgen gab es dort noch nicht viele Besucher, die in der Schlange standen. Zudem war es noch nicht so heiß. Tagsüber sind für Athen Temperaturen von über 40 Grad Celsius angekündigt. Es wurde schon gewarnt, die Klimaanlagen nicht so kalt zu stellen, um die Stromnetze nicht zu überlasten. Die Akropolis zu besuchen war für mich sehr schön. Schließlich ist der Berg mit seinen historischen Anlagen das Ziel meiner Reise gewesen. „ICH bin mit dem Fahrrad zur Akropolis geradelt“. Das kann ich jetzt mit Fug und Recht sagen! Ich fahre weiter zum Observatorium. Von dort aus hat man nicht nur einen guten Blick zu Sternen, sondern auch über Athen. Soweit das Auge sehen kann: Ein Häusermeer.
Ich schaue mir noch einige andere interessante Sehenswürdigkeiten in Athen an.
Zum späten Nachmittag kläre ich noch, wo der Busbahnhof liegt. Denn vor dort wird mich morgen in der Frühe (hoffentlich) ein Bus nach Igoumenitsa bringen. Damit beginnt die Rückreise. Ein Abenteuer für sich. Denn nun habe ich meine Reise nicht mehr selbst in der Hand, sondern bin auf Verkehrsmittel wie Bus und Bahn angewiesen. Das ist mit dem Fahrrad nicht immer unkompliziert.
Radreise nach Athen - 2021 -- 11. Kapitel – Griechenland & Italien – Die Rückreise
Das Thermometer zeigt an diesem Morgen schon um 6 Uhr 32 Grad Celsius. Ich habe nicht gut geschlafen. Ohne Klimaanlage ist es fast unmöglich, dass der Körper zu Ruhe kommt. Mit Klimaanlage ist es einfach zu laut im Zimmer (und es ist Zugluft im Zimmer).
Ich bin auf dem Weg zum Zentralen Busbahnhof vom Athen. Dem Kifisou. Mit dem Fernbus fahre ich von Athen zur Hafenstadt Igoumenitsa, die ich schon auf der Hinreise kurz durchquert habe. Während draußen die Landschaft an mir vorbeizieht, kommen mir Teile davon durchaus bekannt vor. Klar, hier bin ich vor einigen Tagen mit dem Fahrrad vorbeigekommen. Inzwischen zeigt das Thermometer im Bus eine Außentemperatur von 41 Grad Celsius an. Die Hitze flimmert am Horizont.
Am späten Abend (gegen 21.30 Uhr) legt die Fähre ab. Ziel: Ancona in Italien.
Ich habe auf der Fähre einen Platz in einem Großraum-Abteil mit Kinosesseln gebucht. Keine Kabine. Denn schlecht schlafen kann ich auch für weniger Geld. Die Fähre war sehr laut. Und leider auch nicht besonders sauber. An Deck war es mir zu dreckig, um meine Isomatte dort auszubreiten und zu schlafen. In einem Reisebericht habe ich schon gelesen, dass die „Grimaldi Lines“ die Fähren wohl ziemlich runter wirtschaften. Das muss ich leider bestätigen. Am Abend des nächsten Tages erreicht die Fähre gegen 17 Uhr die italienische Hafenstadt Ancona. Ich fahre zum Bahnhof um von dort mit der Bahn weiter nach Norden zu reisen. Bologna ist mein Ziel. Hier will ich übernachten und am nächsten Tag meine Reise fortsetzen.
Da mein Zug von Bologna nach Bozen erst am Nachmittag startet habe ich reichlich Zeit für eine Tour durch die Stadt, um die Sehenswürdigkeiten von Bologna anzuschauen. Am frühen Abend erreiche ich Bozen. Hier muss ich umsteigen in einen Eurocity nach München. Ich freue mich allmählich darauf wieder zu Hause, bzw. in meinem Garten zu sein. Ich habe mir vorgenommen das Wochenende im Garten zu verbringen und ganz langsam aus der Radreise wieder in den Alltag zurückzukehren. Ich will in Bozen in den Eurocity einsteigen, da ruft der Schaffner schon von weitem, dass er mich nicht mitnehmen wird. Ich laufe zu ihm hin und zeige ihm die zusätzliche Karte für Fahrrad. Doch die interessiert ihn gar nicht. Er nimmt mich NICHT mit. Alles bitten und alle Erklärungen interessieren ihn nicht. Er gibt zum Lokführer das Signal zur Abfahrt, die Türen schließen und ich stehe weiterhin in Bozen am Bahnhof. Scheiß BAHN!!!!
Es ist Samstagabend. Gerade geht ein kräftiges Gewitter über Bozen nieder und ich stehe hier, schaue immer noch fassungslos meinem Zug hinterher, verfluche den Schaffner und die Bahn und überlege, wie es nun weitergehen könnte. Ich erkundige mich nach Alternativen. Es gibt am Sonntag noch Züge nach Deutschland. Alle komplett voll. Keine Chance. Und am Montag? Nein, ab Mitternacht wird die Bahnstrecke über den Brenner für eine Woche wegen Wartungsarbeiten gesperrt. Wunderbar!
Ich suche mir nun als erstes eine Unterkunft. Weil es immer noch in Strömen regnet, habe ich nach all dem, was ich gerade mitgemacht habe, keine Lust auf Camping im Regen. Auch wenn dies zu meiner Stimmung vielleicht sogar gut passen würde. Für viel Geld finde ich kurzfristig noch eine recht bescheidene Unterkunft. Aber immerhin ein Dach über dem Kopf. Während ich das warme Wasser der Dusche genieße, überlege ich mir, wie ich nun am besten nach Hause komme. Der Entschluss ist schnell gefasst. „Scheiß auf die Bahn“ – Ich fahre mit dem Fahrrad nach Hause.
- August 2021 -- Tag 33 meiner Reise. Ich steige im Dauerregen aufs Fahrrad. Unterwegs muss ich teilweise durchs knietiefe Wasser fahren, weil durch den starken Regen Bäche und kleine Flüsse über die Ufer getreten sind. Von der enormen Hitze in Athen in den kalten Dauerregen Südtirols ist ein krasser Wechsel. Ich ziehe meine kompletten Regenklamotten an. Gut, dass ich die Regenklamotten über 3.000 Kilometer im Bobby hinter mir hergezogen habe. Nächste Station: Brixen. Schweres Gewitter mit Starkregen. Ich stelle mich eine halbe Stunde lang unter den Schutz einer Brücke. Gewitter sind extrem gefährlich! Franzensfeste… Mir ist eiskalt! Brenner… Ich bin oben. Nun geht es weiter nach Innsbruck. Leider nicht nur bergab. Die Strecke ist sogar ziemlich anspruchsvoll. Gut so, denn dann wird mir wenigstens warm, wenn ich bergauf fahre. Es regnet, regnet und regnet. Als ich in der Unterkunft in Innsbruck ankomme bin ich müde und mir ist eiskalt. Selten habe ich eine warme Dusche so sehr genossen wie an dem Abend. Meine nassen Klamotten verteile ich überall im Zimmer und hoffe, dass diese bis zum nächsten Morgen wenigsten ein bisschen trocken geworden sind.
Am nächsten Morgen starte mit fast trockener Kleidung. In Innsbruck kaufe ich mir noch Proviant für den Tag. Es geht zum Achensee. Der Anstieg ist teilweise so steil, dass mir das Hinterrad wegrutscht, weil es auf dem Schotter nicht genug Haftung gibt. Als ich den Achensee erreiche bin ich völlig nass geschwitzt und ziehe mir schnell warme Klamotten an. Der Wind ist sehr kühl. Es fallen die ersten Regentropfen. Ich genieße die Fahrt um den Achensee und denke die ganze Zeit ziemlich emotional an den letzten Ausflug, den ich mit Mutter hier an den Achensee unternommen habe als es ihr noch halbwegs gut ging. Das war ihr letzter Ausflug. Danach hat die Demenz überhandgenommen. Sie ist jetzt in ihrer eigenen Welt. Aber vielleicht kommt darin der kleine Urlaub am Achensee vor...?
Ich erreiche den Walchensee und wenig später Lenggries und am späten Nachmittag mein Ziel für heute. Bad Tölz. In der Jugendherberge finde ich eine gute Unterkunft. Ein junger Wanderer auf dem Zimmer berichtet von seinem Plan den „Traumpfad München – Venedig“ zu laufen. Wir sitzen noch sehr lange auf dem Zimmer und unterhalten uns über den Traumpfad, den ich vor vielen Jahren mit Pascal zusammen gewandert bin. Viele schöne Erinnerungen werden wieder wach.
Am nächsten Tag werden diese Erinnerungen noch viel lebendiger, als ich ein Stück auf dem Traumpfad unterwegs bin. Ich sehe die Zeichen und erkenne Teile der Strecke. Ein interessantes Gefühl nach vielen Jahren hier zu fahren und doch kommt mir die Landschaft bekannt vor. Doch nun richte ich meine Augen auf mein heutiges Ziel: Augsburg. In der Jugendherberge finde ich wieder eine Übernachtung. Leider ist heute niemand auf dem Zimmer. Schade, die Unterhaltungen mit den Leuten sind immer wirklich schön.
Der nächste Tag beginnt um 6:30 Uhr.
Letzte Etappe.
Wie so oft in den letzten Wochen packe ich die Tasche vom Bobby, gebe den Zimmerschlüssel ab, hole Fahrrad und Bobby aus dem Unterstand, belade den Bobby, hänge ihn an das Fahrrad und mache mich auf den Weg. Ich habe dies in den letzten Wochen so oft und jedes Mal mit Freude gemacht, dass es mir sicherlich ab morgen fehlen wird. Denn jeder Tag brachte irgendetwas Neues.
Donauwörth erreiche ich gegen Mittag. Der Weg führt weiter Richtung Nördlingen, dann über die Schwäbische Alb und schließlich hinab nach Aalen. Bis hier waren es heute 150 Kilometer. Weitere 80 Kilometer sind es noch bis Leonberg. Eine 230 Kilometer-Etappe zum Abschluss der Tour? Nein, das hatte ich gestern Abend schon beschlossen. In Aalen steige ich in eine Regionalbahn und fahre nach Stuttgart. Von dort weiter Richtung Leonberg. Ich steige eine Station früher aus. In Höfingen und fahre durchs Glemstal. Das ist ein Stück meiner Joggingrunde, die ich viele Wochen nicht mehr gelaufen bin. Ich genieße die Ruhe und die Natur hier im Glemstal sehr. Dann erreiche ich den Marktplatz. Das war die Tour nach Athen. Ich bin wieder wohlbehalten zurück. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis ich auch mit dem Kopf aus der Tour wieder in den Alltag zurückgekehrt bin.
Wenn ihr noch mehr zu meiner Radreise lesen wollt, dann schaut gerne das Tagebuch an. Hier steht zu jedem Tag wie viele Kilometer ich gefahren bin, wie das Wetter unterwegs war, welche Erlebnisse und Eindrücke ich unterwegs hatte und was mich bewegt hat.