Radreise nach Gibraltar – 2022
Radreise nach Gibraltar – 2022 -- 1. Kapitel – Hitzeschlacht im Rheintal
Auch die längste Tour beginnt mit dem ersten Meter. Ich starte am 17. Juni 2022 kurz nach 9 Uhr bei mir zu Hause in Leonberg und fahre Richtung Westen nach Pforzheim. Heimspiel. Hier kenne ich jedes Schlagloch. Je weiter ich Richtung Rheintal komme umso höher steigen die Temperaturen. Bei Temperaturen über 30 Grad Celsius macht mir die Hitze durchaus zu schaffen. Hinzu kommt, dass ich wegen einer Corona-Infektion in den letzten drei Wochen weder meine Joggingrunde gelaufen, noch größere Strecken mit dem Fahrrad gefahren bin. Ziemlich erschöpft erreiche ich am Abend der ersten Etappe mein Ziel in Kehl am Rhein.
Die Wettervorhersage hat für die nächsten Tage Temperaturen um 40 Grad Celsius angekündigt. Eigentlich bin ich Wärme gewohnt und mag es sehr, wenn es richtig warm ist. Doch bislang komme ich mit der Hitze nicht zurecht. Immer wenn ich etwas Wasser trinke fürchte ich mich übergeben müssen. Normalerweise mache ich eine 0,75 Liter Flasche Wasser in einem Zug leer. Bislang muss ich mich zwingen einen Schluck Wasser zu trinken. Kopfweh habe ich zum Glück nicht. Dies wäre ein Zeichen für eine Hyperthermie und damit das Ende der Etappe. Meine 4,5 Liter Wasser für unterwegs werden immer weniger. Ich achte sehr darauf, dass ich trinke, auch wenn ich eigentlich nichts trinken mag. Am Nachmittag mache ich dann eine Übernachtung in Neuenburg am Rhein klar. Es sind knapp 30 Kilometer bis dorthin. Eigentlich NICHTS. Aber jetzt wird es zur Herausforderung. Die Hitze entlang der Landstraßen ist der Wahnsinn. Und falls sich tatsächlich ein bisschen Wind bemerkbar macht, dann ist der Wind sehr heiß. Ich frage mich zwischendurch, ob ich bei meiner minutiösen Vorbereitung für diese Radtour einen entscheidenden Fehler gemacht habe und das falsche Datum für den Start gewählt habe. Wäre der Herbst nicht besser gewesen? Aber wer konnte ahnen, dass ich es sofort nach dem Start mit Temperaturen von 40 Grad Celsius im Schatten zu tun bekomme?? Am Abend jeder Etappe ergänze ich die Elektrolyte im Körper mit speziellen Tabletten. Alkohol ist absolut tabu!
Radreise nach Gibraltar – 2022 -- 2. Kapitel – Durch die Schweiz
Am dritten Tag meiner Reise erreiche ich Schweiz. Von Weil am Rhein geht es beinahe nahtlos nach Basel über. Die Route verlässt das Rheintal und die ersten (500) Höhenmeter sind zu fahren. In der Hitze ist das sehr anstrengend. Glücklicherweise finde ich unterwegs Möglichkeiten, um meine Wasserflaschen zu füllen. Entlang der Aare wimmelt es vor Menschen, die im kühlen Nass heute am Sonntag eine Abkühlung suchen. Meine Unterkunft in Aarau liegt direkt am Bahnhof. Der Platz glüht förmlich in der Hitze und eine Klimaanlage im Hotelzimmer gibt es nicht. Es gab dort auch keine Menschen am Check-In. Dank modernster Technik war es zudem unglaublich unpersönlich und trotzdem sehr teuer.
Von Aarau führt die Route nach Luzern und weiter zum Vierwaldstättersee. Mit der Fähre überquere ich den Vierwaldstättersee und erreiche am Abend die kleine Gemeinde Flüelen. Von dort starte ich am Morgen der 5. Etappe Richtung Gotthard! Gegen Mittag erreiche ich Göschenen. Weiter bergauf nach Andermatt, bis ich am frühen Nachmittag die Gotthard Passhöhe erreiche. Sollte bis heute Morgen noch irgendetwas von Corona in mir gewesen sein, so ist das jetzt ganz sicher raus geschwitzt worden. Ziemlich stolz mache ich ein paar Selfies und fahre denn hinab Richtung Bellinzona. Eine Übernachtung direkt am Lago Maggiore war aus Budgetgründen nicht möglich. Ich übernachte in der Nähe in einer privaten Unterkunft bei einer netten Familie.
Nachdem ich die kleine Gemeinde Intragana passiert habe, beginnt die schwere Arbeit. Die Route verläuft sehr steil bergauf. Allerdings auch durch eine extrem beeindruckende Natur! Die Schmalspurbahn, die ich immer wieder über- oder unterquere, fasziniert mich ebenfalls. Eine Meisterleistung an Planung und Bauhandwerk. Die Berge ringsum ragen sehr steil in die Höhe, immer wieder überqueren kleine Material Seilbahnen das Tal. Wohin diese allerdings führen, verliert sich meist in den dichten Wolken. Denn das Wetter hat sich massiv geändert. Die Hitze ist weg und dafür fahre ich schon den ganzen Tag über im Regen. Am frühen Nachmittag erreiche ich die Grenze zu Italien.
Radreise nach Gibraltar – 2022 -- 3. Kapitel – Italien
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel Bettina in Mergozzo beginne ich die nächste Etappe sehr entspannt. Die Strecke ist eigentlich nicht sehr bergig. Leider macht mir kräftiger Gegenwind sehr zu schaffen. An diesem Tag werden bis zum Ziel in Monferrato 140 Kilometer auf dem Kilometerzähler stehen. Am Abend erreiche ich eine kleine privaten Ferien-Wohnung, in der ich übernachte. Es gehört fast schon zur täglichen Routine am Abend noch das Fahrrad zu prüfen. Die Bremsbeläge vorne müssen erneuert werden. Dann noch Wäsche waschen, essen, das Tagebuch tippen, Zähne putzen und die Übernachtungen für die nächsten Tage suchen. Denn in den nächsten Tagen verläuft die Route durch die Berge und die Anzahl der Unterkünfte ist nicht so üppig wie in den großen Städten. Normalerweise suche ich eine Unterkunft meist gegen Mittag des Tages. Dann weiß ich wie weit ich noch fahren kann bzw. möchte. In den Städten der Ballungszentren ist das kein Problem. Jetzt in den Bergen gibt es wenig Unterkünfte und da ist es wichtig länger im Voraus zu buchen. Ich habe ein bisschen Sorge, dass ich sonst am Abend vielleicht ohne Unterkunft dastehe. Das wäre nicht schön. Schnell stellt sich heraus, dass meine Sorge durchaus sehr begründet war. Ich habe jedoch überall während der Etappen durch die Berge einen Platz zum Schlafen gefunden.
Auch für den morgendlichen Ablauf gibt es inzwischen so etwas wie Routine: Zähne putzen, mit Sonnenschutz einschmieren, Radlerklamotten anziehen, Wasserflaschen füllen und einpacken, Gepäck schnappen, Zimmer bezahlen und los. Heute ist die Etappe wirklich ein Genuss zu fahren: Ich fahre auf einer kleinen Straße ohne Verkehr, es gibt teilweise Schatten aber vor allem unglaublich schöne Ausrichten über die Berge und Täler. Fast hinter jeder Kurve könnte ich anhalten und Bilder machen. Es ist einfach sehr beeindruckend. Die meisten der Eindrücke werde ich (hoffentlich) lange in Erinnerung haben. Der Weg führt durch viele kleine Dörfer in den Bergen. Sehr romantisch! Doch es ist nicht zu übersehen, dass die Unwetter auch hier für Schäden sorgen.
Dann ist es aber geschafft. Am Nachmittag der 10. Etappe erreiche die Stadt Imperia am Mittelmeer. Die ersten 1.100 Kilometer sind geschafft!
Radreise nach Gibraltar – 2022 -- 4. Kapitel – Frankreich
Es geht weiter Richtung Süden. Immer am Mittelmeer entlang. Die Route führt nach Monte Carlo. Eine schreckliche Stadt! Sehr laut, viel zu viel Verkehr, eng. Schrecklich! Im Jacht-Club. Da schwimmen ein paar von diesen unglaublich übertrieben teuren Jachten im Hafen. Vier oder fünf maximal. Bilder habe ich keine gemacht. Dafür ist es mir noch nicht mal der Platz auf meiner Speicherkarte wert! Viel Platz gibt es im Hafen ohnehin nicht. Herrchen und Frauchen scheinen wohl ausgeflogen zu sein und vermutlich grade angestrengt versuchen noch teurere Klamotten und Schmuck zu kaufen, als es die Nachbarin auf der letzten Party gestern Abend trug. Das Personal putzt und poliert das Ding, während zwei Tankwagen frischen Diesel in die Jachten pumpen. Wo lag der Preis für Diesel grade? 2,15 pro Liter. Na ja, darauf wird es wohl sicher auch nicht ankommen. Ich glaube ich bin kleinkarriert, als ich mich beim Gedanken erwische, was wohl Greta dazu sagen würde...? Ach egal. Ich kann auf den ganzen Protz absolut nicht neidisch sein. Es ist mir einfach egal. Weiter geht's, raus aus dem Chaos. Nach Nizza. Der Jachthafen von Nizza stellt Monte Carlo meilenweit in den Schatten. Hier lagen nun wirklich zahllose dieser völlig übertriebenen Jachten. Massenhaft! Weiter führt der Weg Richtung Flughafen. Und hier ist schon die nächste bittere Pille der Superreichen zu erkennen. Na, eigentlich sind es zwei bittere Pillen. Erstens: Es gibt zu wenig Stellplätze für die Privat-Jets der Bonzen. Und noch schlimmer dürfte sein: Hier sieht die scheiß Dinger keiner (außer eben jemand der zufällig mit dem Fahrrad dort vorbeifährt, aber wer von den Bonzen fährt denn mit dem Fahrrad...?) So, nun genug von Hohn und Spott. Nächste Station Cannes.
In Arles mache ich einen Ruhetag. Der erste Ruhetag seit zwei Wochen. Inzwischen bin ich über 1.500 Kilometer gefahren. Da ist eine Pause unbedingt nötig. Die Stadt wurde von den Römern aufgebaut. Noch heute sind viele sehr gut erhaltene antike Bauten zu bewundern. Ein römisches Theater und eine Arena sind die Highlights dort.
Am Nachmittag des 17. Tages meiner Reise (und knapp 2.000 Kilometern) erreiche ich den Col de Panissars. Hier verläuft die Grenze zu Spanien.
Radreise nach Gibraltar – 2022 -- 5. Kapitel – Spanien
Auf der Südseite des Col de Panissars geht es steil bergab. Der Weg besteht nur aus Steinen, Sand, tiefen Furchen und unendlich vielen Schlaglöchern. Als ich dann am Fuß des Berges angekommen bin mache ich eine kurze Pause, trinke nochmal ordentlich Wasser und schaue mich im Internet nach einer Unterkunft für die Nacht um. In La Jonquera haben die Supermärkte sogar am Sonntag geöffnet. Im Supermarkt war alles irgendwie immer mega-groß. Und es gibt sie tatsächlich: 10 Liter Kanister Sangria. Unmengen Fleisch! Ganze Schweinehüften hängen getrocknet in den Regalen. Für mich als Veggi natürlich ganz großes Kino! Paella Pfannen mit fast 2 Meter Durchmesser und alles was dazu gehört. Ach ja, und das Theater mit dem nicht verfügbaren Oliven- oder sonstigen Öl gibt's wohl auch nur in Deutschland. Hier kann man Olivenöl im 10 Liter Kanister kaufen. Gurken statt im Glas gibt's hier im 10 Kilo Eimer. Nur Müsli…. Also nach langer Suche finde ich in einer Ecke ein paar Packungen.
Die Radwege in Spanien sind leider nicht so luxuriös wie die Supermärkte. Es sind eigentlich alles Pisten aus Sand und Schotter. Asphalt gibt es quasi nicht. Der Sand ist fast weiß und je höher die Sonne steht umso heller blendet der Sand. Außerdem staubt es gewaltig. Selbst ich mit dem Fahrrad wirble schon einigen Staub auf. Ganz zu schweigen, falls ein Auto oder gar ein Lkw entgegenkommt, oder überholt. Da bleibe ich gerne freiwillig stehen, bis sich der Staub gelegt hat. Inzwischen ist es auch richtig heiß geworden. Ich bin froh, dass ich 4,5 Liter Wasser dabeihabe. Ich komme an zahlreichen und beinahe endlosen Flächen für Ackerbau und Plantagen für Obst vorbei. Fast überall stehen Pumpen am Weg und pumpen Wasser auf die Felder oder in die Plantagen. Wo es kein Wasser gibt, herrscht Dürre. Viele Felder sind schon gemäht worden. Dort wo bewässert werden kann wurde bereits wieder frisch gesät.
Am 19. Tag meiner Reise erreiche ich Barcelona. Auch hier mache ich einen Ruhetag. Die enorme Hitze und das dauerhafte Schwitzen weicht die Haut am Hintern auf. Eine Hornhaut bildet sich so nicht. Dann wird die Haut irgendwann wund und braucht eine Pause. Außerdem ist Barcelona einen Ruhetag auf jeden Fall wert.
In den Tagen danach geht die Hitze-, Staub und Sandschlacht weiter. Durch die Berge sind die Wege teilweise so schlecht, dass das Fahren unmöglich und selbst Schieben nur sehr schwer möglich ist. Inzwischen starte ich morgens bereits lange vor Sonnenaufgang und fahre mit Licht, damit Hitze und besonders der starke Südwind mit nicht zu sehr zu schaffen machen. Nächste Stopps sind: València und Alicante. Ich nähere mich Almeria. Überall sind die riesengroßen Gewächshäuser zu erkennen in denen Gemüse angebaut wird. Eines kann ich sicher sagen: Tomaten aus Spanien wachen in der Erde und nicht in einer Nährflüssigkeit. Doch überall dort, wo es keine Bewässerung gibt, herrscht absolute Dürre.
In dem breiten Tal durch das ich fahre stehen hunderte Gewächshäuser. Die reihen sich kilometerlang dicht an dicht, so weit das Auge sehen kann. Unglaublich! Es sind aber keine Gewächshäuser aus Glas, sondern aus Folie. Die Dächer dienen wohl eher als Schutz vor der Sonne, oder ggf. auch vor Regen. Manche der Dächer sind mit weißer Farbe eingesprüht. Vermutlich, damit es innen nicht zu heiß wird. Dabei sind die sehr großzügig mit der Farbe. Ein Teil landet auf der Straße und so ist die dann eben auch weiß. Wen stört das? Überhaupt scheint hier Umweltschutz keine sehr große Bedeutung zu haben. Es liegt schon sehr viel Müll zwischen den Gewächshäusern. An manchen Gewächshäusern hängt die Folien in Fetzen herunter. Am andere Stellte türmen sich alte Folien zu richtigen Bergen aus Müll. Das ist die Kehrseite der industriellen Gemüseproduktion. Auch fällt mir auf wie viele Schwarze Menschen hier arbeiten. Klar, das Dublin-Verfahren besagt, dass die Menschen erst einmal in dem Land bleiben müssen, in das sie eingereist sind. Für viele Flüchtende aus Afrika ist das eben dann Spanien. Vermutlich arbeiten die hier für Hungerlöhne irgendwo in den unzähligen Gewächshäusern. Ob legal oder illegal wird vermutlich auch niemanden interessieren. So sieht es aus im Europa 2022. Aber ich muss erkennen: Es gibt schlimmere Orte auf der Welt und derzeit beherrschen andere Themen die Schlagzeilen (Krieg in der Ukraine).
Nach 29 Tagen und etwas mehr als 3.300 Kilometern erreiche Malaga. Nun sind es nur noch wenige Tage bis Gibraltar. Allmählich lohnt es sich Gedanken über die Rückreise zu machen. Oder doch noch ein paar Etappen weiter durch Portugal fahren bis nach Lissabon?
Nun zunächst beschäftigt mich ein großer Waldbrand, der in der Nähe von Malaga tobt. Ich hoffe, dass dieser Waldbrand mich nicht zu einem Umweg zwingt?! Die riesige Rauchwolke in der Nähe der Stadt sieht schon gefährlich aus.
Zwischen Malaga und Marbella kommen mir dann starke Zweifel an der Routenplanung des Eurovelo 8. Denn dieser zweigt ab auf die Autobahn!! Das kann doch niemals sein. Ich versuche über einige Kilometer irgendwie Alternativen zu finden. Doch das ist irgendwann einfach nicht mehr möglich. Ich suche im Internet nach Alternativen. Doch auch diese Routen nehmen entweder die Autobahn oder verlaufen kilometerweit entfernt von mir durch die Berge. Als es nicht mehr anders geht schaue ich im Internet, ob ich Infos finde. Es gibt tatsächlich einige Berichte von anderen Radreisenden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Es gilt: Wenn es nicht per Schild ausdrücklich verboten ist mit dem Fahrrad auf der Autobahn zu fahren, dann ist es erlaubt. Undenkbar in Deutschland! Ich versuche es. Kein Problem. Kein Autofahrer der durchdreht. Ich bin trotzdem froh, als ich wieder auf einer normalen Straße oder einem Radweg fahren kann.
Radreise nach Gibraltar – 2022 -- 6. Kapitel – Gibraltar
Schließlich ist sie da: Die letzte Etappe!
Auszug aus dem Tagebuch: Sonntag, 17.07.2022 - 31. Tag - von San Luis de Sabinillas- nach Gibraltar und weiter nach Tarifa.
Gegen 11 Uhr erreiche ich die Grenze zu Gibraltar. Offiziell endet hier die EU, denn Gibraltar gehört politisch gesehen zu England. Und England hat bekanntlich vor ein paar Jahren die EU verlassen. Die Einreise ist aber ziemlich einfach. Bei der Kontrolle will man nicht mal einen Pass oder Personalausweis sehen. Einfach durchfahren. Doch wenige hundert Meter weiter stehe ich dann zusammen mit anderen Autos vor einer geschlossenen Schranke. Hm, komisch. Auf Schildern über der Schranke steht etwas von Airfield, also Flugplatz. Ich warte ab was passiert. Und tatsächlich: Wenige Minuten später rollt ein Flugzeug über die Straße. Ein großes Flugzeug von Easyjet. Das Flugzeug verschwindet hinter einem Gebäude. Mehr kann ich nicht sehen. Dann kann es ja weitergehen, also macht die Schranke endlich auf! Aber nicht passiert. Die Schranke bleibt geschlossen und ich muss weiter warten – so kurz vor dem Ziel!! Und genau in dem Augenblick schießt das Flugzeug mit Vollgas wieder über die Straße und hebt genau vor meinen Augen ab. Wow Wahnsinn! Aus solcher Nähe habe ich das auch noch nie gesehen! Der Lärm war natürlich ohrenbetäubend und ging mir wirklich durch Mark und Bein. Tja, dann war das Flugzeug weg und die Schranke öffnet sich. Nun kann es weitergehen. Ich will zum südlichen Ende von Gibraltar. Dort sehe ich den Leuchtturm und AFRIKA! Ich habe das Ziel meiner Reise erreicht. Oder besser gesagt den eigentlichen Endpunkt. Mein Ziel habe ich eigentlich schon bei der Abfahrt zu Hause erreicht: Nämlich mit dem Fahrrad unterwegs zu sein....
Es ist kurz nach 11 Uhr. Nach 3.503km bin ich angekommen. Hier am Leuchtturm ist es sehr ruhig. Kein Lärm, ein paar Touristen, mehr nicht. Ich freue mich, dass ich es geschafft habe die Radtour bis hier her zu fahren und bin sehr dankbar, dass nichts passiert ist und ich gesund bin. Ich lasse mir die Kekse aus dem Proviant schmecken, mache ein paar Bilder und genieße einfach nur den Augenblick.
Ich fahre weiter nach Tarifa. Von hier aus starten die Fähren nach Afrika. Es macht mich schon sehr nachdenklich hier zu stehen. Afrika. Sicherlich auch ein fantastisches Abenteuer. Ich muss an meine Zeit in Sierra Leone denken…
Radreise nach Gibraltar – 2022 -- 7. Kapitel – Die Rückreise
Von Tarifa aus fahre ich am nächsten Tag nach Algeciras. Hier ist der nächste Bahnhof. Ich kaufe mir ein Ticket für die Rückreise. Ich werde morgen früh um 6:20 Uhr mit dem Zug nach Madrid fahren. Dort ist der Umstieg auf einen Zug nach Avignon.
Nun muss ich mein Fahrrad bereit machen für die Rückreise. Ich werde mein Fahrrad zerlegen und mit Tüchern aus Stoff und ganz viel dünner Folie einpacken. Ohne Kiste drumherum. Tücher habe unterwegs vor ein paar Tagen zufällig gefunden. Da hatte jemand ein paar Säcke mit alter Kleidung in einem trockenen Fluss entsorgt. Die Sachen sind sauber (ein Stück hatte sogar noch das Label dran), groß und relativ dick und stabil. Davon habe ich mir ein paar Sachen auf den Gepäckträger gepackt und die letzten Tage durch Spanien transportiert. Stück für Stück zerlege ich mein Fahrrad und packe die Teile in Tücher und Folie ein. Bis auf das Hinterrad. Das soll weiterhin drin bleiben und sich auch drehen können, damit ich nicht das ganze Gewicht tragen muss.
Am nächsten Morgen fahre ich mit einem Regionalzug bis zur Hauptstrecke der Schnellzüge. Während es im Regionalzug kein Problem mit meinem Gepäck gab, war das beim Schnellzug schon ein größeres Problem. Auch wenn ich alles zerlegt hatte, war das Hinterrad noch zu erkennen und somit hatte ich dann plötzlich kein Gepäck, sondern ein Fahrrad. Nach langem Hin und Her rief die Dame im Zug an, um zu klären, ob Platz für ein „Fahrrad“ ist (dass eigentlich kein Fahrrad mehr ist…). Gegen Mittag erreiche ich Madrid und kann dort in den nächsten Zug. Diesmal keine Diskussionen. Es gibt einen Platz fürs große Gepäck. Ich genieße die Fahrt durchs Land. Einige der Städte durch die wir fahren kenne ich bereits von dieser oder anderer Reisen mit dem Fahrrad. Um 22 Uhr kommt der Zug Avignon an. Hier ist für heute Schluss mit der Rückreise. Erst morgen um 7 Uhr geht es weiter. Ich suche mir ein gemütliches Plätzchen, wo ich die Nacht entspannt verbringen kann. Doch daraus wird leider nichts. Um 1 Uhr schmeißt die Security mich und andere Gäste sehr bestimmt und unfreundlich aus dem Bahnhof. Wir verbringen die Nacht auf einem Parkplatz irgendwo außerhalb von Avignon. Es stinkt nach Pisse und allmählich wird mir kalt. Haken dran an die Sache. So habe ich in diesem Urlaub auch tatsächlich doch "wild gecampt" und unter den Sternen geschlafen.
Am nächsten Morgen reise ich weiter nach Strasburg, dann weiter nach Karlsruhe bis nach Pforzheim. In Pforzheim endet für mich die Fahrt mit der Bahn. Ich habe beschlossen, dass ich die letzten Kilometer bis nach Hause mit dem Fahrrad fahre. Es gibt Störungen bei Stuttgart und so weiter. Tatsächlich habe ich keine Lust mehr noch länger in der Bahn zu hocken. Ich verlasse den Bahnhof und suche mir in der Nähe ein ruhiges Eck, packe mein Fahrrad aus und baue es wieder zusammen.
Ich kaufe mir noch etwas zum Trinken und fahre von Pforzheim durchs Würmtal nach Leonberg. Das Würmtal ist meine Lieblingsstrecke. Ich genieße es wirklich sehr hier unterwegs zu sein. Ein Donnergrollen holt mich aus meinen Gedanken. Der Himmel ist bereits dunkel und ein Gewitter ist nicht mehr weit. Als ich die Felder zwischen Heimsheim und Perouse erreiche zucken die Blitze vom Himmel und die ersten Tropfen fallen. Ich trete nochmal kräftiger in die Pedale und lege einen Zahn zu, damit ich noch halbwegs trocken nach Leonberg komme. Das klappt aber nicht mehr. Ehrlich gesagt stört mich der Regen auch nicht. Nach den letzten Wochen in Hitze und Trockenheit ist es einfach schön durch den warmen Regen zu fahren.
In Leonberg endet die Reise dann wieder auf dem Marktplatz. Nur das obligatorische Foto entfällt, weil es zu stark regnet. Ich bleibe unter einen großen Sonnenschirm sitzen und genieße ein kühles Bier. Ein paar Bekannte sind auch noch dabei und so wird das ein gemütlicher Abend. Feucht von innen und außen, da das Gewitter wirklich sehr langsam weiterzieht und es lange und kräftig regnet, blitzt und donnert.
Damit endet der Bericht meiner Radtour nach Gibraltar.
Wer mehr lesen möchte kann gerne das Tagebuch der Reise öffnen. Hier findet ihr viele Details, meine persönlichen Gedanken und Eindrücke während der Reise. Viel Spaß beim Lesen!