Freitag, 13.07.2012 - Porshöfn – Vopnafjördur
Tageskilometer: 72 km
Durchschnitt: 22 km/h
Sonnig, aber sehr starker Wind / Sturm (bis 18m/s)
Die Nacht am Campingplatz war gar nicht kalt. Im geschlossenen Schlafsack war es schon wieder zu warm. Aber die ganz Nacht über war es bereits sehr windig. Und mein Hotel Hilleberg ist einfach nicht das Beste bei Sturm. Ich habe am Abend schon alle Heringe verbaut, die ich dabei hatte. Das war auch gut so. Trotzdem bin ich in der Nacht noch einmal aus dem Zelt geklettert und habe die Zeltschnüre nachgespannt, weil das Zelt gar so heftig geflattert hat. Zum Morgen war der Wind dann noch stärker geworden. An ein Frühstück im Freien war nicht zu denken und so habe ich gemütlich im Vorzelt gefrühstückt. Das Vorzelt bietet grade für solche Anlässe wirklich noch genügend Platz. Auch einen Regentag kann man im Zelt schon ganz gut herum bekommen, wie sich noch zeigen wird. Das Mehrgewicht nehme ich wirklich gerne in Kauf. Nach dem Frühstück ziehe ich mich im Zelt um und versuche anschließend meine Sachen in der BoB Tasche zu verstauen. Das Zelt kann ich bei dem starken Wind einfach nicht vernünftig zusammenlegen und so kommt es eben irgendwie in die Tasche rein. Aber was soll´s. Die Hauptsache ist: Es ist trocken und es ist irgendwie halbwegs sauber in meiner BoB-Tasche. Ich verabschiede mich noch von Chann und Rolf und mache mich auf den Weg nach Vopnafjördur. Beim Start hoffe ich sehr, diesen kräftigen Wind im Rücken zu haben, denn sonst werden die nächsten 70 Kilometer sehr hart. Es läuft am Anfang auch alles wirklich super. Ein ganz kräftiger Wind schiebt von hinten so kräftig, dass in der Ebene 50 km/h und etwas mehr locker drin sind. Aufpassen muss ich nur, wenn der Wind von der Seite kommt. Auf der kurvenreichen Strecke, die vor mir liegt, kommt das hin und wieder vor. Solche Stellen muss ich sehr langsam und vorsichtig durchfahren, weil mich der Wind sonst bis auf die Gegenfahrbahn bläst. Die weitere Strecke führt ins Bergland. Was ich in diesem Teil der Strecke durch die Berge erlebt und erfahren habe hat jedoch irgendwann den Bereich von „lustig“ verlassen. Das Fahren auf Schotterpisten war nur maximal im Schritttempo möglich. Die Reifen fanden auch dem bröseligen Untergrund einfach keinen Halt, um mich gegen den Seitenwind zu stemmen. Mehrmals hätte es mich mit meinem gesamten Gespann in den Graben geblasen. Alles eigentlich nicht so wild, nur dass es immer der Graben an der Gegenfahrbahn gewesen wäre. Je nach Stärke der Sturmböe hat es mich einfach kurzerhand über die gesamte Fahrbahn (inklusive der Gegenfahrbahn) in Richtung Graben geblasen. Zum Glück war wenig bis gar kein Verkehr. Von den LKW, die mich hin und wieder überholen mal abgesehen… Auf Asphalt hatte ich etwas mehr Gripp unter den Reifen, aber dafür hatte der Sturm gegen Mittag noch stärker aufgefrischt. Nur noch mit sehr viel Schräglage kann ich mich gegen den Sturm, der von der rechten Seite her kommt, stemmen. Es ist nur noch Schritttempo möglich. Ich habe es auch mal mit schieben versucht. Ach, das war noch schlechter. Der Sturm hat mich einfach umgeblasen. Ich konnte einfach nicht laufen. Zu groß war die Angriffsfläche von Mensch, Fahrrad und Anhänger. Ich kann mich nur noch mit sehr großer Mühe auf der Straße halten. Die Kraft, mit der ich den Lenker halten muss, um halbwegs geradeaus in der Spur zu bleiben ist so groß, dass ich schon Krämpfe in den Armen bekomme. Und trotzdem bleibe ich ein Spielzeug des Sturms. Wie es dem Sturm grade passt, bläst mich eine starke Böe wieder kurzerhand über die komplette Fahrbahn und fast wieder in den gegenüberliegenden Graben. Der Sturm treibt immer wieder große Menge Staub und Erde vor sich her. Mit dem Zeug in den Augen, wird die Sache auch nicht grade einfacher. Irgendwelche schützenden Gebäude oder Unterstände habe ich schon seit Stunden keine mehr gesehen. Hier oben in den Bergen gibt es nichts! Plötzlich ist die Luft aus meinem Vorderreifen. Nur mit Glück kann ich einen Abflug in die isländische Botanik verhindern. Die Schräglage hat wohl den Schlauch beschädigt. Dem Mantel sieht man jedenfalls deutlich an, dass der zu leiden hatte. Ich versuche ein Loch oder eine Senke zu finden, um wenigstens etwas Schutz vor dem Wind zu haben. Es ist ja schon schwer genug zu laufen und jetzt muss ich auch noch das Werkzeug auspacken und den Schlauch flicken. Aber aufs Flicken verzichte ich und setze den Reserveschlauch ein. Das geht viel schneller und außerdem bei dem vielen Staub in der Luft, würde ich das Loch im Schlauch nie und nimmer richtig dicht bekommen. Nachdem ich die Panne behoben habe, verfrachte ich meine Sachen wieder zurück auf die Straße. Das war gar nicht so einfach. Der Wind nutzt den Bobby als Angriffsfläche und drückt das Hinterrad vom Fahrrad einfach weg. Ich selber habe auch große Mühe mich auf den Beinen zu halten. Zurück auf der Straße versuche ich es zunächst noch einmal mit schieben. Ich will nur ungern nochmals eine Panne riskieren. Aber schließlich entscheide ich mich doch wieder fürs Fahren und stemme mich wieder mit aller Kraft gegen den Sturm. Nach einem guten halben Kilometer komme ich an eine Kehre. Nun habe ich den Wind wieder etwas mehr im Rücken. Hinzu kommt, dass die Straße schon die ganze Zeit bergab verläuft und ich so langsam aus der exponierten Lage herauskomme. Es wird wieder etwas besser zu fahren. Die letzten 10 Kilometer nach Vopnarfjödur schaffe ich dann ohne eine weitere Panne zu haben. Nach all dem, was ich heute so erlebt habe, habe ich beschlossen mir eine feste Unterkunft zu suchen. Eine Sturmnacht im Zelt heißt (zumindest für mich): Keinen Schlaf haben. Der Himmel verspricht inzwischen auch Regen und so wird der Wunsch nach einem Dach überm Kopf immer stärker. Im Hotel Tangi bekomme ich für 4000 Kronen eine Übernachtung. Später am Abend ist der gesamt Spuk vorbei. Über der Stadt breitet sich ein strahlend blauer Himmel aus und nur an den Bergen hängen dichte Wolken. Im Hotel gibt es WLAN und somit einen sehr angespannten Blick aufs Island Wetter. Das soll für morgen zumindest schön sein. Ich brüte nebenbei noch über der Karte. Noch immer bin ich unschlüssig, welchen Weg ich nach Egilstadir nehmen soll. Die „917“ inklusive eines Pass mit 14% Steigung, oder den Umweg über die „80“ und die „1“. Wenn ich ehrlich sein soll, dann würde ich schon lieber die „917“ nehmen. Ist aber alles komplett Schotterpiste und die Strecke soll sehr anstrengend sein. Hm, die Entscheidung schiebe ich nun schon seit zwei Tagen vor mir her. Jetzt muss die Entscheidung getroffen werden. Aber das überlege mich mir dann nochmal bis morgen früh. Ich flicke noch den kaputten Schlauch und lege mich ziemlich erschöpft ins Bett.