Sonntag, 17.08.2014 — Lom (BUL) – Bechet (ROM)
Sonntag, 17.08.2014 — Lom (BUL) – Bechet (ROM)
Tageskilometer: 88km
Durchschnitt: 24,2 km/h
Fahrzeit: 3:38h
Wenig Sonne, bedeckt, teilweise sehr windig (Rückenwind), 25°C
In der Nacht im Hotel habe ich ganz schlecht geschlafen. Bin immer wieder aufgewacht und war mit dem Gedanken bei allem Möglichen, nur bei nichts Vernünftigem. Vielleicht lag es daran, dass direkt unterhalb von meinem Fenster der Parkplatz war auf dem ständig Krach war, oder es lag am Bier. Ziemlich gerädert stehe ich auf und bin wirklich völlig müde. Ich nehme mir fest vor, heute nicht so viel zu fahren. Sich etwas zu schonen ist sicher auch mal nicht schlecht. Denn knapp 1000 Kilometer pro Woche zu fahren ist schon viel. Ich glaube am meisten hat mich heute Nacht die Tatsache umgetrieben, dass ich von dem Kyrillisch absolut kein Wort lesen konnte. Für meine nächste Tour in Richtung Osten ist das auf jeden Fall etwas, dass zur Vorbereitung gehört.
Ich packe schon mal einen Teil meiner Sachen zusammen und schaue anschließend, ob ich irgendwie ein Frühstück ergattern kann. Es gibt Toast mit Schinken und Käse. Sehr lecker! Aber grundsätzlich ist alles deutlich weniger üppig, als beispielsweise in Ungarn. Ich muss an die bulgarischen LKW-Fahrer denken, die sich in Deutschland auf dem Rasthof etwas zu essen kochen. Das was die da so kochen sieht auch immer sehr spärlich aus und ich habe schon ein paarmal gedacht, was das für „arme Jungs“ sind. Aber ganz so ist das wohl nicht. Die Leute in Bulgarien scheinen grundsätzlich eine eher „schmale Küche“ zu haben. Nun, wenn ich lese wie viel Lebensmittel jeder Deutsche jedes Jahr in dem Müll wirft, so sollte sich eher darüber Gedanken machen, als über Trucker, die kleines Essen auf den Rasthof kochen.
Nach dem Packen hole ich Speedy du Bobby aus dem Abstellraum und fahre weiter. In Lom gibt es nur sehr weniger Wegweiser auf dem Eurovelo 6. Aber die genügen zusammen mit der Karte vollkommen um den richtigen Weg zu finden. Gleich hinter der Stadt gibt es dann erst einmal ordentlich Höhenmeter zu fahren. In Gedanken sehe ich, wie sich eines der leckeren Toastbrote nach dem anderen in Luft auflöst. Als ich endlich die Steigung hinter mir habe kommt gleich die nächste Überraschung. Hier oben auf der Ebene geht ein ziemlich starker Wind. Rückenwind! Wie als wollte der sagen: „vergiss erst einmal die Sprach-Sorgen von heute Nacht. Jetzt gibt es erst einmal ordentlich Tempo und vor allem Kilometer!“ Also los! Es ist auch nicht mehr so heiß und das bedeutet „FFF“! Mit guten 36 bis 38 km/h geht es voran. Die Kilometer fliegen schon fast an mir vorbei. So erreiche ich recht bald Kozlodj. Die Straßen sind heute (am Sonntag) fast ohne jeden Verkehr. Hin und wieder ein paar LKW. Sonntagsfahrverbot kennt man hier nicht. Am Atomkraftwerk Kozjodj fahre ich schnell vorbei. Die Anzeige über die Pforte zeigt 0,12µS/h an. Keine Ahnung, was ich von der Dosisleistung halten soll. Ob der Wert überhaupt stimmt? Ich fahre einfach schnell weiter.
Am Morgen beim Frühstück hatte mir eine deutsche Touristin von einem Dammbruch erzählt, den es hier vor ein paar Tagen gegeben haben soll. Keine Ahnung wo das gewesen sein soll. Hat mich erst auch nicht so wirklich interessiert. Es muss aber ziemlich übel dort zur Sache gegangen sein. Ein gutes Stück hinter dem AKW komme ich in das Städtchen Mizija, oder was von der Stadt noch steht. Hier war der Dammbruch. Ja, hier war ganz offentsichtlich erst vor ein paar Tagen die Stunde Null. Die Pumpen liefen noch. Einige Häuser waren völlig zerstört. Überall haben die Leute ihre kaputten Sachen auf die Straße getragen. Hier hat es ganz ordentlich Schaden gegeben. Aber so etwas wie eine Feuerwehr oder das THW sieht man hier weit und breit nicht. Ein Fahrzeug vom Roten Kreuz verteilt etwas Essen an die Leute und daneben steht ein alter Tankwagen und verteilt Trinkwasser an die Leute. Von „Full-Budget-Hochwasser“ wie in Dresden oder Magdeburg, bei denen sich die Helfer schon fast auf die Füße treten, ist man hier Lichtjahre entfernt. Wobei die Größenverhältnisse Magdeburg zu Mizija natürlich auch um Lichtjahre auseinander liegen. Mich hat (genauso wie im Frühjahr in Bosnien) eigentlich mehr die Tatsache beschäftigt, dass hier in Deutschland selbst bei einer solchen Flut wie in Magdeburg jedem geholfen wird. Man stellt den Leuten Container hin, wo sie alles Kaputten hineinwerfen können und holt anschließend alles ab. Wahrscheinlich wird der ganze Kram dann noch nach Wertstoff und Restmüll sortiert. Hier kommt niemand. Die Leute karren das Zeug einfach auf einen Acker und zünden es dann an.
Bilder habe ich von der Stadt natürlich keine gemacht. Sorry, so etwas geht einfach gar nicht!
Ich fahre weiter nach Orjahovo. Von dort aus will ich die Fähre nach Rumänien nehmen. Gerne würde ich noch eine Nacht in Bulgarien verbringen, um mein Geld noch los zu werden. Aber das einzige Hotel, dass ich finde ist sicher schon seit 15Jahren dicht. Zwei Gründe führen mich wieder so schnell zurück nach Rumänien: Zum einen kann ich dort die Buchstaben wieder erkennen und zum anderen ist die Strecke dort nicht ganz so hügelig wie hier in Bulgarien.
An der Fähre treffe ich zwei junge Franzosen, die ebenfalls mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Schwarzen Meer sind. Wir unterhalten uns sehr gut auf Englisch während wir auf die Fähre warten. Nach der Überfahrt wollen die beiden noch ein gutes Stück weiter fahren. Ich aber auf keinen Fall. Vielleicht sehe ich die beiden morgen im Laufe des Tages nochmal. Denn die waren schon lustig drauf. Vielleicht findet sich ein gemeinsamer Platz fürs Campen, denn sonstige Übernachtungen sind im weiteren Verlauf der Strecke auf der Karte jedenfalls nicht zu sehen. Jetzt bleibe ich aber erst einmal in Bechet. Wie gesagt, heute soll es einfach mal weniger sein. Dann läuft es morgen wieder umso besser.
Ich habe jetzt den Flusskilometer 680 erreicht. Es ist schon noch ein Stück, dass ich zu fahren habe, aber ich bin wirklich zuversichtlich, dass ich das schaffen kann.