Dienstag, 26.08.2014 — Bukarest – Budapest – Wien // Rückreise

Dienstag, 26.08.2014 — Bukarest – Budapest – Wien // Rückreise
Tageskilometer: 0 km
Bedeckt, <20°C
Alles in allem hat es mit dem Zug ganz gut geklappt. Nur das Schlafen im Zug war nicht so toll. Ich denke jeder kann sich vorstellen, wie das im Großraumwagen so ist…
Die Grenzkontrollen aus Rumänien raus waren kein Thema. Nur steht der Zug doch recht lange herum, bis wir weiterfahren können. Ein kleines Stück nur, bis die Ungarn kontrollieren. Ich sitze im ersten Wagen ganz vorne, somit bin ich auch so ziemlich als erster dran. Kein Problem, Personalausweis herzeigen … o.k. … Personalausweis einpacken und weiterdösen. Also ganz entspannt. Ich bin grade am Einschlafen, als mit einem Mal der EGA-Lehrgang vom THW zum realen Leben erwacht: Im Zug stehen plötzlich vier Grenzbeamte – draußen noch viel mehr.
Plötzlich ruft einer laut in den ganzen Wagen: „Everybody listen! Everyone from Bulgaria needs to get out of the train immediately! Tae your children and your luggage and leave the train now! MOVE !!!!!!!!!”
Schluck! Was geht denn hier ab??!!??
O.k., der meinte nur die Leute aus Bulgarien, bei mir war ja auch alles in Ordnung… Aber was ist denn hier los?
Nachdem sich die Leute nur zögerlich in Bewegung setzen (es ist 5 Uhr in der Nacht) wiederholt er seine Ansage noch einmal. Jetzt aber in einem sehr lauten und absolut unmissverständlichen Ton. Das ist hier kein Simulation. Die Kinder, die von der ewig langen Zugfahrt ohnehin schon völlig überdreht sind rasten (fast) aus. Einem kleinen, der wirklich völlig außer sich ist, drücke ich einen Keks in die Hand. Aber das bekommt der gar nicht mit.
Nach und nach sammeln sich Gepäck und Leute draußen auf dem Bahnsteig. Zwischenzeitlich öffnen die Grenzer jede Klappe und jede Türe im Wagen und schauen nach, ob die dort was weiß ich was finden. Während die Leute am Bahnsteig weiter kontrolliert werden, muss ich mein Fahrrad wo andern hin stellen, da weitere Waggons angehängt werden und der Durchgang nun frei sein muss. Ich schiebe den Speedy also wieder ganz vor zur Lok, kette ihn an der Tür zur Lok an und kehre an meinen alten Platz zurück. Die Leute draußen am Bahnsteig können einer nach dem anderen in die neu angehängten Wagen sitzen. Als ich durch die Wagen gelaufen bin, war es dort eiskalt, weil die Wagen zunächst nicht geheizt waren. Später war die Heizung dann aber an. Ich habe nun auch mal gesehen, wie eine Grenzkontrolle auch sein kann. Als ich mit dem Rad über die Grenzen bin, war das überall immer völlig easy und entspannt! Ich bin zugegebenermaßen froh, bei dieser Kontrolle hier glücklicherweise nur Zuschauer gewesen zu sein.
Wenig später geht die Fahrt weiter nach Budapest. In der ungarischen Hauptstadt angekommen kümmere ich mich um die nächste Etappe meiner Heimreise. Ich überlege noch einen Tag in Budapest zu bleiben. Aber ich will jetzt einfach weiterfahren und nach Hause. Ich denke daran, dass es jetzt ganz schön wäre im Garten unter den Apfelbäumen im Schatten zu liegen und einfach nur zu faulenzen. Ein sehr attraktiver Gedanke nach allem, was ich bislang so erlebt habe. Es bleibt also bei meiner Entscheidung: Jetzt Rückfahrt!
Während ich am Bahnsteig stehe und auf den nächsten Zug warte klingelt das Telefon. Der THW Landesverband ist am anderen Ende: „Wir machen eine Vorabfrage für einen Einsatz im Nord-Irak. Es geht um den Aufbau von Camps für syrische Flüchtlinge. Der Winter kommt näher und die Leute müssen untergebracht werden…“ Start: Entweder sofort oder als Nachrück-Team. Nun meine Taschen sind gepackt. Ich muss quasi nur die Fahrradklamotten auspacken und die THW-Einsatzkleidung einpacken.
Ich muss heute ohnehin noch mit dem Geschäft telefonieren. Das war ein Deal mit meinen Chef, damit er mir die fünf Wochen Urlaub und noch ein paar Tage Gleitzeit genehmigt. Dann kann ich gleich mal fragen, ob die noch vier weitere Wochen auf mich verzichten können. Aber vermutlich beschließen die dann, für immer auf mich zu verzichten. Bei allem Einsatz hin und her: Die Situation der Bügerkriegsflüchtlinge ist eine Katastrophe. Und dazu noch die IS…
Inzwischen sitze ich im Zug nach Györ. Das ist an der Grenze zu Österreich. Es ist 11 Uhr. Am Nachmittag bin ich in Wien. Ich überlege, ob München heute noch drin ist, oder nicht.

Nein, in Wien ist Schluss. Ich habe keine Lust mehr auf Zugfahren. Ich will einfach nur noch raus und etwas anderes sehen. Ich steige am Hauptbahnhof aus und suche an einem Infostand eine Jugendherberge. Es gibt zahlreiche Jugendherbergen in Wien. Zunächst besorge ich mir noch das Ticket nach München. Morgen früh um 9:56 Uhr geht es weiter. Deutlich merke ich nun auch die gestiegenen Preise: Für die Fahrt vom Schwarzen Meer und Ungarn bis nach Budapest zahle ich (wenn ich es nicht völlig durcheinander bringe) genauso viel, wie für die Fahrt von Wien nach München. Jeweils 90 Euro. Ich vermute mal, dass ich von München nach Stuttgart dann nochmal genauso viel bezahlen muss, obwohl die Strecke erneut deutlich kürzer ist…
Der Weg zur Jugendherberge ist etwas nervig. Die Stadt ist absolut hektisch und die Leute sind völlig unentspannt. Die Autos überholen sehr knapp, so dass man den Außenspiegel schon fast am Ellbogen spürt (zum Glück war es immer nur der Fahrtwind; denke ich…) Die Radfahrer schneiden die Autofahrer und die Fußgänger. Die Fußgänger laufen demonstrativ auf den Radwegen und so weiter. Mensch… Ich scheine den meisten Radfahrern nur im Weg zu sein, weil ich gemütlich Richtung Jugendherberge fahre und mir Häuser und Parks links und rechts neben mir anschaue.
Irgendwo drehen sie auch irgendeinen Actionfilm: James Bond, ach nee…irgendwas mit Tom Cruise. Keine Ahnung. Ist auch egal!
In der Jugendherberge gibt es Abendessen. Klasse und das Abendessen zahle ich wirklich gerne, denn die letzten Tage habe ich ausschließlich vom Proviant gelebt. Heute gibt es überbackenen Käse mit Beilagen und dazu frischen Salat. Salat!! Darauf habe ich mich echt schon gefreut.
Ich glaube die Dame, die am Tisch saß hat irgendwann Angst bekommen, dass ich sie auch noch esse. Aber ich hatte echt richtig Kohldampf!