Freitag, 04.09.2009 -- Rifugio Pina de Fortuno - Belluno

Warm und sehr windig

 

Heute Morgen sieht unsere Situation nicht viel besser aus, als gestern Abend. Die Ostumgehung der Schiara ist gesperrt. Erst vor zwei Tagen hat es offenbar jemand versucht, kam aber nach einigen Stunden wieder zurück, weil kein Weiterkommen möglich war. Durch Lawinen wurde offenbar doch sehr großer Schaden angerichtet und es ist wohl sehr gefährlich. Also kein Option für Pascal und mich. Da wir aber nicht über die Schiara gehen können, weil wir keine Kletterausrüstung haben, schwere Rucksäcke tragen und schlechtes Wetter im Anzug ist, bleibt uns wohl oder übel nur der Abstieg ins Tal. Die letzte aller möglichen Alternativen verwerfen wir auch recht schnell. Es gibt offenbar noch einen Trampelpfad. Von dem uns aber keiner so genau sagen kann, wo der Pfad anfängt und noch viel weniger, ob der überhaupt begehbar ist. Über all den offenen Fragen hängt noch die sehr schlechte Wetterprognose für heute Nachmittag. Schweren Herzens entscheiden wir uns dafür, den Weg ins Tal anzutreten. Im Augenblick fühlt sich das schon ziemlich mies an. Als hätten wir die gesamte Tour vermasselt. Wir wollen nach Belluno und dort eine Übernachtung suchen. Damit verkürzt sich unsere Wanderung nach Venedig um einen Tag und wir werden wohl schon am Donnerstag in Venedig sein. Das ist wenigstens ein erfreulicher Gedanke: Wir werden es auf jeden Fall schaffen. Dann doch lieber kein Risiko eingehen irgendwo auf einem unbekannten Trampelpfad. Aber sie Sache wurmt mich eben schon irgendwie! Schade nur, dass wir die schönen Berge nun einen Tag früher verlassen müssen. In den Dolomiten ist es schon sehr schön! Nun aber nochmals zurück zu unserem Domizil der letzten Nacht. Das Rifugio Pina de Fortuno war ein ganz angenehmer Platz. Wir schliefen im 13-Betten Lager mit zwei weiteren Wanderern. Das Lager ist in einem Nebengebäude untergebracht, das nicht winterfest ist. Durch die Ritzen pfeift der Wind ganz ordentlich durch und sorgt für viel frische Luft beim Schlafen. Aufgrund des defekten Stromerzeugers gibt es aber auch kein warmes Wasser zum Duschen. Die Dusche ist entsprechend erfrischend! Dafür war der Gastraum Abends gemütlich geheizt. Pascal und ich saßen lange beim Kerzenlicht zusammen und hatten überlegt, welchen Weg wir denn nun einschlagen sollen. Einschlafen konnte ich anschließend noch lange nicht. Ich lag noch einige Zeit lang wach und habe über unsere Tour, die nun wohl unausweichlich ihrem Ende zugehen wird, nachgedacht. Bellun ist ein wichtiger Meilenstein, denn die Stadt auf der Südseite der Dolomiten markiert eben auch das Ende der Berge. Unsere Alpenüberquerung zu Fuß ist dort zu Ende und wir müssen eben noch ein paar Tage laufen, bis wir schließlich Venedig erreichen. Ziemlich in Gedanken verloren brechen wir nach dem Frühstück auf. Den Wegweiser direkt an der Hütte übersehe ich geflissentlich und so laufen Pascal und ich erst einmal ein Stück weit in die falsche Richtung. Aber nicht weit, denn der Hüttenwirt kommst schon hinterher und dirigiert uns in die richtige Richtung. Wir mussten erst einmal ein Stück auf dem Weg von gestern zurück. Als wir die Scharte erreichen, ist der Wind wirklich sehr kräftig. Überhaupt scheint über Nacht der Herbst in die Berge eingezogen zu sein. Der Wetterbericht kündigt Schneefall auf den Bergen über 2000m an. Der kräftige Wind treibt dichte dunkelgraue Wolken gegen die Berge. Am Rifugio Furio Bianchet (1250m) macht sich eine Gruppe Wanderer bereits zum Abmarsch. Wir machen hier aber keine Rast, sondern steigen immer weiter die Berge hinab. Eigentlich verläuft der Weg die meiste Zeit entlang einer Fahrstraße, die zum Rifugio führt. Der Weg ist relativ eintönig. Nur ein paar große Felsbrocken, die auf der Straße gelandet sind und die Auffahrt für Fahrzeuge unmöglich machen sind eine gewisse Abwechslung. Ein paar Regentropfen hin und wieder treiben uns etwas zur Eile. Wir erreichen das Ende des Weges und stehen an der Hauptstraße. Diese ist zum Glück nicht so sehr befahren, wie befürchtet. Wir versuchen jedoch so oft wie möglich die eintönige Straße zu verlassen und laufen im Flussbett des ziemlich ausgetrockneten Piave. Leider müssen wir aber immer wieder die Uferböschung erklimmen, da uns das Wasser den weiteren Weg versperrt. Als wir wieder einmal die Uferböschung hochgestiegen sind, sehen wir auf der anderen Straßenseite ein Biertischgarnitur stehen, die förmlich zur Rast einlädt. Perfekt! Nach einer ordentlichen Rast geht es gut gestärkt weiter durch den Piave. Schließlich erreichen wir das erste Dorf. Von hier an bleiben wir auf der Straße, denn die ständigen auf- und abstiege strengen mit der Zeit immer mehr an. Ein paar Ortschaften weiter holt uns dann der Regen in Form eines kräftigen Wolkenbruchs ein. Den sitzen wir aber lässig in einem Eiskaffee aus. Anschließend reiht sich ein Dorf an das nächste. Der Weg ist schon ziemlich eintönig. An einem Kreisverkehr zweigt die Straße ab zur Autobahn Richtung „Venezia“. Das erste Anzeichen für die Lagunenstadt! Leider wird ab dem Kreisverkehr der Verkehr auch deutlich dichter und die Straßen dazu auch noch enger. So sind die Begegnungen zwischen LKW, PKW und Fußgänger inzwischen teilweise recht knapp und zunehmend unangenehm. Ich will nicht als Kühlerfigur enden, denn wer in einem Kräftemessen den Kürzeren zieht ist sicher klar. An einer Abzweigung dränge ich Pascal sehr energisch von der Hauptstraße auf die (wenn auch längere) ruhigere Nebenstraße. Wenig begeistert folgt er mir. Als wir endlich in Belluno ankommen bin ich ziemlich müde von der Hitze und gestresst vom Lärm auf der Hauptstraße. Wir entdecken eine Eisdiele und beschließen erst eine Rast zu machen und anschließend nach einer Übernachtung zu suchen. Der Verkäufer in der Eisdiele spricht deutsch und irgendwie scheinen wir einen recht hungrigen Eindruck auf ihn zu machen, denn er schaufelt und eine riesige Menge Eis in die Becher.Ich hätte am liebsten noch eine Portion für den weiteren Weg mitgenommen, aber irgendwie fühlt sich meine Oberlippe nach der ersten Portion etwas taub an. Erfrierungen?? In Belluno suchen wir eine Touri-Info, von wo aus wir eine Pension ausfindig machen können. Man nennt uns eine Adresse bei der wir zusammen für Übernachtung und Frühstück 46 Euro bezahlen. Wir duschen und kümmern uns anschließend um den Waschtag. Gerne würde ich auch noch eine Runde durch Belluno laufen, aber irgendwie bin ich einfach zu müde. Wir treffen zufällig in der Pension ein deutsches Pärchen, mit denen wir noch ein Eis essen. Eis ist immer eine gute Motivation nochmal aufzustehen und aus dem Haus zu gehen. In einer ruhigen Seitenstraße finden wir eine nette Gelateria und vertilgen nochmals einen großen Eisberg. Zurück im Hotel sehe ich, wie es über den Bergen Blitzt und der Donner ist auch schon deutlich zu hören. In der Hoffnung, dass es sich in der Nacht austoben und morgen wieder schönes Wetter ist und einem leichten Zwicken im Bauch wegen der vielen Eiscreme, schlafe ich ein.