Samstag, 12.11.2011 - Keppler Track – 2. Etappe
Erst Nieselregen, dann Regen, gegen Abend trocken, +3 … 8°C
Gestern Abend hatte Ranger Pat leider keine guten Nachrichten verkünden können. Der Weg zur „Iris Burn Hut“ ist geschlossen. Zu groß ist dort die Lawinengefahr. Am nächsten Tag wollen Kollegen von ihm aus Te Anau die großen Schneereste mit Dynamit wegsprengen. Das geht aber nur, wenn das Wetter einen Flug mit dem Hubschrauber zulässt. Wenn die diese Aktion starten, ist es aber unmöglich weiter zu laufen. Viel zu gefährlich. Details will er am Morgen noch mit seinen Kollegen absprechen. Per Sprechfunk hat er Kontakt zu seinen Leuten. Eventuell kann er uns auch in einer Gruppe durch die Gefahrenstelle schleusen und dann können wir ohne ihn weiterlaufen. Aber erst einmal müssen wir abwarten. Mit dieser wenig erfreulichen Nachricht sind wir dann am Abend zu Bett gegangen. In der Nacht bin ich immer mal wieder aufgewacht und habe gehört, wie es draußen in Strömen geregnet hat. Am Morgen ist alles zugezogen. Die Sicht beträgt keine 20 Meter. Erst mal machen Daniel und ich uns was zum Frühstück. Gemeinsam mit Stefanie sitzen wir da und überlegen, wie gut unsere Chancen sind, dass wir genau auf dem Weg, den wir gekommen sind auch wieder zurücklaufen werden. Irgendwann taucht Pat auf. Der alte Knochen hat ein verschmitztes Lächeln im Gesicht, als er die „Neuigkeiten“ verkündet: Wir können weiterlaufen. Er begleitet uns an der Gefahrenstelle vorbei. Wunderbar, wir müssen nicht umkehren! Als wir los laufen beginnt es leicht zu regnen. Mein Thermometer am Rucksack zeigt grade mal 5°C an. Die Sicht ist leider auch immer noch nicht besser geworden. Pat gibt sich aber alle Mühe, um uns genau zu beschreiben, was wir grade NICHT sehen. Echt nett, Pat! Einen möglichen kurzen Abstecher zum „Luxmore“ Gipfel schenken wir uns. Wenig später erreichen wir die Gefahrenstelle. Die Ranger dort haben mit Motorsägen große Teile vom Schnee gelöst und bergab rutschen lassen. Bislang lief die Sache ohne Dynamit. Es ist aber nun ein neuer Weg entstanden, den wir recht gut laufen können. Die Sicht ist gegen Mittag nicht viel besser geworden. Aber von irgendwo her weht ein warmer Wind! Die Chance nutzen wir, um eine kurze Rast zu machen. Jedoch kaum, dass wir beim Essen sitzen, bricht der warme Wind ein und es ist wieder eisig kalt. Dazu setzt auch noch der Regen wieder ein. Wir packen unsere Sachen schnell wieder zusammen und laufen weiter. Mit steifen Fingern macht Vespern einfach keinen Spaß. Die Schutzhütte, an der wir wenig später vorbeikommen ist vollgestopft mit Wanderern, die wohl auf besseres Wetter warten. Es ist kein Platz dort drin zum Essen, also weiter. Irgendwann hört der Regen dann aber tatsächlich auf unsere Kleider trocknen allmählich ab. Bald findet sich auch eine schöne Aussichtsstelle (unterhalb der Wolken) und wir genießen hier eine gemütliche Pause. So lässt es sich aushalten. Wenige Kilometer später erreichen wir unseren Übernachtungsplatz. Weil es hier aber vor Sandfliegen nur so wimmelt und wir morgen auch nicht unbedingt warten wollen bis das Zelt getrocknet ist, fragen wir Rangerin Marianne nach einer Übernachtung in der Hütte. Daniel bekommt von Marianne grünes Licht und somit bleiben wir von den Sandfly-Attacken verschont. Unweit der Hütte gibt es einen schönen Wasserfall. Weil es noch recht früh am Abend ist, machen wir uns auf den Weg dort hin. Ich muss schon zugeben, dass alles was um den Wasserfall herum an Natur zu sehen ist, ist das schon ein sehr beeindruckender Ort. Nicht unbedingt nur der Wasserfall selber, sondern auch der Regenwald / Urwald, der hier so ursprünglich ist, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Bislang war ich vom Besuch in Neuseeland noch nicht wirklich überzeugt. Klar, die Natur, die ich bisher hier so erlebt habe war schon sehr eindrucksvoll. Aber der Ort hier hat mich etwas überwältigt. Für viele Leute ist Neuseeland mehr oder weniger nur ein schickes Outdoor-Paradies. Quasi ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Aber für mich die dieser Ort wirklich mehr. Das erste Mal durfte ich wirklich erleben, was Urwald wirklich bedeutet. Welche Unberührtheit. Auf einem kleinen Pfad zwischen Riesenbäumen, abgestorbenem Holz und jungen Bäumen zu laufen, macht sehr eindrucksvoll deutlich wie gut die Natur in den vergangenen Jahrtausenden ohne den Menschen zurechtgekommen ist. Es ist ein Ort der unbedingt geschützt bleiben muss. Ich stelle mir die Frage, ob ich bislang mit der Natur zu sorglos umgegangen bin? Ich denke schon, dass es Gebiete geben muss, in denen die Natur intensiv genutzt werden kann. Aber es muss auch große Gebiete geben, in denen der Mensch maximal als Besucher etwas verloren hat. Nun, der Gedanke an meine Socken, die im Schlafsaal noch auf Waschen warten, bringt mich wieder zurück in die Realität unserer schönen Wanderung auf dem Keppler-Track. Die sind hoffentlich über Nacht trocken, ansonsten trocknet der Rest morgen außen am Rucksack an der frischen Luft.