Sonntag, 30.08.2009 -- Grödner Joch – Piz Boé (3152m)
Morgen wolkig, abends klarer Himmel, eiskalt (leichter Frost)
Das anfänglich noch fast leere Lager im Hotel Frara hat sich bis zum späten Abend noch beträchtlich mit Wanderern gefüllt. Die Nacht über habe ich allerdings gar nicht gut geschlafen. Irgendwie ziemlich unruhig. Es war so, als könne ich meine Beine einfach nicht ruhig halten und müsse sie ständig bewegen. Zudem ist die Bettdecke ziemlich kurz. Ich schaue extra nach, ob die vielleicht versehentlich quer liegt. Aber nein die ist so kurz. Beim Frühstück haben wir dafür ganz ordentlich zugelangt. Wir wollten nochmal kräftig Energie tanken für die heutige Etappe auf den Piz Boé (3152m). Gleich hinter dem Hotel ging es ordentlich bergauf. Je weiter wir nach oben steigen, desto öfter sind die Wege drahtseilversichert. Es macht aber großen Spaß diese Wege zu laufen. Man fühlt sich (und ist es auch) sehr sicher. Auf halber Strecke zum Piz Boé erreichen wir ein großes Hochplateau. Von hier an geht es nochmals ein Stück hinauf, bis wir schließlich in einer Art riesiger Mondlandschaft stehen. Um uns herum ist alles nur noch aus Fels. Riesige kahle Flächen aus blankem Stein. Unser Weg für durch diese Mondlandschaft in einen kleine Talkessel. In dieser Umgebung hätte man für den Film Armageddon die Szenen auf den Asteroiden drehen können. Das Einzige, was hier an menschliche Zivilisation erinnert sind die Steinmännchen oder übergroßen Liebesherzen, die von ein paar Liebestollen Menschen aus Steinen geformt wurden. Und die Boé Hütte, die in der Ferne zu erkennen ist. Die ist aber gar nicht unser Ziel, sondern das nochmals 300 Meter höher gelegene Rifugio Capanna Fassa ganz oben auf dem Gipfel. Zunächst machen wir eine kurze Rast an der Boé Hütte um nochmal Kraft für den letzten Anstieg zu sammeln. Es weht ein eiskalter Wind und trotz Sonnenschein wird es bald unerträglich kalt. Meine Finger sind schon fast steif vor Kälte, als wir weiterlaufen. Das kostet erst einmal wieder viel Energie, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Am Rifugio Capanna Fassa angekommen stellen wir fest, dass es hier zugeht wie im Hauptbahnhof zur Rushhour! Auf den letzten hundert Metern zum Gipfel des Piz Boé ist fast kein Vorankommen mehr möglich. Es ist wirklich sehr viel los hier oben. Das liegt sicherlich daran, dass der Piz Boé recht einfach zu schaffen ist. Ein Grund dafür ist, dass von beiden Seiten Seilbahnen ganz in der Nähe des Gipfels enden. Das ermöglich auch zahlreichen Touristen mit Turnschuhen den Weg hier hoch. Flip-Flops habe ich aber keine gesehen… Pascal und ich verbringen den Nachmittag mit People-Watching, nachdem wir die Übernachtung für heute Abend geklärt haben. Ich war ehrlich gesagt sehr erleichtert, dass wir angesichts dieser Menschenmassen überhaupt einen Schlafplatz bekommen haben. Inzwischen versuchen wir auch immer im Voraus zu reservieren, da dies in Italien grundsätzlich erwartet wird. Rechtzeitig bevor die letzte Seilbahn zu Tal fährt, leert sich der Berggipfel um uns herum sehr deutlich. Um ehrlich zu sein, sind wir zusammen mit dem Hütten-Team und noch einer Hand voll Wanderer die einzigen, die jetzt noch hier oben sind. Fast schon etwas unheimlich, diese Stille auf einmal. Nur der Diesel tuckert noch eine Zeit lang, bis auch der abgestellt wird. Dann herrscht völlig Ruhe. Der Hüttenwirt zeigt uns das Lager für heute Nacht. Klein und sehr gemütlich. Ganz besonders freue ich mich auf den Sternenhimmel heute Nacht. Ich war den Sternen noch nie im Leben so nah. Die Milchstraße ist sicher auch deutlich zu sehen. Weit und breit gibt es hier oben keinerlei Lichtquellen. Perfekte Bedingungen um die Sterne zu beobachten. Von der Kälte mal abgesehen. Bis Abendessen sitzen wir noch draußen, aber dann wird es zu kalt. Ich habe schon mehrere Jacken angezogen, aber so richtig warm will mir einfach nicht werden. Das macht sicher auch die Müdigkeit. Im Lager ist es zum Glück etwas wärmer. Hier hin zieht die Wärme aus der Küche. Allmählich geht die Sonne unter. Es ist ein tolles Schauspiel, wie die Berge im Abendrot leuchten. Man muss das schon einmal selbst gesehen haben, um zu verstehen worin diese Faszination liegt. Fast im Minutentakt ändert sich die Spiel von Licht und Schatten an den gegenüberliegenden Bergen. Fasziniert mache ich zahlreiche Bilder, bis mich irgendwann die Kälte zurücktreibt in die etwas wärmere Hütte. Brr, das wird heute Nacht wenn ich noch Bilder von den Sternen machen will! Kurz vor dem Schlafengehen schaue ich nochmal nach draußen und stelle fest, dass der Beinahe-Vollmond hoch am Himmel steht. Schade, denn es ist viel zu Hell, um mehr Sterne als sonst üblich zu sehen. Nun ja, so spare ich mir den Gang in die Kälte und habe noch etwas mehr Platz auf der Speicherkarte meiner Kamera. Gute Nacht am Piz Boé!