Morgens: Regen und schwül
Mittag / abends: Sehr warm und schwül
Der heutige Tag fing wirklich sehr früh an. Um 5:30 Uhr war bereits der Treffpunkt in der Lobby vereinbart, um zum Flughafen zu fahren. Dort mussten wir spätestens um 6 Uhr sein. Draußen ist es immer noch stockfinster. Weit ist der Weg zum Flughafen nicht, doch selbst um diese Uhrzeit ist schon sehr viel Verkehr auf den Straßen und es gibt am Flughafen schon wieder einen kleinen Stau. Gestern Abend haben wir unsere Reisedokumente noch gemeinsam mit Florian vorbereitet, damit wir dafür nicht am Flughafen noch unnötig Zeit verschwenden müssen. Unser Flug war dann auch schon angeschrieben: „UN101“ Der Check-In lief eigentlich wie an allen anderen Flughäfen auch: Gepäck wiegen und abgeben, Bordkarte in Empfang nehmen, der nächste bitte! Ein paar Besonderheiten will ich aber nicht unterschlagen: Die Bordkarten wurden fein säuberlich per Hand geschrieben und die Passagierliste war eine einfache Excel-Tabelle, in der die Fluggäste abgehakt wurden. Es muss nicht immer kompliziert sein… Auf dem Weg zum Gate durchliefen wir den obligatorischen Thermo-Scan: Mit Wärmebildkameras wird die Oberflächentemperatur im Gesicht gemessen. Wer Fieber hat (ein Anzeichen für eine ernste Erkrankung), kommt hier nicht weiter. Es dauerte lange, bis wir dann ins Flugzeug konnten. Am gleichen Gate wurden vor uns noch zwei weitere Flüge abgefertigt. Das Shuttle zum Flieger war sehr abenteuerlich. Irgendetwas stimmte ganz sicher mit den Bremsen nicht. Langsamer wurde der Bus zwar, aber mit höllischem Getöse aus den Bremstrommeln. Der Flieger war dann wieder erwarten deutlich größer, als angenommen. Ich bin irgendwie von einem kleinen 6 bis 8 Personen Flieger ausgegangen. Aber das war ein richtig ausgewachsener Jet der UN. Vor dem Einstieg in den Flieger wird nochmals per Infrarot-Thermometer die Körpertemperatur gemessen. Dann geht es los. Zwischenstopp wird in Monrovia sein. Die Hauptstadt Liberias. Am späten Vormittag erreichen wir dann den Flughafen in Sierra Leone. Unser Gepäck wird ausgeladen und neben dem Flieger aufgebaut. Das ist der Baggage-Claim. Jeder schnappt sich seine Sachen und macht sich auf dem Weg zum Flughafengebäude. In meiner THW-Tropen-Kleidung läuft mir der Schweiß schon in Strömen am Körper hinunter. Aber ich mag es eigentlich, wenn´s schön warm ist. Vor dem Betreten des Flughafengebäudes müssen wir die Hände desinfizieren. Es wird genau darauf geachtet, dass sich keiner um diese Prozedur drückt. Anschließend gibt es wieder jeden Menge Zettel, die auszufüllen sind. Am „Immigration-Office“ werden wir registriert und bekommen unser Visum. Die Freundlichkeit der Damen dort erinnert irgendwie an Deutschland. Na vielleicht liegt es einfach doch am Job… Raus aus dem Flughafen und weiter geht es zum Bustransfer. Dieser bringt die Fluggäste zum Wassertaxi. Das ist die schnellste Möglichkeit, um in die Hauptstadt Freetown zu gelangen. Aber bereits die wenigen Kilometer zwischen Flughafen und Wassertaxi schnüren mir beinahe den Hals ab. Die Eindrücke erschlagen mich. Es war mir klar, dass die Straßen und Häuser in einem der ärmsten Länder der Welt sicher nicht so sein werden wie in Deutschland. Aber Dinge in einem solch derart desolaten Zustand zu sehen war schlimm. Gesäumt werden die Straßen von Slums, Armut, Müll und Wellblech-Hütten, wie ich die Bilder bislang nur aus dem Fernsehen kannte. Für mich sind die Eindrücke der Leute, die hier irgendwie vor sich hinvegetieren und was ich sonst noch sehe und rieche, ein ganz harter Schlag in dem Magen. Als wir an der Anlegestelle des Wassertaxis ankommen, wird unser Gepäck zügig auf die Fähre gebracht. Leider ist nicht genügend Platz für das gesamte Gepäck. Meine große Alu-Kiste ist zwar an Bord, aber die Sachen meiner Kameradin Iris leider nicht. Es kommt auf keinen Fall in Frage, dass wir uns trennen. Also einige ich mich mit dem Verantwortlichen darauf, dass mein Gepäck wieder abgeladen wird und wir mit dem nächsten Wassertaxi fahren. Da wir über Nacht in Freetown bleiben, kommt es auf eine Stunde nicht an. Ich informiere unseren Teamleader und wir machen es uns in der Wartehalle bequem. Mit den Leuten dort kommen wir schnell ins Gespräch und bald steht fest, dass die Jungs dort wirklich genauso wie ich auf Schoko-Doppelkekse abfahren! Wir sitzen zusammen und die Leute zeigen uns ein echt cooles Brettspiel. Das Prinzip des Spiels habe ich schnell verstanden, nur das Tempo in dem die spielen kann ich nicht mithalten. Nach und konnten lernten wir die Leute etwas kennen. Die revanchierten sich für die Kekse mit frischen Mangos, die direkt hinter dem Haus auf riesen Bäumen wuchsen. Ich habe noch nie im Leben einen Mangobaum gesehen. Die Früchte waren zwar leider noch steinhart und völlig ungenießbar (ich habe schnell aufgegeben dort rein zu beißen) aber es zählt schließlich die Geste des guten Willens! Nach und nach erfahre ich immer mehr von den Leuten dort. Die stehen total auf Thomas Müller und Mesut Özil. Sie waren einigermaßen enttäuscht, dass ich selber mit den beiden noch nie zusammen gekickt habe. Aber der absolute Hammer kam wenig später, als die Jungs meine Fußball-Kenntnisse herausgefordert haben: Die wollten wissen, welches denn mein Lieblingsverein ist. Und weil ich aus dem Schwabenländle komme, ist man natürlich Fan vom VFB Stuttgart. Plötzlich schauen mich die Leute mit ganz trauriger Miene an: „Stuttgart? Aber die steigen doch jetzt bald ab in die 2. Bundesliga…!“ (Ist zum Glück nicht so gekommen!!) Mir ist fast die Sprache weggeblieben. Ich muss zugeben, Fußball interessiert mich nicht so wirklich, aber dass man hier in Sierra Leone sogar um die sehr ernste Lage des VFB Bescheid weiß, dass hat mich mehr als überrascht. Für mich war das der Moment an dem mir irgendwie klar wurde: Die Sache hier wird gut werden! Am Nachmittag holt uns dann unser Teamleiter Christian mit einem Fahrer beim Wassertaxi ab. Wir fahren zum Ferienressort, in dem die Teamleitung untergebracht ist. Dort informiert uns Christian zuerst einmal über die aktuellen Themen rund um unseren Einsatz hier in Sierra Leone. Anschließend ist dann aber Zeit zum Ausruhen. Das ist auch wirklich gut. Die Wärme und die vielen Eindrücke, die auf einen niederprasseln sind sehr anstrengend. Ich übernachte im „Guesthouse“. Ein riesiges Appartement mit insgesamt acht Betten, eigener Küche und Dusche. Es war nichts Anderes mehr frei und das THW bekommt das Guesthouse zum gleichen Preis wie ein Zimmer. Perfekt! Nach der Erholung wurde es Zeit zum Abendessen. Wir gehen zusammen in ein kleines Restaurant direkt am Strand. Es gibt Spaghetti mit Hackfleischsoße, vegetarisches stand hier nicht auf der Karte. Trotzdem war das Essen echt gut, wenn auch ein wenig scharf! Rund um die Tische am Strand sind viele Kinder unterwegs, die den Gästen gerne ein paar Erdnüsse verkaufen. Ich muss lernen, dass man dann schon mal mit Nachdruck „NO“ sagen muss, wenn man nicht wieder und wieder gefragt werden möchte, ob man jetzt nicht vielleicht doch ein paar Erdnüssen haben möchte. Tja, das war mein erster Tag in Sierra Leone. So unglaublich viele Eindrücke, die mir noch im Kopf umherschwirren, als ich mich ins Bett lege. Mir geht es gut! Aber ich muss erst einmal alles ein wenig einordnen. Aber Sekunden später bin ich schon eingeschlafen.