Sierra Leone - Ebola - 2015
Schneefall, winterlich, 2°C
Heute fand in der THW Leitung in Bonn die Ebola Unterweisung statt. Zusammen mit ein paar weiteren Kameraden auf meinen Nachbar Ortsverbänden sind wir mit dem MTW nach Bonn gefahren. Zum Glück hat es bei mir noch mit der Teilnahme geklappt. Denn im Vorfeld kam es zu ein paar Missverständnissen, was meine Einladung anging. Aufstehen war für heute schon um 5 Uhr angesagt. Mit dem Fahrrad ging es nach dem Frühstück in den Ortsverband. Auf den Straßen lag an diesem Morgen mehr Streusalz, als Schnee und ein bisschen tat mir mein Rad schon leid, dass ich bei dem Wetter damit unterwegs bin. Um 7Uhr kam dann der MTW mit den Kameraden. Die Fahrt verlief trotz Schneefall ohne Probleme, so dass wir recht entspannt in Bonn ankamen. Die Schulung in Bonn war wirklich sehr interessant. Insbesondere der Beitrag des Robert-Koch-Instituts. Hierin drehte sich wirklich alles um das Thema Ebola. Alles wurde sehr genau erklärt. Fragen wurden gründlich beantwortet, so dass ich am Ende des Vortrages ziemlich gut aufgeklärt war über die möglichen Risiken und Möglichkeiten zum Schutz vor Ebola. Mir hat das sehr viel geholfen. Ich hatte in den vergangenen Wochen schon sehr viel im Internet über das Thema Ebola gelesen. Der Vortrag des Experten bestätigte in vielen Fällen die Dinge, die ich schon wusste. Für mich ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich die Thematik richtig verstanden habe. Ein Einsatz-Nachsorge-Team hat seine Arbeit ebenfalls vorgestellt, so dass man sicher sein konnte, dass die eigenen Angehörigen im Falles eines Unfalls oder einer Erkrankung vor den richtigen Leute mit den richtigen Informationen versorgt werden. Denn nichts finde ich schlimmer, als wenn sich irgendwelche Halbwahrheiten und Gerüchte verbreiten, in denen die Lage meist völlig überdramatisiert wird. Nach einer Darstellung der An- und Abreiseformalitäten ergab sich noch die Möglichkeit die Einsatz-Zentrale der THW Leitung zu besuchen. Und dort hin dann auch tatsächlich eine kleine Magnettafel mit meinem Namen drauf. Das Datum für An- und Abreise war auch schon darauf vermerkt. Spätestens hier war mir dann wirklich klar, dass dies nicht nur eine Übung ist.
Sonnig, frühlingshaft, 14°C
Nachdem ich gestern beim Packen meiner großen Alu-Kiste beinahe verzweifelt wäre, ist heute Morgen nochmal ausschlafen angesagt. Naja, so wirklich ausschlafen war dann doch nicht möglich, denn ein paar Dinge waren schon noch zu erledigen vor der Abreise.Nach dem ausführlichen Frühstück mit meiner Mutter sorge ich erst einmal für Ordnung in der Wohnung. Mit zahlreichen Kleinigkeiten die eher unnötig als dringend notwendig sind, verbringe den Vormittag. Die Sonne scheint draußen sehr frühlingshaft und eigentlich wäre mir heute eher nach einer schönen Radtour zu mute. Aber dafür reicht die Zeit natürlich nicht mehr. Aber immerhin noch einen Abstecher in den Weinberg kann ich machen. Dort sammle ich die abgeschnittenen Äste von Apfelbäumen zusammen und bringe sie zur Sammelstelle. Die milde Frühlingsluft tut gut! Gegen 16:30Uhr holt mich ein Kamerad ab und bringt mich mit samt meinem Gepäck zum Bahnhof in Leonberg. Mit einer Kameradin, die in Stuttgart zu mir stößt und die zusammen mit mir nach Sierra Leone reisen wird, fahren wir nach Bonn. Im „Wilden Schwein“ übernachten wir und sind schon sehr gespannt auf den folgenden Tag. Der wird nochmals gefüllt sein mit vielen aktuellen Informationen zum Einsatz in Sierra Leone.
Sehr nebelig am Morgen, später frühlingshaft
Die Nacht im „Wilden Schwein“ war ganz o.k. Ohnehin war ich gestern Abend ziemlich müde und sehr froh irgendwann einfach ins Bett zu dürfen. In der Nacht hat ganz in der Nähe eine Alarmanlage angeschlagen und mich auf dem Schlaf gerissen. Ich bin aber gleich wieder eingeschlafen. Nach dem Frühstück wurden wir von einem Fahrer der Fahrbereitschaft abgeholt. Wow… Leider hatte der Fahrer etwas Verspätung und wollte diese durch etwas mehr Tempo wieder wettmachen. Das Ergebnis war, dass der gute Mann ruckzuck 35 Euro ärmer war und wir noch mehr Verspätung hatten. Ups, für den fängt die Woche gar nicht gut an. In der THW Leitung begann wenig später die LuK-Sitzung (Lage- und Kommunikation). Das war quasi die zentrale Besprechung zu allen aktuellen Themen rund um die Einsätze, die das THW aktuell im Ausland durchführt. Denn nicht nur in Sierra Leone ist das THW tätig, sondern auch in anderen Ländern, wie Jordanien etc. Für mich war das eine gute Gelegenheit einen schnellen Überblick über die Aktivitäten vor Ort zu bekommen. Nach dem Mittag wurden wir dann gründlich in die Ausstattung der Reise-Apotheke, in den Umgang mit der Malaria-Prophylaxe und das persönliche Logbuch eingewiesen. Nochmals wurden wir über die Wichtigkeit der Hygiene hingewiesen und zu guter Letzt bekamen wir einen Satz der Übungs-Notfallausstattung und mussten diese komplett anlegen. Selbst bei den kühlen Temperaturverhältnissen an diesem Tag war das schon eine schweißtreibende Angelegenheit. Ich hoffe sehr, dass ich diese Notfall-Ausstattung in meiner Zeit in Sierra Leone nicht anlegen muss. Der Tag ging schnell vorbei. Nach dem Abendessen stand dann zum erstem Mal die Logbuch-Prozedur an, die in den nächsten Wochen ein fester Bestandteil meiner Morgen- und Abendtoilette sein wird: Fieber messen, Malaria-Prophylaxe (nur am Morgen) einnehmen und alles im Logbuch vermerken.
Morgens: Leichter Nieselregen, sehr kühl
Abends: Unglaublich warm und extrem schwül
Heute Morgen hat uns ein anderer Fahrer in der „Wilden Sau“ abgeholt. Er mahnt zur Eile, weil an diesem Morgen offenbar sehr viel Verkehr ist und wir einen Stau vor uns auf dem Weg zum Bahnhof haben. Er bringt uns nach Siegdorf. Von dort nehmen wir den Zug nach Frankfurt. In Frankfurt am Flughafen-Bahnhof erwarten uns schon zwei Kameraden der Seelift. Die beiden begleiten uns zu den Stationen, die wir an diesem Vormittag noch am Flughafen durchlaufen müssen. Zuerst wäre da der medizinische Check für die Ausreise. Spätestens hier wäre die Reise zu Ende, wenn der Arzt einem Helfer nicht die gesundheitliche Tauglichkeit bescheinigt (z.B. wegen einer Erkältung oder einer sonstigen Erkrankung). Anschließend geht es in ein ruhiges Besprechungszimmer, wo wir noch eine Kleinigkeit essen bevor es weiter zum Check-In geht. Die Unterstützung der Seelift war erstklassig und auch sehr gerechtfertigt. Denn bei der Größe des Flughafens kann man sich leicht verlaufen, da manche Stationen eben nicht zum täglichen Programm bei einer Geschäftsreise gehören. Bei der Gepäckabgabe gab es Meckerei, wegen des Gewichts meiner Kiste. Nun ja, da waren schließlich auch eine Menge Kekse drin und noch weitere Fressalien die auf dem Wunschzettel des Team in Sierra Leone standen. Nach der Sicherheitskontrolle verabschieden wir uns von den Seelift-Kameraden. Danke nochmal für den VIP-Service! Der Flug nach Accra verläuft unspektakulär. In Zivilkleidung fallen meine Kameradin und ich ohnehin nicht auf. Ich versuche während der acht Stunden, die der Flug dauert, etwas zu schlafen. Beim Ausstieg in Accra haut einen die Hitze der Düsentriebwerke fast um. Nachdem ich schon 20 Meter vom Flieger weg bin ist es immer noch unerträglich heiß und schwül. Dann ist klar: In Afrika ist es einfach bollenheiß! Ich bin viel zu warm angezogen. Meine kleine Alu-Kiste, die ich mit mir herumschleppe, macht die Sache nicht grade einfacher. Bis wir unser Visum erhalten dauert es eine ganze Weile. Es gibt mehrere Schlangen und keiner weiß so richtig, wo wir denn nun anstehen sollen. Die Leute vom Zoll sind sehr gewissenhaft und so dauert das Ganze eben. Bald darauf bringt uns ein Mitarbeiter dann zum nächsten Checkpoint. Hier werden Bilder gemacht und unsere Fingerabdrücke gescannt. Endlich haben wir die Einreise-Formalitäten hinter uns gebracht. Ich bin das einfach nicht mehr gewohnt: So viel Zeit am Flughafen mit Zoll, Visum und so weiter zu verbringen. Eine der schönen Seiter der EU! Vor dem Flughafen wartet der THW-Logistik Fachmann Florian mit seinem Fahrer. Sie helfen uns auf dem Weg zum Auto mit dem Gepäck. Heute Nacht verbringen wir ein paar Stunden in einem Hotel in Accra, bevor es morgen in alles Frühe weiter geht nach Sierra Leone. Wir sitzen noch ein wenig zusammen an der Pool-Bar des Hotels und besprechen den Ablauf des nächsten Tages. Plötzlich sitzen wir im Dunkeln: Stromausfall – Alles völlig normal sagt Florian. Kurz darauf startet ein Diesel-Generator und die Lichter im Hotel gehen wieder an. Ringsum bleibt es indes stockfinster.
Morgens: Regen und schwül
Mittag / abends: Sehr warm und schwül
Der heutige Tag fing wirklich sehr früh an. Um 5:30 Uhr war bereits der Treffpunkt in der Lobby vereinbart, um zum Flughafen zu fahren. Dort mussten wir spätestens um 6 Uhr sein. Draußen ist es immer noch stockfinster. Weit ist der Weg zum Flughafen nicht, doch selbst um diese Uhrzeit ist schon sehr viel Verkehr auf den Straßen und es gibt am Flughafen schon wieder einen kleinen Stau. Gestern Abend haben wir unsere Reisedokumente noch gemeinsam mit Florian vorbereitet, damit wir dafür nicht am Flughafen noch unnötig Zeit verschwenden müssen. Unser Flug war dann auch schon angeschrieben: „UN101“ Der Check-In lief eigentlich wie an allen anderen Flughäfen auch: Gepäck wiegen und abgeben, Bordkarte in Empfang nehmen, der nächste bitte! Ein paar Besonderheiten will ich aber nicht unterschlagen: Die Bordkarten wurden fein säuberlich per Hand geschrieben und die Passagierliste war eine einfache Excel-Tabelle, in der die Fluggäste abgehakt wurden. Es muss nicht immer kompliziert sein… Auf dem Weg zum Gate durchliefen wir den obligatorischen Thermo-Scan: Mit Wärmebildkameras wird die Oberflächentemperatur im Gesicht gemessen. Wer Fieber hat (ein Anzeichen für eine ernste Erkrankung), kommt hier nicht weiter. Es dauerte lange, bis wir dann ins Flugzeug konnten. Am gleichen Gate wurden vor uns noch zwei weitere Flüge abgefertigt. Das Shuttle zum Flieger war sehr abenteuerlich. Irgendetwas stimmte ganz sicher mit den Bremsen nicht. Langsamer wurde der Bus zwar, aber mit höllischem Getöse aus den Bremstrommeln. Der Flieger war dann wieder erwarten deutlich größer, als angenommen. Ich bin irgendwie von einem kleinen 6 bis 8 Personen Flieger ausgegangen. Aber das war ein richtig ausgewachsener Jet der UN. Vor dem Einstieg in den Flieger wird nochmals per Infrarot-Thermometer die Körpertemperatur gemessen. Dann geht es los. Zwischenstopp wird in Monrovia sein. Die Hauptstadt Liberias. Am späten Vormittag erreichen wir dann den Flughafen in Sierra Leone. Unser Gepäck wird ausgeladen und neben dem Flieger aufgebaut. Das ist der Baggage-Claim. Jeder schnappt sich seine Sachen und macht sich auf dem Weg zum Flughafengebäude. In meiner THW-Tropen-Kleidung läuft mir der Schweiß schon in Strömen am Körper hinunter. Aber ich mag es eigentlich, wenn´s schön warm ist. Vor dem Betreten des Flughafengebäudes müssen wir die Hände desinfizieren. Es wird genau darauf geachtet, dass sich keiner um diese Prozedur drückt. Anschließend gibt es wieder jeden Menge Zettel, die auszufüllen sind. Am „Immigration-Office“ werden wir registriert und bekommen unser Visum. Die Freundlichkeit der Damen dort erinnert irgendwie an Deutschland. Na vielleicht liegt es einfach doch am Job… Raus aus dem Flughafen und weiter geht es zum Bustransfer. Dieser bringt die Fluggäste zum Wassertaxi. Das ist die schnellste Möglichkeit, um in die Hauptstadt Freetown zu gelangen. Aber bereits die wenigen Kilometer zwischen Flughafen und Wassertaxi schnüren mir beinahe den Hals ab. Die Eindrücke erschlagen mich. Es war mir klar, dass die Straßen und Häuser in einem der ärmsten Länder der Welt sicher nicht so sein werden wie in Deutschland. Aber Dinge in einem solch derart desolaten Zustand zu sehen war schlimm. Gesäumt werden die Straßen von Slums, Armut, Müll und Wellblech-Hütten, wie ich die Bilder bislang nur aus dem Fernsehen kannte. Für mich sind die Eindrücke der Leute, die hier irgendwie vor sich hinvegetieren und was ich sonst noch sehe und rieche, ein ganz harter Schlag in dem Magen. Als wir an der Anlegestelle des Wassertaxis ankommen, wird unser Gepäck zügig auf die Fähre gebracht. Leider ist nicht genügend Platz für das gesamte Gepäck. Meine große Alu-Kiste ist zwar an Bord, aber die Sachen meiner Kameradin Iris leider nicht. Es kommt auf keinen Fall in Frage, dass wir uns trennen. Also einige ich mich mit dem Verantwortlichen darauf, dass mein Gepäck wieder abgeladen wird und wir mit dem nächsten Wassertaxi fahren. Da wir über Nacht in Freetown bleiben, kommt es auf eine Stunde nicht an. Ich informiere unseren Teamleader und wir machen es uns in der Wartehalle bequem. Mit den Leuten dort kommen wir schnell ins Gespräch und bald steht fest, dass die Jungs dort wirklich genauso wie ich auf Schoko-Doppelkekse abfahren! Wir sitzen zusammen und die Leute zeigen uns ein echt cooles Brettspiel. Das Prinzip des Spiels habe ich schnell verstanden, nur das Tempo in dem die spielen kann ich nicht mithalten. Nach und konnten lernten wir die Leute etwas kennen. Die revanchierten sich für die Kekse mit frischen Mangos, die direkt hinter dem Haus auf riesen Bäumen wuchsen. Ich habe noch nie im Leben einen Mangobaum gesehen. Die Früchte waren zwar leider noch steinhart und völlig ungenießbar (ich habe schnell aufgegeben dort rein zu beißen) aber es zählt schließlich die Geste des guten Willens! Nach und nach erfahre ich immer mehr von den Leuten dort. Die stehen total auf Thomas Müller und Mesut Özil. Sie waren einigermaßen enttäuscht, dass ich selber mit den beiden noch nie zusammen gekickt habe. Aber der absolute Hammer kam wenig später, als die Jungs meine Fußball-Kenntnisse herausgefordert haben: Die wollten wissen, welches denn mein Lieblingsverein ist. Und weil ich aus dem Schwabenländle komme, ist man natürlich Fan vom VFB Stuttgart. Plötzlich schauen mich die Leute mit ganz trauriger Miene an: „Stuttgart? Aber die steigen doch jetzt bald ab in die 2. Bundesliga…!“ (Ist zum Glück nicht so gekommen!!) Mir ist fast die Sprache weggeblieben. Ich muss zugeben, Fußball interessiert mich nicht so wirklich, aber dass man hier in Sierra Leone sogar um die sehr ernste Lage des VFB Bescheid weiß, dass hat mich mehr als überrascht. Für mich war das der Moment an dem mir irgendwie klar wurde: Die Sache hier wird gut werden! Am Nachmittag holt uns dann unser Teamleiter Christian mit einem Fahrer beim Wassertaxi ab. Wir fahren zum Ferienressort, in dem die Teamleitung untergebracht ist. Dort informiert uns Christian zuerst einmal über die aktuellen Themen rund um unseren Einsatz hier in Sierra Leone. Anschließend ist dann aber Zeit zum Ausruhen. Das ist auch wirklich gut. Die Wärme und die vielen Eindrücke, die auf einen niederprasseln sind sehr anstrengend. Ich übernachte im „Guesthouse“. Ein riesiges Appartement mit insgesamt acht Betten, eigener Küche und Dusche. Es war nichts Anderes mehr frei und das THW bekommt das Guesthouse zum gleichen Preis wie ein Zimmer. Perfekt! Nach der Erholung wurde es Zeit zum Abendessen. Wir gehen zusammen in ein kleines Restaurant direkt am Strand. Es gibt Spaghetti mit Hackfleischsoße, vegetarisches stand hier nicht auf der Karte. Trotzdem war das Essen echt gut, wenn auch ein wenig scharf! Rund um die Tische am Strand sind viele Kinder unterwegs, die den Gästen gerne ein paar Erdnüsse verkaufen. Ich muss lernen, dass man dann schon mal mit Nachdruck „NO“ sagen muss, wenn man nicht wieder und wieder gefragt werden möchte, ob man jetzt nicht vielleicht doch ein paar Erdnüssen haben möchte. Tja, das war mein erster Tag in Sierra Leone. So unglaublich viele Eindrücke, die mir noch im Kopf umherschwirren, als ich mich ins Bett lege. Mir geht es gut! Aber ich muss erst einmal alles ein wenig einordnen. Aber Sekunden später bin ich schon eingeschlafen.