Sierra Leone - Ebola - 2015
Wetter…
Nachdem der Tag gestern doch recht anstrengend war, lasse ich den Sonntag etwas ruhiger angehen und schlafe erst einmal aus. Um 9Uhr mache ich mich auf den Weg zum Frühstück. Ich habe die Nacht über geschlafen wie ein Stein. Und dennoch hätte ich mich nach dem Frühstück gleich wieder ins Bett legen können.
Mit meinem Fahrer Eddi schaue ich mir ein paar Ecken von Freetown an. Kissy Road … „The heart of Freetown“, wie Eddi die Straße auf der es vor Menschen nur so wimmelt, nennt. Wir fahren nur vorbei. Aussteigen ist tabu; wegen Ebola. Dann fahren wir auf den nahe gelegenen Mount Aureol. Von dort hat man einen guten Ausblick auf Freetown. Für mich ändert sich aber nichts an der Tatsache, dass die Stadt ein Moloch ist. Ein kurzer Abstecher in einen der Slums von Freetown festigt meine Meinung. Welche Eindrücke auf einen einwirken, wenn man in einem der ärmsten Länder der Welt dort ist, wo die Ärmsten der Armen leben, ist nur schwer in Worte zu fassen.
Bevor Eddi und ich zurück nach Makeni fahren, machen wir einen kurzen Abstecher in die Deutsche Botschaft, um die Generatoren dort zu besichtigen. Es tut wirklich gut, so sehen, dass es sie doch noch gibt: Die gute alte VDE0100-Norm…
In Makeni angekommen kümmert sich das gesamte Team zuerst einmal um die Einrichtung unseres neuen Aufenthaltsraumes. Denn wenn die Regenzeit kommt, dann ist es nicht mehr möglich draußen im Freien zu kochen und zu essen. Wir weihen die neue Küche noch ein und dann ist Feierabend. Es gibt noch ein paar Details für den Ablauf der neuen Woche und so geht der Tag schnell zu ende.
Ich freue mich auf mein gemütliches Bett in Makeni und genieße die Ruhe, die es in Freetown nicht gibt.
Wie immer…
Heute stand das Generator-Training im Wasserwerk von Kambia auf den Plan. Gleich nach dem Frühstück habe ich Werkzeug und Verbrauchsmaterial zusammengestellt. Die Präsentation ist auch fertig und ausgedruckt. Schließlich ist es wichtig, dass die Leute vor Ort später auch etwas zum Nachschlagen haben.
Die Fahrt dorthin dauert mehr als zwei Stunden. Gegen Mittag erreichen wir endlich das Wasserwerk. Josef, der eigentlich mit der Anlage vertraut ist, ist leider für drei Tage zu Verwandten nach Freetown gefahren. Und so ist nur Michael vor Ort, der sich leider nicht ganz so gut auskennt. Wir hatten vor der Abfahrt versucht jemand zu erreichen, aber das hatte nicht funktioniert und so sind wir mehr oder weniger auf gut Glück dorthin gefahren, denn eigentlich muss bei so einer Anlage immer jemand vor Ort sein.
Zusammen mit Michael gehen wir die einzelnen Schritte durch. Ich habe ihm gezeigt, wie man die Keilriemen spannt und auch erklärt, warum man das machen muss. Wir haben destilliertes Wasser in die Batterien nachgefüllt und noch einige Dinge an den Maschinen erklärt. Plötzlich merke ich, wie aus Michael´s Ohren kleine Rauchwolken aufsteigen … Oh, ich denke dann lassen wir mal die kleinen Details weg. Für heute haben wir wirklich schon viel erreicht. Die Unterlagen lasse ich natürlich dort. Und überreiche Michael noch ein selbst erstelltes Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme am „Generator-Training“.
Anschließend machen wir uns auf den Heimweg nach Makeni. In der Werkstatt angekommen richte ich mein Material und Werkzeug für das Don Bosco Projekt zusammen. Den Generator holen die Don Bosco Leute heute Abend mit ihrem Bus ab. Ich packe nach dem Abendessen noch mein Gepäck zusammen, da ich ein paar Tage nicht in Makeni sein werde.
Wie wird das Wetter wohl gewesen sein…?
Ehrlich gesagt weiß ich heute Abend gar nicht, wo ich mit meinem Tagebuch anfangen soll. Vielleicht mal mit der aktuellen Lage, jetzt gerade, wo ich das Tagebuch schreibe. Die ist wie folgt: Ich sitze hier im Don Bosco Waisenheim im Gästezimmer am Schreibtisch. Licht gibt es nur von meiner Stirnlampe. Vor mir steht eine halb leere Flasche köstlichen „Merlot-Weins“ aus Italien. Ich bin total müde, habe Kopfweh, weil ich mal wieder vergessen habe zu trinken und bin aber irgendwie auch sehr zufrieden damit, wie weit ich heute schon gekommen bin mit meiner Arbeit bei Don Bosco.
Ich habe vorhin zusammen mit den Leuten hier im Heim zu Abend gegessen. Im Anschluss wollten die natürlich viel über mich und meine Hobbys erfahren. Also haben wir einen Blick auf meine Homepage geworfen. So sind wir recht schnell ins Quatschen gekommen über alles Mögliche. Der Abend ging sehr schnell vorbei und mir sind beim Zuhören zweimal schon fast die Augen zugefallen. Ich verabschiede mich und ziehe mich ins Gästezimmer zurück.
Was ist heute so alles gelaufen?
Nachdem ich gestern Abend bereits mein Material bereitgestellt habe, konnte es heute früh gleich nach dem Frühstück losgehen. Knapp zweieinhalb Stunden sind es nach Bo. Unterwegs kommt uns der Don Bosco Bus entgegen, mit dem die Leute gestern den Generator abgeholt haben. Oh je, den wollten wir doch gemeinsam abladen, damit auch ja nichts kaputt geht. Nun ja, jetzt ist der Generator wenigstens schon abgeladen. Hat auch was Gutes!
Als wir nach mehr als einer Stunde Bush-Road die Straße nach Bo erreichen, bin ich echt froh. Die Straße ist übel und ich will nun auch loslegen mit meiner Arbeit. Am Waisenheim wimmelt es vor Menschen. Die wuchten gerade den Generator ins Power-House. Also haben sie das Ding via „African-Crane“ abgeladen… von Hand! Es hätte wohl alles gut geklappt mit dem Transport, lediglich die Batterie hätte wohl irgendwo im Generator gelegen.
Ich mache mich erst einmal an die Arbeit und erkunde, wie ich die ganzen Häuser denn nun anschließen kann. Ich möchte die Sache schon halbwegs ordentlich machen. Zurzeit ist das ein völliges Chaos. Bald steht fest, dass ich jedes der drei Gebäude an eine Phase anschließen werde. Drehstrom wird ohnehin in keinem der Gebäude benötigt. Die alten Leitungen gehen zwischen den Gebäuden wild hin und her. Es würde mich nicht wundern, wenn der Strom hier irgendwie in Kreis fließt. Alle Leitungen sind in der Zwischendecke verlegt. Ordentliche Verteilerdosen, von denen aus die Leitungen in die einzelnen Räume abzweigen gibt es nicht. Ein Abzweig wird einfach irgendwo in der Zwischendecke verzwirbelt und mit Isolierband umwickelt. Lüsterklemmen ?!?! Der Begriff sagt den Jungs genauso wenig, wie die Dinger selbst. Aber nach und nach verstehen die Leute was das für Dinger sind und wozu man die verwenden kann.
Zwischenzeitlich erscheint auch der Vorabreiter des Energieversorgers. Der ist wenig erfreut darüber, dass ich die Stromzähler ins Powerhouse einbauen will. Aber nachdem ich ihm erklärt habe, was ich in den nächsten Tagen noch vorhabe, willigt er ein. Er verlangt noch als Zuleitung für alles einen Querschnitt von 6 qmm zu verwenden und dann soll ich mich melden, wenn ich soweit bin. So etwas nenne ich Kundenfreundlich!! Da kann sich mein großer Energieversorger zu Hause gerne mal eine Scheibe davon abschneiden!
Allmählich wird es Abend und ich muss mich wirklich sputen, um den neuen Generator heute noch anzuschließen. Schließlich will ich heute Nacht im Dunkeln sitzen. Als nun mal zügig ein paar Leitungen und Sicherungen an mich ran und die ganze Sache mal vorläufig an den Generator anklemmen. Nach und nach nehme ich die Gebäude wieder in Betrieb. Zwei Gebäude sind zum Abendessen fertig. Morgen gibt es nochmal ein großes Stück Arbeit. Aber die Sache läuft ganz gut. Die Leute hier im Waisenheim sind überglücklich über den neuen Generator. Zwischen dem und dessen, das bis gestern noch mehr Lärm als Strom produziert hat liegen wirklich Welten!
Ich genieße den Feierabend und warte, bis ich den Generator abstellen kann. Heute Nacht ist das noch mein Job, ab morgen sind die Jungs hier selber für diese Sache zuständig.
Wie immer…
Ich kann den Kugelschreiber kaum halten, so tun mir die Finger heute weh. Heute war ein schöner Tag. Der Umbau der Elektroinstallation ist gut vorangekommen. Morgen müssen die Leute vom Stromversorger NPA nochmal ran und die Zähler umsetzen, dann ist es geschafft. Bis auf zwei große Scheinwerfer, die ich noch installieren. Die sollen etwas Last auf den Generator bringen. Aber das schaffe ich sicher bis heute Nachmittag.
In der Nacht habe ich zuerst sehr gut geschlafen. Dann bin ich jedoch wach geworden vom Jaulen der vielen Hunde, die hier überall umherstreunen. Und außerdem hat der Wachmann, der wohl in der Nähe von meinem Fenster saß bei der Arbeit so laut geschnarcht, dass ich nicht mehr schlafen konnte…
Um 8 Uhr gab es gemeinsames Frühstück und dann ging es wieder an die Arbeit. Heute ein wenig unter dem Motto: „Bosch-Akkuschrauber trifft Sierra Leone“. Es gab ein paar Löcher zu bohren in die große Holztafel an die alle Sachen geschraubt werden sollen. Ich habe meinen zwei Helfern mal gezeigt, wo ich die Löcher im Holz genau brauche und wie groß die Löcher sein müssen. An ihren verzweifelten Gesichtsausdrücken war schnell zu entnehmen, das Löcher bohren in dieses Hartholz ganz sicher keinen Spaß macht. Zumindest nicht ohne Akkuschrauber. Die Jungs waren schon auf der Suche nach einem scharfen Messer, um die Löcher dort irgendwie einzukratzen. Um die Verzweiflung der Jungs nicht ins grenzenlose wachsen zu lassen, packe ich das Wunder der Technik aus Leinfelden mal aus und zeige denen, wie ich so ein Loch ins Hartholz mache. Wow, ich glaube die am liebsten die gesamte Tafel durchlöchert, mit solch einer Begeisterung waren die dabei. Jedenfalls waren beide mit Feuereifer bei der Sacher. Besonders cool war wohl offenbar das Klacken des Bohrfutters, wenn die Maschine einen Schnellstopp macht.
Den Rest des Tages haben wir damit verbracht, die Montageplatte zu verdrahten. Zwischendurch sind wir zu dritt kurz auf den Markt gefahren und haben Material besorgt. Der Markt in Bo ist recht groß und es gibt dort wirklich alles was man braucht. Aber man muss aufpassen, ob die Qualität stimmt und man nicht übers Ohr gehauen wird. So verkaufen die Händler gerne auch mal ein billiges Kabel aus China, dass anstatt Kupfer nur billigen Draht einhält, oder bei dem der Querschnitt kleiner ist, als auf draufsteht. Da muss man wirklich aufpassen! Eine weitere Erfahrung musste ich heute auf dem Markt machen: Die Maßeinheiten! Grade schaue ich im Tabellenbuch nach und stelle fest, dass die mich doch nicht bescheißen wollten. Uups… Ich wollte heute 25m Leitung kaufen und die haben eben in Yard gerechnet (x 0,9144). Das gab heute im Laden ein bisschen Streit mit dem Verkäufer. Der hatte auf seiner Theke das Maß angezeichnet und dann Meter für Meter abgemessen. Mit kam das aber irgendwie komisch vor und so habe ich den Meterstab ausgepackt und siehe da: Der Kerl hat jedes Mal nur 91cm statt einem Meter abgemessen. Da wurde ich schon ein wenig sauer. Der Kerl war völlig verwirrt, hat aber tapfer weitergemacht. Die Jungs vom Waisenheim standen daneben und haben nicht viel dazu gesagt. Nun ja, am Ende hat es gereicht und wir konnten mit unserer Arbeit weitermachen.
Im letzten Gebäude war nicht viel zu ändern, so dass wir es bis zum Abend geschafft haben. Nach dem Abendessen saßen wir wieder gemeinsam zusammen. Und ich muss wieder feststellen: Es gibt keinen Unterschied zwischen den Jugendlichen hier im Waisenheim und den zu Hause in Deutschland. Alle haben sie die gleichen Themen: „Facebook, Fußball, Mädels, Tischkicker, die Couch zum Chillen, Schule und das bevorstehende Studium…“
Ich stelle fest: „Höre zu, beobachte und lerne!“
Na, was soll ich schon schreiben…
In der Nacht habe leider so gut wie gar nicht geschlafen. Ich habe ziemlich starke Kopfschmerzen bekommen und ständig nach der Lösung auf die Frage einer der Jugendlichen vor hier gesucht. Es ging um sein Studium als medizinische Fachkraft, wozu er finanzielle Unterstützung sucht. Für mich ist dies eine sehr schwere Frage. Im Grunde ist mit ein paar hundert Euro hier schon viel zu erreichen. Aber auf der anderen Seite ist mir klar, dass dies ein Fass ohne Boden ist. Denn warum soll ich den Einen unterstützen und den Nächsten jedoch nicht? Mir ist schon von Anfang an klar, dass ich nein sagen muss. Aber wie kann ich das möglichst höflich sagen, ohne denjenigen der, mich gefragt hat zu verletzen? Diese Frage hält mich den Rest der Nacht wach.
Am Morgen sind meine Kopfschmerzen noch stärker geworden. Es explodiert mir fast der Kopf. Na klar, ich habe gestern mal wieder vor lauter Arbeit vergessen zu trinken. Das rächt sich jetzt eben ganz bitter. Kopfweh hin oder her. Die Anlage muss heute fertig werden.
Nach dem Frühstück macht sich Samuel auf den Weg zum Stromversorger. Der Vorarbeiter kommt wenig später vorbei und schaut sich die Sache an. Als er seine 6qmm Leitung sieht, die er am Dienstag gefordert hat, ist er sichtlich zufrieden. Ich erkläre ihm was ich wie und wo gemacht habe. Schließlich ruft er seine Jungs an. Die kommen wenig später auf zwei Motorradtaxis daher. Mit dabei (auf dem Motorrad) haben sie eine große Ausziehleiter. Einer von denen springt gleich die Leiter hoch zum Anschluss oben an der Freileitung. Sie bauen die alten Leitungen ab und setzen die Zähler auf die neue Platte. Weil mal wieder kein Strom da ist, können die NPA-Leute gar nicht testen, ob die Zähler auch wirklich funktionieren. Statt an die Freileitung stecken sie die Leitungsenden kurzerhand in die Steckdose vom alten Generator. Die Anzeigen der Zähler leuchten auf und die NPA-Leute kontrollieren die Einstellungen der digitalen Zähler. Als alles passt wird unsere neue Zuleitung um die Freileitung gewickelt und das war´s.
Wir reden noch eine Weile mit dem Vorarbeiter, aber dann muss er weg. Ich habe auch noch zu tun und mache mich an die Arbeit. Mir fällt ein riesen Stein vom Herzen, dass die Sache mit NPA so gut geklappt hat. Das war der letzte große Meilenstein im Don Bosco Projekt. Wir bauen noch die beiden Strahler ans Gebäude. Weil vom Umbau der Elektrik noch alte ungenutzte Leitungen zur Verfügung stehen, müssen wir nicht mehr viel Arbeit in die Sache stecken. Per Lichtschalter lassen sich die Scheinwerfer bei Tag ausschalten. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich! Ein afrikanischer Lichtschalter kann aus zwei Drahtenden bestehen! Man nimmt den Neutral-Leiter und berührt die blanken Enden erst, wenn die Birne leuchtet. Dann ist es sicher…
Nach einer ausführlichen Einweisung in den neuen Generator packe ich meine Sachen zusammen und Fahrer Eddi bringt mich sicher nach Makeni zurück. Während wir über die Bush-Road fahren spielt Eddi´s Kassette „Take me home, Country Roads“. Oh Eddi! Dreh auf, so laut das Radio kann!!