Sierra Leone - Ebola - 2015
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Heute also wieder Freetown. Es steht der Abschluss des Projekts „Holländer-Labor“ an. Das Dutch-Mobile Laboratory ist auf dem Gelände des Kleintown-Hospital untergebracht. Hier war ich schon ein paar Mal, um technische Unterstützung bei der Neuanschaffung von Generatoren für das Hochsicherheits-Labor zu leisten.
Der Tag heute beginnt schon etwas konfus. Wegen der Ausgangssperre, die über das gesamte Land verhängt wurde, ist die Küchencrew noch nicht da. Damit ich nicht untätig herumsitze, packe ich erst einmal meine Sachen zusammen, die ich für die nächsten Tage in Freetown benötige. Just, als ich fertig bin, gibt es dann doch noch was zu futtern. Ich hatte meine Schoko-Kekse, die ich von zu Hause mitgebracht hatte, zwischenzeitlich entweder verschenkt oder selber gefuttert.
Nach dem Frühstück geht es los. Ich bin wirklich gespannt, ob und wie wir durch die vielen „Check-Points“ durchkommen. Damit die ganze Sache auch hochoffiziell aussieht, habe ich mich mal mit offizieller THW-Dienstkleidung, statt wie sonst inzwischen üblich ein T-Shirt, aufgedonnert. Jedenfalls kommen wir ganz gut voran. Die Landstraßen sind völlig leer. Kein Mensch ist unterwegs, von den Ebola-Teams mal abgesehen. In Kleintown angekommen, gibt es gleich mal eine Überraschung: Die neuen Generatoren sind eingebaut und laufen bereits. Der Umbau des Powerhouse wurde exakt so gemacht, wie ich es empfohlen hatte. Sogar die zusätzlichen Gebläse sind installiert und laufen. Die sollen die Abwärme der Motoren noch besser aus dem kleinen Gebäude blasen. Das ist gut für die Motoren. Die Leitung zum Holding-Center liegt auch schon. Als ich mir die Sache noch gründlicher ansehe, ist zu sehen, dass das Holding-Center auch schon am Generator angeschlossen ist. Das soll eigentlich nicht sein. Denn es gibt normales Stromnetz hier und die Generatoren dienen nur der Notversorgung. Der Mensch, der mich begleitet schaltet auch umgehend um. Damit ist die Sache o.k.
Mehr kann ich aber vorerst nicht erreichen. Wir wollten eigentlich noch gemeinsam die automatische Umschaltung zwischen den Generatoren testen. Das muss ich erst einmal verschieben. Mein Fahrer Mohammed und ich fahren dann weiter zu Jeanette. Sie untersucht zusammen mit weiteren Spezialisten der Universität Liverpool wie sich die Verwendung von Blutkonserven Ebola-Überlebender auf die Heilungschancen von Neu-Infizierten auswirkt. In ihrem Büro soll ein Generator als Backup installiert werden. Im eigentlichen Labor gibt es noch etwas mehr Arbeit. Zuerst besichtige ich das Büro, dann geht´s zur nationalen Blutbank von Sierra Leone. Diese ist im Connaught Hospital untergebracht. Ich bitte darum die nachfolgende Bemerkung nicht falsch zu verstehen: Das Connaught-Hospital ist mit Abstand der übelste Ort, den ich hier bislang betreten habe. Wäre dies ein Schlachthof in Deutschland, so würde man den Laden nicht nur sofort schließen, sondern sofort dem Erdboden gleichen machen. Oder besser noch einen Sarkophag (wie in Tschernobyl) darüber bauen. Denn der gesamte Komplex stellt eine Gefahr für die Gesundheit dar. Zahlreiche Ärzte sind hier an Ebola gestorben. Die Bedingungen hier sind äußerst übel! Im Gebäude der Blutbank wird kräftig renoviert. Der Chef der Blutbank hat gestern selbst den „Donation-Room“ (Spende-Raum) gestrichen, damit es vorangeht. Nun fehlt es nur noch an ein paar Steckdosen, damit am Montag die ersten Blutkonserven abgezapft werden können.
Wegen der Ausgangssperre ist es aber nicht möglich an Material zu kommen. Ich habe nicht viel dabei, denn ich war auf die Arbeit im Dutch-Lab eingestellt. Aber mit dem Material, dass ich dabeihabe sollte sich schon etwas anfangen lassen. Ich verspreche morgen um 10Uhr wieder zu kommen. Dann schauen wir, was wir am Samstag schaffen können.
Die Nacht über verbringe ich im Family Kingdom Ressort in Freetown: Rein ins Bett, Augen zu, weg…. Bis der Wecker am nächsten Morgen klingelt.
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Nach einem ausgiebigen Frühstück fahren Mohammed und ich wieder zum Connaught-Hospital. Mit ein paar Minuten Verspätung treffen wir dort ein. Die Leute sind schon ungeduldig und fürchten, dass wir gar nicht erscheinen.
Zuerst wird noch einmal diskutiert. Eigentlich genau dieselben Punkte wie gestern schon. Weil ich aber nicht zum Reden, sondern zum Arbeiten hier bin, breche ich die Diskussion schnell ab und bitte darum den Elektriker des Krankenhaues zu rufen, damit wir gemeinsam loslegen können. Abdul ist der Vorarbeiter der Elektriker. Ein recht junger Kerl, der aber seine Arbeit wirklich sehr gut im Griff hat. Nach einer kurzen Vorstellung verschwindet er und taucht wenig später in OP-Klamotten auf, denn er muss in die Zwischendecke unterm Dach steigen. Dort ist es stockdunkel und glühend heiß. Er tut mir wirklich leid. Und ich war auch sehr froh, dass ich nicht dort ober herumkriechen musste. Damit er dort etwas sieht, drück ich ihm meine Stirnlampe in die Hand. So kann er mit beiden Händen arbeiten. Die Zusammenarbeit macht echt Spaß und es läuft wirklich wie am Schnürchen! Als die Leute merken, dass ich eben nicht nur zum Reden und Fotos machen gekommen bin, steigt die Stimmung überall. Am Nachmittag sind die Leitungen im ersten Obergeschoss verlegt und angeschlossen. Unsere Arbeit somit weitgehend erledigt.
Das Personal der Blutbank kann nun die Maschinen aufstellen und am Montag kann es dann losgehen: Die Forschung kann im Kampf gegen Ebola ein weiteres Kapitel aufschlagen! Wie erwähnt ist das Projekt eine ganz wichtige Sache. Es gibt aber schon noch viel zu tun. Das Labor im Erdgeschoss ist eine riesige Baustelle. Dort reißen sie noch die Wände auf oder klopfen Schlitze. Osman, der Chef der Blutbank will von Abdul und mir noch ein paar Tipps für die Elektroinstallation im Erdgeschoss. Ich muss dazu nichts sagen. Abdul hat die Sache wirklich vollkommen im Griff. Super Kerl! Wenn die Baustelle vorangekommen ist und Abdul noch einen Helfer hat, dann ist die Sache schnell erledigt. Sofern das Material zur Verfügung steht. Ich hoffe Jeanette kann noch etwas Geld auftreiben…
Am späten Nachmittag bringt Mohammed mich nochmal nach Kleintown zum Dutch-Lab. Dort erreiche ich endlich jemand, der mich ins Powerhouse lassen kann. Gemeinsam schauen wir uns die Generatoren an und stellen fest, dass die Lastverteilung auf den drei Phasen völlig schief ist. So etwas soll nicht sein. Bald stellt sich heraus, dass jemand alle drei Phasen des Labors zusammen geklemmt hat. Drei-Phasen-Wechselstrom oder Drehstrom kennt man in Sierra Leone eben nicht so sehr…
Ändern kann ich im Augenblick beim Labor nichts, denn es wird dort gearbeitet. Nur ungern will man die Proben nochmal starten. Denn das würde den Verlust eines ganzen Arbeitstages bedeuten. Das muss auch wirklich nicht sein. Wir machen das morgen früh, wenn das Labor noch nicht arbeitet. Um 9Uhr können wir noch alles ausschalten und umbauen.
Mit Einbruch der Dämmerung machen wir uns auf dem Weg ins Family Kingdom. Da erst merke ich, dass ich heute zwar ans Trinken gedacht habe, aber für Essen war keine Zeit.
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9Uhr am Dutch-Lab bedeutet früh aufzustehen. Heute Morgen will ich einfach nicht aus den Federn kommen. Aber die automatische Umschaltung und die neuen Generatoren will ich unbedingt testen. Auch die Lastverteilung muss geändert werden. Weil mein Handy automatisch auf die Sommerzeit umgestellt hat, klingelt der Wecker noch früher. Ich bin wie erschlagen und es dauert ewig, bis ich in Schwung komme.
Die Arbeit im Dutch-Lab läuft gut. Einer der Ärzte dort kennt sich gut aus und die Sache ist schnell erledigt. Nun sollen die Leute erst einmal testen, wie sie mit der neuen halbautomatischen Umschaltung zurechtkommen.
Weil noch Zeit ist, will ich das Connaught-Hospital noch einmal besuchen. Osman will Batteriepuffer für seine neuen Maschinen kaufen. Er weiß aber nicht so genau, was er nehmen soll. Beim Blick auf das Typenschild der ersten neuen Maschine ist für mich der Sonntag eigentlich schon fast kaputt. Es stellt sich heraus, dass die Maschinen für 120V, 60Hz ausgelegt sind. Hier in Sierra Leone hat man aber 230V, 50Hz. Somit wird es morgen früh keinen Start für die Blutspenden geben.
Mir bleibt erst mal nichts Anderes übrig, als Osman die schlechte Nachricht zu überbringen. Der steht unten im Erdgeschoss und klopft mit Hammer und Meißel die alten Fliesen von der Wand. Viel tun kann ich erst einmal nicht. Ich erkläre ihm die Lage und er wollte sich am Montagmorgen auf dem Markt umschauen, ob er nicht doch etwas findet.
Weil Sonntag ist, bleibt etwas Zeit für einen Abstecher bei Don Bosco in Freetown. Lothar ist dort. Seine Leute und er betreuen dort über 200 Straßenkinder, die die Polizei oder das Militär während der Ausgangsperre aufgefischt und hier abgeladen hat. Während Lothar und ich uns unterhalten kommt ein kleiner Junge daher. Der Kerl ist so alt wie mein älteres Patenkind hier in Deutschland. Er sieht wirklich aus, als wäre er völlig neben der Spur. Lothar erklärt mir, dass viele Kinder hier im Heim aufgrund häuslicher Gewalt weggelaufen sind. Sie sind oft völlig traumatisiert. Das erklärt vieles. Da sagt der Kleine neben mir plötzlich: „Take me on your arms“ und hängt sich mir um den Hals. Ich streichle und drücke den kleinen Kerl eine Weile, dann schickt Lothar ihn weiter. Er läuft ein Stück bis zum Wachmann. Der Junge setzt sich ihm auf den Schoß und will einfach nur in den Arm genommen werden. Bei alle dem ist der kleine Kerl völlig apathisch. Der Gedanke an den Überfluss an Spielsachen der Kinder in Deutschland raubt mir in dem Moment fast den Atem.
Osman meldet sich nochmal wegen der USV. Irgendwie läuft bei ihm grade alles drunter und drüber. Mohammed und ich fahren nochmal ins Connaught-Hospital. Mit den Leuten vom Forschungsteam besprechen wir nochmal die Lage. Die haben auch schon ein paar Ideen, wie das Problem mit den Maschinen gelöst werden könnte. Hört sich alles gut an und versuche mich langsam aus der Debatte auszuklinken. Sonst bin ich noch die nächsten Monate oder Jahre hier. Zu tun gäbe es genug!
Mohammed und ich nutzen die freien Straßen während der Ausgangssperre und schauen uns Freetown an. Es ist Sonntag und ich brauche eine kleine Verschnaufpause. Die letzten Wochen waren anstrengend und so merke ich so langsam. Mohammed macht einen ganz kurzen Abstecher durch einen der Slums vom Freetown. Ich versuche mit aller Kraft das was ich dort sehe nur wahrzunehmen, aber nicht zu bewerten. Es gelingt mir nur mit großer Mühe. Was ich gesehen habe ist unvorstellbar ich kann und werde es hier nicht beschreiben. Es wird sich mir aber ins Gedächtnis einbrennen. Für immer!
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Heute gibt es eigentlich nicht sehr viel zu berichten, außer dass es mal wieder ein Tag war, an dem man sechs Flaschen Wasser zu 1,5 Liter trinkt und nicht ein einziges Mal aufs Klo muss.
Ingo und ich haben heute das defekte Erdkabel instandgesetzt. Weil Ingo sich mit so etwas einfach besser auskennt als ich, habe ich am Vormittag die einfachen Vorarbeiten gemacht und ihm am Nachmittag assistiert. Die Hitze im Kabelschacht war unerträglich und die Sonne brannte gnadenlos vom Himmel runter.
Die Sache ist gut gelaufen, allerdings ist so eine Reparatur schon sehr zeitintensiv. Am späten Nachmittag ist die Muffe dann schließlich fertig. Die sollte in Zukunft auch während der Regenzeit keine Probleme mehr machen. Der Strom fällt somit nicht mehr aus.
Zurück in Makeni räumen wir die Fahrzeuge aus. Dann ist Feierabend. Es ist bereits Abend und zum Kochen hat keiner mehr Lust. Seit Rudi nicht mehr im Team ist, kochen wir nicht mehr so oft. Stattdessen lassen wir uns in Wusum-Hotel bringen und essen dort. Ich bin mit meinem vegetarischen Essen ganz zufrieden. Aber Jörg hat leider Pech. Das Hühnchen ist völlig trocken und das „Beaf“ ist vom Schwein und dafür völlig fettig. Hm, blöd…
Die Arbeit heute in der Sonne hat mich ganz ordentlich fertiggemacht. Ich gehe früh zu Bett. Für morgen hat Jörg auch wieder ein volles Programm für uns zusammengestellt.
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Den Tag habe ich heute in Port Loko verbracht. Dort sollte einer unserer kleinen Generatoren aufgestellt und in Betrieb genommen werden. Zudem habe ich noch ein paar kleinere Baustellen dort zu erledigen.
Am Morgen habe ich im Workshop zuerst einmal mein Material von den Baustellen der vergangenen Tage etwas aufgeräumt. So langsam wird mir mehr und mehr klar, dass ich in meiner Zeit hier in Sierra Leone wohl keine großen Baustellen mehr anfangen kann.
In der Zwischenzeit ist der LKW mit Ladekran eingetroffen. Der soll den Generator nach Port Loko transportieren. Der müssen wir noch zuerst gemeinsam beim WFP-Lager hier in Makeni aufladen. Im LKW mitfahren kommt laut Jörg nicht in Frage. Zu unsicher! Außerdem ist es im Landcruiser auch bequemer. Bei WFP bekomme ich den Schlüssel für den Stapler und dann laden wir den Generator auf. Den Stapler kannte ich schon vom Aufräumen mit Sven. Den Schein habe ich, also alles gut.
Nur die Sache mit der Ladungssicherung. Die Jungs mit dem LKW haben GAR NICHTS dabei. Der LKW hat keine Bordwände. Die Holzdielen der Ladefläche waren teilweise geborsten und auch sonst ziemlich am Ende. Jörg wusste das und gab mir den Hinweis, dass ich noch Gurte im Landcruiser mitnehmen soll. Die packe ich jetzt mal aus und die Jungs vom LKW-Team machen Augen, als wäre Weihnachten und Ostern auf einen Tag gefallen. Ich erkläre kurz wie ich die Ladungssicherung gerne hätte, sehe aber schnell beim ein oder anderen Kerl aus dem Team wieder die weißen Rauchwölkchen aus den Ohren aufsteigen. Also gut Jungs, dann erkläre ich jetzt mal in aller Ruhe, was Diagonal-Zurren bedeutet… Ganz sicher waren die Jungs sich aber nicht. Wenn da nicht mindestens ein Spanngurt einmal oben drüber geworfen wird, fällt der Generator ganz bestimmt beim nächsten Schlagloch runter.
Nun gut, lass mal machen. Ich hatte noch einen langen Gurt dabei. Jetzt aber los. Es wird Zeit. Stopp…. Kein Druck… Erst mal warten!
Was mich wirklich überrascht hat: Als wir in Port Loko angekommen sind, war keine der Zurr-Ösen herausgerissen oder gebrochen. Auch sonst scheinen die Guten dem Fahrzeug oder dessen Rahmen keinen Schaden zugefügt zu haben. Das mag etwas überheblich klingen. Aber bei dem Fahrzeugzustand waren Zweifel wirklich angebracht. Ein Teil des LKW-Teams hockte während der zweistündigen Fahrt nach Port Loko auf der Ladefläche. Die lehnten am Generator und haben während der Fahrt gedöst. Nun, im Fahrerhaus war es sicher einfach zu warm!
Die „Vacination-Site“ in Port Loko wird derzeit noch renoviert. Überall riecht es nach frischer Farbe. Die Elektriker sind schon fertig und der Sicherungskasten mit dem Umschalter ist angeschlossen. Eigentlich eine schnelle Baustelle. Aber beim Öffnen der Schalter-Abdeckung trifft mich fast der Schlag. Ich muss einen Teil des Schalters nochmals komplett neu anschließen. Weil die Drähte zu dick und unhandlich waren hat derjenige, der diesen Schalter angeschlossen hat, einfach die Hälfte der Litzen in der Leitung abgezwickt. Wegen solcher Aktionen brennen dann Häuser ab. Handu, der Azubi aus der Werkstatt in Makeni hilft mir, damit es etwas schneller geht. Als das fertig ist, klemmen wir den Generator draußen an und weisen den Verantwortlichen in die Technik ein.
Weiter geht es zur nächsten Baustelle. Diesmal aber wenig Arbeit. Nur ein paar Dinge übergeben und dann weiter zum ETC von Port Loko. Für die Chlor-Lösungspumpen, die sich in ihre Bestandteile auflösen, sind Ersatzteile gekommen. Ein kurzer Check, ob dies die richtigen Sachen der. Der Sven oder der nächste WatSan kümmert sich dann um den Einbau. Und noch eine Baustelle. Ein defekter Generator. Ohne Ersatzteil kann ich hier aber gar nicht erst anfangen. Ich schreibe mir die Details auf, damit ggf. ein Teil bestellt werden kann.
Uff, das waren wirklich einige Baustellen heute. Auf dem Rückweg nach Makeni schlafe ich gleich ein. Unsere Fahrer sind allesamt erstklassig. Einsteigen, abfahren gute Nacht!